Tagebuch Montag, 1. Oktober 2018 – Familienausflug

Morgens vom Lieblingsgeräusch aufgewacht: Dauerregen. Es gibt nichts Entspannenderes als Dauerregen. Also wenn man im Bett oder auf dem Sofa bleiben kann und genug Schokolade im Haus hat. Gestern stand aber der Familienausflug nach Augsburg an, und so googelte ich spaßeshalber morgens noch nach „Augsburg bei Regen“, um vielleicht tolle Aktivitäten oder Sehenwürdigkeiten zu finden, die auch bei Dauerregen Spaß machen. Museen sind ja leider Montags fast alle geschlossen, daher fielen die schon mal weg. Weswegen ich es ziemlich klasse finde, dass es in Hamburg bewusst Museen gibt, die eben gerade Montags geöffnet sind. Hier in München fällt mir nur die Neue Pinakothek ein, von der selbst einige unser Dozenten sagen, dass man in die ja nur aus Pflichtgefühl reingeht.

Beim Googeln kamen nur für unsere Gruppe äußerst ungeeignete Dinge wie Lasertag oder Bouldern raus, daher kletterten F. und ich ohne Alternative in den Regionalzug nach Augsburg und begannen planmäßig mit dem Rathaus und dem Goldenen Saal. Bis dahin hatte es auch aufgehört zu regnen, es war allerdings fies kalt geworden. Wir erzählten trotzdem auf dem zugigen Rathausvorplatz Dinge über die Stadtgeschichte und das kommunale Selbstbewusstsein der freien Reichsstadt, das sich extrem unübersehbar in diesem monstergroßen herrlichen Bau niedergeschlagen hatte.

Ich weiß noch, als ich das erste Mal auf dem Augsburger Christkindlesmarkt war und kaum glauben konnte, dass dieser Wolkenkratzer da ein Bauwerk aus dem 17. Jahrhundert sein sollte. Er beeindruckt mich jedes Mal, und gestern war ich auch endlich mal drinnen und konnte den Goldenen Saal bestaunen, der nicht weniger beeindruckend ist.

Im Erdgeschoss fasst eine winzige Ausstellung (ein Raum) die 2000-jährige Stadtgeschichte vom Römerlager bis heute zusammen und das ziemlich gut. Danach schlenderten wir zum Perlachturm nebenan, der aber nicht ganz so eindrucksvoll war (zumindest von innen). Außen wurde gerade noch die Blumendekoration abgenommen, die für das Turamichele am Wochenende angebracht worden war.

Da der Dom in fußläufiger Entfernung – auch für unsere in Teilen äußerst fußlahme Gruppe – lag, nahmen wir den auch gleich mit. Ich war vom Baukörper verwirrt, der innen so schön ordentlich aussieht, aber von außen irgendwie krumm und schief – jedenfalls von meiner Sichtposition. Außerdem freute ich mich darüber, dass meine lange verschütteten Lateinkenntnisse ausreichten, um eine Gedenktafel für Papst Pius VI. zu entziffern, der hier anscheinend mal eine Messe abgehalten hatte. Vielleicht habe ich aber auch Quatsch entziffert.

Es war Zeit für eine Kaffeepause, die wir im Café Dichtl abhielten, wo ich auch endlich mal eine heiße Schokolade bekam, die ich am Sonntag schmerzlich vermisst hatte. Dazu gab’s für mich gnadenlos Toast Hawaii, weil ich keine Lust auf Torte hatte und so ohne Frühstück (außer Bialetti-Milchkaffee) um 12 dann doch allmählich hungrig war.

Den Nachmittag verbrachten wir in der Fuggerei, über deren Besuch ich mich sehr gefreut habe. Ich hatte als Kind mal einen Bericht über die Fugger im Fernsehen angeschaut und war seitdem fasziniert von dieser Familiengeschichte. Auch die Idee einer Sozialsiedlung, die seit 500 Jahren besteht und für die die bedürftigen Bewohner bis heute eine Jahresmiete im Gegenwert eines Rheinischen Gulden zahlen müssen, finde ich spannend (das sind zurzeit 88 Cent. Plus drei Gebete täglich). Auf der Rückfahrt unterhielten F. und ich uns darüber, dass Reichtum eine moralische Verpflichtung sein sollte, ob sie nun aus Angst vor der Hölle entsteht oder einfach aus dem Bewusstsein heraus, dass man selbst so viel mehr besitzt als der überwiegende Teil der Bevölkerung. Den Ansatz von Bill Gates mag ich gerne (seine Kinder bekommen einen eher kleinen Teil seines großen Vermögens, der Rest geht in die Stiftung), während ich bei Interviews mit Jeff Bezos manchmal verzweifele („Was soll ich mit meinem ganzen Geld machen? Klar, in den Weltraum fliegen.“ Bezahl doch erstmal die Amazon-Angestellten besser, du Nase).

Als letzter Tagespunkt stand noch St. Anna mit der Lutherstiege auf dem Programm, aber unsere zwei älteren Herren wollten bitte nicht mehr rumlaufen. Da ich auch nichts gegen ein kleines Kaltgetränk hatte, setzten wir uns gemeinsam in den Bauerntanz und tranken uns warm, bis die anderen gegen 17 Uhr aufliefen und wir entspannt zu Abend aßen.

Ereignislose Rückfahrt, kaum Wiesnirre in der U-Bahn. Noch schnell die Saturday-Night-Live-Folge vom Samstag nachgeholt und früh ins Bett gegangen.