16 Flaschen Wein und keinen Kopp

weinprobe

Die Weinprobe mit Frau Lu. Ich habe acht Gäste eingeladen, mit Lu und mir sind es zehn durstige Menschlein, und erst als ich anfange, Stühle aus der Küche zu schleppen, um die vier Stühle aus dem Esszimmer zu ergänzen, fällt mir auf, dass nur acht Leute an Omas alten Esstisch passen. Nun gut. Dann wird’s eben etwas kuscheliger.

Auf dem Programm stehen wagemutig acht Rotweine. Lu baut 16 respektheischende Flaschen auf und verteilt riesige rote Spuckbecher, während ich vier Baguettes aufschneide. Auf dem Tisch stehen drei Sorten Salami, Camembert, Ziegenkäse, Räucherlachs, Vollmilchschokolade und Bitterschokolade mit Meersalz. Um punkt 19 Uhr klingeln die ersten Gäste, ich stelle Blumen in Vasen und freue mich über schöne Präsente. Und dann geht’s auch schon los.

Lu verteilt Geschmacksräder, damit wir Vokabeln zur Geschmacksbeschreibung haben, die über „Jo, lecker“ hinausgehen und eine Liste aller Weine, zu denen wir uns Notizen machen können. Ich muss gestehen, ich habe das Notieren im Laufe des viel zu schnell vergangenen Abends immer nachlässiger betrieben; daher werden die folgenden Zeilen auch längst nicht alles wiedergeben können, was wir so gerochen und geschmeckt haben. Aber wer immer sich mit dem Gedanken trägt, ach, so ein paar neue Weine könnte ich ja auch mal kennenlernen: machen. Weinproben besuchen oder buchen oder Probierpakete bestellen und einfach drauflosschmecken. Ich fand die ganze Sache sehr genussreich, sehr lebendig, sehr gesellig, und es hat sehr viel Spaß gemacht, sich mal wieder intensiver mit einem Produkt auseinanderzusetzen.

Der erste Wein: ein Spätburgunder von Römerkelter, 2008, Mosel/Deutschland, 13,5%.

Die Farbe: ein sehr helles Rot, kein Vergleich mit dem üblichen tiefen Rot, das man sofort mit Rotwein assoziiert. Ich finde ihn sehr kantig, eher anstrengend, Lu nennt ihn „spitz“. Nicht so meins. Der Spuckbecher kommt zum ersten Mal zum Einsatz, und ich fühle mich wie ein Profi. Felix meint: Wer am Ende des Abends den leersten Becher hat, hat verloren.

Der zweite Wein: ein Zweigelt von Meinklang, 2008, Burgenland/Österreich, 13%.

Die erste und zweite Nase zuckt vom Glas weg – Lu sagt „nasses Leder“, ich sage „will ich gar nicht im Mund haben“. Ich nehme aber doch brav einen Schluck, kaue auf dem Wein rum, atme durch die Nase aus (dabei kriegt man meist ein recht deutliches Aroma mit) und muss zugeben: schmeckt deutlich besser als er riecht. Viel Kirsche, in der Nase Himbeere, aber irgendwas wuselt im Hintergrund rum, was nervt. Florian nennt es einen Fehlton. Passt. Auch nicht unbedingt mein Liebling des Abends.

Der dritte Wein: Gentile, ein Montepulciano d’Abruzzo von Franco D’Eusanio, 2008, Abruzzen/Italien, 13,5%.

Ah, der erste Wein, der mir richtig schmeckt. Sehr viel Tannin, was ich ja eigentlich nicht so mag, aber hier stört es nicht, sondern gibt dem Wein Charakter. Viel Kirsche. Wir kosten mal ein bisschen Salami dazu, was keine gute Idee ist. Der Wein verliert komplett seine Eigennote; er wird nicht schlecht, aber er ist längst nicht mehr so markant. Mit Ziegenkäse oder Camembert hingegen ist er großartig: Er nimmt dem Camembert das Staubige der Rinde und lässt den Ziegenkäse dahinschmelzen. Den würde ich kaufen.

Der vierte Wein: Pampina, ein Nero d’Avola vom Weingut Maggio Vini, 2008, Sizilien/Italien, 13%.

