„Für Angela wähle die 010853131-01, für Gerhard die 018053131-02“

Hat sich wirklich jemand vom Duell in seiner Wahlentscheidung beeinflussen lassen? Ich persönlich habe nichts gehört, was ich nicht auch schon in den wochenlangen Kleinkriegen vorher gehört habe. Was mich richtig genervt hat, war das ewige Kleinklein, ob jetzt die Krankenschwester mit dem Kirchhof-Modell mehr oder weniger zahlt oder wieviel Cent des Benzinpreises jetzt den Renten zugute kommen … wer will das wissen? Wer kann damit wirklich was anfangen? Ich hätte mir gewünscht, wirkliche Konzepte zu hören, neue Ideen, wie man angeblich alles besser machen kann als Rotgrün. Aber logischerweise kam da nichts, weil bei Schwarzgelb auch keiner ne Wahnsinnsidee in der Tasche hat, wie von heute auf morgen blühende Landschaften sprießen sollen.

Frau Merkel fand ich zu Anfang arg angespannt; das wurde allerdings besser, Respekt. Schröder hat sich auf seine Primärtugend des jovialen Staatsmannes besonnen und schön dazwischengequatscht, wenn ihm was nicht passte, aber im Großen und Ganzen fand ich es ziemlich ausgewogen und nicht so giftig, wie ich es erwartet hatte. Trotzdem weiß ich wirklich nicht, warum irgendjemand nach dieser Diskussion plötzlich eine andere Partei wählen sollte als die, die er sowieso wählen wollte. Und für eine fundierte Entscheidung, welche Partei er überhaupt wählen soll, waren dann auch zuwenig Parteien am Start. Warten wir auf die Elefantenrunde.

(Schicke Krawatte von Schröder. Fieses Pattex-Make-up von Merkel.)

“Coincidences are God’s way of remaining anonymous.“

Bill Moyers

(aus Jane Fondas Autobiografie My Life So Far, das ich seit gestern mit großer Begeisterung und Sympathie lese. Kein banales „Mein Papa war Schauspieler und deswegen bin ich auch Schauspielerin“, sondern ein sehr berührendes, selbstkritisches, intimes Buch über die Suche nach sich selbst, die, wie Fonda sagt, erst jetzt, nach über 60 Lebensjahren vielleicht ein Ende gefunden hat, und über das Aufwachsen als Mädchen und Frau in Amerika im letzten Jahrhundert.)

Go, Sister, Soulsister

Wer für November noch einen schnuffigen Theatertermin sucht, dem sei Sister Soul ans Herz gelegt, ein Musical im Altonaer Theater, das auf dem Film Sister Act beruht. Also die Story von der Sängerin, die einen Mord mitangesehen hat und die daraufhin im Kloster Zuflucht sucht, um nicht vom Mörder ebenso erschossen zu werden. Im Kloster peppt sie dann den miesen Chor auf und macht aus ihm eine launige Gospeltruppe.

Sister Soul verkürzt die Filmstory etwas für die Bühne und hat sie nach Hamburg verlegt. Es fühlt sich an wie eine Mischung aus Boulevardtheater und Gospelkonzert, was aber okay ist – das Altonaer Theater kann natürlich nicht mit den „professionellen“ Bühne wie der der Vampire oder des Löwenkönigs mithalten. Aber gerade durch diese erzwungene „Laienhaftigkeit“, die dem Stück anhaftet, macht es Spaß – und es macht es mir als überzeugtem Nicht-Mitklatscher-und-alle-Mitklatscher-Hasser plötzlich ganz leicht, eben doch mitzuklatschen und mitzusingen, denn das durfte man nicht nur, sondern man wurde dazu aufgefordert. Zum Schluss stand der ganze Saal und sang mit den Schauspielern „Oh Happy Day“ – und das war er auch. Keine große Kunst, aber wer will das schon dauernd. Stattdessen ein netter, entspanner Abend.

Sister Soul ist ab 24. November wieder im Programm.

