Samstag, 15. Oktober 2022

Dinge fürs Mütterchen erledigt: knapp 50 Umschläge mit Adressen beschriftet, um die Dankeskarte zu verschicken an viele Menschen, die uns eine Trauerkarte zukommen ließen oder für die Langenhagener Tafel gespendet hatten. Einige Karten schrieb ich selbst, bei anderen half ich bei der Formulierung.

Die übliche Kürbiscremesuppe im Riesentopf angesetzt, die mag sie so gerne, und deswegen muss ich sie jedesmal kochen, wenn ich hier bin. Sie wird in diverse Gläser abgefüllt und eingefroren.

Honig-Senf-Salatdressing angerührt, siehe Suppe. Nur ein Glas, für die nächste Woche.

Kuchen gebacken. Den hatte ich im Sommer mal gemacht, und der schmeckte allen so gut, dass ich ihn bitte nochmal backen sollte. Das Schwesterchen bot an, mir ihre Küchenmaschine zu leihen, was ich gerne annahm. Ich selbst besitze immer noch keine, sondern nur einen Handmixer, aber ich backe so oft und so gerne, dass ich seit Ewigkeiten mit einer liebäugele. Ich hatte gehofft, dass die Maschine nur riesiger teurer Schnickschnack sei, aber ich musste leider feststellen, dass sie die Arbeit wirklich erleichtert und ich selten einen Kuchen so schnell im Ofen hatte – einfach weil sie Zeug nebenbei erledigt wie Butter und Zucker ewig schaumig zu schlagen, während ich alles andere machen konnte: Kakaocreme anrühren, Mehl und Backpulver mischen, Eier trennen, Eischnee mit dem Handmixer schlagen, Milch abmessen, Kuchenformen fetten. Dann alles mischen und ab in den Ofen. Verdammt. Muss nun überlegen, ob ich die MUM 5 möchte oder, natürlich, die wunderschöne Kitchen Aid.

Am späten Nachmittag fuhren wir noch einmal auf den Friedhof, auf dem am Vortag die Urnenbeisetzung stattgefunden hatte. Inzwischen war das Grab mit Erde bedeckt und unser Kranz lag darauf. Wir hatten vorgestern nicht nur Erde und Blütenblätter zur Urne geworfen, sondern auch noch ein paar Handvoll Eicheln, weil Papa die so mochte und sie gerade in Massen von den Bäumen fallen, die um sein Grab stehen. Gestern lagen bereits weitere auf Kranz und Schleife und den beiden Gestecken, die von der Trauerfeier stammten.

Danach testeten wir die neue Kaffeemaschine vom Schwager an, und ich bekam gleich mal ein Päckchen örtlichen Stoff mit.

Abends Brotzeit und Sekt. Fotos angeschaut. Nicht ganz so traurig gewesen wie bei der Trauerfeier, die eher ein Abschied gewesen war als nun die Urnenbeisetzung.

Mama hat Papa immer von dem einen roten Apfel erzählt, der im Garten als Solitär vor sich hinwuchs (der alte Baum trägt quasi nie und nichts), und dass sie ihm den dann ins Heim mitbringen würde, wenn er reif sei. Papa hatte leider nicht mehr so viel Zeit. Jetzt liegt der Apfel an seinem Foto.

Freitag, 14. Oktober 2022

Donnerstag, 13. Oktober 2022

Im Zug nach Norden gefahren.

Mittwoch, 12. Oktober 2022

Vegetarisch essen gewesen. Leider zum ersten und letzten Mal im Tian München, es schließt zum Jahresende. Müssen wir halt in das in Wien gehen.

Karotte in diversen Aggregatzuständen und mit unterschiedlichen Techniken verarbeitet. Das Grüne ist natürlich das Karottengrün, das ich hier erstmals als nussig wahrgenommen habe. Der kleine Klecks rechts war eine Creme aus Sonnenblumenkernen, und in die Buttersauce hätte ich mich reinlegen wollen.

Kohlrabi, eins meiner liebsten Gemüse. Selbst der olle Dill hat mir gefallen, den ich sonst eher als nervig empfinde. Er brachte eine gewisse Erdigkeit mit, die mich überrascht hat. Außerdem auf dem Teller: unglaublich aromatische Haselnüsse und eingelegte Fichtensprossen. Nochmal Erdigkeit plus Säure.