Auf den hatte ich mich sehr gefreut, denn mein ständiger Weinvorrat beinhaltet einen günstigen Nero d’Avola, der sich bei Edeka in der Bioecke findet und den ich sehr gerne mag. Daher dachte ich, der Pampina müsste mir auch schmecken. Aber meine Nase nölt beim ersten und zweiten Schnuppern laut und vernehmlich: PFERDEMIST. Ernsthaft. Der Geruch, den ich sofort im Hinterkopf habe, ist der der riesigen Misthaufen, an denen ich Landkind früher immer vorbeigelaufen bin: unangenehm weil Exkremente, aber gleichzeitig süßlich-fermentierend. Ein ganz komisches Mittelding. Auch geschmacklich ist das überhaupt nicht meiner. Zur Nero-d’Avola-Traube wurden noch Merlot (mag ich), Cabernet Sauvignon (och jo) und Syrah (bäh) hinzugegeben, und einer von denen hat den Geschmack für mich persönlich total runiert. Ich habe den Rest des Abends nur noch von „Syrah, der Ratte“ gequengelt und war sehr verstimmt darüber, dass ich augenscheinlich nicht alle Nero d’Avolas unbedenklich bestellen kann.

Der fünfte Wein: ein Bordeaux vom Château Vieux Georget, 2008, Bordeaux/Frankreich, 12%.

Ich habe im Laufe des Abends immer weniger den Spuckbecher genutzt, was sich allmählich rächt. Ich kann überhaupt nicht mehr sagen, welche der vielen verfügbaren roten Früchte sich hier als Aroma rausschält. Ich kann aber noch sagen, dass ich diesen Bordeaux relativ unaufregend finde, aber genau das macht ihn ziemlich sympathisch. Vielleicht möchte er ja die Verrätertraube Nero d’Avola als meinen Immer-im-Haus-Wein ablösen. Der Wein ist sehr geradeaus, sehr schlicht, eckt nicht an, stört nicht, schmeckt halt einfach so vor sich hin. Wir haben ihn sowohl mit Salami als auch mit Camembert probiert; auch hier: passt, macht nichts kaputt, macht aber auch nichts besser. Unaufregend halt. Lu meint, dass er so richtig typisch „nach Bordeaux“ schmeckt. Dann mag ich anscheinend Bordeaux.

Der sechste Wein: ein Corbières vom Château Coulon, 2008, Languedoc-Roussillon/Frankreich, 14%.

Mein bisheriger Liebling. Leider habe ich mir keine Notizen mehr dazu gemacht, womit er gut schmeckt und womit nicht, aber auf meinem Zettel hat er ein Kreuz (das nur noch von den zwei Kreuzen des achten Weins übertroffen wurde). Selbst der Geruch der leeren Flasche ist sehr weich und stimmig, und nachdem ich das Etikett nochmal gelesen habe, auf dem etwas von Barriquefässern steht, fällt mir wieder ein: ach ja, das leichte Vanillearoma. Ich erinnere mich an eine angenehme Süße und viel Frucht. Ich weiß allerdings nicht, warum ich den Wein so gerne mag, denn von der Ratte Syrah sind hier 35% drin. Wein ist echt kompliziert. (Super Satz.)

Der siebte Wein: El Molino, ein Tempranillo vom Weingut Jesús del Perdón, 2008, Kastilien-La Mancha/Spanien, 13,5%.

Lu plaudert aus, dass der El Molino ihr Haus-und-Hof-Wein ist. Kann ich verstehen. Er schmeckt auch zu so ziemlich allem auf dem Tisch, sogar zur fiesen Vollmilchschokolade, die bei jedem anderen Wein nach Palmin und Geiz geschmeckt hat. Hier hat man das Gefühl, selbstgemachte Mon Cheris zu essen, und das schmeckt gar nicht mal schlecht. An mehr kann ich mich nicht erinnern, keine Notizen, der Abend war spät und ich sehr gut gelaunt. Spuckbecher sind Teufelswerk.

Der achte Wein: Vinya Laia vom Weingut Albet i Noya, 2007, Katalonien/Spanien, 13,5%.

Zwei Kreuze auf dem Notizzettel, aber keine Ahnung mehr, warum. War anscheinend toll. Ich erinnere mich daran, dass Lu meinte, dieser Wein sei einer von denen, die einem abends einen richtig miesen Tag noch retten können. Unterschreibe ich sofort, denn die leere Flasche riecht sehr verlockend.