Worte, die gestern meinen Tag gemacht haben, einmal positiv und einmal naja:

„Die Webseite macht doofe Augen“ bei den Popnutten klingt sehr schön. „Veteran sex symbol“ als Bezeichnung für Kathleen Turner auf den imdb-News klingt eher gemein.

“How pathetic”

Ich rege mich seit Tagen über die Äußerung von Jürgen Trittin auf, dass die USA (sinngemäß) selbst Schuld daran hätten, dass sie Katrina so hart erwischt hat. Hätten sie doch bloß die Kyoto-Protokolle ratifiziert, dann wäre alles nicht so schlimm gekommen. In der englischen Ausgabe von Spiegel Online veröffentlichte daraufhin Claus Christian Mahlzahn einen Artikel, dass diese Äußerungen wie Salz in der Wunde wären, ziemlich unpassend und schlichtweg doof. Den Artikel fand ich sehr angenehm, die angeblichen Reaktionen von vielen amerikanischen Lesern des Drudge Report, der den SpOn-Artikel veröffentlichte, wiederum ziemlich eklig: Nun durften sich nämlich „die Amis“ über „die Deutschen“ aufregen.

Nun deckt aber lautgeben auf, dass der Trittin-Artikel bereits geschrieben war, bevor Katrina überhaupt ihre Zerstörungskraft entfaltet hatte, also noch bevor jemand ahnen konnte, wie schlimm es werden würde. Hat SpOn also selbst einen kleinen Skandal angezettelt, um ein paar Klicks zu generieren? Wenn ja: Gut, dass ich neuerdings lieber tagesschau.de lese, um informiert zu sein.

Zapping, 20.36 – 20.53 Uhr

„Ich hoffe, alle haben gedrückt.“

Die Männer, in deren Gewalt er sich zweimal befand, sind bis heute verschwunden.

Gestern hatte sein Schiff ziemlich was abbekommen.

„Boxershorts. Beine abgeschnitten.“

„Und dann der andere so, uuhhhaaaa. Da drehste dich um und bis’ wech.“

„Ich war im Nebenraum.“

Nuschlnuschl versprach, alle auf seinem Konto eingehenden Beträge an den russischen Geschäftsmann weiterzuleiten.

Ill-ustrated. Einmal erwischt es jeden.

„Mal schauen, was die so alles haben.“

„Wo finde ich hier Quarrel?“

„Wir reden ja auch darüber, ob er noch lange spielt.“

„Als ich 13 oder 14 war, hat mich mein Vater ins Geschäft geholt.“

„Hey, du bist der Neue hier, stimmt’s?“

„Nuschlnuschl, Österreicher, Meister geworden mit Rapid Wien.“

So wurden über 2000 Autokäufer mit einem ganz einfachen Trick betrogen.

„Manche Wahrsager beraten ihre Kunden nur einmal im Leben.“

„Nur die Bundesbehörden können sowas löschen.“

Jos Laden in Mönchengladbach ist Nuschlnuschls erste Verkaufsstation.

Wir haben gefragt: Wer war der letzte Ministerpräsident der DDR?

“Law enforcements and the National Guard are working together to restore public order.”

„Och, verdammte Hitze!“

Einschränkungen in finanzieller Hinsicht gab es jedenfalls nicht.

„Wenn er kommt, geht alles ganz schnell.“

(Irgendwas Französisches, was ich nicht verstehe. Memo to me: TV5 endlich rausschmeißen.)

„Mach isch ein Jahr, hab isch mein Zehnerabschluss feddisch.“

Bei stoßfestem Glas bleiben wenigstens die Trümmerteile draußen.

„Und dann wird lecker geschlemmt!“

„Hallo, Leute, die Ferien sind vorbei.“

Cashcalculator verrät es, schicke einfach eine SMS (aus Reflex umgeschaltet)

Tragekomfort zum Wohlfühlen.

„Fünf – tausend – Euro, Leute.“

„Können Sie uns sagen, wie sich die Flora und Fauna in der Bucht seit Beginn des Schutzprojekts verändert hat?“

Nach seiner langen Reise hat er Ihnen die schönsten Melodien aus aller Welt mitgebracht.

pick your man wisely

Andere Frauen bekommen von ihren Kerlen Blumen geschenkt.

