Tagebuch Sonntag, 20. Januar 2019 – Damendrogen

Ich wollte noch was zur Mayonnaise nachreichen. Inzwischen mache ich die mindestens zweimal die Woche, mal mit mehr, selten mit weniger Erfolg. Wie ich gestern schon schrieb: ein einziges Mal hat es mich fiese vier Versuche gekostet, bis ich endlich ein Dressing zum Salat hatte. Die Methoden aus Salz. Fett. Säure. Hitze für geronnene oder einfach nicht fest werdende Majo konnte ich auch schon mehrfach erfolgreich testen.

Die erste gemeinerweise meist dann, wenn ich mich in Sicherheit wiege, brav tröpfchenweise Öl zum Eigelb gegeben habe, schön meinen Arm ausleiere, der mit dem Schneebesen arbeitet, irgendwann denke ich IMMER, ha, heute klappt’s, dann werde ich leichtsinnig und kippe zu viel Öl in die Schüssel und zack, habe ich wieder Eigelb und Fett. Es hilft dann aber wirklich, eine neue Schüssel zu nehmen, in die einen halben Teelöffel knallheißes Wasser aus dem Hahn zu geben, besinnungslos mit dem unabgewaschenen, alten Schneebesen weiterzurühren und nun statt Öl die miese Majo dazuzugeben. Bis man sich dann wieder zu sicher fühlt und zack ihr wisst schon. VIER VERSUCHE! KEINE SAUBERE GLASSCHÜSSEL MEHR IM HAUS! ABER CAESAR DRESSING! Das wollen wir doch mal sehen, wer hier länger fluchen kann.

Die Methode beim Nichtemulgieren musste ich erst einmal anwenden. Wenn sich Eigelb und Öl nicht verbinden, ein paar Splitter Eis zur Flüssigkeit geben (eine Masse kann man das ja noch nicht nennen) und weitermachen. Für derartige Fälle ist es superpraktisch, wenn man den Gefrierschrank nicht streberhaft abgetaut hat – Eissplitter en masse!

Inzwischen weiß ich auch, was noch zum Gelingen beiträgt: eine richtig schwere Schüssel. Nosrat gibt im Buch immerhin den Tipp, ein nasses Handtuch zum Ring zu falten, um so eine Art rutschfesten Standring zu haben. Das klappt bei meinen normalen Schüsseln so halb gut; wenn ich richtig rühre, rutschen die Schüsseln trotzdem. Plastikschüsseln eh, die kann man gleich vergessen. Vorgestern nahm ich dann auf Verdacht mal die größte und schwerste Schüssel, die ich habe, quasi einen Glasbottich, in den geschätzt fünf Liter reingehen, was mir natürlich komplett überdimensioniert vorkam, um 150 ml Majo anzurühren. Aber die war super, weil sie einfach da blieb, wo ich sie hingestellt hatte und ich nicht immer mit der linken Hand, die den Messbecher mit dem Öl hält, gleichzeitig irgendwie die Schüssel stabilisieren musste, während die rechte rührt. Memo to me: kleine, arschschwere Schüssel kaufen.

Ach ja, natürlich habe ich zwischendurch auch nochmal versucht, die gute alte Pürierstabmethode anzuwenden (wie hier beschrieben). Das hat bei mir nur mit Eigelb nicht mehr geklappt, aber immerhin mit einem ganzen Ei. Dann schmeckt allerdings auch die Majo inzwischen für mich penetrant nach Ei(weiß), was ich nicht mehr mag. Selber die Geschmacksnerven zu fein kalibiert. Toll gemacht, Gröner.

Und nach diesen spannenden Einblicken in meine Küche zurück in die angeschlossenen Funkhäuser.

Gestern war Ruhetag: Ich habe Tee getrunken und alles gelesen, was um mich rum lag, die Rest-FAZ von Freitag (da musste mir F. ja den ganzen Tag was erzählen, da war der Wirtschaftsteil, den ich neuerdings auch brav lese, mal egal) und die Samstags-FAZ und den ersten Comic aus dem letzten Ausleihhaul aus der Münchner Stadtbücherei: Der Fall E. P. Jacobs von Rodolphe und Alloing. Der Band ist eine Biografie, wobei ich das Wort sehr vorsichtig nutze, von E. P. Jacobs, einem belgischen Comiczeichner, der zeitweilig mit Hergé zusammen an Tim & Struppi gearbeitet hat. Das alleine reicht aber noch nicht, um sein Leben spannend zu finden: Er war außerdem jahrelang als Bariton an der Oper in Lille angestellt. Der Comic ist leider alles andere als spannend, über die Frauenfiguren möchte ich auch nicht reden (vor allem nicht die Dialoge, mit denen sie zu tun haben), aber ich hatte von Herrn Jacobs noch nie gehört und bin froh, jetzt etwas über ihn zu wissen. Außerdem mochte ich den Zeichenstil, denn er orientiert sich brav an der Ligne claire, die ich von, natürlich, Tim & Struppi kenne und liebe.

In der Wikipedia rührte mich dieser eine Satz: „Seinem ehemaligen Mitarbeiter Jacobs hat Hergé auf dem Titelblatt von „Die Zigarren des Pharaos“ ein Denkmal gesetzt: als Mumie E.P. Jacobini.“ Ich meine, Rodolphe und Alloing haben sich im Gegenzug auch des Öfteren vor Hergé verbeugt; die einzige Anspielung, bei der ich mir sicher bin, ist die erste Arie, die der junge Jacobs im Theater seiner Heimatstadt hört, in das sein Vater ihn hineinschmuggelt: Es ist ausgerechnet die Juwelenarie aus Gounods Faust, die bei Tim & Struppi von „der Castafiore“ ausgiebig und in jedem Band, in dem sie auftaucht, geschmettert wird. Im Gegensatz zu Kapitän Haddock ist der junge Edgar Felix Pierre aber hocherfreut, als in seinem Panel der Text „Aaah! Je ris de me voir, si belle“ auftaucht. Ich habe Tim & Struppi nur auf Deutsch gelesen, aber die Zeile „Haaa, welch Glück, mich zu seh’n, so schön“ erkenne ich vermutlich überall wieder.

Was gibt’s Neues?

Diesen Text aus der FAZ wollte ich euch seit Tagen ans Herz legen und jetzt ist er online. Der Kunsthistoriker Peter Geimer schreibt über einen der Großen unseres Fachs, Willibald Sauerländer, der 2018 verstarb. Es geht zunächst um die Veränderungen im Stil kunsthistorischer Publikationen – weg von der „pathetischen Erbauungsliteratur“ – und schließt mit der Erweiterung des Fachs Kunstgeschichte zu den Bildwissenschaften. Wobei diese Erweiterung immer noch diskutiert und auch nicht von allen geschätzt wird. Ich hadere auch noch und muss immer an einen Satz denken, den einer unserer Dozenten (vermutlich scherzhaft) gesagt hat: „Ich bin Kunsthistoriker; alles, was nach 1980 kommt, interessiert mich noch nicht.“

„Zur Frage der „Bildwissenschaft“ hatte Sauerländer sich zwei Jahre zuvor im Rahmen der Münchner Vorlesungsreihe „Iconic turn“ in einem seiner vielleicht erstaunlichsten Vorträge geäußert. Der Titel lautete: „Iconic turn? – Eine Bitte um Ikonoklasmus“. Der Achtundachtzigjährige stieg gleich auf der Höhe der Debatte ein, die damals um eine genuine „Bildwissenschaft“ geführt wurde.