Ich bin offiziell betrunken, schaffe es aber noch, den hungrigen Mäulern ein paar Gemüsesticks und einen Dipp zuzubereiten, während die Rotte sich weiter volllaufen lässt. Wenn ich mir die Pegelstände der übriggebliebenen Flaschen angucke, hat ausgerechnet der Pferdestallwein Pampina den meisten am besten geschmeckt. Zweiter Platz: der Gentile. Geteilter dritter Platz für El Molino und den Château Coulon. Vierter Platz für meinen Liebling Vinya Laia. Den fünften Platz teilen sich der Château Vieux Georget und der Zweigelt, und extrem abgeschlagen auf dem letzten Platz (fast volle Flasche) der Römerkelter.

Eigentlich dachte ich, nach der Orgie am Samstagabend will ich Sonntag bestimmt keinen Wein mehr trinken. Aber genau das Gegenteil ist eingetreten: Ich freue mich jetzt schon auf den Abend, wenn ich die Reste meiner Lieblinge nochmal antesten kann. Ich persönlich habe sehr viel von der Verkostung mitgenommen: mal wieder die Würdigung eines komplexen Genussmittels und vor allem den Genuss des Ausprobierens, Schmeckens, Riechens, Nachspürens, wie jetzt was schmeckt und duftet. Ich habe selten so viel Spaß dabei gehabt, meinen Horizont zu erweitern. Und wenn ich das mal der geneigten Leserschaft auf den Weg geben darf: Das ganze ist sogar bezahlbar. Ich habe den Abend alleine bestritten (mein Geburtstagsgeschenk an mich selbst), aber wenn man sich mit ein paar Freunden zusammentut, ist das alles sehr erschwinglich und macht sehr, sehr viel Freude. (Werbung off. Noch mehr Spaß am Weintrinken als vorher on.)

Tagebuch 10.04.2010

weinprobe_vorher

weinprobe_nachher

Es geht doch nichts über einen guten Plan.

Tagebuch 09.04.2010

Mittags mit einer ehemaligen Kollegin um 12.45 Uhr zum Essen verabredet gewesen. Ich komme immer zu früh und hatte daher noch vor dem Mittagsrush die Gelegenheit, mir einen Platz auszusuchen. Meine Lieblingsplätze auf der rückenfreundlichen Bank mit dem Blick zur Tür (weil alle anderen ja immer nach mir kommen) waren aber doch schon weg. Also saß ich mit dem Rücken zur Tür. Und wartete. Und wartete. Bis um kurz vor eins mein Handy klingelte und meine Kollegin mich fragte, wo ich denn sei.

„Ich sitze schon im Mama.“

„Ich doch auch! Wo bist du denn? Ich sitze am Fenster.“

Ich drehe mich um, sehe sie, winke – und sie guckt seeehr verdutzt und kommt dann an meinen Tisch.

„Ich hab dich überhaupt nicht erkannt! Ich hab nur nach deiner Baseballmütze geguckt. Gut siehst du aus!”

Nach dem Essen zu habitat geschlendert, weil ich mir doch endlich ein Weinregal zulegen will. Das sah aber in echt ne Ecke billiger als auf der Webseite und sehr zusammengezimmert aus. Weitersuchen.

Keinen Tee bei TeeGschwendner vor Ort gekauft, sondern mir lieber eine weitere Online-Bestellung vorgenommen. Zu viele Touristen im Laden.

Blumen gekauft und zu Fuß nach Hause gegangen, anstatt zwei Stationen mit dem Bus zu fahren.

Den Nachmittag über die Wohnung ein bisschen feiner gemacht für die Weinprobe am Samstag. Mittendrin kam Lu vorbei, die mich seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen hat, um schon mal die circa 25 Flaschen bei mir abzuladen, bevor sie ins Hotel fuhr.

„Gut siehst du aus!“

Dann wieder auf die Couch gesetzt, um weiter in dem cleveren Teebuch zu lesen, das die Gschwendners zu ihren Online-Bestellungen legen. Darin sind alle Sorten, die sie führen, brav aufgelistet, mit schmackigen Erklärungen, warum dieser Assam jetzt anders schmeckt als jener Ceylon. Irgendwann jeden Widerstand aufgegeben, Omis Teetasse mit dem dazugehörigen Milchkännchen und der Zuckerdose aus dem Schrank geholt und des Kerls Teedose geplündert. (Ich habe momentan nur grünen Tee da, aber der Herr des Hauses hatte noch schwarzen.) Mit der zierlichen Tasse wieder aufs Sofa, vor den Rechner, an der Tasse geschnuppert, die Farbe und den Duft genossen, erst den Tee pur probiert, dann mit Sahne. Ich habe noch nie Sahne in einen Tee geschüttet. Schmeckt. Schmeckt aber auch ohne.