Roscoff-Zwiebel, mild und gleichzeitig souverän, darunter lagen noch Steinpilze voller Umami. Neben dem ganzen Kartoffelflausch (zur Hälfte aus Butter, würde ich schätzen) irgendwas Gepopptes zum Knuspern. Sieht so harmlos aus, hätte ich aber in einem Wirtshaus als „deftig“ auf die Karte gesetzt.

Zum Dessert gab’s Birne auf einem Financier, in einigen Komponenten war Bienenwachs, von dem ich nicht wusste, dass man es für irgendwas in der Küche verwenden kann. Hatte einen Hauch Honignote, war aber glaube ich eher Mundgefühl.

Das waren nicht alle Gänge und Reinkommer und Erfrischer und Rausschmeißer, ich habe oft vergessen zu fotografieren oder fand jetzt das Foto nicht adäquat zum wirklich tollen Abend. Die Weinbegleitung war auch hervorragend, besonders gefallen hat uns der Pet Nat zum Dessert, der die ganzen Teile auf dem Teller quasi in den prickeligen Arm genommen hat.

Für den Hin- und Rückweg trug ich einen pinkfarbenen Blazer, den ich zusammen mit dem grünen Anzug zur Hochzeit gekauft hatte. Bisher war es zu warm für ihn – und so ganz habe ich mich nicht getraut, in ihm rauszugehen, denn er ist nicht pink, sondern PINK. Ging dann aber doch.

Am Finger trage ich einen Ring, den Papa Mama aus dem Iran oder dem Irak mitgebracht hatte, das wusste das Mütterlein nicht mehr so genau. Papa war Exportkaufmann und in seiner Firma für den Nahen Osten zuständig – und die Philippinen, was F. und ihm selbst in seinem geistig nicht mehr ganz so fitten Zustand noch Anknüpfungspunkte gegeben hat. Den Ring habe ich mir erst vor dem Restaurant an den Finger gesteckt, der kam mir total overdressed für die U-Bahn vor.

Ungewohnter, aber extrem toller Nebeneffekt der im Juni aufgestockten Garderobe: Ich stand gestern erstmals vor dem Kleiderschrank und hatte wirklich Auswahl an eleganter Kleidung für eine elegantere Umgebung. Das war neu und ich habe mich stundenlang darüber gefreut.

Dienstag, 11. Oktober 2022

Mein erster Kinobesuch seit Beginn der Pandemie führte mich ins Isabella, eine kleine Schachtel, in die ich zu Fuß eilen konnte, als ich spontan Lust auf „No Fear“ hatte, eine Dokumentation über Igor Levit. Das klangtechnisch besser ausgestattete City hätte ich nicht mehr geschafft, aber ich ahne, dass ich den Film noch einmal sehen möchte, dann vielleicht eher im Surround Sound. Denn auch mit dem zu leisen Ton aus den Boxen neben der Leinwand hat mir der Film sehr gefallen.

Er beginnt Ende 2019, und wie im Trailer schon angedeutet wird, war das Jahr 2020 eigentlich mit Konzerten so richtig schön vollgepackt. Wir wissen alle, wie 2020 aussah, und ich mochte es sehr, dass der Film darüber fast nonchalant weggeht, keine Aufnahmen von leeren Straßen, es wird irgendwann mal „ein Virus“ erwähnt und dann beginnen schon die Hauskonzerte, die Levit mit dem Handy streamt. Ich ahne, dass man einiges von Levit in den vergangenen Jahren mitbekommen haben muss, um zu verstehen, was da passierte, aber vielleicht unterschätze ich das Publikum auch. Wobei ich glaube, dass den Film nur Menschen sehen werden, die Levit auch sonst verfolgen. So kam mir jedenfalls das Publikum gestern abend vor: fast alles Menschen, die ich sonst im Herkulessaal für klassische Konzerte sehe, nur wenige unter 60. Diese Aufmerksamkeit für konzertante Musik schlug sich im seltsamen Kinoverhalten nieder: Während auf der Leinwand Interviews zu sehen waren oder Szenen, in denen Levit nicht am Klavier sitzt, wurde sich gerne mal unterhalten oder das Handy gecheckt. Aber sobald Klaviermusik ertönte, waren alle mucksmäuschenstill. Und nach dem Abspann wurde geklatscht, wie man das halt so macht nach Musik.