Ruft man sich die verschiedenen Verwendungsweisen und Konjunkturen dieses Begriffs in Erinnerung, seine Höhen und Tiefen, Protagonisten und Skeptiker, so ergibt sich ein äußerst vielschichtiges Bild. „Bildwissenschaft“ war weder eine institutionalisierte Disziplin noch bezeichnete der Begriff ein einheitliches methodisches Programm oder einen klar definierten Gegenstandsbereich. Insofern taugte „die Bildwissenschaft“ auch nicht sonderlich gut als Feindbild, obgleich man damals mitunter den Eindruck gewinnen konnte, dass dieses Label vornehmlich von denjenigen verwendet wurde, die etwas dagegen hatten, auch wenn sie auf Nachfrage nicht genau zu sagen wussten, was und warum.

Verschiedentlich war die Sorge laut geworden, dass eine Ausweitung des Gegenstandsbereichs der Kunstgeschichte angestammte Gebiete verdrängen könne. Hielt aber die Kunstgeschichte nicht schon damals ein enormes Themenspektrum aus – von Denkmalpflege bis Diskursanalyse, von Kennerschaft bis Kunstphilosophie? Überdies lässt sich das Profil einer Disziplin wohl kaum normativ regulieren – als Bestandskatalog sanktionierter Forschungsgegenstände. Die Metapher des Rahmens, der je nach methodischer Präferenz ausgeweitet oder aber im Status quo konserviert werden soll, ist ohnehin problematisch, denn sie suggeriert, der augenblickliche Zuschnitt eines Fachs sei allein durch seine historische Gewordenheit bereits legitimiert.

Sauerländers Ansatz war da ungleich radikaler. Nachdem er die Reflexion der Populärkultur in der englischen und amerikanischen Pop Art in Erinnerung gerufen hatte, leitete er zur televisuellen Bildproduktion der Gegenwart und ihrer „Ästhetisierung von Information durch die Live-Übertragung“ über. Zugleich führte er aus, dass die „Ästhetisierung durch die autonome Kunstgeschichte“ wichtige Funktionen der Bilder ausgeblendet hatte.

„Damit verabschiede ich mich bewusst von der Einengung des Begriffes Bild auf das konventionellerweise als Kunstwerk angesehene Bild.“ Sauerländer zitierte den amerikanischen Kunsthistoriker Keith Moxey, der 1995 in der Zeitschrift „October“ über eine Wissenschaft vom Bild nachgedacht hatte, die den Unterschied zwischen künstlerischen und nichtkünstlerischen Bildern gar nicht mehr voraussetzen würde. Da konnte Sauerländer – zu Recht – nicht einstimmen, schrieb aber doch: „Das ist nicht einfach anzunehmen oder abzulehnen, aber es ist zu diskutieren.““

Und dann wollte ich noch Zweig lesen und einen schlaueren Blogeintrag verfassen als einen über Mayonnaise, aber auf einmal tat alles weh, wo vorher nur der Rücken wehgetan hatte, und ich fand es nach stundenlangem Schmerzwegatmenversuchen schon spannend, wie doof mein Gehirn wird, wenn der Körper weh tut: Ich mache diesen Scheiß jetzt mit, seit ich 13 bin, und trotzdem vergesse ich immer wieder, was mit mir passiert, wenn ich blute und was ich dagegen machen kann. Aber sobald alles weh tut, weiß ich nichts mehr und liege nur noch gekrümmt rum und atme und warte darauf, dass es nicht mehr wehtut anstatt verdammt nochmal sofort die Drogen einzuwerfen, an die ich mich gestern dann irgendwann erinnerte.

Je älter ich werde, desto schmerzhafter wird die Scheiße und ich behaupte, das ist ein schlauer Mechanismus meines Körpers, damit ich den Kram auch nicht vermisse, wenn er endlich mal aufhört. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass das irgendeine vermissen könnte. Ich definiere meine Weiblichkeit jedenfalls nicht über die Fähigkeit, unabsichtig Bettlaken vollzubluten, ganz egal, welche Vorsichtsmaßnahmen ich dagegen ergreife.

Menno, jetzt haben wir so schön mit Kochen, Comics und Kunst angefangen und dann so ein Ende. Hier nochmal zum Aufheitern für alle mein Schreibtischschneemann.

Tagebuch Freitag/Samstag, 18./19. Januar 2019 – Gute Laune, schlechte Laune, gute Laune

Es sei mir verziehen, dass ich Samstag nicht bloggte, denn Freitag kam F. nach gefühlt TAUSEND JAHREN von den Asien-Meisterschaften wieder und ich wollte mir erstmal alles vom Louvre Abu Dhabi erzählen lassen. Und von allem anderen da. Wir hatten ein paar Erzählinseln über den Tag verteilt, dann mussten wir beide Kram erledigen, dann trafen wir uns wieder. Abends saßen wir dann auf ein, zwei Bierchen im Obacht, und wenn nicht direkt neben uns eine fünfköpfige Damentruppe so irre Lärm gemacht hätte, wären wir auch noch auf die Biere drei und vier geblieben. Wir zogen also in meine Küche um – ich hatte immerhin noch zwei Biere im Kühlschrank –, ich hörte mir weiter Spannendes an, und ich konnte endlich mal wieder nicht nur mit meinem Kuscheltier einschlafen.

