Ich beschäftige mich seit einigen Monaten mehr mit mir als früher. Oder: Ich beschäftige mich anders mit mir. Ich gucke genauer, wie’s mir geht und warum es mir wann wie geht. Diesmal ohne professionelle Hilfe. Ich achte auf mich, höre auf meinen Körper und versuche, ziemlich nett zu ihm zu sein, was er mir zurückzahlt, indem er ziemlich nett zu mir ist. Und weil meine Körperwahrnehmung auch schon ziemlich lange meine Geistesverfassung beeinflusst hat, ist auch mein derzeitiger Gemütszustand äußerst kregel (das Wort wollte ich schon lange mal schreiben. Ich betone es gerne falsch auf der zweiten Silbe).
Eigentlich sollte ich froh darüber sein, dass ich seit Monaten gute Laune habe. Bin ich ja auch. Trotzdem merke ich, wie alles andere ein wenig in den Hintergrund gerät. Mein Job ist toll, aber nicht mehr mein Lebensinhalt. Kino ist toll, aber nicht mehr so wichtig. Die Blogosphäre ist toll, aber keine Priorität mehr. Der Kerl ist toll, und der bleibt auch toll, und außerdem trägt er dazu bei, dass ich gute Laune habe. Ich bemerke aber, dass ich, je länger ich in mich reinhorche und reingucke und reinspüre, immer ich-bezogener, immer ego-zentrierter werde. Und ruhiger. An richtig guten Tagen gelassener – eine Eigenschaft, von der ich nie dachte, dass ich sie mal haben würde. Ich genieße es, anstatt im Kino zu sitzen und über eine Kritik nachzudenken, auf dem Sofa rumzulungern und ein Buch nach dem anderen wegzulesen. Ich genieße es, Zeitung zu lesen ohne die früher unvermeidliche Hintergrundgeräuschkulisse aus Musik, Fernseher oder dem aufmerksamkeitsheischenden Ping! des Mailprogramms des ewig laufenden iBooks. Ich genieße es, neue Rezepte zu suchen, unbekannte Lebensmittel einzukaufen und elaboriert zu kochen anstatt den Pizzabringdienst anzurufen. Ich genieße es, spazierenzugehen oder Sport zu treiben, ich genieße es zu merken, dass ich gesünder werde, fitter, weniger atemlos. Ich genieße es, neue Pflegeprodukte zu kaufen, stundenlang in der bunten und wild durcheinander duftenden Badewanne zu liegen, ohne Musik, ohne Buch, einfach nur so im warmen Blubberwasser zu liegen und vielleicht ein bisschen vor mich hinzusummen. Ich genieße es, Klassik zu hören, in die Kirche zu gehen, im Bus den iPod abzusetzen, Leuten zuzuhören, barfußzulaufen.
Ich kenne mich so gar nicht. Jedenfalls nicht in diesem Ausmaß, dieser unaufgeregten Gleichmütigkeit, dieser in sich ruhenden Stärke. Natürlich gibt es Tage, an denen die idyllische Beschaulichkeit Risse bekommt, sei es durch Nachrichten, Webloggezeter, Arbeitsstress, Beziehungsquatsch. Aber die Risse dauern nie lange, und sie tun nicht mehr so weh wie früher.
Vielleicht haben die ganzen Gesundheitspropheten doch recht. Je mehr man sich um sich kümmert, desto stärker wird man auch. Aber vielleicht werde ich auch bloß alt und möchte a scheene Leich’ werden. Weiß nicht. Macht aber nix. Ich muss ja nicht alles wissen. (Hätte ich früher auch nie gesagt.)