Mit dem Tee in der Hand ein paar Folgen Grey’s Anatomy geguckt. Sehr ausgeglichen gefühlt. Sehr zufrieden.

He, Tag – gut siehst du aus.

Hätte ich schreiben können: A long-delayed missive on “childhood obesity”, from a onetime obese child.

“The path I ultimately chose was self-acceptance, and cultivating an appreciation of my body no matter how my appearance may (or may not) change. I chose to care for myself and dig myself. It was a long time coming; it didn’t happen in a week or even a year. But with time I came to realize that it wasn’t my fatness that made me hate exercise; it was the social expectations associated with being fat that did so. It wasn’t my fatness that made me feel inferior to and isolated from most people I met; it was the cultural ideology which dictated that fat people are lonely, miserable, and broadly unpleasant.

Nothing that happened to me as a kid, none of the changes I went through, none of the self-loathing I absorbed, none of the teasing I tolerated, none of it would have taken place if I were fat in a vacuum. None of it happened exclusively as a result of my fatness. It happened because of the culture in which I was living, a culture we all share to one degree or another. It happened because I received, processed, assimilated and internalized the negative messages about what fat people can and cannot do, and what fat people are and cannot be. It happened because my peers did the same and acted out those cultural expectations upon me; because my pediatrician believed that putting a nine-year-old child only slightly bigger than average on a diet was a smart and responsible choice; because my parents, trying only to raise me as a happy and healthy kid, thought that I needed help in order to be normal. My fat was never the problem; the problem was living in a world that targeted fat people as defective, unintelligent, ill, repulsive. If I hadn’t felt singled out, if I hadn’t been utterly convinced that no one in the world aside from my parents would like me, let alone love me, until I stopped being fat… my childhood and teenage years probably would have been very different. Indeed, if I hadn’t beaten my metabolism to a pulp through compulsive dieting during my formative years, I may even not be as fat as I am today. I’ll never know.”

Fatshionista

Nachtrag zu meinem Genöle, dass ich mehr dicke Frauen in schönen Klamotten sehen möchte: Jill hat mich per Mail auf die Livejournal– und die Flickr-Seite von Fatshionista aufmerksam gemacht. Vielen Dank.

Ich gucke ab und zu bei Young, Fat und Fabulous vorbei, aber das ist selten meins. (Ist auch so gar nicht mein Körper. Leider.)

Sie kriegen das schon mit, dass ich meine lustige Berufereihe laufend ergänze, oder?

Tagebuch 08.04.2010

Passfotos machen lassen für neuen Perso und Reisepass. Fotos haben mich sofort in eine tiefe Sinnkrise gestürzt, natürlich vor allem das für den Reisepass, auf dem man nicht lächeln darf und geradeaus gucken muss und so von vornherein wie eine Schwerverbrecherin aussieht. Zum zweiten Termin des Tages dann den Lippenstift abgewischt, die rote Bluse gegen eine violette getauscht, die neuen Ohrringe rein und dann ging’s wieder. Trotzdem doof, Aussehen, Attraktivität, Selbstansprüche, Selbstbilder. Anstrengend, alles, das.

In unserer Wohnung sind Bad und Toilette getrennt, was ich großartig finde. Aber: Der Raum für die Toilette ist natürlich winzig; heißt: nicht viel Platz für … äh … Gerüche, um sich … äh … aufzulösen. IHR WISST SCHON. Im Sommer ist daher das Fenster immer schön auf Kipp; im Winter stelle ich lustige Duftmischungen auf die Fensterbank, damit man sich beim Pinkeln nicht den Pöter abfriert. Bis vor kurzem roch es auf dem Klo ziemlich weihnachtlich, weil ich die große, offene Vase mit dem dunkelroten Duftzeug so gerne mag (und noch lieber den dicken, plüschigen Schneemann, der zum Ensemble gehört, auch wenn er nach nichts riecht). Aber jetzt, wo die Temperaturen ab und zu zweistellig werden, wollte ich mal einen anderen Duft haben als Zimt und Nüsse und Sternanis. Also habe ich an dutzenden von diesen Duftfläschchen gerochen, die so gerne bei Ärzten auf dem Tresen stehen, diese kleinen Glasflaschen, aus denen Holzstäbchen ragen. (Das Zeug hat bestimmt einen fancy Namen, aber ich kenne ihn nicht.) Ich habe meine Nase mit „Zitrone“ malträtiert bzw. dem, was die Geruchsdesigner sich unter Zitrone vorstellen, Orange, Mandeln, Vanille, Nadelwäldern, Morgentau, Seebrise und weißdergeierwas. Das einzige, das erträglich gerochen hat, hatte den mit Abstand dämlichsten Namen ever: mental balance. Was natürlich dazu führt, dass der Kerl und ich jetzt dauernd sagen „Ich such mal wieder meine geistige Mitte“ anstatt „Ich geh mal kacken.“