Ich habe einen guten Einblick erhalten in die Arbeit einen klassischen Pianisten und fand vor allem die Szenen aufschlussreich, in denen Levit eine CD einspielt. Das Arbeiten mit dem Toningenieur (ich hoffe, das ist die korrekte Bezeichnung), die Diskussionen, das gemeinsame Abhören fand ich sehr spannend. Gleichzeitig haben sie mein Bild von Levit, das hauptsächlich durch die sozialen Medien geprägt ist, verändert: Wo ich ihn online immer sehr stark und forsch wahrnehme, sah ich hier einen durchaus anlehnungsbedürftigen und manchmal unsicheren Menschen. Es wurde eine Zartheit sichtbar, die ich zwar während seines Spiels wahrnehme, die ich aber komischerweise noch nie mit seiner Nicht-Pianisten-Person verbunden habe.

Unerwartet gerührt hat mich eine Aufnahme eines Hauskonzerts, das er in München einspielte. Die Kamera fokussiert auf ihn am Flügel, im Vordergrund ist unscharf das übertragende Handy zu sehen, auf dem wir aber die ganzen Herzen und Kommentare erahnen können, die sekündlich aufpoppen. Dann fokussiert die Kamera auf das Handy, und wir können die Kommentare lesen: Danke. Danke. Danke. Ich erinnere mich an diese Dankbarkeit, die ich auch gespürt habe, als ich fast jeden Abend um 19 Uhr auf Levits Aufführung wartete. Ich spürte sie gestern wieder, denn seit den Hauskonzerten habe ich ihn ein-, zweimal live gesehen und mich seitdem auch durch fast seine gesamten Aufnahmen gehört. Er hat mir persönlich die Welt des Klavierkonzerts eröffnet, die ich vorher als zu anstrengend und sperrig und piepsig im Vergleich zum fetten Orchester empfunden habe. Wie falsch ich damit lag, weiß ich erst, seitdem ich ihm mit miesen Sound am heimischen Schreibtisch zugehört habe, mitten in einer Pandemie, die ich kurz vergessen konnte, weil er mich so fesselte, mit Stücken, die ich größtenteils nicht kannte.

Levit erzählt, dass die meisten Reaktionen auf eher herausfordernde Stücke kamen wie Ronald Stevensons „Passacaglia on DSCH“ oder Morton Feldmans „Palais de Mari“. „Die Leute sind offen für sowas.“ Ja!

Direkt nach dem Kinobesuch (mit Maske) hatte ich das Gefühl, dass der Film mit seinen zwei Stunden einen Hauch zu lang gewesen war, aber auch heute morgen weiß ich nicht, was man hätte schneiden sollen. Überhaupt: Weswegen ich alleine schon den Film noch einmal sehen möchte, war der ewig lange Ausschnitt aus der „Waldstein-Sonate“. Ich meine, das war der komplette dritte Satz, bei dem wir Levit arbeiten und schwitzen sehen und ja, ein bisschen schnaufen hören, weil es offensichtlich echt anstrengend ist, was er da so tut. Das fand ich äußerst souverän, das einfach zehn Minuten lang laufen zu lassen anstatt nach 45 Sekunden rauszugehen. Und wie schon erwähnt: mucksmäuschenstill im Saal. Das war schön.

Montag, 10. Oktober 2022

Alles geschrieben, was ich schreiben wollte. Ab heute beginnt dann wie bei allem Das Große Kürzen. Ehrlich gesagt, bin ich schon dabei und habe darüber vergessen zu bloggen.

Nach dem gestrigen Feierabend aka gegen 15 Uhr (war seit 5 wach und seit 6 am Schreibtisch, getting shit done) legte ich dann ein wenig Make-up auf (Huch?), zog Bluse und Jäckchen an statt Shirt und Hoodie (Huch?) und fuhr in die Innenstadt, um mich bei Marina Rinaldi nach einer neuen Hose umzuschauen, eher Business-Style. Dort durfte ich feststellen, dass es sehr darauf ankommt, wer dich bedient: Mir wurde unter anderem ein Pepita-Jäckchen vorgeschlagen, in dem ich eher meine Mutter sehe, aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich mich in Shirts und Hoodie wie Anfang 30 fühle und immer vergesse, dass ich Anfang 50 bin. Jedenfalls: Hose gefunden, wird noch für mich enger und kürzer gemacht, hole ich nächste Woche, und dann bin ich erstmal für alles eingekleidet.