Ich einen Digitalreceiver.

Und nach dem ersten Freudentaumel („Hey, endlich kann ich den ZDF-Theaterkanal bei mir gucken und muss dafür nicht immer zu dir kommen“) fiel mir auf: Kann es sein, dass genau das der Plan gewesen ist?

(Kerl says no and checks sports channels while grinning veeeery smugly)

Nachlese und Vorschau

Ich hatte im vergangenen August (am 1., um genau zu sein, ja, runterscrollen, kommt schon, ihr könnt das) über ein Buch von Annie Proulx geschrieben bzw. eine Geschichte aus dem Band: Brokeback Mountain, die damals noch verfilmt werden sollte. Inzwischen ist das anscheinend geschehen, denn bei den Filmfestspielen in Venedig, die gestern eröffnet wurden, ist die Verfilmung der Story von Ang Lee zu sehen. Bei uns läuft der Film leider erst im Februar 2006 an. Etwas früher, nämlich am 3. November, kommt dafür der neue von Cameron Crowe, Elizabethtown, in dem Orlando Bloom (yay!) … äh … irgendwas macht. Keine Ahnung, worum’s geht, aber als Crowe-Groupie hab ich ja sogar Vanilla Sky bis zum Schluss durchgehalten.

F***ing entertaining stuff: I find your lack of faith disturbing, das Weblog von Josh Friedman, Drehbuchautor von War of the Worlds und Black Dahlia. Schon der Eintrag, den man zurzeit als ersten liest und der davon berichtet, warum Friedman bei der Agentur ist, bei der er eben ist, verspricht Großes:

ME: Look, I don’t mean to be rude and interrupt. I hope you don’t think I was eavesdropping. I just wanted to introduce myself. I’m Josh Friedman.

I now witness two of the greatest reaction shots in the history of my-life-as-film. Crimson Ape’s jaw drops some eighteen inches down to the table while Woman is wearing the BIGGEST SHIT-EATING GRIN I HAVE EVER SEEN. She can’t help herself and frankly who can blame her.

WOMAN: Wow. This is…quite a Hollywood moment. We were just talking about you.
ME: I know.
CRIMSON APE: We’re…big fans.
ME: Uh huh.
WOMAN: Yeah. (Still grinning) BIG FANS.

If I’m honest with myself I’ll admit I don’t think I’ve ever made a woman happier than I did WOMAN that day. And note this: Crimson Ape still has not said his name and I’m wondering if he thinks he’s gonna get away with not telling me…

So I introduce my friend to them. And she says “LOVELY TO MEET YOU MY NAME IS (SO FUCKING LUCKY I WAS ON THE RIGHT SIDE OF THIS).”

I turn to him so he knows he’s gonna have to fess up.

And Crimson Ape says “And I’m (SO FUCKING PISSED I’M SUCH A DICKHEAD AND WHY DON’T YOU STOP SMILING YOU SMUG BITCH)…We really are big fans.”
ME: So you said.

CRIMSON APE: Check!

And he disappears through a hole in the floor.

(via Fisch im Ohr)

Till death do us part

Schön geflashte Seite für den neuen Tim Burton-Film Corpse Bride. Mal wieder mit Johnny Depp, wenn auch „nur“ als Stimme. Die Figuren sehen The Nightmare Before Christmas recht ähnlich, und im Trailer wird auch teilweise schamlos daher die Musik geklaut.