Tagebuch 07.04.2010

einkaeufe

Einkaufen gewesen, die Wirtschaft angekurbelt (immer meine Lieblingsausrede, wenn ich die EC-Karte zücke). Nach Jahren des immer gleichen Einkaufs eine sehr seltsame Ausbeute in den vielen Tüten gehabt: lange, flatterige Tücher, ein paar bunte Blusen, eine Kette, drei Paar Ohrringe, einen Ring und – eine Handtasche.

Ich bin die letzten, na, sieben, acht Jahre immer gleich rumgelaufen: Jeans, Shirt, Turnschuhe, die mittellangen Haare zum Pferdeschwanz und Baseballmütze drauf. Dazu harmonierte hervorragend mein bisheriges Rumschlepputensil: mein geliebter schwarzer Lederrucksack, der groß genug ist für Laptop plus Kabelage, ein Buch, das Sonnenbrillenetui und den ganzen Kleinkram, der immer mitmuss. Zu meinem alt-neuen Klamottenstil – schlichte Pullis oder Blusen, Blazer, Stoffhosen – passt er leider gar nicht. Wenn ich nicht zur Arbeit gehe, sondern zum Beispiel zum Flattertücher-und-Ohrringe-Kaufen in die Innenstadt, kommt jetzt alles in eine ebenso schwarze und ebenso flache, schlichte Tasche aus Leder. Wenn ich zur Arbeit gehe, nutze ich seit kurzem wieder meine Aktentasche, die ich nicht so nenne, weil sie nicht wie eine aussieht. Sie ist aber auch kein Messenger Bag; sie ist einfach eine schwarze, flache Tasche, in die auch alles reinpasst, was bisher in den Rucksack reingepasst hat.

Ich fühle mich mit meinen beiden Taschen sehr wohl, aber ich muss mich noch an sie gewöhnen. Genau wie an die Ohrringe und die Flattertücher und die Ketten. Das lernt man ja in jedem Buch „Wie ziehe ich mich als dicke Frau ordentlich an“ – lange Tücher und Ketten strecken wie doof. Glaub ich alles. Ich weiß inzwischen auch, dass ich mit den Blusen mit V-Ausschnitt besser aussehe als in denen mit Rundhalsausschnitt. Oder, wie Tine Wittler sagt (ich mag die Dame): nicht noch eine Rundung mehr am Körper.

Wo wir gerade bei Tine sind: Ich mag sie deshalb, weil sie sich nicht versteckt. Ich fühle mich wohl in Schwarz, aber ich gebe zu, ich habe (noch?) nicht den Mut dazu, knallbunt rumzulaufen. Denn gerade als Dicke wird einem ja immer suggeriert: Versteck dich besser, du fällst eh schon auf. Vielleicht nicht gerade den quietschlilafarbenen, körperbetonten Mantel, sondern eher das gedeckte graue Zelt. Blödsinn. Ich arbeite dran. Zum Beispiel mit den Ketten und den bunten Tüchern. Ich finde zwar, dass ich allmählich wie eine Bankkauffrau aussehe (not that there’s anything wrong with that), aber wenn ich mir überlege, dass ich die letzten Jahre wie ein schlechtgelaunter Schlumpf aus der Herrenabteilung ausgesehen habe, finde ich mich als gutgelaunte Bankangestellte ziemlich prima.

Neu in der Blogroll: Anders anziehen. Ich mag, dass sich dort alte und junge Menschen finden. Ich würde mich freuen, auch ein paar dicke zu sehen (so wie diese Dame). Aber ich ahne, dass das aufgrund des oben beschriebenen Sachverhalts schwierig sein wird. Leider.

