Tagebuch Sonntag, 14. Oktober 2018 – Wahlhilfe

Mein Wecker klingelte bereits um 6 und zwar nicht, weil ich Sport treiben, sondern weil ich in Ruhe frühstücken und Kaffee trinken wollte, bevor ich mich um 7.15 Uhr ins Wahllokal aufmachte, um dort Wahlhilfe zu leisten. Ab 7.30 Uhr wuselten wir zu fünft in einer Grundschule herum, um uns noch geschätzt acht weitere Wahlräume (sehr praktisch – wenn irgendwo eine Schere fehlt, geht man nach nebenan). Wir entsiegelten die Urnen, in denen unser ganzes Arbeitsmaterial lag: die Stimmzettel natürlich (erstmal kontrollieren, ob es auch die richtigen sind), aber auch Siegel, um die Urnen wieder zu versiegeln, Stifte und Aushänge für die Wahlkabinen („Bitte nur einzeln eintreten“), Tesafilm, um diese Aushänge anzubringen und so weiter. Mich interessierte zunächst das Wählerverzeichnis, denn als Schriftführerin war das die Unterlage, in der ich meinen halben Arbeitstag rummalen würde bzw. die Wähler und Wählerinnen abhakte, die mir ihre Wahlbenachrichtigung vor die Nase hielten. Dort fand ich auch die Log-in-Daten für den Laptop, mit dem in München, wie auch schon bei der letzten Bundestagswahl, der Tag und die Stimmauszählung dokumentiert wurde.

Was anders war: Es gab nicht nur einen Stimmzettel, sondern vier (Land- und Bezirkstagswahlen), und zwei davon waren ungefähr einen Quadratmeter groß. Ich ahne, dass die Schlangen vor den Wahlräumen, über die gestern viel getwittert und geschrieben wurde, auch deshalb so lang waren, weil die Leute sich ganz in Ruhe den ganzen Riemen durchgelesen haben. Irgendwann wiesen wir die Wartenden auf unsere ausgehängten Muster hin, an denen sie sich schon mal vorab orientierten konnten, weil die Schlange gefühlt nie wirklich kürzer war oder sogar abbrach. Bei der Bundestagswahl konnten wir durchaus zwischendurch mal aufs Klo gehen, die von Wählenden mitgebrachten Crossaints oder Kaffees verzehren, aber hier musste man sich die wenigen Minuten sehr erkämpfen und ein Kollege oder eine Kollegin musste den eigenen Job kurz übernehmen, weil immer jemand wählen wollte. Was super ist! (Das sahen wir beim Auszählen am späten Abend natürlich irgendwann alle anders, sorry dafür, liebe Wählenden. Immer schön weiterwählen.)

Auch neu: Eine Radioreporterin von B2 begleitete uns eine gute Stunde lang, nahm O-Töne davon auf, wie wir mit den fitzeligen Siegeln kämpften oder eine Kollegin verzweifelt den Kloschlüssel suchte, der doch bei den anderen Wahlen immer hier so schön an der Wand gehangen hatte. Sie stellte uns auch Fragen, falls wir Zeit hatten, und ich hoffe, ich habe keinen komplett übermüdeten Quatsch von mir gegeben. Ich habe das Stück (noch) nicht online gefunden. (Edit: Danke an Heiko, der mir den Link zugeschickt hat. Müsste noch eine Woche lang hörbar sein, der kleine Schnipsel.)

Ich selbst wählte kurz vor meiner Ablösung in genau dem Lokal, in dem ich auch Wahldienst hatte, wie praktisch. Der Schichtwechsel war fliegend, ich war die letzte aus unserer Truppe, die ging, und wir versammelten uns abends um kurz vor 18 Uhr wieder, um das Auszählen zu beginnen.

Hiervon verschweige ich im Blog mal das meiste, aber die Kurzfassung: Bei der Schulung hatte uns der Leiter gesagt, wenn wir richtig gut seien, könnten wir gegen 20 Uhr mit allem durch sein. Das haben wir ihm schon damals nicht geglaubt, denn die niedliche Bundestagswahl mit ihrem einen Zettel, den wir nur zweimal nach Erst- und Zweitstimme sortieren und dann auszählen mussten, hatte uns bis um diese Zeit beschäftigt. Gestern waren es, wie gesagt, vier Zettel, und die beiden großen waren ein einziger Schmerz im Arsch. Alleine das Sortieren war deutlich mehr Arbeit als bei normal großen Zetteln. Man konnte nicht einfach mal einen Schwung an die Kollegin auf der anderen Tischseite rüberreichen, sondern musste durch den ganzen Raum gehen, weil die Dinger so viel Platz einnahmen. Man rannte sich ständig um, denn wir waren zu zehnt, worüber ich sehr dankbar war; mit den üblichen sieben Bundestagswahlhanseln wären wir vermutlich erst um 3 Uhr morgens zuhause gewesen. Und dann das Auszählen der einzelnen Stimmen. Für die Parteien war das halbwegs einfach, aber auf den beiden großen Zetteln gab es pro Partei teilweise 50 Direktkandidat*innen, die alle einzeln aufgelistet werden mussten. Nur für die Grünen – wie in großen Teilen Münchens auch bei uns die mit Abstand stärkste Kraft – brauchten wir eine Stunde pro großem Zettel.

Für mich als Schriftführerin gab es noch ein weiteres, sehr großes Ärgernis, das mich den ganzen Abend beschäftigte und irritierte und was ebenfalls dazu führte, dass das Zählen sehr lange dauerte, aber darüber blogge ich nicht. Drei Beisitzer*innen schickten wir gegen halb 12 nach Hause, wir anderen saßen noch bis halb eins und dokumentierten unser Wahlergebnis. Erst dann konnte eine der netten Beisitzerinnen die Wahltasche mit Ergebnis, Wählerverzeichnis und Zeug wegbringen, während wir anderen die Arbeitsmaterialien und sortierte Stimmzettel wieder in die Urnen verpackten, auf die der arme Hausmeister unserer Schule schon müde wartete.

Neben dem unhandlichen Zeug, das wir stundenlang in den Händen hatten, nervten natürlich auch die fiesen Kinderstühle, und ich spürte sowohl meine Füße als auch meine Lendenwirbelsäule etwas, als ich nach Hause schlich. Ich war zu aufgedreht, um sofort zu schlafen, lungerte noch ein bisschen auf Twitter herum, trank all das Wasser, was ich im Wahllokal nicht getrunken hatte, weil ich nicht gedacht hätte, es zu brauchen und deswegen nichts dabeigehabt hatte, und schlief dann fest und traumlos bis kurz vor 7. Einmal nicht den Wecker gestellt – scheint dem inneren Wachhund aber inzwischen auch egal zu sein.

Zitronen-Frischkäse-Torte

Ich habe mal wieder zu meinem ältesten Backbuch gegriffen, das 1993 erschienen ist; hier ist die Ausgabe mit Blick ins Buch von 2005, das noch ziemlich genauso aussieht. Das mache ich gerne, wenn ich Basisrezepte nachkochen oder -backen will, weil eben genau diese in diesem Buch bzw. dem Koch-Äquivalent stehen – das Kartoffelgratin-Rezept aus letzterem Buch ist von keinem anderen übertroffen worden, das ich in den letzten zehn Jahren ausprobiert habe. Generell gilt bei beiden: kein Schnickschnack, aber immer gut. So wie dieses kleine Törtchen, das recht schnell und simpel in der Zubereitung ist und dann einfach nur noch im Kühlschrank festwerden muss. Mein neuer Kühlschrank hat das in zwei Stunden geschafft, yay!

Wer dieses Rezept mit dem von der Philadelphia-Website vergleichen will: klick! Hier: mehr Gelatine, drüben: mehr Frischkäse, etwas mehr Butter, 10 g weniger Zucker und vor allem Jogurt statt Sahne. Geschmacklich mochte ich diese Version lieber, weil sie einerseits etwas lockerer ist (klar: Sahne), aber das liegt auch daran, dass Zitrone immer gegen alles gewinnt.

Für eine Springform mit 24 Zentimetern Durchmesser.

150 g Löffelbiskuits (ca. 15 Stück) zerbröseln. Bei mir passiert das immer nur grob, weil ich so ungerne mit meinem Nudelholz auf Dingen rumkloppe.
100 g Butter schmelzen. Butter mit Biskuitbröseln vermischen und auf dem Boden der Springform gleichmäßig festdrücken. Im Kühlschrank parken.

10 Blatt weiße Gelatine in kaltem Wasser einweichen. (Ich hatte nur noch neun, haben auch gereicht.)

250 g Frischkäse mit
80 g Zucker und
Saft und Schale von zwei Bio-Zitronen glattrühren.

500 ml Sahne steifschlagen.

Die Gelatine ausdrücken, dann in einer Metallschüssel in kochendes Wasser halten und umrühren, bis sie sich aufgelöst hat. Unter die Frischkäsemasse ziehen. Die Sahne unterheben, alles in die Springform geben und glattstreichen. Die Torte im Kühlschrank festwerden lassen. Fürs Foto mit Zitronenscheiben belegen, die man dann aber nicht mitessen muss. Ähem.