Seit Wochen folge ich wahllos Designern und ähnlichem auf Insta, weil ich eine Handtasche suche (Huch?). Ich habe jahrelang genau eine einzige größere Handtasche besessen, schwarz, und die wurde dann für Businesstermine, die Oper und alle Sternerestaurants benutzt. Auf der Hochzeit im Juli, wo ich meinen traumhaften grünen Anzug von Rinaldi trug, holte ich meine einzige Clutch aus den Tiefen des Kleiderschranks, die silbrig glitzert und mir ein bisschen zu silber und zu glitzerig ist für Restaurants und Konzertsäle. Daher suchte ich nun eine schwarze, kleinere, elegante, schlichte, möglichst auch als Clutch zu verwendende Tasche. Instagram ballert mich inzwischen brav mit Handtaschenwerbung zu, ist mir recht, kann ich entspannter wegscrollen als die für Frauen anscheinend standardmäßig vorgesehene Abnehmscheiße. Eine Zeitlang hatte ich den Algorithmus auf Möbel trainiert, dann waren es Schuhe, jetzt sind es Taschen. Ich sah aber nie etwas, was mir richtig gefiel, einiges, was mir so einigermaßen gefiel, aber einen Tausender für ein Markentäschchen sehe ich dann auch nicht so recht ein, und alles unmarkige fand ich eher doof. Ich nickte also innerlich meine übliche Handtasche für weitere fünf Jahre ab, als ich gestern auf dem Weg von Marina zum Douglas bei Roeckl vorbeikam – und dort im Schaufenster genau die Tasche sah, die ich gesucht hatte. Groß genug für ein Taschenbuch (MAN WEISS JA NIE), aber trotzdem schmal, elegant, schwarz, ein dezentes Logo (ganz ohne geht es anscheinend bei niemandem), mit abnehmbarem Schulterriemen, Maske aufgesetzt, reingegangen, angefasst, Karte gezückt.

Zum gelungenen Abschluss meines Girlie-Tags bei Douglas genau den Lidschatten bekommen, den ich mir vorher online ausgeguckt hatte und zufrieden (und arm) nach Hause gefahren. Ich habe keine Ahnung, woher auf einmal der Wunsch kommt, nur noch mit Mascara vor die Tür zu gehen oder Blusen zur Jeans zu tragen, aber ich nehme das mal so hin und fühle mich weiterhin wohl. Kann ja nicht falsch sein, wenn ich mich wohl fühle. Googele jetzt weiter teure Tagescremes für die reife Haut, byeeee.

Sonntag, 9. Oktober 2022

Die Hälfte von dem geschrieben, was ich hätte schreiben sollen. Hatte auf mehr gehofft, aber der Kopf war bockig. Um ihn und mich zu besänftigen, erstmal Hefeteig angesetzt und Zimtschnecken nach ungefähr diesem Rezept hergestellt. Ein bisschen mehr Mehl war bei mir nötig, ich gab außerdem Kardamom dazu, und ich habe keine vier Brocken, sondern zwölf vernünftige Schneckchen geformt. Außerdem durfte alles nur einen halben Tag gehen und nicht die ganze Nacht, weil ich gestern Gebäck wollte und nicht heute morgen.

Noch lauwarm fand ich sie großartig, nach dem Auskühlen waren sie innen ähnlich trocken wie andere Zimtschnecken, trotz der Zimt-Buttercreme im Inneren, was mich an diesem Süßkram immer verzweifeln lässt. Vor allem, seit ich die Schnecken vom Brantner kenne, die genau so sind, wie ich sie liebe: außen knusprig-karamellig, innen feucht und frisch. Ich bastele weiter. Es ist ein großes Opfer.

Samstag, 8. Oktober 2022

Nichts von dem geschrieben, was ich hätte schreiben sollen. Dafür sehr viel Netflix geguckt und das Bad geputzt.

