Battle Cry of Freedom

Im letzten und vorletzten Jahr habe ich gefühlte zehn Monate damit zugebracht, mich durch die Hitler-Biografie von Joachim Fest zu wühlen; ein anstrengendes, aber sehr lohnenswertes Leseerlebnis. Dieses Jahr scheint ein Buch von James McPherson den Platz der Langstreckenlektüre einzunehmen: Battle Cry of Freedom.

Das Buch hat im Jahre 1989 den Pulitzerpreis für historical writing erhalten, und die New York Times nennt es laut Wikipedia “the best one-volume treatment of the Civil War”. One-volume ist deshalb bemerkenswert, weil es, soweit ich weiß, kein anderes Ereignis in der amerikanischen Geschichte gibt, über das mehr Bücher geschrieben worden sind als der Civil War.

Battle Cry of Freedom beschreibt den Weg der Vereinigten Staaten bzw. der Union und der Konföderierten in den Krieg und natürlich den Krieg selbst. Ich bin gerade auf Seite 220 von 900, und die Kampfhandlungen haben noch nicht einmal angefangen; so ausführlich ist das Buch – und so spannend. Viele Faktoren waren mir nicht bekannt bzw. ich habe nicht über sie nachgedacht, wenn ich an den Bürgerkrieg gedacht habe. Für mich war das halt die Auseinandersetzung um die Sklaverei – was es größtenteils auch war, aber es gab weitaus mehr Faktoren, die zum Kriegsausbruch führten. Mir war zum Beispiel nicht klar, wie unterschiedlich Nord- und Südstaaten in Vorkriegszeiten waren. Ein kleiner Ausschnitt aus dem Buch:

„People on both sides began pointing with pride or alarm to certain quantitative differences between North and South. From 1800 to 1860 the proportion fo the northern labor force in agriculture had dropped from 70 to 40 percent while the southern proportion had remained constant at 80 percent. Only one-tenth of southerners lived in what the census classified as urban areas, compared with one-forth of northerners. Seven-eighths of the immigrants settled in free states. Among antebellum men prominent enough to be later chronicled in the Dictionary of American Biography, the military profession claimed twice the percentage of southerners as northerners, while the ratio was reversed for men distinguished in literature, art, medicine, and education. In business the proportion of Yankees was three times as great, and among engineers and inventors it was six times as large. Nearly twice the percentage of northern youth attended school. Almost half of the southern people (including slaves) were illiterate, compared to 6 percent of residents of free states.“

Mir war nicht klar, dass die Frage „Sklavenhaltung, ja oder nein“ auch mit „Argumenten“ geführt wurde wie: Sklaven im Süden werden von ihren Haltern versorgt, während im Norden freie Arbeiter sich einen entwürdigenden Konkurrenzkampf um Arbeit liefern. Ich hatte nicht bedacht, dass die Vereinigten Staaten von 1860 noch anders aussahen als heute, dass es viel weniger Staaten gab, die zur Union gehörten und dass jeder neue Staat, der aufgenommen werden wollte, sich erstmal über die Sklavenfrage klar werden musste – und dass es demzufolge in jedem neuen Staat erstmal Auseinandersetzungen darum gab, sowohl verbale als auch blutige. Ein Beispiel: der Kansas-Nebraska-Act, der direkt zur Gründung der republikanischen Partei führte, mit der Abraham Lincoln schließlich Präsident der Nordstaaten wurde.

Eine schicke Liste mit Vorfällen, die in den Krieg führten, hat wie immer die Wikipedia, natürlich mit vielen weiterführenden Links. Nur für den Fall, dass ihr euch das Buch doch nicht kaufen wollt.

Warum ich ausgerechnet jetzt darüber schreibe, obwohl ich das Buch noch nicht durchgelesen habe? Weil vor kurzem mehrere Leute getwittert haben, dass arte Fackeln im Sturm zeigt. Was mich genauso verwundert hat wie die Twitterer. Ich habe also mal nachgeguckt und erfreut festgestellt, dass es derzeit einen Themenschwerpunkt mit dem Civil War gibt. Letzten Sonntag gab es die erste von neun Folgen einer hervorragenden Dokumentation zu dem Thema, und auf arte+7 ist die Sendung noch verfügbar.

Edit: Claas hat mich netterweise auf einen Eintrag bei USA Erklärt hingewiesen, der die Ausmaße und Auswirkungen des Bürgerkriegs noch auf das heutige Amerika beleuchtet.