„Mein Vater arbeitete an seinem Opus magnus, meine Mutter in einer Tagesklinik für psychisch Gestörte. Ihr berühmtester Patient war ein Mann, der mit der Wand redete, in der Annahme, dem Geheimdienst auf diesem Wege Nachrichten zu übermitteln. Als der Geheimdienst nicht auf seine Berichte einging, wurde er destruktiv. So landete er bei meiner Mutter. Über diesen Mann hat sie promoviert. Dank meiner Mutter erkannte er, dass er zwanzig Jahre lang umsonst mit einer Wand geredet hatte. Diese Erkenntnis war zuviel für ihn, und er stürzte sich in einen Fahrstuhlschacht. Das war ein Wermutstropfen in der Promotionsfeier meiner Mutter, schließlich war er dort als Ehrengast geladen worden. Nach diesem Vorfall veröffentlichte sie einige Artikel, in denen sie die Frage aufwarf, ob es wirklich vernünftig sei, Menschen völlig von ihren Wahnideen zu heilen.“

Phantomschmerz, Arnon Grünberg

Bend it like Briegel oder: Mäandern um ein Männerthema

Bei der alltäglichen Überlegung, was man bzw. Anke wohl ins Weblog schreiben könnte, fiel gestern sowohl von meinem Chef als auch von meinem Kollegen das Wort „Fußball“. Da ich mir fast sicher bin, noch nie über dieses Thema geschrieben zu haben (Ausnahme natürlich während der EM), müssen wir da jetzt gemeinsam durch.

Ich finde Frauenfußball eindeutig attraktiver als Männerfußball, falls es dieses Wort überhaupt gibt. Die Kerle lassen sich für meinen Geschmack viel zu oft fallen, das auch noch übermäßig theatralisch, und dann bleiben sie auch noch gerne scheintot liegen oder rollen schreikrampfgeplagt über den Rasen und hindern so ihre armen Mitspieler am Weiterkicken. Und das, ohne dass auch nur der Hauch von Blut zu sehen wäre. Da sind wir Mädels ja anderes … nee, den Satz schreibe ich nicht zuende. Überhaupt besteht ein Fußballspiel in meinen laienhaften Äuglein sowieso meist aus zwei, drei Spielzügen, bis wieder einer der Testosteronrecken seinem Gegenüber in die Hacken tritt, worauf oben beschriebenes Prozedere in Gang gesetzt wird.

Die Mädels hingegen spielen einfach. Die foulen sich zwar auch ab und zu mal, aber bei ihnen habe ich eher das Gefühl, dass die gerne an den Ball wollen, weil es eben zum Spiel gehört, während es bei den Männern für mich wie Aufplustern mit Ansage aussieht: Hey, wenn du ihn mir nicht freiwillig gibst, trete ich dir dafür das Kreuzband kaputt. Oder reiße an deinen Hosen rum, so dass du ganz albern dastehst. Oder fahr dir nach dem Spiel ne Beule in deinen Audi S6. Also überleg dir, ob du mir nicht doch den verf***ten Ball geben willst, du Arsch!

Das einzige, was richtig am Frauenfußball nervt, ist das Gebrülle der Damen. Wenn ein Kerl über den Platz schreit, dass doch bitte jemand mal den Ball in seine Richtung treten möge, wenn’s genehm ist und nicht stört und keine Umstände macht (in Kurzform: „HIÄÄÄRRRR!“), dann klingt das kämpferisch und männlich-markant. Bei den Damen liegt die Stimme naturgemäß etwas höher und daher klingt das Auf-sich-aufmerksam-Machen bei den Mädels immer ein bisschen hysterisch („hiiiiä“).

Glücklicherweise gibt es immerhin inzwischen Frauenfußballtrikots, und die Damen müssen nicht mehr in den unförmigen Säcken der Kerle spielen (definitely no pun intended), so wie zu Beginn der Frauenbundesliga. Die sind schon okay. Aber: Wenn ich mir so die enganliegenden Trikots aus Bremen angucke und mir die an den Mädels vorstelle – das könnte auch die Attraktivität des Frauenfußballs verstärken. Auch wenn dann die komplett falsche Zielgruppe im Stadion sitzt. Das sind wahrscheinlich die Spacken, die sich gerne den Lingerie Bowl angeguckt haben.

Zusammengefasst und nochmal gesagt: Ich finde Frauenfußball um einiges attraktiver als den der Herren. Und deswegen gucke ich ihn auch lieber.

Fett gelogen.