Freitag, 7. Oktober 2022

Einem spannenden Vortrag per Livestream zugehört, am eigenen Vortrag weitergebastelt, auf Nachricht aus einem bestimmten Archiv gehofft (kam nicht), lecker Reste von lecker Nudeln mit lecker Erdnuss-Chili-Öl gegessen, abends mit F. zwei Flaschen Rotwein geleert (Syrah, Blaufränkisch), ihm den Livestream-Inhalt plus einen Vortrag von vorgestern von der betreffenden Konferenz nachreferiert, über Kunst geredet, sehr zufrieden ins Bett gefallen. Endlich mal wieder ein guter Tag. Bin allmählich mürbe von diesem Jahr.

Donnerstag, 6. Oktober 2022

In Nürnberg findet gerade die Konferenz „Nationalsozialismus ausstellen. Zugänge, Perspektiven und Herausforderungen im 21. Jahrhundert“ statt, die netterweise größtenteils im Livestream übertragen wird. Die Vorträge sind ab dem 12. bis zum 30. Oktober auch noch nachträglich anzuschauen, ich werde das verlinken.

Ich war gespannt auf den Beitrag von Dr. Monika Sommer aus dem Haus der Geschichte Österreich (ohne S am Ende, wie mir gestern auffiel). Sie sprach über die Ausstellung „Hitler entsorgen. Vom Keller ins Museum“, die F. und ich im April gesehen hatten und wo wir jedes einzelne Texttäfelchen durchlasen, weil alles so spannend war. Im damaligen Blogeintrag könnt ihr bis ca. zur Mitte scrollen, der Teil fängt unter dem Foto mit dem Plakat zur Reichsautobahn an. Wer gerade keine Lust zum Rüberklicken hat, für den copypaste ich kurz, wie die Ausstellung aussah:

„Schon den Reinkommer fand ich gut und vertwitterte ihn auch: Man stand vor einer Stellwand mit gezeichneten NS-Objekten (Eisernes Kreuz, ein Dolch, ein Teller mit einem Hakenkreuz drunter, wenn ich mich richtig erinnere, eine Ausgabe von „Mein Kampf“) und konnte auf einer Postkarte markieren, was man damit machen würde, sollte einem ein derartiges Objekt unterkommen: bewahren, zerstören, verkaufen? An drei weiteren Wänden wurden dann diese Möglichkeiten erörtert und man konnte lesen, was Besucher*innen so als Begründung für ihre Entscheidung geschrieben hatten. Eine für „bewahren“ war natürlich immer: einem Museum geben, damit Nachkommende davon lernen können.

Und damit beschäftigte sich dann der Rest der Ausstellung […] An 13 Tischen standen Dinge, die dem Museum einst übergeben wurden, gerne mit der jeweiligen Originalverpackung – Bananenkisten, eine Aktentasche, ein anonymer Großbrief. Das Museum machte deutlich, was an diesen Exponaten so wichtig war, dass man sie aufheben sollte. Textkarten ordneten ein und gaben Hintergrund zu Details des NS-Staats. Das klingt superlangweilig und pädagogisch, aber wie gesagt, wir lasen alles durch.“

Sommer berichtete, dass dem Haus der Geschichte Diverses zugesandt wurde und dass der Großteil aus der NS-Zeit stammt, was mich wieder darüber sinnieren ließ, dass der Grusel des Faschismus anscheinend doch funktioniert, denn warum hebt man Kram von 1938 auf, aber nicht von 1958. Das Museum wollte bewusst eine „unauratische Präsentation“ dieser Dinge, legte den Raum daher mit Messeteppich aus, der an ein Büro erinnert, und schuf diese eher unbeeindruckende Raumatmosphäre, die auch der in den Räumen der Angestellten ähneln sollte, die sich bei jedem eingesandten Stück fragen mussten, wie sie damit umgehen: aufheben oder entsorgen?

Das kuratorische Team stellte sich bei jedem Stück fünf Fragen, die ich gestern schon auf Twitter erwähnte, indem ich ein paar Seiten des Ausstellungskatalogs fotografierte. Sie lauteten: Was ist dieses Objekt? (Zum Beispiel ein Puppenwagen, der aus einer alten Feldpostkiste gebastelt wurde.) Wofür steht es? (Einerseits für die Kiste, in der der damalige Besitzer geraubte Gegenstände aus Frankreich in die Heimat schickte, andererseits für die Kindheitserinnerung der Tochter, die eher den Puppenwagen sieht als die Kiste.) Wer verwendete das Objekt und wie? (Auch hier wieder der Gegensatz zwischen Raub und Geschenk.) Was wird über dieses Objekt erzählt? (Die Töchter erinnern sich eher an den liebevollen Vater und wissen nicht genau, was in den Kisten verschickt wurde.) Wie kann dieses Objekt im Museum verwendet werden? (Der Wagen erzählt, dass NS-Propaganda in einem anderen Kontext weitergegeben werden kann.)