Flammkuchen

Wieder ein Rezept, das ich mir nur notiere, damit ich nicht dauernd googeln muss. Untenstehendes Rezept ist für den klassischen Flammkuchen mit Speck und Zwiebeln, der Teig funktioniert aber auch hervorragend für weitere Beläge wie Äpfel und Zwiebeln (Rezept aus Deutschland vegetarisch) oder sogar süß wie Äpfel mit Zimt und Zucker. Zunächst dachte ich, das Olivenöl würde beim süßen Flammkuchen stören, aber das schmeckt man nicht durch. Wer ganz sicher gehen will, nimmt Sonnenblumenöl.

Der Flammkuchen darf ruhig noch länger im Ofen bleiben als bei mir, dann wird er knuspriger und gebräunter. Ich mag ihn eher so halbknusprig.

Für zwei Flammkuchen.

15 g frische Hefe mit
1 Prise Zucker in
150 ml lauwarmem Wasser auflösen. Zehn Minuten rumstehen lassen.

In einer Schüssel
250 g Mehl, Type 405, mit
1 TL Salz und
4 EL Olivenöl vermischen. Das Hefewasser dazugeben und zu einem glatten Teig verkneten. Notfalls etwas mehr Mehl dazugeben. Den Teig zu einer Kugel formen und in einer abgedeckten Schüssel für eine Stunde gehen lassen. Bei mir waren es zwei, ich hatte dann doch später Hunger als gedacht. Aber dem Hefeteig ist das netterweise egal. Der kann übrigens auch prima im Kühlschrank rumliegen, falls ihr nur einen Flammkuchen essen möchtet und den nächsten morgen.

Den Teig dünn ausrollen und mit ein paar Löffeln Crème fraîche oder saurer Sahne bestreichen. Gewürfelten Speck und in Ringe oder Scheiben geschnittene Zwiebeln drauf und alles im auf 225 Grad vorgeheizten Ofen auf der untersten Schiene für 12 bis 15 Minuten backen. Wer mag, streut noch Schnittlauch darüber. Sofort servieren.

Falls ihr lieber Äpfel und Zwiebeln und einen Hauch Käse dazu möchtet:

Ein Ei mit 100 g Frischkäse und 40 g geriebenem Bergkäse vermischen. Mit schwarzem Pfeffer würzen. Eine rote Zwiebel in dünne Ringe schneiden. Einen Apfel schälen, entkernen und in Ringe oder dünne Scheiben schneiden. Die Frischkäsemischung auf den ausgerollten Teig geben und mit Apfel- und Zwiebelscheiben belegen, mit Salz und Pfeffer würzen, wie oben angegeben backen.

Für die süßen Flammkuchen:

Ein paar Löffel Frischkäse mit Zitronensaft, Zimt und Zucker vermischen und auf den Teig streichen. Einen Apfel pro Flammkuchen entkernen (schälen ist nicht unbedingt nötig), in dünne Scheiben schneiden und den Flammkuchen damit belegen. Wer’s mag (ich immer), streut noch ein bisschen Zimt und Zucker auf die Äpfel; das geht aber auch nach dem Backen noch.

Geschmortes Paprikagemüse

Schmeckt zu Nudeln und Reis, aber noch besser mit einem Schuss Rotweinessig als Antipasto mit Ziegenfrischkäse auf gerösteten Brot. So esse ich das jedenfalls seit Tagen. Mal wieder ein Rezept aus Deutschland vegetarisch.

800 g rote und gelbe Paprika (bei mir nur rote) mit einem Sparschäler schälen. (Beim ersten Versuch hatte ich das vergessen, schmeckt auch.) Boden, Deckel und Trennwände entfernen, Paprika entkernen und in grobe Stücke oder Streifen schneiden.

1–2 rote Zwiebeln achteln.

1 Knoblauchzehe fein hacken, mit
1 EL rosenscharfem Paprikapulver,
1 TL edelsüßem Paprikapulver,
1 EL Tomatenmark und
1 EL Honig vermischen.

Zwiebeln und Paprika in heißem Sonnenblumenöl für fünf Minuten anbraten. Danach die Tomatenmarkmischung für eine Minute mitbraten. Alles mit 500 ml Gemüsebrühe ablöschen und offen für circa 15 Minuten dicklich einkochen. Mit Salz würzen.

Was schön war, Mittwoch, 10. Oktober 2018 – Farbmeditation

Saturn und Hermes hatten mir angekündigt, meinen Kühlschrank zwischen 7 und 11 Uhr anzuliefern. Ich stellte quengelig den Wecker auf 6, denn der Abend vorher war etwas länger geworden als geplant, weswegen meine übliche Aufstehzeit von 7 echt nett gewesen wäre, aber was tut man nicht alles für ein großes Elektrogerät.

Natürlich war ich noch vor dem Wecker wach und stand um 5.30 Uhr auf, duschte im Dunklen und dachte dann, hey, Sonnenaufgang angucken, während ich Kaffee trinke. Ich setzte mich auf meinen neuen Lieblingsplatz, das Schlafsofa gegenüber vom Schreibtisch im blauen Arbeitszimmer, von wo ich über den Balkon in die Weite gucken kann, trank Kaffee … und wartete, bis mir gegen 6 Uhr einfiel, dass die Sonne erst nach 7 aufgeht. Also guckte ich sinnlos ins Dunkle, fand es aber trotzdem sehr schön und machte mich irgendwann tagfertig, ging nach unten zum Briefkasten, um die Zeitung zu holen, und merkte oben, dass ich um 6.37 Uhr einen Handyanruf erhalten hatte. Das waren wohl die Lieferjungs, die sich ankündigen wollten. Die Online-Sendungsverfolgung erzählte was von 9 bis 9.10 Uhr als Lieferfenster, aber ich wartete nun noch gespannter. Um 7.15 Uhr klingelte es dann auch ernsthaft – quasi mit dem Sonnenaufgang – und ich hörte zwei Herren zu, wie sie meinen Kühlschrank vier Stockwerke nach oben wuchteten.

Eigentlich gebe ich immer so fünf Euro Trinkgeld pro Nase, hatte aber entsetzt festgestellt, dass der nette Bierabend mein Portemonnaie etwas geflöht hatte – ich hatte nur noch einen Fünfer und einen Zwanziger im Haus. Als ich die Herren so komplett außer Atem, aber trotzdem noch höflich grüßend vor mir sah, tauschte ich den Schein in der Hosentasche ganz schnell aus.

Ich hatte zudem einen Türanschlagswechsel geordert, wir stellten nun aber gemeinsam fest, dass es sinnvoller wäre, darauf zu verzichten. Die Order wurde online rückgängig gemacht, die Herren stellten das Gerät schnell auf, gaben noch ein paar Tipps und bekamen dementsprechend den Zwanziger zugesteckt, über den sie sich offensichtlich freuten, was mich wiederum freute.

Dann war es halb 8 und ich fühlte mich, als hätte ich die Nacht durchgemacht, obwohl ich noch nichts erledigt hatte außer zu duschen und rumzusitzen. Auch den Rest des Tages fühlte ich mich irgendwie gläsern und dünnhäutig, nicht im Sinne von angreifbar und nah am Wasser, aber halt so, als ob einem Schlaf fehlt, man aber gar nicht müde ist. Ich hatte nichts Dringendes mehr in der Wohnung zu basteln, und ich wusste, der nächste Job würde heute auf meinem Tisch landen, weswegen ich mir gestern bewusst eine Auszeit von allem nahm. Ich las viel, ging spazieren, kaufte ein, räumte die Einkäufe knurrend noch in den alten Kühlschrank, denn der neue musste erstmal rumstehen, bevor ich ihn anschalten durfte, und dann musste er rumstehen, bevor man Dinge in ihn reinwirft, aber abends räumte ich dann um und staunte über den irrwitzig vielen Platz, den ich auf einmal in Augenhöhe hatte.

Das Schönste am Tag war die Stunde im Schlafzimmer, die ich nachmittags dort verbrachte. Irgendwann war ich wirklich bettreif und erinnerte mich selbst daran, dass ich nicht krumm und schief auf dem Sofa wegnicken müsste wie in den letzten Jahren, sondern dass ich wieder ein herrliches Bett hatte, das auf mich wartete.