Das war ein sehr schöner Tag, den ich einfach zu faul war zu verbloggen – obwohl ich mir den Louvre-Katalog ausgeborgt habe, weil da doch Exponate waren, die mich sehr überrascht haben. Ich muss mal ins ZI, bevor ich darüber schreibe. Außerdem war ich geistig schon in Augschburg, wo die Rückrunde der Bundesliga des FCA mit dem Spiel gegen Düsseldorf begann. Wir als Publikum gaben wenigstens im Vorfeld alles – und ich möchte kurz darauf hinweisen, wie gelungen ich hier die Farbkombi aus gelbgold, silbergrau und türkis finde …

… aber während des Spiels hatten wir weitaus weniger gute Laune. Eher extrem schlechte. Das Spiel ging verloren, und dann hatten wir an der Tram auch noch die totalen Drängeldeppen, was mich immer irre macht. Ich hasse es so sehr, in einer Menschenmenge eingezwängt zu sein und nach vorne geschoben zu werden, ohne etwas dagegen machen zu können. Und gerade in Augsburg sind eigentlich alle normalerweise halbwegs entspannt, weil die Trams netterweise schon in einer ewig langen Schlange am Stadion warten. Man steht echt nie länger als drei Minuten, bis man einsteigen kann. Wozu dann das beschissene Drängeln? Hass. Ich war bedient. Und F. fuhr schon wieder weg, gleich von Augsburg aus, wenn auch nur kurz, aber ich memmte ein wenig rum, ich bin grad anhänglich. Immerhin konnte ich auf der Rückfahrt nach München, die ich dementsprechend alleine zurücklegte, ohne schlechtes Gewissen lesen. Ich komme mir immer so ungesellig vor, wenn wir zu zweit irgendwo sitzen und ich mein Buch raushole, weil ich gerade nichts zu sagen habe. Was doof ist, denn F. guckt auch gerne mal ins Handy und muss nicht dauernd rumquatschen. Trotzdem.

In München bekam ich dann netterweise noch kurz vor Feierabend mein Lieblingsbrot vom Bäcker am Hauptbahnhof und nahm mir zum seelischen Ausgleich für das Kackspiel noch zwei Krapfen mit. Ich war immer noch mies gelaunt und fragte mich zum wiederholten Male, warum man überhaupt Fußball guckt und sich vor allem darüber so aufregen muss – es hat nichts mit meinem eigentlichen Leben zu tun. Über schlechte Filme oder Bücher oder Tweets rege ich mich auch auf, aber nur für fünf Minuten und dann sind sie mir egal. Über Fußball kann ich stundenlang quengeln, und ich weiß immer noch nicht warum.

F. meinte halb im Scherz, er würde gerne nur noch Spiele gucken, in die er emotional nicht so involviert wäre. Ich ahne, dass das nicht klappen wird, aber ja, das wäre ein Plan.

Über den Fußballquatsch dachte ich noch länger nach: was ich davon habe, warum ich das mache. Warum ich das mache? Weil’s Spaß macht, ganz simpel. Auch wenn man derzeit mit Augsburg nicht viel Spaß haben kann, aber trotzdem: Ich mag das Stadion, ich freue mich immer noch über den Kaschperl, der das Spielergebnis (immer falsch) voraussagt, über den fähnchenschwingenden Kids Club, und ja, über die Stadionwurst, denn die ist echt gut. Ich gucke gerne Fußball, aber ich könnte zum Beispiel nicht emotional uninvolviert Fußball gucken. Das merke ich, wenn nicht „meine“ Mannschaft spielt, sondern irgendwer; da bin ich meist sehr schnell gelangweilt. Ich gucke Fußball also anscheinend nur, wenn ich irgendwie dabei bin, ob nun wirklich vor Ort oder wenn ich vor dem Laptop einer Mannschaft die Daumen drücken kann.

Auf die Frage, was ich davon habe, ist mir erst gestern eine Antwort eingefallen und sie hat mich selbst überrascht. Ich plane gerade eine winzige Feier, unter anderem, um mich endlich mal bei meinen Umzugselfen zu bedanken. Dafür habe ich eine nicht ganz so winzige Gästeliste geschrieben. Und dabei ist mir aufgefallen, dass mein Münchner Freundes- und Bekanntenkreis bis auf wenige Ausnahmen komplett aus einem Fußballstammtisch hervorgegangen ist, dem guten alten #tpmuc. Ich gehe inzwischen mit Menschen in Museen, Ausstellungen und Vorträge, ich podcaste mit ihnen, ich höre ihnen bei ihrer Arbeit für Orchester oder Chöre zu, ich verabrede mich mit ihnen in Lokalen oder bei ihnen zuhause auf Bier und Käsefondue, mit einer dieser Bekanntschaften schlafe ich seit ein paar Jahren gerne Arm in Arm ein – und so vielfältig das jetzt alles ist: Unsere allererste Gemeinsamkeit war der Fußball. Nicht mal der gleiche Verein, sondern ganz simpel der Sport, für den wir uns, weil wir alle zufällig in München wohnen, in München getroffen haben, um darüber zu reden. Und von da aus redeten wir dann plötzlich über andere Dinge, denn, total überraschend, Fußballfans haben auch noch ein Leben neben dem Fansein.

Das war sehr schön, das mal zu merken: dass Fußball eben nicht nur nervt oder schlechte Laune macht, sondern viel mehr sein kann.

Um den Tag wenigstens gut zu beenden, rührte ich mal wieder eine Majo an und gönnte mir mein übliches Essen, für das immer alles im Haus ist: Caesar Salad. Hat auch nur zwei Versuche gekostet! Der Rekord steht bei vier, bis aus Eigelb und Öl endlich ein Dressing geworden war.

Tagebuch Donnerstag, 17. Januar 2019 – Flugradar

Gearbeitet, Zeitung gelesen, Buch gelesen, Hay Day gespielt. Frisches Brot gekauft plus Eierlikörkrapfen, wenn sie schon da rumliegen. Gefühlt etwas beschwipst weitergearbeitet. Keine Lust auf Kochen gehabt, Salat plus Käsebrot. Käsebrot heißt bei mir neuerdings: drei Käsesorten grob raspeln, mit ein paar Spritzern Olivenöl und schwarzem Pfeffer aufs Brot schichten und alles kurz unter den Grill schieben. Es gibt wirklich nichts Tolleres als irgendetwas mit Käse zu überbacken.

Abends 20 Minuten vor dem Flugradar gesessen, um F.s Flieger dabei zuzusehen, wie er sich dem Erdinger Moos nähert. Man sieht da wirklich die einzelnen Landebahnen! War sehr beeindruckt. F. war leider total müde, weswegen wir eine weitere Nacht getrennt schliefen und ich ewig auf Twitter rumhing bzw. im Zweig weiterlas.

In der Welt von gestern stolperte ich über eine Stelle, die ich neulich schon ähnlich und vor allem viel ausführlicher bei Andreas Latzkos Menschen im Krieg gelesen hatte: dass die Männer sich nach dem Großen Krieg fragten, warum sie niemand vom Kämpfen abgehalten habe. Eine Zielgruppe dieses Zorns: die Frauen.

Latzko schrieb 1918 im ersten Kapitel seines Romans:

„Losgelöst vom Arzt, stand er wieder torkelnd da, und seine Stimme sank allmählich zu einem wehleidigen Klageton herab, der, aus gepresster Kehle, gröhlend, wie das Lallen eines Trunkenen klang.

– Die Meine war auch fesch; versteht sich. Keine Träne! Ich habe gewartet, immer gewartet, wann sie zu schreien anfangen wird, wann sie mich endlich bitten wird auszusteigen, nicht mitzufahren, feig zu sein, für sie! Aber sie haben nicht den Mut gehabt; – keine hat den Mut gehabt; nur fesch haben’s sein wollen. Meine auch! Meine auch! Mit dem Taschentuch gewinkt, wie die anderen.