Komischerweise gucke ich wirklich lieber den Kerlen zu. Ich möchte es jetzt nicht auf die Tatsache reduzieren, dass es eben Kerle sind, obwohl ich zugeben muss, nur deswegen Schwimmen zu gucken. (Und Leichtathletik, wobei es da eher komisch ist, den aufgepumpten Kerlen in ihren hautengen Leibchen in Zeitlupe zuzusehen, wie sie über die Aschenbahn stampfen. Die kantig gespritzten Frauen sind allerdings auch nicht besser.) Aber warum gucke ich gerne Fußball? Ich nöle bei fast jedem Spiel, wie scheiße die deutsche Mannschaft steht und wieviel netter die anderen spielen. Bei UEFA-Cup- oder Champions League-Partien lese ich gerne nebenbei Zeitung und gucke ab und zu mal zum Spielstand. Die Bundesliga kriege ich dank Premierelosigkeit sowieso nicht mit. Aber sobald ein Länderspiel ansteht, sitze ich vor dem Fernseher und brülle grenzdebil in der Gegend rum, wenn ein Tor fällt. Die letzte EM habe ich fast komplett gesehen, selbst Spiele zwischen Mannschaften, bei denen ich nicht mal weiß, wo genau ihre Heimatländer liegen. Und ich weiß wirklich nicht, warum. Vielleicht weil man eben Fußball guckt, wenn man in Deutschland wohnt. Oder weil mein Papa früher mit uns Fußball geguckt hat und ich daher ne Menge Erinnerungen an Tip und Tap, Gauchito und Naranjito habe, mich aber an kein Maskottchen danach wirklich erinnern kann (okay, das komische italienische noch, aber ich wusste nicht, dass das einen Namen hatte). Vielleicht gucke ich auch einfach gern Nationalmannschafts-Fußball, weil ich’s eben gern gucke. Und jetzt entschuldigt mich, Greuther Fürth liegt grad 1:2 gegen 1860 zurück und ich muss noch die Zeitung zuende lesen.

A Love Song for Bobby Long

Unaufgeregtes, aber hübsch anzusehendes Filmchen mit Scarlett Johansson als Purslane, eine junge Frau, die von ihrem white trailer trash-Freund zu spät von der Beerdigung ihrer Mutter erfährt, die sie seit Jahren nicht gesehen hat. In deren Heimat New Orleans trifft sie auf einen versoffenen Professor für englische Literatur (John Travolta, meist überzeugend, manchmal ein bisschen übers Ziel hinaus) und einen jungen Mann (Gabriel Macht), der seit Jahren ein Buch schreibt und die beide im Haus ihrer Mutter leben – das nun ihr gehört. Und so zieht sie auch ein.

In Laufe von Love Song for Bobby Long (Lovesong für Bobby Long) lernen wir die weiteren Freunde der beiden kennen, streifen mit ihnen durch den Klischeesüden, hören viel Musik, die uns von Verlust und Trauer erzählt, müssen Zitate von berühmten Schriftstellern erraten, erfahren nach und nach die Hintergrundgeschichte von Travolta und Macht und deren Verbindung zur verstorbenen Mutter und gucken Johannsson beim Erwachsenwerden zu. Der Film überschlägt sich nicht gerade mit Originalität; fast jede Wendung im Film ist genauso vorhersehbar wie melodramatisch, und die große Versöhnung der Tochter mit ihrer toten Mama genau wie mit ihrem vorher unbekannten Papa ist völlig neben der Spur. Trotzdem fühlt sich Bobby Long seltsam ehrlich statt banal und rührend statt kitschig an. Vielleicht, weil Johansson so offenherzig spielt, dass wir einfach möchten, dass der Film funktioniert. Vielleicht, weil die Mischung aus Louisiana-Bilder und -Tönen, literarischen Zitaten und guten Darstellern sehr stimmig zusammengestellt wurde. Vielleicht auch, weil Filme eben manchmal besser sind als das Leben. So ähnlich sagt es auch Purslane zum Professor, der Bücher mehr mag als das Leben: “You’re living in some fantasy world where life’s a book and no one takes responsibility for writing. Every idiot knows that books are better than life. That’s why they’re books!”