Die Tür vom Schlafzimmer zum Arbeitszimmer ist immer offen, auch nachts, weil ich das schön finde, in einen weiteren Raum gucken zu können. So legte ich mich ins Bett, und sobald ich lag, merkte ich, dass ich gar nicht schlafen wollte. Stattdessen lag ich eine Stunde nur rum und guckte kopfleer in die Gegend. Ich besah mir meine dunkelgraue Schlafzimmerwand und behaupte, im richtigen Licht doch einen bräunlichen Unterton zu entdecken, der für mich eigentlich der Kaufgrund für diese Farbe gewesen war. Ich erfreute mich am Lotto-Kunstdruck auf den weißen Kommoden, obwohl ich ihn vermutlich demnächst für einen noch zu rahmenden Leo von Welden austausche, eine Lithografie, die mir die Künstlertochter geschenkt hatte und die ein christliches Motiv zeigt, also das Sujet, das ich von ihm am liebsten mag. Dann schaute ich durch die strahlend weiße Tür ins blaue Arbeitszimmer, das im warmen Südlicht vor sich hinleuchtete, dann wieder zurück zum kühlen Graubraun, dem hellen Fußboden, der offenen Tür in den Flur. Es fühlte sich meditativ und zufrieden an, ich war sehr ruhig und still und merkte einfach nur, wie gut es mir gerade ging. Das war sehr schön – zu merken, wie gut es einem geht und dass gerade alles in Ordnung ist.

Tagebuch Dienstag, 9. Oktober 2018 – Alltag

Morgens Zeug in den Keller geschleppt. Jetzt steht nichts mehr vom Umzug oder der Farbenschlacht in meiner Wohnung, bei dem ich immer, wenn ich es sehe, denke: „Ach ja, das musst du noch runterbringen.“

Zwei leere Spezi-Kisten zum Supermarkt getragen, die der dortige Pfandautomat nicht erkennen wollte. Die freundliche Kassiererin zog aus dem Lager eine gleichwertige Bierkiste – „Versuchen Sie’s mal damit“ –, aber auch das ging nicht. „Dann machen wir das nachher handschriftlich an der Kasse, ich kenn Sie ja.“

Brotteig angesetzt, immer wieder das Weizenbrot. Irgendwann traue ich mich noch an die anderen Rezepte im Buch, aber das hier gelingt halt so gut wie immer. Sieht nicht immer so hübsch aus, schmeckt aber stets.

Einen Schwung Klamotten zum Altkleidercontainer geradelt. Ich hatte in Erinnerung, dass am Alten nördlichen Friedhof einer steht, aber das waren Container für Kunststoffe und Zeug. Netterweise wusste dieses Interweb, wo der nächste Container für mich war und genau dorthin fuhr ich dann auch.

Über zwei Stunden mit dem Schwesterherz telefoniert, viel erfahren.

Berufliche Mails geschrieben und gelesen, ebensolche Telefonate geführt, neues Job-Dokument angelegt.

Mit meinem Wahlvorstand für den nächsten Sonntag telefoniert, ob ich Früh- oder Spätschicht machen soll. Habe die gewünschte Frühschicht bekommen. So kann ich ein kleines Nachmittagsschläfchen in den Tag einbauen – eine Ruhezeit, die man als Kind nie zu würdigen wusste –, um dann frisch und erholt zum Stimmenauszählen wieder ins Wahllokal aka die Wahlgrundschule zu gehen.

Den Abend in äußerst charmanter Gesellschaft bei einigen kleinen Bieren verbracht.

Was schön war, Montag, 8. Oktober 2018 – Eulen

„Hör auf, mir so niedliche Schokolade zu schenken, die kann ich nicht essen!“

„Was kann ich dafür, dass bei Lindt wieder Eulenwochen sind?“

Diese Eule ist vom letzten Jahr, und ich habe sie dummerweise aufgehoben. Das hat sich F. anscheinend gemerkt, der Racker. Sie sitzt vor einem Notizbuch, das der Herr mir auch mal geschenkt hat, auf dem das einzige Kunstwerk abgebildet ist, das ich von Jeff Koons mag.

Die hier ist neu und sitzt neben dem besten Museumsshop-Souvenir aller Zeiten: einem Teddybär aus dem Van-Gogh-Museum in Amsterdam, dessen Fell den Mandelbüten nachgebildet ist. Kunstgeschichte zum Kuscheln! Ich will den Balloon Dog aus Plüsch!

Teddy kennt ihr natürlich alle aus der Teddybärenwoche.

„Die in Lavendel habe ich dir zum Essen gekauft, die passt nirgends in dein Farbkonzept.“ (Falsch!)

(File under: warum ich F. immer so verknallt angucke.)

Tagebuch, Samstag/Sonntag, 6./7. Oktober 2018 – Zuhause

Während der Vorbereitung auf den Umzug verpackte ich nach und nach meine Küche, so dass es nicht mehr so richtig Spaß machte, in ihr zu kochen. Danach stand hier unten alles ungeordnet rum und ich musste mich um die alte Wohnung kümmern, so dass ich weitere Zeit eher Pizza bestellte oder essen ging. Allmählich steht aber alles an seinem Platz, und so konnte ich Samstag mal wieder die Kochbücher wälzen und am Herd stehen – der übrigens deutlich besser ist als der, den ich oben hatte. Cerankochfeld FTW!

Ich kaufte Süßkartoffeln, Erdnussbutter, eine Limette und Sahne, die ich nicht mehr/noch nicht wieder im Haus hatte, und suchte mir für die Vorräte, die noch da waren, ein weiteres Rezept raus, zu dem nur noch Ziegenfrischkäse fehlte. Dann hobelte ich lustig Kartoffeln und ölte Auflaufformen. Beim ersten richtigen Kochen merkte ich, wie dusselig die Besteckschublade in dieser Küchenzeile angebracht war – nämlich genau am anderen Ende der Arbeitsplatte. Ich werde mir also eine kleine Besteckstation einrichten, damit ich nicht für jeden Tee- oder Esslöffel, den ich brauche, durch die ganze Küche laufen muss. F. hatte einen Alternativvorschlag: „Oder du lässt dein Walken sein und kochst öfter.“

Ich könnte am Samstag auch alleine dadurch Kalorien verbrannt haben, indem ich hysterisch dem Kracherspiel Dortmund – Augsburg auf dem Sofa zuschaute. Hochspannend, von beiden Mannschaften Laufbereitschaft und Einsatz bis zum Abwinken, aber von den sieben Toren schoss Dortmund eben eins mehr und das letzte fieserweise in der sechsten Minute der Nachspielzeit, die eigentlich nur vier Minuten hätte lang sein sollen, weswegen ich doch angefressener war als gedacht. Ich muss mir dauernd sagen: Es ist nur ein Fußballspiel, es ist total egal, es hat mit deinem Leben überhaupt nichts zu tun – aber das hilft leider nur bedingt, wenn man alle zwei Wochen im Stadion ist und ein so großartiges Spiel so hauchdünn verloren wird.

F. ging es noch schlechter, denn der musste danach im Stadion noch eine Bayernniederlage verkraften, und das Spiel war dazu auch noch scheiße anzugucken. Ich hatte die erste Halbzeit (zuhause auf dem Sofa) verpasst, weil mein Mütterchen anrief, um sich nochmal für die schönen Urlaubstage zu bedanken. Das war eindeutig besser als dem Gebolze zuzuschauen.

Am Sonntag kam F. vorbei und ich buk spontan einen kleinen Apfelkuchen. Als ich die Form aus einer meiner drei Backkisten (aka die Körbe von Ikea, die in alle Ikearegale passen, ja, auch in die, die 25 Jahre alt sind) holen wollte, merkte ich, dass ich beim Umzug eine Zutat anscheinend nicht ordentlich eingepackt hatte:

Den Goldpuder hatte ich mir mal für fancy Pralinenverzierung besorgt und so gut wie nie benutzt. Jetzt war fast die ganze Dose über meine Formen verteilt, so dass ich den Rest auch entsorgte. Aber der Kuchen kam ohne Glitzer aus dem Ofen.

Nachmittags bereitete ich ein Paprikagemüse zu, das ich abkühlen ließ und dann mit Ziegenfrischkäse als eine Art Antipasto auf meinem vorgestern gebackenen Brot genoss. Wo man kocht, ist zuhause.

Ich schrieb das schon mehrfach, aber meine Güte, ist diese Wohnung schön! Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie sehr ich damit gerungen habe, sie zu mieten und dann im Kopf einzurichten. Ich freue mich jeden Tag hier über dusselige Kleinigkeiten, die aber nach drei Jahren in der Studibutze eben keine dusseligen Kleinigkeiten sind.

Von meinem Bett aus schaue ich genau auf den riesigen Baum vor dem Fenster. Eigentlich sollte das Bett an die andere Wand, weil ich es netter finde, dass, wenn Besucher*innen zur Tür reingucken, nicht sofort das private Bett zu sehen ist, sondern die Kommode, vielleicht noch mit Kunst drüber, keine Ahnung, work in progress. Aber als ich dann im Schlafzimmer stand, war klar, dass das Bett genau an die gegenüberliegende Wand muss, und ich freue mich jeden Morgen darüber, auch wenn der Baum schon nicht mehr ganz grün ist. Nachts sind die Jalousien nicht ganz unten, und die Straßenlaternen werfen immer bewegte Schatten der Äste an die Decke, was ich sehr schön finde.