Schweinefleisch mit einer Sauce, die irgendwie ein Mittelding zwischen der 86 beim Chinamann und Ketjap Manis ist

sojaschwein

(Das Originalrezept nennt das Ding “Pork with sweet soy sauce” und hat viele hübsche Fotos.)

Bevor ich die leckeren Zutaten aufzähle: Gibt’s im Asialaden Ingwersirup? Ich hatte am Wochenende keine Lust, in einen reinzugehen, und die Asienecke im Supermarkt hatte keinen. Daher musste ich, bevor ich das Schweinefleisch in die Pfanne hauen konnte, erstmal Ingwersirup machen. Der ist erstens verdammt lecker und zweitens blitzschnell gemacht.

Für das Rezept brauchen wir nicht so viel, wie im Wiki-Link vorgesehen. Ich habe

1/4 Tasse Wasser mit
1/4 Tasse Zucker

aufgekocht, bis sich der Zucker aufgelöst hat, und dann

ein daumengroßes Stück Ingwer

dazugegegeben, geschält und grob gehackt. Das ganze auf kleiner Flamme vor sich hinsimmern lassen, bis aus der Flüssigkeit ein schicker Sirup geworden ist. Hat bei mir keine zehn Minuten gedauert. Das ganze durch ein Sieb geben, ein bisschen

Zitronensaft

dazu, fertig. Könnte man jetzt mit Sprudel aufgießen, könnte man aber auch zu einer seltsamen Sauce verarbeiten. Nämlich so:

2 EL Ingwersirup (easypeasy)
4 EL Sojasauce
3 EL süße Chilisauce (die hatte mein Supermarkt)
1 EL brauner Zucker

Alles vermischen. Dazu laut Rezept

1/4 TL Chilipulver
1/2 TL Currypulver

Ich hab von den beiden Gewürzen so ziemlich genau jeweils einen TL genommen. Ein viertel Teelöffel, wo kommen wir denn da hin. Deswegen hatte meine Sauce auch diese angenehme Schärfe, die hinten im Rachen rumkriecht, aber nicht vorne auf der Zunge und an den Lippen nervt. Ich esse nämlich nicht gerne scharf, aber so pseudoscharf darf’s gerne sein. In einer Pfanne

1 große Zwiebel, in Ringe geschnitten und
1 grüne Paprika, in Streifen geschnitten

in Öl anbraten. Ich hab noch ne gelbe Paprika dazugeschmissen, dann war auch die Gemüsebeilage erledigt. Und ich hab Sonnenblumenöl genommen, das mag ich neuerdings zu allem.

Das ganze ein paar Minuten in der Pfanne lustig hin- und herwenden, bis die Zwiebeln leicht gebräunt sind. Den Pfanneninhalt in einen Teller umsiedeln und warm halten. In der Pfanne nun

500 g Schweinefleisch mit
zwei gehackten Knoblauchzehen

anbraten. Wenn das Fleisch ein bisschen Farbe hat, die Sauce dazukippen und alles auf kleiner Flamme für circa zehn Minuten köcheln lassen. In der Zeit kann man zum Beispiel eine Runde Reis kochen, denn – Überraschung – asiatische Gerichte sind mit Reis echt lecker.

Das nächste Mal probiere ich das mit Huhn aus, aber der Sauce bin ich bereits total verfallen.

Das war das Samstagsgericht. Sonntag gab’s Chicken Marsala, das genauso lecker war, aber ich hatte überhaupt keine Lust, ein Foto zu machen. Kann ich aber zum Nachkochen sehr empfehlen.

Tagebuchbloggen 06.04.2010

Erster Tag vom zweiwöchigen Urlaub. Endlich Zeit für den ganzen Krempel, den ich seit Wochen vor mir herschiebe. Daher war mein Vormittag dann auch geprägt von Telefonaten mit Versicherungen, Zahnärzten, Krankenkassen und re-publica-Vermietern – also fast alles Zeug, das ich ungern im Großraumbüro erledige. Oder, weil der Handyempfang beim derzeitigen Arbeitgeber leider so richtig schön mies ist, per iPhone im Innenhof rumlaufend.