Sommer erwähnte auch die Karten, die ich im Blogeintrag beschrieb und meinte, dass sie sehr genau geschaut hätten, was dort notiert wurde. Bisher mussten sie nur einen einzigen Zettel entfernen, der, ihre Worte, „nicht der Netiquette“ entsprochen habe.

Was ich an den fünf Fragen so spannend fand, war der Kontext, in dem die Objekte existierten und der nun im Museum neu hergestellt bzw. eingeordnet wird. Dieser Kontext ist bei jeder Quelle wichtig, wie mir gerade eben in einem anderen Vortrag der Tagung noch einmal vor Augen geführt wurde (deswegen kommt der Eintrag heute auch erst so spät). Dort wurde die „visuelle Meistererzählung“ des NS angesprochen, der ich in meiner Forschung ja auch ständig begegne, nämlich bei den Vorurteilen über sogenannte NS-Kunst. Es gab eben nicht nur Bauerndarstellungen und weibliche Akte, auch wenn die in der GDK eine große Anzahl ausmachten. Aber das war nur eine Facette der Malerei dieser Zeit, und in der über Jahrzehnte verfestigten Erzählung ist der ganze Rest vergessen bwz. in den Hintergrund gedrängt oder – wie die Gemälde zur Autobahn – als zu wichtig angesehen worden. Es ist daher weiterhin unsere Aufgabe in Forschung und Vermittlung, diese Erzählung zu hinterfragen, zu erweitern und wenn nötig zu verändern.

Mittwoch, 5. Oktober 2022

Mein Lieblingsshirt für Archivbesuche angezogen und erstmal in die Bibliothek des Deutschen Museums gefahren. Dort blätterte ich erneut alle vorhandenen Jahrgänge der Zeitschrift „Die Straße“ durch, denn in ihnen sollte sich eine Abbildung eines Gemäldes befinden, das ich gerne auf meinem Vortrag in zwei Wochen zeigen möchte. Die Abbildung kannte ich aus einem Buch, dort war sie aber nur schwarzweiß und vor allem ohne Kontext. Den hätte ich jetzt gerne durch einen Artikel gehabt, von dem ich nicht wusste, wo er sich befinden könnte, die lausige Quellenangabe war nur der Titel der Zeitschrift, aber weder Nummer noch Jahrgang. Da ich den Berg für die Diss bereits durchgeblättert und alle Abbildungen von Gemälden gescannt hatte, ahnte ich, dass ich sinnlos blättern würde und die Quellenangabe im Buch Mumpitz war, aber was tut man nicht alles für eine vernünftige Fußnote im Konferenz-Sammelband.

Wie zu erwarten gewesen war, blätterte ich erfolglos, hatte danach staubige Finger, ein bisschen Rückenschmerzen und war etwas nölig. Ich kannte die Abbildung aber inzwischen durch eine weitere – und bessere – Quellenangabe aus einem Archivstück, wovon ich mir letzte Woche einen Scan bestellt hatte. Der freundliche Mensch im Lesesaal des Archivs meinte, Abholung auf CD wäre wohl am einfachsten, weil die Datei so groß sei, ja, hier im Lesesaal, ja, hier dann auch bezahlen. Ich war etwas verwundert, nickte das aber ab und erfuhr gestern bei der geplanten Abholung natürlich, dass das Kappes gewesen sei, dass ich im Lesesaal nichts abholen und erst recht nichts bezahlen konnte, bekam aber immerhin die Durchwahl des Fotomenschen und werde jetzt telefonieren müssen. „Nee, bloß keine Mail schicken!“ Mist.