Seine zuckenden Arme strebten, sich windend, in die Höhe, als wollte er den Himmel zum Zeugen anrufen.

– Was das Grässlichste war, willst du wissen? – stöhnte er leise, sich unvermittelt wieder an den Philosophen wendend, – die Enttäuschung war das Grässlichste, der Abmarsch. Der Krieg nicht! Der Krieg ist, wie er sein muss. Hat’s dich überrascht, dass er grausam ist? Nur der Abmarsch war eine Überraschung. Dass die Frauen grausam sind, das war die Überraschung! Dass sie lächeln können und Rosen werfen; dass sie ihre Männer hergeben, ihre Kinder hergeben, ihre Buben, die sie tausendmal ins Bett gelegt, tausendmal zugedeckt, gestreichelt, aus sich selbst aufgebaut haben, das war die Überraschung! Dass sie uns hergegeben haben – dass sie uns geschickt haben, geschickt! Weil jede sich geniert hätt’ ohne einen Helden dazustehen; das war die große Enttäuschung, mein Lieber. Oder glaubst du, wir wären gegangen, wenn sie uns nicht geschickt hätten? Glaubst du? So frag doch den dümmsten Bauernburschen draußen, warum er eine Medaille haben möchte, ehe er auf Urlaub geht. Weil ihn sein Mädel dann lieber hat, weil ihm die Frauenzimmer dann nachlaufen, weil er mit seiner Medaille den anderen die Weiber vor der Nase wegangeln kann; darum, nur darum. Die Frauen haben uns geschickt! Kein General hätt’ was machen können, wenn die Frauen uns nicht hätten in die Züge pfropfen lassen, wenn sie geschrien hätten, dass sie uns nicht mehr anschaun, wenn wir zu Mördern werden. Nicht Einer wär hinaus, wenn sie geschworen hätten, dass keine von ihnen ins Bett steigt mit einem Mann, der Schädel gespalten, Menschen erschossen, Menschen erstochen hat. Nicht Einer, sag ich euch! Ich hab’s ja nicht glauben wollen, dass sie’s so tragen können! Sie heucheln nur, hab ich gedacht; sie halten sich noch zurück; aber wenn erst der Pfiff kommt, dann werden sie aufschreien, werden uns herausreißen aus dem Zug, werden uns retten. Einmal hätten sie uns schützen können, und sie haben nur fesch sein wollen! Auf der ganzen Welt, nur fesch.

Wie zerbrochen saß er nun wieder auf der Bank, geschüttelt von einem sanften, kummervollen Weinen, den Kopf wehmütig hin- und herrollend auf der keuchenden Brust. […]

Nun hielt der Arzt den richtigen Augenblick für gekommen.

– Komm’, Herr Leutnant, geh’n wir schlafen, – sagte er mit tölpelhaft formierter Gemütlichkeit, – Die Weiber sind nun mal so. Da kann man nix mach’n.

Er wollte weiter reden, um den Kranken, im Gespräch, unbemerkt ins Haus zu locken; aber schon der nächste Satz blieb ihm vor Überraschung in der Kehle stecken. Das kraftlose, schlotternde Skelett, das sich von ihm und dem Philosophen eben noch wie ohnmächtig hatte aufrichten lassen, sprang ruckartig hoch, schnellte die Arme auseinander, dass die beiden, die ihn hatten stützen wollen, strauchelnd in den Kreis der Zuschauer flogen. Er duckte sich, in den Knien wippend, wie ein Lastträger mit schwerer Fracht im Nacken, und so hockend, mit schwellenden Adern, wiederholte er, keifend vor Wut, die Worte des Doktors.

– Sind nun mal so? … Sind nun mal so? Seit wann denn, he? Hast du nie was von Suffragetten gehört, die Minister geohrfeigt, Museen in Brand gesteckt, sich an Laternenpfähle haben anketten lassen für das Stimmrecht? Für das Stimmrecht, hörst du? Und für ihre Männer nicht? Nicht einen Laut, nicht einen Schrei!

Einen Augenblick hielt er inne, atemholend; übermannt von wilder, würgender Verzweiflung. Dann raffte er sich noch einmal auf und schrie, mühsam gegen das Schluchzen ankämpfend, das ihn immer wieder gurgelnd erfasste, aus tiefster Not, wie ein gehetztes Tier:

– Hast du von einer gehört, die sich für ihren Mann vor den Zug geworfen hat? Hat eine für uns Minister geohrfeigt, sich an die Schienen gebunden? Keine einzige hat man wegreißen müssen. Nicht eine hat gekämpft, nicht eine hat uns verteidigt. Nicht eine hat sich gerührt, in der ganzen Welt. Hinausgejagt haben sie uns! Den Mund verstopft haben sie uns! Die Sporen haben sie uns gegeben, wie dem armen Dill. Morden haben sie uns geschickt, sterben haben sie uns geschickt, für ihre Eitelkeit. Willst du sie verteidigen? Ausgerissen müssen sie werden! Ausgerissen wie Unkraut, mit der Wurzel! Zu viert müsst ihr zieh’n, wie beim Dill. Zu viert, dann muss sie raus. Bist du der Doktor? Da! Mach ihn aus meinen Kopf! Ich will keine Frau. Zieh, – zieh sie raus …

Weit ausholend sauste seine Faust, wie ein Hammer, auf den eigenen Schädel, griffen seine gekrümmten Finger erbarmungslos in den spärlichen Haarwuchs am Hinterkopf, bis er, aufbrüllend vor Schmerz, einen ganzen Büschel ausgerissen in die Höhe hielt.“

In Zweigs 1942 posthum veröffentlichen Buch stand eine Rückschau über die Zeit vor dem Krieg:

„Es war noch keine Panik, aber doch eine ständige schwelende Unruhe; immer fühlten wir ein leises Unbehagen, wenn vom Balkan her die Schüsse knatterten. Sollte wirklich der Krieg uns überfallen, ohne daß wir es wußten, warum und wozu? Langsam – allzu langsam, allzu zaghaft, wie wir heute wissen! – sammelten sich die Gegenkräfte. Da war die sozialistische Partei, Millionen von Menschen hüben und Millionen drüben, die in ihrem Programm den Krieg verneinten, da waren die mächtigen katholischen Gruppen unter der Führung des Papstes und einige international verquickte Konzerne, da waren einige wenige verständige Politiker, die gegen jene unterirdischen Treibereien sich auflehnten. Und auch wir standen in der Reihe gegen den Krieg, die Schriftsteller, allerdings wie immer individualistisch isoliert, statt geschlossen und entschlossen. Die Haltung der meisten Intellektuellen war leider eine gleichgültig passive, denn dank unserem Optimismus war das Problem des Krieges mit all seinen moralischen Konsequenzen noch gar nicht in unseren inneren Gesichtskreis getreten – in keiner der wesentlichen Schriften der Prominenten jener Zeit findet sich eine einzige prinzipielle Auseinandersetzung oder leidenschaftliche Warnung. Wir glaubten genug zu tun, wenn wir europäisch dachten und international uns verbrüderten, wenn wir in unserer – auf das Zeitliche doch nur auf Umwegen einwirkenden – Sphäre uns zum Ideal friedlicher Verständigung und geistiger Verbrüderung über die Sprachen und Länder hinweg bekannten. Und gerade die neue Generation war es, die am stärksten dieser europäischen Idee anhing. In Paris fand ich um meinen Freund Bazalgette eine Gruppe junger Menschen geschart, die im Gegensatz zur früheren Generation jedem engen Nationalismus und aggressiven Imperialismus Absage geleistet hatten. Jules Romains, der dann das große Gedicht an Europa im Kriege schrieb, Georges Duhamel, Charles Vildrac, Durtain, René Arcos, Jean Richard Bloch, zusammengeschlossen erst in der ›Abbaye‹, dann im ›Effort libre‹, waren passionierte Vorkämpfer eines kommenden Europäertums und unerschütterlich, wie es die Feuerprobe des Krieges gezeigt hat, in ihrem Abscheu gegen jeden Militarismus – eine Jugend, wie sie tapferer, begabter, moralisch entschlossener Frankreich nur selten gezeugt hatte. In Deutschland war es Werfel mit seinem ›Weltfreund‹, der der Welt Verbrüderung die stärksten lyrischen Akzente gab, René Schickele, als Elsässer schicksalhaft zwischen die beiden Nationen gestellt, arbeitete leidenschaftlich für eine Verständigung, von Italien grüßte uns G. A. Borgese als Kamerad, aus den skandinavischen, den slawischen Ländern kam Ermutigung. »Kommt doch einmal zu uns!« schrieb mir ein großer russischer Schriftsteller. »Zeigt den Panslawisten, die uns in den Krieg hetzen wollen, daß Ihr in Österreich ihn nicht wollt.« Ach, wir liebten alle unsere Zeit, die uns auf ihren Flügeln trug, wir liebten Europa! Aber dieser vertrauensselige Glaube an die Vernunft, daß sie den Irrwitz in letzter Stunde verhindern würde, war zugleich unsere einzige Schuld. Gewiß, wir haben die Zeichen an der Wand nicht mit genug Mißtrauen betrachtet, aber ist es nicht Sinn einer richtigen Jugend, nicht mißtrauisch, sondern gläubig zu sein? Wir vertrauten auf Jaurès, auf die sozialistische Internationale, wir glaubten, die Eisenbahner würden eher die Schienen sprengen als ihre Kameraden als Schlachtvieh an die Front verladen lassen, wir zählten auf die Frauen, die ihre Kinder, ihre Gatten dem Moloch verweigern würden, wir waren überzeugt, daß die geistige, die moralische Kraft Europas sich triumphierend bekunden würde im letzten kritischen Augenblick. Unser gemeinsamer Idealismus, unser im Fortschritt bedingter Optimismus ließ uns die gemeinsame Gefahr verkennen und verachten.“

Tagebuch Dienstag/Mittwoch, 15./16. Januar 2019 – Viel Lesestoff

My precious! Im miesen Flurlicht morgens, wenn Frau Gröner noch nicht wach genug ist, das Briefkastentürchen anständig weit zu öffnen. Oder das iPhone scharfzustellen. Und die einzig lesbare Headlines ist natürlich auch nicht wirklich gute Laune. Egal. Ich habe morgens wieder Lesestoff im Haus! Und ihr kriegt deshalb heute auch eine richtig dicke Portion davon. Leider keinen Artikel aus der FAZ, denn die, die ich gerne empfohlen hätte, sind (noch) nicht online. Mpf.

Bei Year of Wonder hatte ich am Dienstag nach 14 Musikstücken endlich mal eins, das mir nicht gefallen hat. Für Olivier Messiaens Quatuor pour la fin du temps hatte ich irgendwie keine Geduld, und auch die anderen Teile des Werks, die ich neben dem 5. Satz bei Spotify anhörte, habe ich nicht beendet. Die Entstehungsgeschichte ist allerdings (leider) beeindruckend.

Gestern stand dann der Dreiminüter Etüde in cis-moll, op. 2, Nr. 1 von Alexander Skrjabin auf dem Programm. Der komplette Buchtext dazu lautet: „Look, sometimes what we just really need in the middle of January is music that feels like a large glass of red wine. You’re welcome.“

Ich höre die Stücke immer zuerst und lese dann, was Burton-Hill dazu geschrieben hat; ihre Interpretation fand ich spannend, denn wenn ich an irgendwas nicht gedacht habe, dann an einen anständigen Rotwein. Ich empfand das Stück als melancholisch, suchend, fast flehend. Im Mittelteil kippt es kurz ins Dur und umpuschelt einen für gefühlt zehn Takte, und dann ist man wieder alleine mit sich und dem Klavier.

Das hatte für mich rein gar nichts mit Rotwein zu tun. Wenn ich böse wäre, würde ich das Stück im Sinne Burton-Hills interpretieren in: mieser Tag, Flasche auf, kurze Besserung, dann wieder Rückfall in Traurigkeit. So gehe ich aber nicht mit Wein um. Wein ist Genuss, Hochstimmung, Innehalten, Staunen, Duft, wenn’s gut läuft Tiefe und große Erkenntnisse morgens um 2, wenn’s eine eher billige Abfüllung war, immerhin ein netter Beerencocktail, der keinen Kopf macht, weil er so wenig Körper hat. Im Rotwein ist für mich sehr selten Melancholie. Im Wodka schon eher, aber darüber schreibt anscheinend niemand klassische Musik.

Der Maßstab der Wirklichkeit – Zur Kontroverse um Takis Würgers Roman Stella

Ich habe das Buch nicht gelesen, in dem Würger sich auf Stella Goldschlag bezieht, aber die vielen Verrisse dazu, danke, Perlentaucher. Johannes Franzen schreibt im Merkur über Geschichten, die auf historischen Begebenheiten beruhen und weist auf den Unterschied zwischen Mittelalterschmonzetten aus der Bahnhofsbuchhandlung und Romanen über die NS-Zeit hin. (via @niggi)

Ich zitiere recht viel, weil ich eigentlich alles zitieren will:

„Sollte eine Autor*in nicht in der Lage sein, in einer fiktionalen Erzählung über alles schreiben zu können, was sie möchte? Sollte sie nicht alle historischen Orte bereisen, alle Personen verkörpern, alle Stimmen einnehmen dürfen? Diese Einstellung gehört zu den einflussreichen literaturtheoretischen Dogmen unserer Zeit und wird gerne verwendet, wenn einem literarischen Werk oder einem Literaten ein reales Fehlverhalten vorgeworfen wird. […]