Ich habe mir selbst zum Geburtstag eine Weinprobe bei meiner Lieblingssommelière geschenkt. Diesen Samstag kommt Frau Lu mit nem Haufen Rotwein unter dem Arm zu mir, und ich und einige ausgewählte Schnapsdrosseln werden schlucken und spucken, was das Zeug hält. Dafür musste ich noch einen Schwung Rotweingläser kaufen. Und wenn ich schon mal in der Innenstadt war, auch gleich noch einen Schwung Obstbrandgläser dazu. Bisher habe ich meinen Lieblingsgrappa immer aus den schweren Averna-Gläsern serviert, aber ich mag die lustige Form der neuen Gläser so gerne. Her damit.

Den Nachmittag mit ein paar Folgen Scrubs verbracht, der Umsatzsteuervoranmeldung für März, bisschen in der Wohnung rumpuscheln, die neue Hose endlich kürzen – allerdings ohne Nadel und Faden, das kann ich bis heute nicht, und seit ich weiß, dass es diese herrliche Aufbügelklebezeug gibt, mit dem man den Saum einfach umschlagen und festkleben kann, will ich das auch nicht mehr lernen.

Abends eine gute Freundin wiedergetroffen, mit der ich vor 20 Jahren zur Schule gegangen bin. Sie lebt seit Jahren als Hauptschullehrerin in Köln; wir telefonieren so drei-, viermal im Jahr, aber es ist immer so, als hätten wir gestern das letzte Mal geschnackt. Die alte Vertrautheit ist sofort wieder da, was ich sonst mit niemandem so habe. Ich habe K. das letzte Mal vor fünf Jahren auf ihrer Hochzeit gesehen und mich daher sehr gefreut, dass ihr Mann und sie einen kleinen Spontanurlaub in Hamburg eingelegt haben.

Wir haben uns im Abaton-Bistro getroffen (da schleppe ich immer Gäste hin, weil die lederne Bank so rückenfreundlich ist). K. und ich haben natürlich erstmal alle Leute durchgehechelt, mit denen wir zur Schule gegangen sind, dann unser eigenes Leben reflektiert – ich hab übers Essen geredet, sie über ihre Schüler und deren Eltern und wie anstrengend und herausfordernd es ist, sehr desillusionierten Kindern trotzdem Mut zu machen, dass aus ihnen etwas werden kann. Und dann hab ich erwähnt, dass ich neuerdings Chemiebücher lese, woraufhin K.s Mann mir Onkel Wolfram empfohlen hat, das ich ja lustigerweise gerade gelesen habe. Ich habe mich den ganzen Abend darüber gefreut, jemanden zu kennen, der das gleiche Buch gelesen hat wie ich, weil das ja nun wirklich nicht unbedingt eins ist, das jeder im Schrank stehen hat. Wir haben dann eine Runde über Metalle geredet und das Periodensystem und sind zu Astronomie gekommen und dass die beiden ein Teleskop haben, mit dem man prima Mondkrater angucken kann. Und ich hatte das wohlige Puschelgefühl im Bauch, dass mein Leben mal wieder einen Kreis schließt. Von ganz alten Freunden zu neuen, die gerade in einem Hotel wohnen, das mir meine Twitter-Timeline empfohlen hat, von Büchern, die ich durchs Bloggen kennengelernt habe und die mir jetzt auch im „echten Leben“ begegnen, von ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen, die doch irgendwo Schnittmengen haben.

Pizza Agnello, einen Rosé, einen Riesling und ein halbes Tiramisu. Die andere Hälfte esse ich gerade zum Frühstück. Guter Tag.

Stephen Fry schreibt – wie immer sehr persönlich – für Time über das iPad: The iPad Launch: Can Steve Jobs Do It Again?

“In 1984, Douglas Adams, author of The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy, was the first person in Britain to own a Macintosh computer, and I was the second. Goodbye, glowing green command line; hello, mouse, icons and graphical desktop with white screen, closable windows and menus that dropped down like roller blinds. Throughout the next decade I would regularly go round to Douglas’ London house, floppy discs under my arm, and ring the doorbell.

“Is he in?” I would pant excitedly. Douglas’ wife Jane would point with resigned amusement to the stairs, and I would hurl myself up them to swap files and play. We were like children with toy train sets. And that was part of the problem. It was such fun. Computing was not supposed to be fun.

(…) back in those days the Mac was derided as a toy, a media poseur’s plaything and a shallow triumph of style over substance by those with a belief that computers, as utilitarian tools performing serious functions for business, should be under the control not of the user but of IT technicians and systems engineers. Despite the PC’s eventual adoption of a Mac-style graphical user interface with the release of Windows 95, the damage had been done to Apple. By 1997, the company was in deep crisis. Douglas and I got used to the gloating sympathy of exultant PC users. “You’ll soon be getting your spare parts and upgrades from hobbyist outlets and mail order,” they chuckled. The specialist and business magazines agreed.