Zum Trost für sehr viel Zeit für nix das Mittwochsspecial vom Lieblingsbäcker geholt. Danach ging der Tag wieder, bis ich abends am Telefon mit dem Schwesterchen um Blödsinn stritt. Eine Stunde später wieder ausgebügelt. Wenn es nicht so irre anstrengend und nervig wäre, wäre es fast lustig, mir dabei zuzusehen, wie mich derzeit kleinste Kleinigkeiten zum Heulen oder zum Ausrasten bringen.

Dienstag, 4. Oktober 2022

Die Trauer schleicht sich momentan in Schüben an mich heran. Eine Erinnerung, ein Wort, irgendwas, und ich weine. Aber nicht, weil Papa nicht mehr da ist, sondern weil mein Kopf nicht versteht, dass Papa nicht mehr da ist. Er war doch immer da. Ich kann seine Nicht-Existenz nicht rational begreifen. Es ist nicht so, dass ich auf einen Anruf von ihm warte – das ging ja schon seit über drei Jahren nicht mehr – oder dass ich im Norden glaube, dass er gleich zur Tür reinkommt – auch das war ihm nicht mehr möglich. Aber ich verstehe einfach noch nicht, dass ich nirgends mehr hingehen kann, wo er sein könnte. Man kann doch nicht einfach weg sein. Ich weine nicht nur, weil ich traurig bin, sondern weil ich den Grund meiner Traurigkeit schlicht nicht wegerklären kann. Mein Verstand weigert sich, mir zuzuhören.

Montag, 3. Oktober 2022

Den zweiten Wiesntisch ausfallen gelassen, weil Volksfest Virus zu viele Menschen ihr wisst schon.

Aber vom Lieblingslieferdienst ein Wiesnhendl bestellt, um es während mehrerer Tage in mehreren Mahlzeiten zu verzehren. Anstatt es ganz im Ofen zu garen, zerteilte ich es schon vorher, weil ich mir nicht sicher war, ob ich nicht doch etwas einfrieren würde. Das Zerlegen bewältigte ich, ohne zu googeln, wie man das wohl macht – stattdessen erinnerte ich mich an 100 Folgen „Masterchef Australia“, drehte so die Keulen aus den Gelenken, trennte mit einem herzhaften Schlag aufs schwere Messer die Flügel, löste die Brustfilets vorsichtig aus und steckte dann den Rest mit den Einzelteilen in einer Form in den Ofen. Mit dem Thermometer prüfte ich nach einer gewissen Zeit auch brav die Innentemperatur, denn bei Huhn bin ich inzwischen etwas vorsichtiger.

Seitdem genoss ich das übliche Reis mit Gemüse und nun auch noch ein zerkleinertes Brustfilet, einen Tag später aßen F. und ich dann einen Großteil des Fleischs mit Weißbrot und Rotwein, und vorgestern gab es schließlich noch einen Resteteller: Bohnensalat, Rotkohlsalat, scharfer Karottendip, den Rest Weißbrot, Jogurtdip mit Minze und Petersilie. Die Reste von diesem Restesteller ohne Fleisch, aber mit frisch ausprobierten Vollkorn-Paratha (eher so naja) plus Hummus sowie Gurken und Tomaten gab es dann gestern.

Das war zwar kein Wiesnhendl, aber sehr gutes Essen.

Sonntag, 2. Oktober 2022

Lesetag. Ich hatte vor wenigen Tagen Ich verfluche den Fluss der Zeit von Per Petterson (Ina Kronenberger, Übers.) begonnen; das las ich bis Freitag interessiert und sehr angetan durch. Vielleicht ein paar Straßennamen zu viel, die mir egal sind, aber ich mochte Erzähltempo, Verknüpfung von unterschiedlichen Zeitebenen und die sehr sparsamen und doch ausdrucksstarken Charakterzeichnungen sehr gern.

Direkt im Anschluss las ich Where the Crawdads Sing von Delia Owens, weil mir Instagram eine Werbeanzeige für die Verfilmung in die Timeline geworfen und ich blöderweise draufgeklickt hatte. Hier waren die Charakterzeichnungen eher dämlich und die Geschichte so naja, aber ich muss gestehen, das Ding habe ich in zwei Tagen runtergelesen.

Seit gestern sitze ich an Karen Duves Sisi. Das verlinke ich nicht, ich möchte nicht wissen, was irgendjemand dazu sagt, aber die bisherigen vier Bücher von Duve, die ich gelesen habe, mochte ich sehr.