PS: Das schönste Zitat im Film kommt übrigens von Robert Frost: Happiness makes up in height for what it lacks in length.

Imaginary Heroes

Sigourney Weaver und Jeff Daniels spielen ein Elternpaar, das ihren Sohn verliert. Der „übriggebliebene“ Sohn (Emile Hirsch) versucht, genau wie seine Eltern, mit dem Verlust klarzuwerden.

Imaginary Heroes spult die üblichen Zutaten des Trauerfilms ab: Verzweiflung, Einsamkeit, Schuldsuche, aber er bleibt glücklicherweise nicht dabei. Die Figuren finden jeder einen ganz eigenen Weg, mit der Situation fertigzuwerden, und wachsen dabei enger zusammen als sie es vor dem Vorfall waren. Der Film wird aber nicht plötzlich zum typischen Familienzuckerguss, sondern bleibt in seiner Tonart weiterhin sperrig und manchmal etwas zu verliebt in seine Charaktere und Situationen. Ein paar Minuten weniger hätten es auch getan, ein bisschen weniger Pathos zum Schluss auch. Trotzdem ist Imaginary Heroes sehenswert, allein für eine Mutter-Sohn-Beziehung, die über die üblichen Klischees hinausgeht und über Figuren, die sich logisch weiterentwickeln und nicht plötzlich neue Menschen werden.

In Good Company

Kuscheliger Film über das Wissen des Alters gegen die ungestüme Jugend. Dennis Quaid spielt einen Anzeigenchef einer Zeitung, der bei der Firmenübernahme plötzlich einen Jungspund (Topher Grace) als neuen Boss vor die Nase gesetzt bekommt. Was dem Jungen an Erfahrung und Kundenkenntnis fehlt, versucht er mit Kündigungen und Bullshit-Bingo-Worten zu kompensieren. Trotzdem raufen die beiden sich schließlich zusammen. In einer Nebenhandlung kommt Grace der Tochter von Quaid, Scarlett Johansson, näher. Auch hier dauert es eine Zeit, bis die beiden zueinander finden, und ebenso allmählich driften sie wieder auseinander. Nach etwas mehr als anderthalb Stunden haben alle viel über sich und den anderen gelernt und gehen als bessere Menschen durchs Leben.

In Good Company (Reine Chefsache) nutzt die fiesesten Klischees über Yuppies und erfahrene Angestellte (Porsche im Gegensatz zu persönlichem Kundenstamm oder Modelgattin mit Riesenklunker im Gegensatz zu Hausfrau und Mutter), aber er schafft es trotzdem, nicht ganz eklig zu werden. Das liegt vor allem an Quaid, der knurrig seinen Weg geht, aber nie vergisst, dass er ne Menge Rechnungen bezahlen muss und sich deshalb keinen großen Hollywood-Abgang leisten kann; genau wie Grace, der trotz aller Statussymbole dauernd daran zweifelt, was er tut und sich am ersten Arbeitstag eingesteht, so richtig die Hosen vollzuhaben. Johansson ist wie immer hinreißend und darf hier mal unerwachsen nur die Tochter spielen, was ihr ausnehmend gut steht. Der Film hat natürlich eine gute, warmherzige Botschaft, und weil er sie nicht ganz so dick vor sich herträgt, kommt sie auch halbwegs erträglich an.

Das Einzige, was ich persönlich nicht ertragen konnte, war die Reaktion eines Angestellten, der entlassen wurde und sich darüber beklagt, dass nun seine Frau zuhause die Hosen anhabe. Als er später wieder eingestellt wird, freut er sich darüber, dass seine Frau nun gefeuert wurde und er wieder „der Mann im Haus“ ist. Wenn In Good Company sich schon bemüht, Verständnis für ältere Arbeitnehmer zu vermitteln, wäre es verdammt nett gewesen, auch Verständnis (wieso überhaupt Verständnis für eine völlig normale Sache) dafür aufzubringen, dass Frauen manchmal auch durchaus mehr verdienen dürfen als Männer. 21st century, people!