Egal ob ich aus dem Schlafzimmer oder dem Flur ins Arbeitszimmer komme – ich grinse immer innerlich und freue mich über die dunkelblauen Wände, vor denen die weißen Möbel schön strahlen. Ich erfreue mich an Luise in ihrem feudalen Rahmen, die endlich eine ganze Wand für sich alleine hat, am Sessel, der davor steht und in dem ich nichts mache außer zu sitzen und Luise anzuschauen. An den großen Balkonfenstern und dem weiten Blick (wenn ich schlaflos bin, sehe ich den Sonnenaufgang. Heute Nebel! Alles noch sehr aufregend). An den Durchzug, den ich endlich wieder produzieren kann! Durchzug, Kinnings! DURCHZUG! In diesem Sommer hätte ich Geld für ihn bezahlt; stattdessen habe ich oben vor mich hingelitten.

Ich gehe den langen … okay, nicht so langen Flur wie in Hamburg, aber im Vergleich zu den drei Quadratmetern oben echt langen Flur entlang, in dem drei meiner Regale Platz gefunden habe, weswegen ich in der Küche mehr Raum habe, wo ich, ich schrieb es schon, jetzt ernsthaft acht Leute bewirten könnte, wenn ich acht Leute kennen würde. Meine Backzutaten stehen jetzt wieder auf Augenhöhe, weil ich mehr Schränke habe, und ich muss nicht mehr auf Knien auf dem Fußboden vor einem tiefen Fach rumrutschen, um den Vanillezucker zu finden. Meine Vorräte passen so in die breiten Schränke, dass ich sie sehe und auch fast an alle ohne Leiter rankomme. Am Samstag habe ich eine Lichtleiste unter den Oberschränken angebracht und sehe jetzt auch, was ich zubereite. Es gibt ja kaum Dinge, die so befriedigend sind, wie mit Bohrmaschinen Zeug geregelt zu kriegen. (Falls die Lichtleiste noch runterfällt, werde ich euch das selbstverständlich verschweigen.)

Ich stehe in der Bibliothek, die nur aus Sitzmöbeln und Bücherregalen und Lampen besteht und finde es herrlich. Auf der Fensterbank darf auch meine alte Lavalampe endlich wieder vor sich hinblubbern. Es fühlt sich einfach wie eine gute Wohnung an. Es fühlt sich nach mir an und nicht mehr nach Kompromiss und mussja. Ich wiederhole mich jetzt hier vermutlich noch ein paar Wochen, aber ich glaube, das war für das Seelenleben eine äußerst gute Entscheidung, ein bisschen Geld in Farbtöpfe und Möbel zu investieren. Und meine Güte, freue ich mich auf meinen großen Kühlschrank! Noch mehr kochen!

Ich so: „Wir könnten den kleinen Kühlschrank dann in den Keller bringen, dann hätte ich da Platz für Altpapier und so Zeug.“
F. so: „Ein Wort: Getränkekühlschrank.“

Das Altpapier bleibt dann vermutlich in der Ecke, in der es sich jetzt schon breit gemacht hat. Und ich werde ab Mittwoch kiloweise Eiswürfel produzieren und alles einfrieren, was nicht vor mir weglaufen kann.

Süßkartoffel-Erdnuss-Gratin

Ein Rezept aus Täglich vegetarisch: Die schönsten Rezepte aus dem River Cottage, für das ich euch gleich mehrere Bilder anbieten kann. Das liegt daran, dass ich gestern, als das Gratin im Ofen war, wie ein kopfloses Huhn durch die neue Wohnung gerannt bin, um den besten Ort für Futterfotos ausfindig zu machen. Hier ist ja auf einmal so viel Platz! So viele Möglichkeiten, einen Teller dekorativ ins Licht zu stellen! Es ist dann für Instagram, total langweilig, die Küchenzeile geworden, wo das Licht von rechts kommt, wie oben in der Wohnung auch. Die Jalousien sind runtergelassen, denn hier bekomme ich jetzt Südlicht statt wie oben Nordlicht. Gestern fand ich das Bild okay, heute nervt mich der fehlende Kontrast. Daher gibt’s nach dem Rezept lustige Experimente von heute morgen, auch für mich als Gedächtnisstütze, damit ich mit dem nächsten heißen Teller nicht wieder sinnlos rumlaufen muss.

Für vier Personen. Ich habe die untenstehende Menge halbiert, aber trotzdem die ganze Limette verarbeitet (nix mit einem Teelöffel Saft oder so) und kann das sehr empfehlen.

1 kg Süßkartoffeln schälen und in Scheiben schneiden oder hobeln. In einer Schüssel mit
250 ml Schlagsahne,
1 rote Chili, entkernt und fein gehackt, oder wie bei mir 1 TL Chiliflocken,
1 EL Sonnenblumenöl,
3 Knoblauchzehen, gehackt, sowie
Salz und
schwarzem Pfeffer vermischen.

150 g ungesüßte stückige Erdnussbutter mit
Schale und 2 TL Saft von 1 Limette sowie
1 EL Sonnenblumenöl vermischen.

Eine Auflaufform leicht ölen und die Hälfte der Kartoffeln flach in sie schichten. Darauf Kleckse der Erdnussbuttermischung verteilen, je mehr, desto besser (also eher viele kleine als drei dicke). Danach den Rest der Kartoffeln aufschichten und die restliche Sahne aus der Schüssel über alles gießen.

Die Form mit Alufolie locker abdecken und im auf 190 Grad vorgeheizten Ofen etwa 20 Minuten backen. Danach noch 30 Minuten unbedeckt backen. Wer mag, stellt das ganze dann noch kurz unter den Grill, damit die obere Schicht etwas knuspriger wird (ich habe mir das geschenkt). Sofort servieren.

Das Buch möchte dazu einen knackigen Blattsalat, ich habe Pimientos gemacht, glaube aber, der Tipp mit dem Salat ist ein guter. Das Gratin ist mauschelig süßlich (bis auf die superfrische Limette), und ich stelle mir den Kontrast zu einem kühlen, vielleicht sogar leicht bitteren Salat ziemlich gut vor.

Jetzt kommt der Schwung Spontanfotos von heute morgen, da müsst ihr jetzt durch, denn ich muss da auch durch, anstrengendes Rumköchelbloggerinnendasein, anstrengendes. Die Sonne scheint übrigens gerade nicht in München, aber alleine das Tageslicht macht nach Süden raus ganz schön Stimmung.

Schlafzimmerkommode nach Norden, aufsichtig, offensichtlich noch nicht der beste Ausschnitt, denn ich habe den Fußboden mitgenommen, was ich erst im Photoshop gesehen habe, wo ich meist nur die Bilder beschneide und sonst nichts mit ihnen mache (manchmal etwas mehr Kontrast). Gefällt mir sowohl von der Lichtstimmung (Licht von links) als auch von der absolut neutralen Unterlage gut.

Nochmal Schlafzimmer; ich wollte die Kartoffellagen abbilden. Die Wand im Hintergrund ist eigentlich viel dunkler. Ich mag das Licht ganz gerne, es sieht undramatisch, aber trotzdem lebendig aus, und durch den kleinen Lichtverlauf im Hintergrund wirkt alles weniger statisch. Ich fotografiere übrigens nur mit dem iPhone, die Kamera liegt total vernachlässigt rum. So viel zum Titel „Foodbloggerin“, genau deswegen nehme ich den für mich niemals an. Vielleicht kapieren das auch irgendwann die ganzen PR-Agenturen, die mich zu Kochevents einladen, die mich nicht interessieren. Vor allem die in Hamburg nicht, Pappköpfe.

Arbeitszimmer nach Süden vor meinen geliebten blauen Wänden, die jetzt gerade pudrig aussehen und heute nachmittag wieder leuchten, wenn mehr Licht drauffällt. In Wirklichkeit doppelt so dunkel. Auch hier offensichtlich nicht die beste Perspektive, nicht aufsichtig genug, das zu fotografierende Objekt verliert sich total in der Umgebung, aber ich behalte das mal als Gedächtnisstütze. (Schöner Lichtverlauf im Hintergrund, Licht von rechts.)

Ebenfalls Arbeitszimmer, die gleiche Location. Die Unterlage ist meine Stadiondecke, die momentan, wo man noch ohne Decke ins Stadion gehen kann, auf dem Schlafsofa liegt, auf dem ich normalerweise mein morgendliches koffeinhaltiges Getränk zu mir nehme. Netterweise ist der Cappuccino aus der wieder aufgebauten Superdupermaschine lange genug heiß, um spontan vier Fotos vom kaltem Gratin zu machen. Gefällt mir vom Licht sehr gut, ist nachmittags wahrscheinlich nicht möglich, weil dann die Sonne reinknallt. Finde ich aber schon spannend zu sehen, wieviel die Himmelsrichtung ausmacht. (Das ist für euch vermutlich weit weniger aufregend als für mich.)

Wollte eigentlich noch ein Bonusbild meiner Cappuccinotasse auf dem Schreibtisch posten, aber das brauche selbst ich nicht.