Das Bild teilte ich gestern abend auf Insta und überschrieb es mit „Lesesonntag“. Ich muss dazu sagen, dass ich eher selten in diesem Sessel sitze, sondern lieber mit hochgelegten Beinen auf dem Sofa lungere, von dem aus ich dieses Bild gemacht habe. Hinter dem Sessel steht das dazu passende Schemelchen, das ich nutze, wenn ich mich mal in den Sessel setze. Ich hatte ihn für die erste Münchner Wohnung gekauft, in der kein Sofa stand, und ich wollte nicht immer nur im Bett sitzen/liegen/lesen.

Hinter dem Sessel steht außerdem eine Tischlampe auf dem Fußboden, die in der ersten Wohnung noch brav auf einem Regal stand. In der alten Wohnung hingen fünf Jahre lang bis zu meinem Auszug nackte Glühbirnen an den Decken von Flur, Küche und dem einzigen Zimmer, weil ich sie so gut wie nie anschaltete, weswegen ich Lampenschirme für Verschwendung gehalten habe. Ich mag Deckenlicht überhaupt nicht und verteile lieber fünf einzelne Tisch- und Stehlampen in allen Zimmern anstatt das blöde Licht von oben zu nutzen. (In dieser Wohnung habe ich aber brav rudimentäres Licht an die Decke gedübelt.)

In diesem Zimmer, meiner Bibliothek, das Zimmer, das Wohnzimmer hieße, wenn hier noch ein Fernseher stünde, stehen insgesamt vier Lampen; hinter dem Sofa auf einem Regal zwei, damit ich von jeder Seite gutes Leselicht habe, neben dem Bücherregal noch eine helle Stehlampe vor dem einzigen sichtbaren Stückchen weißer Wand (reflektiert schön, der Rest des Zimmers ist dunkelgrau) und eben die kleine Lampe hinter dem Sessel, deren Licht ich sehr gerne mag. Die Lampe weniger, die ist eher unhübsch, aber so sehe ich sie nicht.

Im Kino, in dem ich vor 100 Jahren gearbeitet habe, gab es zwei Lichtmöglichkeiten in den Sälen: das Saallicht, das so schön atmosphärisch runter- und nach Filmende wieder raufgedimmt wird, und das sogenannte Putzlicht, hell, neon, kaltweiß, zum Arbeiten halt. Innerlich nenne ich jede Deckenbeleuchtung Putzlicht, denn nur dafür knipse ich sie länger an.

Samstag, 1. Oktober 2022

Casey Neistat und seine Familie sind nach zwei Jahren von Los Angeles wieder nach New York zurückgezogen. Seitdem postet er wieder etwas regelmäßiger seine Vlogs auf YouTube. Sein neuestes Posting erinnerte mich sehr deutlich daran, wieso die Videolektion zum Schnitt in seiner Filmschule (1, 2) die mit Abstand längste war. Der Inhalt des Videos ist interessant, ja, aber was es für mich so sehenswert gemacht hat, war eben der Schnitt.

Ich musste auch wieder an meinen Film übers Essen denken, dessen Text seit Monaten fertig ist, aber über dessen Bebilderung ich immer noch nachdenke. Gestern sprach ich mit F. darüber, weil ich mich fragte, ob wir nicht durch Chef’s Table und tausend Pizza-Hut-Werbungen völlig übersättigt (haha) mit Hochglanzbildern von Hochglanzzutaten sind und was ich überhaupt noch Neues zu sagen hätte und das mit meinen völlig beschränkten Möglichkeiten. F. meinte: „Denk nicht in den Beschränkungen, sondern geh andersrum ran: Was würdest du zeigen, wenn Geld und Ausrüstung keine Rolle spielen?“ Daraus entwickelte sich der Gedanke, eben nicht in den Hochglanzbildern zu bleiben, die ja eh nicht meine sind, sondern Bilder zu entwickeln, die genau das sind: meine. Was sehe ich vor meinem inneren Auge, wenn ich über meine Esserfahrungen nachdenke?

Ich denke weiter. Das dauert noch, bis der Film jemals fertig wird. Aber es war schön, mich mit jemandem auszutauschen, dessen Erfahrungen andere sind. Wie immer und bei jedem Thema.