But not so fast; hold your horses: one of the most extraordinary pages in America’s corporate history was about to be written. Apple’s “mercurial” co-founder Steve Jobs (people like Jobs always find themselves tagged with words like that) was fired from his own company just a year after the Mac’s release. In exile he created Pixar Animation Studios and the NeXT computer. His return to Apple in 1997, after it purchased NeXT, is now the stuff of legend. In the design department, Jobs saw the work of a young Briton called Jonathan Ive and asked for a meeting. Ive, underused and ignored for a year, turned up with a resignation letter tucked into the back pocket of his jeans. He left with instructions to unleash his talent. The result was the iMac, an all-in-one computer in a white-and-Bondi-blue transparent housing as far removed from the standard beige box of the day as could be imagined. Ive’s next major designs would be the iPod and then the iPhone. Apple’s transformation from underdog to the biggest beast in the jungle was under way. And look what’s iPadding through the undergrowth toward us now.”

“Why do we read fiction? Why do we care so passionately about nonexistent characters? What underlying mental processes are activated when we read? (…)

Jonathan Gottschall, who has written extensively about using evolutionary theory to explain fiction, said ‘it’s a new moment of hope’ in an era when everyone is talking about ‘the death of the humanities.’ To Mr. Gottschall a scientific approach can rescue literature departments from the malaise that has embraced them over the last decade and a half. Zealous enthusiasm for the politically charged and frequently arcane theories that energized departments in the 1970s, ’80s and early ’90s – Marxism, structuralism, psychoanalysis – has faded. Since then a new generation of scholars have been casting about for The Next Big Thing.

The brain may be it. Getting to the root of people’s fascination with fiction and fantasy, Mr. Gottschall said, is like ‘mapping wonderland.’ (…)

The road between the two cultures – science and literature – can go both ways. ‘Fiction provides a new perspective on what happens in evolution,’ said William Flesch, a professor of English at Brandeis University.

To Mr. Flesch fictional accounts help explain how altruism evolved despite our selfish genes. Fictional heroes are what he calls ‘altruistic punishers,’ people who right wrongs even if they personally have nothing to gain. ‘To give us an incentive to monitor and ensure cooperation, nature endows us with a pleasing sense of outrage’ at cheaters, and delight when they are punished, Mr. Flesch argues. We enjoy fiction because it is teeming with altruistic punishers: Odysseus, Don Quixote, Hamlet, Hercule Poirot.“

Next Big Thing in English: Knowing They Know That You Know, NYT.

„Ich bin …“

Literatur-Übersetzerin.

Werbetexterin.

Script Consultant.

Laborantin.

Arbeiterin.

Kommunikationsberater.

alles Mögliche.

Journalist, Dozent und Berater.

Buchhändlerin.

Siebdruckerin, Autorin und Mutter.

Ebayerin.

Informatiker.

Webdesigner und Internetconsultant.

IT Expert im EUWS.

Chefin eines Familienunternehmens.

Grafikdesignstudentin.

IT-Prüferin.

Ernährungstrainerin, Textarbeiterin, Sommeliere, Bildredakteurin.

Videografikerin bei einem TV-Sender.

Illustratorin, Art Director, Atelierleiterin.

eine Hälfte einer Designpartnerschaft.

Zahnarzt.

Marktforscherin.

PR-Redakteurin.

Künstleragentin.

Hat das noch wer ausgefüllt? Ich les das so gerne. (Edit: wird laufend ergänzt. Hinweise auf Links, die ich selber nicht in den Referrern finde, werden gerne entgegengenommen.)

Oh, und Esther Grau informiert (mich) darüber, wie ich meinen Traum von der Schwerelosigkeit eventuell wahrmachen könnte.

Vielleicht brauch ich ja doch eins

“Maybe the most exciting thing about iPad is the apps that aren’t here yet. The book-film-game hybrid someone will bust out in a year, redefining the experience of each, and suggesting some new nouns and verbs in the process. Or an augmented reality lens from NASA that lets you hold the thing up to the sky and pinpoint where the ISS is, next to what constellation, read the names and see the faces of the crew members, check how those fuel cells are holding up.”

(Boing Boing)