Tagebuch Freitag, 5. Oktober 2018 – Erste Male

Morgens die Espressomaschine angeschaltet, die zwei Wochen lang in ihrer Kiste stehen musste und gestern wieder an ihren Stammplatz kam, den sie auch schon in der oberen Wohnung hatte, aber der musste hier unten erstmal hergerichtet werden. Jetzt steht sie wieder repräsentativ in der Gegend rum. Laut Bedienungsanleitung soll sie 12 Stunden (oder sogar den ganzen Tag, vergessen) vorheizen, wenn man sie das erste Mal anstellt bzw. wenn sie längere Zeit nicht angeschaltet war. Im Laden, wo ich sie gekauft habe, meinte man, ein, zwei Stündchen reichten auch. Also schaltete ich sie morgens ein, um zur Mittagszeit einen Cappuccino trinken zu können und behaupte, damit irgendwie richtig zu liegen.

Alle restlichen Umzugskartons in den Keller gebracht. Eigentlich hatte ich mir angewöhnt, bei jedem Gang außer Haus zehn mit in den Fahrstuhl zu zerren und sie unten abzustellen, aber die letzten 26 gingen mir jetzt doch auf den Zeiger, so dass ich sie in zwei Gängen in fünf Minuten nach unten schaffte (und sie mir dabei nur einmal aus der Hand rutschten). Sie standen bis jetzt in der Bibliothek, von der ich dachte, sie wäre der einfachste Raum von allen: Regale an die eine Wand, das große Ecksofa an zwei andere, den kleinen Rolltisch, den ich seit Mitte der 90er Jahre mit mir rumschleppe, irgendwo in die Mitte, damit auf ihm die ungelesenen Bücher rumliegen können, bevor sie vom Nachtisch oder meinem Rucksack ins Regal wandern, fertig. Genau dieser Raum entpuppte sich aber als komplizierter als gedacht.

Der Grundriss der Verwaltung bestand mehr aus Annäherungswerten, so dass ich am Umzugstag feststelle, dass mein Sofa fast die gesamte Fensterbreite einnahm, was es nicht sollte, weil ich nicht mehr, wie in der oberen Wohnung, aufs Sofa klettern will, um die Fenster zu öffnen oder den Rolladen herunterzulassen. Das Sofa besteht aus drei Teilen, von denen ein breiter Hocker nicht mit den Eckdingern verbunden ist, so dass ich ihn hinschieben kann, wo ich will. Bisher war er einfach eine Verlängerung einer Sofaseite, so dass ich notfalls darauf schlafen konnte, wenn mich das eigentliche Schlafsofa zu sehr nervte. Diese Verlängerung sah jetzt aber komisch aus und versperrte mir den bequemen Weg ans Fenster. Also stellte ich den Hocker gestern in die Ecke, in der bisher die Umzugskartons gestanden hatten. Im Zimmer steht außerdem noch ein Stuhl, auf dem bisher die ungelesenen Bücher gestapelt sind, denn mein Rolltisch hat es sich seit dem Moment, an dem ihn einer der Umzugsengel neben Multy ins Arbeitszimmer gestellt hat, genau da gemütlich gemacht, und ich habe mich schon daran gewöhnt, auf ihm meine morgendliche Kaffeetasse abzustellen, verdammt! Jetzt sieht es in der Bibliothek aber genau so aus, wie ich Räume nicht mag: alle Möbel einfach an der Wand lang. Daher schob ich gestern noch Sessel und Stühle aus anderen Räumen rein, schob sie wieder zurück, schob Dinge irgendwie mittig oder schräg, und jetzt lasse ich das mal ein paar Tage sacken und gucke.

Aber ansonsten ist es toll, eine Bibliothek zu haben! Auch wenn man in ihr eher Serien guckt anstatt endlich den Stapel auf dem Stuhl abzuarbeiten.

Apropos Bibliothek: Genau in eine solche, nämlich die der Uni, ging ich in der Mittagspause, denn ich musste ein letztes geliehenes Buch zurückbringen (die Diss döst momentan etwas erschöpft vor sich hin). In den letzten Monaten hatte die Bib umgebaut, weswegen man immer in den zweiten Stock musste, um Bücher abzuholen oder zurückzubringen. Seit Kurzem hat aber die schicke neue Ausleihe geöffnet, in der man alles selbst verbuchen kann. Auch die Rückgabe ist kein Schalter mehr, hinter dem ein Studi sitzt, der mehr oder minder motiviert durch alle Bücher blättert, die man ihm hinlegt, um pseudomäßig zu überprüfen, ob man auch ja keine Seite rausgerissen oder 200 von ihnen markiert hat. Das dauerte immer ewig, und hat uns, glaube ich, alle genervt. Der Schalter ist noch da, aber jetzt besteht er aus einer Replikator-großen Box, in die man sein Buch hineinlegt, es wird gescannt und abtransportiert und man muss auch keine doofe Quittung mehr mitnehmen, die man eh sofort in den nächsten Papiermülleimer wirft. (Man kann aber, wenn man will.) Der ganze Vorgang dauert gefühlt zwei Sekunden, und seitdem frage ich mich, ob jetzt hinter den Kulissen arme Studis sitzen, die trotzdem noch alle Bücher durchblättern und überprüfen müssen, ob wir Ausleihenden nett zu ihnen gewesen sind.

Auf dem Rückweg nach Hause kaufte ich Kirschkuchen und schmiss die Espressomaschine an. Gleichzeitig heizte ich den Backofen vor, denn ich hatte vorgestern Brotteig angesetzt. Nebenbei lief die Geschirrspülmaschine, und so saß ich irgendwann in der Küche am gedeckten Küchentisch, der nur noch ein Esstisch ist und kein Schreibtisch mehr, freute mich über den Abwaschhelfer und genoss meinen ersten Cappuccino in dieser Wohnung plus Kirschkuchen, während im Ofen mein erstes Brot in dieser Wohnung vor sich hinbuk.

Im Bus zurück hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, zwei Studentinnen zuzuhören, die anscheinend alles scheiße fanden, was „diese angebliche Exzellenzuni“ ihnen so bietet. Ich habe nicht verstanden, ob sie jetzt gerade erst anfangen zu studieren oder schon im höheren Semester sind, aber anscheinend ist alles eine Zumutung, Arbeitsaufwand, Dozenten, Unterrichtsniveau und vermutlich auch die Mensa, aber da habe ich schon nicht mehr zugehört.

Ich bin bei solchen Tiraden immer versucht, die Betreffenden entweder liebevoll zu umarmen oder ihnen eine Kopfnuss zu verpassen und ihnen zuzuflüstern: „An der Uni herrscht Holschuld, nicht Bringschuld. Das ist DEIN Studium, also mach auch DEINS draus.“ Dir passt der Kurs nicht? Wähl einen anderen. Dir geht eine Dozentin auf den Keks? Mach nie wieder ein Seminar bei ihr. Bei Pflicht- und Einführungskursen herrschen andere Regeln, ist klar, aber dafür sind das auch Pflicht- und Einführungskurse, da müssen wir alle durch, ich nehme an, in jedem Studiengang. Aber danach ist es selbst bei dem fies verschulten BA oder MA möglich, das zu studieren, was dich interessiert, denn, hey, genau dafür bist du hier.

Um Rainald Goetz zu zitieren: Don’t cry, work.

Oder um Anke zu zitieren: Wenn du in genug sinnlosen Meetings gesessen hast, ist jeder Einführungskurs bei einem nuschelnden Professor das Paradies.

Den neuen Stundenplan zusammengestellt. Drittes Promotionssemester, here I come.

Tagebuch Donnerstag, 4. Oktober 2018 – Ablage

Den ganzen Tag auf den Anruf einer Kollegin gewartet für einen gemeinsamen Job. Währenddessen Ablage gemacht, die ich einfach aus der oberen Wohnung nach unten getragen hatte, ohne sie vorher zu erledigen. Jetzt ist der Papierstapel verschwunden. Steuer fürs Quartal 3/2018 erledigt. Termin von Hermes mitgeteilt bekommen, wann der neue Kühlschrank zu erwarten ist (yay!). Eingekauft, Mittag gemacht, noch ein bisschen offiziell am Schreibtisch gewartet und dann halt auf dem Sofa mit der Zeitung vor der Nase.

Abends mit F. am Küchentisch rumgelungert, nachdem der Herr mir ein Regalbrett angedübelt hatte. Das betreffende Regal hatte ich oben in der Küche selbst mal angebracht, aber wenn sich jemand anbietet, mit Wasserwaage und Bohrmaschine für mich rumzuhantieren, sage ich ja nicht nein. Beim Bohren haben wir beide festgestellt, wie unglaublich schmal die Wand zwischen Küche und Flur ist. Ähem. Da muss ich jetzt ein kleines Stück Wand überstreichen, denn da kam der erste Dübel doch glatt im Flur raus, von dem wir dachten, er wäre tief in der Wand verschwunden, woraufhin wir noch einen nachschoben.

Wegen Winzkühlschrank und daraus resultierender mieser Vorratshaltung nichts Vernünftiges im Haus gehabt, was ich dem Herrn hätte kochen können, woraufhin der gute Mann Pizza vom Italiener nebenan holte. Die esse ich dann heute, denn ich war noch von mittags satt, aber hey, wenn jemand Pizza holt, sage ich auch dazu nicht nein.