Dieser Einwand erscheint zunächst plausibel, vor allem, da er an eine eingeübte Hochschätzung all dessen appelliert, was mit der Freiheit der Kunst zusammenhängt. Kontroversen wie die um Stella zeigen allerdings, dass der routinierte Verweis auf die Lizenzen der Fiktion nicht ausreicht, um die reale Wut und Irritation, die fiktionale Werke auslösen können, zu domestizieren. Literarische Texte stehen fast immer in einem engen dialogischen Verhältnis zu einer gegenwärtigen oder historischen Wirklichkeit; ihre Fiktionalität kann sie niemals vollständig gegen Kritik, die sich auf den Maßstab der Realität bezieht, immunisieren. Und das will sie auch nicht, denn sonst wäre sie kraftlos, wirkungslos, leblos. Literarische Werke, die den Anspruch haben, eine Wirkung auf die Wirklichkeit zu haben, müssen sich auch an der Wirklichkeit messen lassen. […]

Es stimmt sicherlich, dass der Schutzraum des Romans den Autor gegen den Vorwurf, die realen Ereignisse falsch dargestellt zu haben, immunisiert, aber eben nur bis zu einem bestimmten Grad. Denn in dem Moment, in dem man reale Personen zum Gegenstand literarischer Texte macht, unterwirft man diese Texte auch den Maßstäben, die an faktuale Texte – wie journalistische und historiografische Erzählungen – angelegt werden. In dem Moment, in dem der Autor seinen Roman Stella genannt hat und reale Personen dort wiedererkennbar auftreten lässt, behauptet er natürlich auch, dass man es mit einer „Annäherung“ an diese Person zu tun hat. Die Vorstellung, man müsste nur „Roman“ auf einen Text schreiben, und könnte dann die Realität nach Gutdünken formen, ohne dafür belangt zu werden, erscheint absurd, wenn man sie zu Ende denkt: Die Leser*innen können ja kaum darauf verzichten, eine reale Person, die sie aufgrund ihres Weltwissens erkennen, auch als real zu lesen. Es gibt im Kopf der Rezipient*innen keinen Schalter, der die Mechanismen der faktualen Lektüre einfach ausschaltet, wenn der Autor nur laut genug „Dies ist Fiktion!“ brüllt. […]

Während es naheliegend erscheint, dass die Freiheit der Fiktion im Fall der Verarbeitung lebender Personen eine Einschränkung findet, ist der Fall Stella vor allem deshalb interessant, da er auf die Grenzen der Verarbeitung im Fall von mehr oder weniger historischen Ereignissen verweist. Denn diese Grenzen sind kulturell variabel; wie streng sie gezogen werden, ist von der politischen und ethischen Bedeutung abhängig, die eine Gesellschaft einem Ereignis zuweist. So werden sich wohl kaum Menschen finden, die die Freiheiten verurteilen, die sich Hilary Mantel in Wolf Hall mit der historischen Person Heinrichs VIII. genommen hat, oder die das Bild Caligulas kritisieren, das Robert Graves in I, Claudius entworfen hat. In beiden Fällen wird die Kritik an den historischen Abweichungen sich auf ein paar schlecht gelaunte Historiker*innen beschränken (wenn überhaupt). Dagegen fordert das historische Faktum der Schoah – das zeigt der Großverriss von Stella – eine viel rigidere Wahrheitstreue, auch in der fiktionalen Verarbeitung. […]

Schließlich verweist der Fall auch auf das Problem der Autorisierung, auf die Frage nach dem narrativen Eigentumsrecht. Der Titel eines buchlangen Essays von Norbert Gstrein bringt diese Frage auf den Punkt: Wem gehört eine Geschichte? [Link zum Perlentaucher] Die Kontroverse um dieses Eigentumsrecht wird nicht nur virulent im Fall einer literarischen Verarbeitung der Schoah, sondern spielt gerade im Umfeld der Debatte um die politische Bedeutung des Konzepts einer cultural appropriation eine wichtige Rolle. […]

Der Großverriss von Stella ist jedenfalls nicht, wie es im Tagesspiegel heißt, Ausdruck von feuilletonistischer „Hysterie“, die durch die Fälle ‚Relotius‘ und ‚Menasse‘ ausgelöst wurde, sondern vor allem ein Anzeichen für die gesteigerte Bedeutung literarischer Maßstäbe, die Ethik und Ästhetik miteinander verbinden.“

Ich musste bei dieser Aufarbeitung an die weiße Künstlerin Dana Schutz denken, der cultural appropriation und Unsensibilität vorgeworfen wurde, weil sie ein Bild des offenen Sargs von Emmett Till malte. Die New York Times schreibt:

„Now, Ms. Schutz admits that she is “guarded” about the controversy and is most wary discussing her motivations for painting the scene in the first place, saying only that it was an attempt to “register this monstrous act and this tragic loss.” But she acknowledged that may have been an “impossible” task.“

When asked if she regretted making the work, she paused and said, “No, I don’t wish I hadn’t painted it.”

The long-term effect of the controversy, she said, is that she has internalized the viewpoints of the protesters even when making new work.

“I’ve had so many conversations with people who were upset by the painting,” Ms. Schutz said, adding that she has included them in “my imagined audience when I’m painting. It’s good those voices were heard.”“

Ich glaube, das ist der Knackpunkt an diesen Kontroversen und das Neue in der Diskussion um Freiheit der Kunst. Es werden auf einmal Stimmen laut und gehört, denen jahrzehnte-, jahrhundertelang keine Beachtung geschenkt wurde. Schwarze, Frauen und viele andere. Diese neuen Stimmen tragen zu einer neuen Sensibilität bei, und die scheint sich ganz langsam niederzuschlagen, siehe bildende Kunst, siehe Literatur.

(Edit: Ich sehe gerade in den Kommentaren zu Franzens Artikel, dass der Merkur sich auch schon mal mit Open Casket auseinandergesetzt hatte.)

A 4-Year-Old Trapped in a Teenager’s Body

Von einer Krankheit namens Testotoxikose hatte ich noch nie gehört, es gibt auch keinen deutschsprachigen Wikipediaeintrag (hier der englische). Kurz gesagt, sorgt eine genetische Mutation in männlichen Kindern dafür, dass diese viel zu früh in die Pubertät kommen – sie fühlen sich (und sehen so aus) wie 13, sind aber erst 2. So beschreibt es jedenfalls der von der Krankheit betroffene Patrick Burleigh, der heute 34 ist und vor wenigen Jahren vor einer schwierigen Entscheidung stand. Der Teaser klingt hier wie ein Essay über pränatale Diagnostik, es ist aber viel mehr eine biografische Abhandlung. Und zwar nicht nur über die Lebensgeschichte des Verfassers, sondern auch über die vorheriger Generationen.

„I got my first pubic hair when I was 2 years old.