Gemeinsam eingeschlafen, erst zum dritten Mal in dieser Wohnung.

The Ultimate Sitcom

Langer Bericht in der NYT, der sehr gut aufzeigt, warum The Good Place so viel Spaß macht – und warum diese Serie etwas ganz Besonderes ist. Ohne Spoiler.

„The premise of “The Good Place” is absurdly high concept. It sounds less like the basis of a prime-time sitcom than an experimental puppet show conducted, without a permit, on the woodsy edge of a large public park. The show’s action begins in a candy-colored heaven in which new residents are welcomed to find their perfect soul mate, an ideal home and an eternal supply of frozen yogurt. (Flavors include Double Rainbow, Four-Day Weekend, Full Cellphone Battery, Panoply of Exuberance and Beyoncé Compliments Your Hair.) There is just one problem: Eleanor Shellstrop, our foulmouthed protagonist, does not belong anywhere near any kind of paradise. Eleanor is a comically awful person — in flashbacks, we see her refusing to be a designated driver, ruining a stranger’s quinceañera and selling fake medicine to the elderly. Her arrival at the Good Place seems to be a result of some kind of existential clerical error. Eleanor is understandably reluctant to confess this, particularly when she learns about the many horrors of the Bad Place: bees with teeth, four-headed bears, volcanoes full of scorpions and — unfortunately — “butthole spiders.” Out of sheer desperation, she decides to try something drastic: to improve herself. Eleanor manages to persuade her alleged soul mate, a Senegalese professor of ethics and moral philosophy named Chidi, to teach her how to be good. “How do we do it?” she asks. “Is there a pill I can take or something I can vape?”

This is the trick of “The Good Place.” Ethics is not some kind of moralistic byproduct; it’s baked into the very premise. The show is entirely life lessons. Every episode is Very Special. It synthesizes those old contradictory impulses — jester vs. guru — so completely that they cease to be in tension. If “Seinfeld” was a show about nothing, “The Good Place” is a show about everything — including, and especially, growing and learning. By all rights, it should probably be awful — preachy, awkward, tedious, wooden, labored and out of touch. Instead, it is excellent: a work of popular art that hits on many levels at once. It has been not only critically acclaimed but also widely watched, especially on streaming services, where its twists and intricate jokes lend themselves to bingeing and rebingeing. The modern world, perhaps, is hungrier for ethics than we have been led to believe.“

Der Artikel beschreibt auch, warum sich die Serie so viel dichter anfühlt als der übliche Lachfluff (der auch super ist).

„One day out of the blue, Pamela Hieronymi, a professor at U.C.L.A., got an email from [showrunner Michael] Schur, asking if she would speak to him about ethics. Hieronymi is not a TV watcher and had no idea who Schur was, but she agreed, and they ended up talking for three hours, largely about whether it is possible to become a good person by trying — about how intention and motivation color our moral behavior. Hieronymi was impressed by Schur’s earnestness and curiosity. It was clear that he didn’t just want to make jokes about philosophy; he wanted to actually understand the ideas. Eventually, Schur asked Hieronymi to join the show as a “consulting philosopher” — surely a first in sitcom history. Later he brought on Todd May, the author of that slim book about death. The consultants spoke not only to Schur but also to the writers’ room, giving lectures on existentialism and the famous thought experiment known as the Trolley Problem, ideas which were later woven into the show. All of which is to say “The Good Place” is not about philosophy in the way that “The Big Bang Theory” is about science — as a set of clichés to tap for silly jokes. A sitcom is not a grad school seminar, obviously, so the philosophy is highly abridged. But it is not insubstantial, and philosophical ideas actually determine and shape the plot.

At the beginning of Episode 6, Chidi holds up a book: a thick academic paperback with one of those devastatingly quiet covers (earth tones, Morandi still-life) that make you feel as if you will never be allowed to leave the library again.

Eleanor reads its title aloud — “What We Owe to Each Other” — and gasps.

“I saw this movie!” she says. “Laura Linney cries in a lake house because Jude Law left her for his ex-wife’s ghost.”

This synopsis, of course, is incorrect. The book is actually a dense work of philosophy by the Harvard emeritus professor T.M. Scanlon. It introduces an idea called “contractualism.” As Chidi explains it to Eleanor: “Imagine a group of reasonable people are coming up with the rules for a new society. … But anyone can veto any rule that they think is unfair.” (“Well, my first rule would be that no one can veto my rules,” Eleanor responds, to which Chidi counters, “That’s called tyranny, and it’s generally frowned upon.”)“ […]

Schur loved not only the central thesis of “What We Owe to Each Other” but also the book’s title. “It assumes that we owe things to each other,” he told me. “It starts from that place. It’s not like: Do we owe anything to each other? It’s like: Given that we owe things to each other, let’s try to figure out what they are. It’s a very quietly subversive idea.”

It is, in a way, deeply un-American — an affront to our central mythology of individual rights, self-interest and the sanctity of the free market. As an over-the-top avatar of all our worst impulses, Eleanor is severely allergic to any notion of community. And yet her salvation will turn out to depend on the people around her, all of whom will in turn depend on her. What makes us good, Chidi tells her, is “our bonds to other people and our innate desire to treat them with dignity.” As the show progresses, “What We Owe to Each Other” becomes a recurring character, popping up onscreen at several crucial plot points. This amazed Hieronymi — the last thing she had expected to see was her dissertation adviser’s book featured prominently on a network sitcom.

Tagebuch Mittwoch, 3. Oktober 2018 – Ausruhen galore und mit Ausrufezeichen

Na gut, fast. Ich habe die Betten neu bezogen – ICH HABE WIEDER EIN BETT, ES IST SO GROSSARTIG –, Wäsche gemacht – MEINE WASCHMASCHINE FUNKTIONIERT –, ein bisschen was weggearbeitet – AM SCHREIBTISCH IM ARBEITSZIMMER – und dann ein, zwei Stünchen versucht, meine zwei Wandschränke zu organisieren – WHERE ART THOU, BEST ABSTELLKAMMER EVER?!? Das Aufräumen hat auch das winzige Bad in Mitleidenschaft gezogen, weil ich immer noch nicht so recht weiß, wo ich was hinräumen soll und weil mir dort vor allem ein kleiner Schrank fehlt. Die Inhalte sind jetzt ein bisschen struktuierter als vorher, aber final fühlt sich das noch nicht an. Außerdem tauchen vor meinem inneren Auge weitere Bretter oder Haken auf, die man irgendwo in den Schränken andübeln könnte für NOCH MEHR STAURAUM. Mal sehen.

Zwischendurch, egal was ich tue, schaue ich mich in meiner neuen Wohnung um und finde alles großartig. Ich bleibe kurz im Flur stehen und denke, hey, guck mal, der geht noch drei Meter weiter, da kommt nicht sofort die Wohnungstür. Dann stehe ich im Arbeitszimmer und bewundere mein Rijksmuseumblau an den Wänden und sehe die große Fensterfront zum Balkon und denke, hey, guck mal, du kannst den Blick richtig schweifen lassen, nicht nur bis zu den Häusern auf der anderen Straßenseite. Dann stehe ich in der Küche und sehe den Tisch und denke, hey, guck mal, den kannst du jetzt ganz ausziehen, und da passen, wie du seit gestern weißt, acht Leute dran, und bald ist der neue Kühlschrank da und du hast jetzt eine anständige Arbeitsfläche, dann kannst du mal wieder Leute einladen, so wie früher, als dein Flur mehr als drei Meter lang war und du den Blick schweifen lassen konntest. Und dann gehe ich ins Schlafzimmer, das relativ leer ist und deswegen sehr beruhigend und finde alles erst recht großartig. Dann denke ich kurz an die Miete, mein Blutdruck steigt, ich atme mich wieder runter und freue mich einfach weiter.

Ansonsten habe ich den Tag damit verbracht, weiter Jane the Virgin zu gucken. Ja, ich bin extrem spät dran, aber ich hatte vor Ewigkeiten mal die erste Folge versucht und nach wenigen Minuten abgeschaltet. Ich Idiot, denn seit einigen Wochen bin ich total verknallt in den ganzen überkandidelten Zuckerguss und finde alles irre putzig und äußerst entspannend. Dazu die neue Folge Better Call Saul, ein, zwei Spezi (die Umzugsspezi sind dann jetzt fast alle), Salamibrot und vor allem die Kuchenreste vom Vortag, als meine Familie zum Kaffeeklatsch da war. Eine schöne Kanne Nilgiri dazu, den ich meiner Mama, Darjeeling-Fan, leider nicht so schmackhaft machen konnte, aber egal, mehr für mich.

Beim Fertigmachen für die Nacht im Bad ein bisschen B5 gehört, wie immer; ich höre seit Jahren keine Musik mehr im Bad, sondern nur noch Nachrichten. Gestern kam eine kurze Reportage darüber, wie die Inflation in Venezuela für Papierknappheit sorgt, was die Pressefreiheit empfindlich beschneidet. Über diesen Zusammenhang hatte ich auch noch nie nachgedacht. Ein Redakteur erzählte, dass seine Zeitung inzwischen per Twitter, Facebook und Instagram publiziert. Ich finde die Sendung leider nicht online, daher kann ich euch nur diese Bruchstücke zum Selberweiterdenken anbieten.

Im Bett weiter Fear von Bob Woodward gelesen. Kennt man ja eigentlich alles, aber es liest sich dann doch ziemlich unwiderstehlich. Wenn’s nicht so fürchterlich wäre. Vermutlich gucke ich deshalb gerade so gerne Jane the Virgin.

Tagebuch Dienstag, 2. Oktober 2018 – Familienausflug, zweiter Teil

F. und ich führten vorgestern die Familie auf meiner Seite durch Augsburg, gestern war dann natürlich München dran, wenn man schon mal in der Gegend ist. Ich hatte eigentlich einen kleinen Stadtspaziergang geplant, eventuell ein Museum (die Damen waren daran sehr interessiert), aber die Gang wollte etwas länger ausschlafen und kam daher erst um 11 in der Landeshauptstadt an. Deswegen zogen wir den eigentlich zweiten Tagesordnungspunkt vor: die Mittagswiesn. Bei unserem Seniorentempo hätte der Spaziergang zu lange gedauert, um noch ein halbwegs entspanntes Oktoberfesterlebnis zu genießen, denn der Übergang von der schnuffigen Mittagswiesn zum üblichen Trubel geht recht schnell. Meine Schwiegerschwägerin (oder wie immer das korrekte Verwandschaftsverhältnis lautet) freute sich total: „Alle meine Freundinnen kriegen immer Postkarten von mir von Schlössern und Museen und Kunst – und jetzt bekommen sie eine vom Oktoberfest! Das hätten die mir nie zugetraut!“

Beim letzten Elternbesuch hatte ich festgestellt, dass man mit manchen Senioren etwas anders durch die Stadt gehen muss, daher war ich ein bisschen nervös vor der U-Bahn-Haltestelle Theresienwiese, weil die in den 16 Tagen Festzeit immer und dauernd und gnadenlos überfüllt ist. Die Damen und Herren meisterten das aber alles prima, und so konnten wir fast durch den Haupteingang gehen, den ich natürlich wie immer verfehlte, weil ich sonst von der U-Bahn-Station Goethestraße komme, um eben nicht durch den Haupteingang zu müssen. Wir erwischten den Eingang, der 100 Meter vom großen Torbogen und dem Denkmal für das Attentat entfernt ist, aber ich konnte ihn immerhin noch zeigen, als wir von der Schaustellerstraße in die Wirtsbudenstraße wechselten. Alleine dass es mehrere Straßen gibt, war schon beeindruckend für die Gang, genau wie die Größe der Zelte sowie die Dauer des Aufbaus. Wir fanden auch sofort einen Andenkenstand, der Postkarten und Briefmarken hatte – darauf hatte ich noch nie geachtet, kann jetzt aber sagen: Gibt es.

Eigentlich wollten wir einmal über das ganze Gelände bummeln, um dann zur Oidn Wiesn zu gehen, wo ich es etwas ruhiger finde, aber ich hatte wohl einmal zu oft das Augustinerzelt erwähnt, denn da wollten jetzt alle rein. Wir verteilten uns auf zwei Tische, hatten auch nur ein ausgesprochenes Arschloch am Tisch, über das ich mich den ganzen Tag sinnlos ärgerte, aber der Rest der Oktifestneulinge fand das alles äußerst spannend, guckte sozialforschend in der Gegend rum, orderte Brezn und Weißwurst und war anscheinend zufrieden. Die älteren Herrschaften kamen mit einem bayerischen Ehepaar ins Gespräch und tranken auch brav eine Maß (also zwei zu viert, glaube ich), meine Schwester blieb alkoholfrei, während ihr Mann, F. und ich jeder eine Maß genossen. Sanft angebiert schlenderten wir nach zwei Stunden über den Rest des Geländes, zeigten Brauereipferde, sprachen über die sechs Münchner Brauereien, die auf der Festwiese ausschenken dürfen und brachten auch sonst noch diverse Oktoberfesttrivia an.

Meine Eltern wollten gerne meine neue Wohnung sehen, ich protestierte sinnlos, dass ich gerade erst eingezogen sei, noch nicht eine Lampe hinge und es auch überhaupt nicht aufgeräumt sei, aber das war natürlich allen egal. F. holte Kuchen bei Hildegard (die Dame ist, glaube ich, inzwischen verstorben, aber mindestens pensioniert, aber man geht halt immer noch zu Hildegard), während ich Kaffee in der French Press zubereitete und Tee in Omis Teekanne. Ich wusste, wo alles war! Ich hatte Kaffee und Tee im Haus! Aber nur sechs Stühle, weswegen ich meinen Bürodrehstuhl in die Küche schob und F. sich einen Thron aus Spezikisten bastelte. F. so: „Das sind die meisten Menschen in deiner Wohnung, seit du in München lebst.“ Und damit hatte der Mann sogar recht, ich Einsiedlerkrebs.

Entspannt und gestärkt brachen wir dann endlich zum Stadtbummel auf, der im Prinzip der gleiche war, den ich Papa, Schwesterherz und ihrem Mann vor anderthalb Jahren schon einmal erzählt hatte. Dieses Mal blieben wir etwas länger in der Abgusssammlung, die wir uns letztes Mal geschenkt hatten; durch das Ding renne ich immer durch, wenn ich in die Bibliothek im ZI will. Mein Schwager konnte sich noch an den Sitz des israelischen Konsulats erinnern, über den ich mich ja bekanntlich dauernd und anscheinend auch im Beisein von Verwandten freue, denn das Konsulat liegt souverän in Sichtweite des ehemaligen Führerbaus. Wir gingen auch kurz in die Alte Pinakothek, in der ich das herrliche Treppenhaus von Hans Döllgast vorzeigen konnte, was letztes Jahr noch Baustelle war bzw. wegen der Sanierung nur zur Hälfte geöffnet.

Und dann war es schon wieder Zeit zum Essen, wie das nur immer passiert. Wir kehrten natürlich in den Georgenhof ein, denn auch an den konnte sich die Familie noch als „äußerst wohlschmeckend“ erinnern. Die älteren Herren fochten kurz das Bezahlen aus, wie das halt so ist, dann machte sich F. auf den Weg in die Allianz-Arena, wo Bayern Champions League spielte, während ich die Bande wieder zum Bahnhof begleitete und sie mit Hilfe des Schwagers auch in den richtigen Zug bekam. Die Herrschaften fanden alles ganz toll, wie sie uns mehrfach versicherten, was mich sehr freute, weil es mir alles total improvisiert und zerstückelt vorgekommen war, aber wenn man Gast ist, nimmt man ja eh alles anders auf als als Gastgeber*in.

Ich ließ den Abwasch für heute stehen, schlief beim Stream des Fußballspiels schon auf dem Sofa ein und wechselte in der Halbzeit ins Bett.

Tagebuch Montag, 1. Oktober 2018 – Familienausflug

Morgens vom Lieblingsgeräusch aufgewacht: Dauerregen. Es gibt nichts Entspannenderes als Dauerregen. Also wenn man im Bett oder auf dem Sofa bleiben kann und genug Schokolade im Haus hat. Gestern stand aber der Familienausflug nach Augsburg an, und so googelte ich spaßeshalber morgens noch nach „Augsburg bei Regen“, um vielleicht tolle Aktivitäten oder Sehenwürdigkeiten zu finden, die auch bei Dauerregen Spaß machen. Museen sind ja leider Montags fast alle geschlossen, daher fielen die schon mal weg. Weswegen ich es ziemlich klasse finde, dass es in Hamburg bewusst Museen gibt, die eben gerade Montags geöffnet sind. Hier in München fällt mir nur die Neue Pinakothek ein, von der selbst einige unser Dozenten sagen, dass man in die ja nur aus Pflichtgefühl reingeht.

Beim Googeln kamen nur für unsere Gruppe äußerst ungeeignete Dinge wie Lasertag oder Bouldern raus, daher kletterten F. und ich ohne Alternative in den Regionalzug nach Augsburg und begannen planmäßig mit dem Rathaus und dem Goldenen Saal. Bis dahin hatte es auch aufgehört zu regnen, es war allerdings fies kalt geworden. Wir erzählten trotzdem auf dem zugigen Rathausvorplatz Dinge über die Stadtgeschichte und das kommunale Selbstbewusstsein der freien Reichsstadt, das sich extrem unübersehbar in diesem monstergroßen herrlichen Bau niedergeschlagen hatte.

Ich weiß noch, als ich das erste Mal auf dem Augsburger Christkindlesmarkt war und kaum glauben konnte, dass dieser Wolkenkratzer da ein Bauwerk aus dem 17. Jahrhundert sein sollte. Er beeindruckt mich jedes Mal, und gestern war ich auch endlich mal drinnen und konnte den Goldenen Saal bestaunen, der nicht weniger beeindruckend ist.