I couldn’t talk, I could barely walk, but I started growing a bush. Or so they tell me. I have no recollection of a time before puberty, before the carnal cravings, the impulses, the angst and anger and violence. There was no prelapsarian age of innocence for me; I was born, I took a huge bite of the apple, and, by 2 years old, I was pretty much ready to get busy with Eve.

It was the same for my father, and for his father, and for his father, and for the men in my family going back as far as we have records. We’ve all carried the same hereditary genetic mutation. […]

Having a mutant LHCGR gene leads to what doctors now call familial male-limited precocious puberty, an extremely rare disease that affects only men because you have to have testicles, which is why it’s also called testotoxicosis. The condition tricks the testicles into thinking the body is ready to go through puberty — so wham, the floodgates open and the body is saturated with testosterone. The result is premature everything: bone growth, muscle development, body hair, the full menu of dramatic physical changes that accompany puberty. Only instead of being 13, you’re 2. […]

This feeling of freakishness, of being strange and different, persisted well into adulthood, such that I refused to talk about it with anyone other than close friends and family. Until a little over four years ago, when my wife and I were trying to have a baby of our own, an endeavor that took two years and countless episodes of joyless appointment sex before we finally decided to do in vitro fertilization. I came in a cup, my wife pumped her body full of hormones, scientists fertilized the eggs, and we ended up with five viable embryos. Everything looked great. And then I was faced with the hardest decision of my life.

We learned that we could biopsy the embryos to find out if any of them carried the mutant LHCGR gene: the mutant responsible for a childhood rife with shame, embarrassment, and bullying; the mutant responsible for my violent, antisocial behavior as a boy; the mutant responsible for the troubled adolescence that my father, grandfather, great-grandfather, and I all endured, an adolescence that nearly delivered each of us to jail or worse. If one of our embryos tested positive for a mutation of the LHCGR gene, we could eliminate it. My body would be the final destination of the disease that had defined my family for generations.

There was no reason not to do this. But I hesitated.“

(via @emilynussbaum)

Shut up and write

Und noch ein Essay, den ich komplett copypasten möchte. Eine meiner liebsten Autorinnen Chimamanda Ngozi Adichie schreibt im New Statesman darüber, warum sie sich nicht als afrikanische Autorin bezeichnet. Sie entwickelt eine Antwort auf genau diese Frage, indem sie über das Schreiben als private Übung nachdenkt, über das Autorinnen-Ich und das Staatsbürgerinnen-Ich, über ihre feministischen Positionen und über die immer noch vorhandenen Vorurteile vom „Westen“ (so bezeichnet sie die nicht-afrikanischen Länder) über den Kontinent, von dem sie stammt.

Es ist schwierig, einen Teil aus den entwickelten Gedanken herauszureißen, um sie hier als Teaser zu nutzen, also lest doch bitte einfach alles.

„It is in some ways true that art is a thing apart, because unlike politics art functions in grey spaces, it humanises, it goes below the surface.

But we also live in a world in which the nation-state dominates, in which the value the world gives us as human beings can be determined by the passports we carry.

I cannot imagine what it is like today to be a writer who has a Syrian passport, or who is a citizen of Yemen, or El Salvador, or the Democratic Republic of Congo, countries in which an artist’s freedom of movement, and perhaps freedom to create, is constrained by political realities.

For me, travelling with a Nigerian passport means carrying the weight of assumptions. It means to be, at many ports of entry, automatically suspect. To travel with a Nigerian passport is to constantly confront the sneering disbelief of immigration officers when I say I am a writer, it is to be asked to step aside for more questions, it is to feel that you are guilty of something. […]

We are a people conditioned by our history and by our place in the world to look towards somewhere else for validation. We are conditioned to learn a lot of untruths and half-truths about who we are, and some of us make the choice to consciously unlearn these, but even the very act of unlearning takes on a colonial colouration and feeds into our nervous condition. We are conditioned by the knowledge that we come from a place that has long been derided.“

(via @aldaily)

Blumenkohlsalat mit Granatapfel und Pistazien

Das erste Rezept aus Ottolenghis Simple, aber da kommen garantiert noch mehr. Vor allem, wenn’s so gut schmeckt wie dieser Salat hier. #blumenkohlultras

Für vier Personen.

1 großen Blumenkohl (ca. 800 g) dritteln. Das eine Drittel mit einer groben Reibe in eine Schüssel raspeln. Aus den anderen zwei Dritteln hübsche Röschen schneiden, so um die 3 Zentimeterchen groß. Wer mag, nutzt auch die Blumenkohlblätter, ganz oder grob gehackt; die hatte ich nicht mehr, deswegen sind sie auch nicht auf dem Bild. (Ach was.)

Die Röschen mit
1 Zwiebel, in Ringe geschnitten,
2 EL Olivenöl und
1/4 TL Salz mischen. Bei mir war’s mindestens das Doppelte an Salz, und ich mache Samin Nosrat dafür verantwortlich. Alles auf ein Backblech kippen und im auf 200° Umluft (!) vorgeheizten Ofen für ungefähr 20 Minuten backen, bis die Röschen schön angebräunt sind.

Das Buch möchte, dass man das alles abkühlen lässt, aber das habe ich gnadenlos ignoriert. Während der Backzeit der Röschen habe ich nämlich zu den Blumenkohlraspeln in der Schüssel noch folgendes geworfen:
25 g gehackte Petersilie,
10 g gehackte Minze,
10 g gehackten Estragon,
80 g Granatapfelkerne (ungefähr ein halber Granatapfel),
40 g geröstete und grob gehackte Pistazienkerne (bei mir ungeröstet und ungehackt),
1 TL gemahlener Kreuzkümmel,
3 EL Olivenöl und
1,5 EL Zitronensaft. Das wäre jedenfalls die Mengenangabe aus dem Buch, ich habe freihändig Öl, Zitronensaft und Salz dazugeworfen, bis es geschmeckt hat.

Und dann habe ich die ofenheiße Blumenkohlzwiebelmischung in die Schüssel mit den kalten Zutaten gekippt, ordentlich umgerührt, alles hübsch auf einem Tellerchen drapiert, zwei, drei Fotos fürs Blog und Instagram gemacht, und dann war die ganze Schüssel lauwarm und damit perfekt. Abkühlen. Pffft.

Übrigens ist mir erst beim Tippen aufgefallen, dass ich den Kreuzkümmel vergessen habe. Schmeckt auch so super. Das nächste Mal noch mehr Estragon, das Zeug ist großartig. #estragonultras

Das Fiese an diesem Kochbuch ist allerdings, dass ich, seitdem ich es besitze, einen nervigen Ohrwurm habe. Im Musical Nine gibt es ein Lied namens, genau, Simple, das ich in meinem ersten Gesangsunterricht auch mal gesungen habe, allerdings, noch fieser, auf Deutsch. Ich meine, ich habe auch mal darüber gebloggt und gequengelt, dass die hohe Note nicht so schön auf Sky (also gesungen: Skaaaaaaiii), sondern auf Höh kommt (also gesungen: hier Emoji mit Zitronenmund vorstellen), aber ich finde den Eintrag auch mit Google nicht mehr wieder. Aber falls ihr mitsingen wollt, so wie ich seit Tagen im Bad, hier die erste Notenseite.