Im Erdgeschoss fasst eine winzige Ausstellung (ein Raum) die 2000-jährige Stadtgeschichte vom Römerlager bis heute zusammen und das ziemlich gut. Danach schlenderten wir zum Perlachturm nebenan, der aber nicht ganz so eindrucksvoll war (zumindest von innen). Außen wurde gerade noch die Blumendekoration abgenommen, die für das Turamichele am Wochenende angebracht worden war.

Da der Dom in fußläufiger Entfernung – auch für unsere in Teilen äußerst fußlahme Gruppe – lag, nahmen wir den auch gleich mit. Ich war vom Baukörper verwirrt, der innen so schön ordentlich aussieht, aber von außen irgendwie krumm und schief – jedenfalls von meiner Sichtposition. Außerdem freute ich mich darüber, dass meine lange verschütteten Lateinkenntnisse ausreichten, um eine Gedenktafel für Papst Pius VI. zu entziffern, der hier anscheinend mal eine Messe abgehalten hatte. Vielleicht habe ich aber auch Quatsch entziffert.

Es war Zeit für eine Kaffeepause, die wir im Café Dichtl abhielten, wo ich auch endlich mal eine heiße Schokolade bekam, die ich am Sonntag schmerzlich vermisst hatte. Dazu gab’s für mich gnadenlos Toast Hawaii, weil ich keine Lust auf Torte hatte und so ohne Frühstück (außer Bialetti-Milchkaffee) um 12 dann doch allmählich hungrig war.

Den Nachmittag verbrachten wir in der Fuggerei, über deren Besuch ich mich sehr gefreut habe. Ich hatte als Kind mal einen Bericht über die Fugger im Fernsehen angeschaut und war seitdem fasziniert von dieser Familiengeschichte. Auch die Idee einer Sozialsiedlung, die seit 500 Jahren besteht und für die die bedürftigen Bewohner bis heute eine Jahresmiete im Gegenwert eines Rheinischen Gulden zahlen müssen, finde ich spannend (das sind zurzeit 88 Cent. Plus drei Gebete täglich). Auf der Rückfahrt unterhielten F. und ich uns darüber, dass Reichtum eine moralische Verpflichtung sein sollte, ob sie nun aus Angst vor der Hölle entsteht oder einfach aus dem Bewusstsein heraus, dass man selbst so viel mehr besitzt als der überwiegende Teil der Bevölkerung. Den Ansatz von Bill Gates mag ich gerne (seine Kinder bekommen einen eher kleinen Teil seines großen Vermögens, der Rest geht in die Stiftung), während ich bei Interviews mit Jeff Bezos manchmal verzweifele („Was soll ich mit meinem ganzen Geld machen? Klar, in den Weltraum fliegen.“ Bezahl doch erstmal die Amazon-Angestellten besser, du Nase).

Als letzter Tagespunkt stand noch St. Anna mit der Lutherstiege auf dem Programm, aber unsere zwei älteren Herren wollten bitte nicht mehr rumlaufen. Da ich auch nichts gegen ein kleines Kaltgetränk hatte, setzten wir uns gemeinsam in den Bauerntanz und tranken uns warm, bis die anderen gegen 17 Uhr aufliefen und wir entspannt zu Abend aßen.

Ereignislose Rückfahrt, kaum Wiesnirre in der U-Bahn. Noch schnell die Saturday-Night-Live-Folge vom Samstag nachgeholt und früh ins Bett gegangen.

Tagebuch Sonntag, 30. September 2018 – Keine Schokolade

Seit zwei Wochen erstmals fast durchgeschlafen. Zwar wachte ich nachts irgendwann auf, ich widerstand aber der Versuchung, auf die Uhr zu sehen; in den letzten zehn, zwölf Tagen war es immer halb fünf oder etwas in der Ecke gewesen, danach lag ich über eine Stunde wach, um dann meist nochmal für ein bis zwei Stündchen zu schlafen, bis mich der Wecker fies aus den Träumen bzw. den inneren To-Do-Listen riss. Gestern erwachte ich, wie gesagt, drehte mich aber einfach wieder um und konnte auch wieder einschlafen, bis ich gegen halb sieben recht normal erwachte. Ich hoffe, damit ist die Umzugsschlafstörung endlich vorbei.

Weiterhin ein bisschen in der Wohnung rumgepuschelt, für einiges einen neuen Platz gefunden, für anderes noch nicht, oberflächliches Aufräumen für eventuellen Besuch am Dienstag, aber eigentlich lag ich nur auf der Couch und wartete auf eine WhatsApp von meiner Schwester. Denn: Wir hatten unseren Eltern und Quasi-Schwiegereltern einen gemeinsamen Urlaub geschenkt. Schwesterherz und ihr Mann überraschten die Bande mit einer Fahrt nach Quedlinburg und Erfurt, wo sie auch übernachteten. Danach ging es weiter an ein für sie unbekanntes Ziel, was sich als Augsburg entpuppte. Dort bleibt die Rotte weitere drei Nächte, bevor sie dann wieder mit einem weiteren Abstecher zurück in den Norden fahren.

In Augsburg wollten wir uns zum Kaffee treffen; mehr war für F. und mich nicht drin, denn um 18 Uhr hatte der FCA ein Heimspiel. Meine Schwester behauptete, sie wären um 15 Uhr vor Ort, ich reservierte in einer plüschigen Traditionskonditorei acht Plätze, F. und ich waren fünf nach drei da – und der Rest kam, wie von mir erwartet, gegen viertel vor vier. Es reichte trotzdem noch für leckere Torte (Himbeersahne für mich, wenn es irgendwo Himbeersahne gibt, lese ich die Speisekarte gar nicht weiter, TEAM HIMBEERSAHNE FOR LIFE) und einen Cappuccino. Eigentlich wollte ich eine heiße Schokolade, aber die war leider aus.

Wir versuchten noch, Papa zum Stadionbesuch zu überreden, aber er wollte nicht mit; fünf Stunden im Auto hatten ihn doch geschafft. Mit dem Rest hatten wir eh nicht gerechnet, und daher fuhren F. und ich alleine ins Stadion.

Dort sah es leerer aus als gewöhnlich. Ein 18-Uhr-Spiel am Sonntag passt eben nicht jedem; auch der gegnerische Fanblock war deutlich leerer als gewohnt, denn bis nach Freiburg zurück ist es auch eine ganze Ecke. Die beiden Fanblöcke stellten nach gut 20 Minuten für uns überraschend ihren Support ein. Wir rätselten: Hatten wir einen angekündigten Fanprotest nicht mitbekommen? Erst auf Twitter erfuhr ich, dass es in einem der Fanblöcke einen ärztlichen Notfall gegeben hatte, weswegen die Fans aus Pietät schwiegen.

Eine derartige Aktion hatte ich bisher nur als Fernsehzuschauerin bei einem Spiel in Dortmund mitbekommen und fand es damals respektvoll und sehr in Ordnung. Jetzt im Stadion fühlte sich das allerdings seltsam an. Vor allem, als Freiburg nach dem 2:0 von Augsburg wieder zurückkam, der FCA ein dusseliges Eigentor produzierte – und eben keine Kurve da war, die Krach machte. Scheiß auf Zurückhaltung – der Rest des Stadions begann zaghaft, etwas Stimmung zu machen, was auch halbwegs funktionierte (im Gegensatz zur Allianz-Arena, wo alles einfach in der riesigen Einöde versandet). Auch ich klatschte mit, weil dem FCA das Spiel zu entgleiten drohte. Dann wurde aber in der FCA-Fankurve eine Durchsage gemacht, die ich nicht verstehen konnte, und beide Kurven begannen wieder, ihre Mannschaften lautstark zu unterstützen. Jetzt konnte ich ohne schlechtes Gewissen anfeuern und freute mich über einen verdienten 4:1-Endstand. Das hatte wirklich Spaß gemacht! (Ja, bis auf den Zwischenfall, schon klar.)


(Halbzeit mit leerem Kuchenblock und einer Wolkenformation, die in der Realität viel hübscher aussah.)

Weil das Stadion nicht so voll war, ging der Weg zum Zug zurück nach München irre schnell. Keine Schlange auf dem Damenklo! Das hatte ich noch nie. Ohne Hindernisse zur Tram und dort gleich in die erste reingekommen, die vor uns einfuhr. Wir hatten sogar noch Zeit für den üblichen Absacker an der Schwarzen Kiste, wo ich wieder eine heiße Schokolade orderte, weil ich mich heute Nachmittag so auf eine gefreut hatte. Aber auch dort bekam ich eine bedauernde Absage. Die Zitronenlimo konnte mich nicht versöhnen, und so steht hier gerade neben mir, während ich den Blogeintrag schreibe, eine verdammte heiße Schokolade. Wohl dem, der immer Kakao im Haus hat. (Und Kekse!)