Tagebuch Montag, 14. Januar 2019 – Das einzig Positive an der Trump-Zeit

Ich wollte ja nicht mehr, aber usw. Mir kann Trump ja egal sein, aber usw.

Hilft ja nix:

Gestern kaufte ich wieder die FAZ, aber ab morgen lest ihr das nicht mehr, denn ab dann läuft das Abo wieder, mal sehen wie lange, haha. (*wimmer*)

Montag ist ja bekanntlich mein liebster Zeitungstag, weil da die schöne Seite 6 drin ist, auf der entweder Historisches neu beleuchtet und gerne in einen aktuellen Zusammenhang gebracht wird oder mir ein politisch-soziologisches Essay was zu erzählen hat. Gestern schrieb Stephan Bierling über „Die zerrissene Nation“, also die USA. (Stelle beim Verlinken gerade fest, dass der Mann sich laut Wikipedia mit ph schreibt, in der FAZ steht er mit f.) So irre viel Neues war für mich nicht dabei, aber das hier:

„Die amerikanischen Politikwissenschaftler Matt Grossmann und David Hopkins argumentieren in ihrem Buch „Asymmetric Politics“, die Republikanische und die Demokratische Partei verkörperten heute zwei unterschiedliche Parteitypen: Die Quellen ihrer öffentlichen Unterstützung, die Ziele ihrer Aktivisten und das Verhalten ihrer Politiker seien grundverschieden. Die Republikaner, so Grossmann und Hopkins, sehen sich in einem großen ideologischen Konflikt mit den Demokraten und setzen deshalb auf weltanschauliche Themen wie traditionelle gesellschaftliche Werte, Abbau der Staatsaufgaben und Nationalismus. Die Demokraten hingegen betrachteten Politik nicht als Kampf politischer Philosophien, sondern als Streit gesellschaftlicher Gruppen darüber, wer wie viel von staatlichen Programmen profitiere. Sie betonten konkrete politische Ziele wie Erhöhung des Mindestlohns, Darlehen für Studenten, bessere Gesundheitsversorgung oder Luftreinhaltung. Ansprachen von republikanischen Politikern sind deshalb voll von Wörtern wie „konservativ“, „Werte“ und „Überzeugungen“. Demokraten vermeiden dagegen Begriffe wie „links“ oder „progressiv“ und reden über die spezifischen Anliegen von ethnischen Minderheiten, Gewerkschaftern, Umweltschützern, Feministinnen oder Homosexuellen.

[Ich stolperte hier total über das einmal genutzte Femininum, knickknack.]

Die meisten Wähler, so Grossmann und Hopkins, sind in ihren Einstellungen widersprüchlich: Ihre weltanschauliche Disposition ist grundsätzlich konservativ, aber sie schätzen viele der linken Programme zur Umverteilung und Regulierung. Für die Republikaner liegt es darum in ihrem strategischen Interesse, abstrakte Prinzipien in den Vordergrund zu stellen, für die Demokraten, nicht über Ideologie zu sprechen, sondern über praktische Probleme. Beide Parteien verstehen die Motive der anderen Seite damit nicht mehr: Wenn Republikaner mehr individuelle Freiheit fordern, glauben sie, die Demokraten bekämpften sie. Und wenn Demokraten sich für benachteiligte Gruppen einsetzen, nehmen sie an, Republikaner wollten nur die Reichen begünstigen. […]

Der Präsidentschaftswahlkampf 2016 ist ein eindrucksvoller Beleg für diese These: Trump konzentrierte sich auf die Themen Nationalismus, Abschottung, schlanker Staat und traditionelle Werte, ohne sich um Details zu scheren. Clinton hingegen legte ein Sammelsurium konkreter Vorschläge für ihre fragmentierte Regenbogenkoalition vor, ohne eine übergreifende Vision zu liefern.“

(Zitate aus: Stephan Bierling: „Die zerrissene Nation“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.1.2019, S. 6.)

Allmählich ahne ich, warum es so schwer ist, republikanische Wähler*innen davon zu überzeugen, demokratisch zu wählen: weil es eben eher um Einzelinteressen geht, die vielleicht nichts mit der eigenen Lebenswirklichkeit zu tun haben. Dass durch die Achtung von Minderheiten oder Randgruppen auch der Rest der Gesellschaft lernt und wächst und profitiert, scheint nicht vermittelbar zu sein, denn dafür müssten diese Einzelinteressen ein großes Ziel für alle skizzieren. Und generell zu sagen „Wir wachsen gemeinsam“ scheint nicht zu funktionieren.

Ich zitiere die FAZ, weil sie ins Thema passt, denn gestern kamen, mal wieder, neue Dinge zutage, die Trump belasten, aber ich habe das Gefühl, dass das seit zwei Jahren so läuft und es ist alles egal. Trotzdem fand ich diesen Artikel im Atlantic lesenwert, der sich fragt, ob man die Übersetzerin vorladen sollte, die beim Trump/Putin-Treffen dabei war und deren Notizen Trump an sich genommen oder sogar vernichtet hat – was, wenn ich diesem Twitter-Thread glauben darf, nicht gestattet ist, Stichwort „National Archive“.

„On Saturday, The Washington Post’s Greg Miller reported new details of the extreme things done by Trump to conceal his talks with Russian President Vladimir Putin from even the senior-most members of Trump’s own administration. Trump even reportedly seized the interpreter’s notes after one of his meetings, the Trump-Putin sit-down at the Hamburg G20 meeting in July 2017. Even more disturbingly, Trump and Putin met privately a second time at Hamburg—with no American present. In an act of astonishing recklessness, Trump relied entirely on the Russian interpreter, preventing any U.S. record-keeping at all. […]

Is the president of the United States a Russian asset? Is he subject to Russian blackmail? Is he at this hour conniving with the Russian president against the interests of the United States? These are haunting questions, and Trump’s own determination to defy normal presidential operating procedures to keep secret his private conversations with Putin only lends credibility to the worst suspicions.“

Der Artikel listet gute Gründe dafür auf, die Übersetzerin nicht vorzuladen: Es würde ein Präzendenzfall geschaffen für alle weiteren vertraulichen Unterredungen zwischen Politiker*innen. Übersetzer*innen haben keinen gesetzlich festgeschriebenen Vertraulichkeitskodex, fühlen sich aber anscheinend trotzdem an ihn gebunden; aus diesem Grund könnte die Übersetzerin sich weigern auszusagen und müsste dafür eventuell eine Gefängnisstrafe in Kauf nehmen – ist es fair, sie in diese Position zu bringen? Autor David Frum kommt trotzdem zu diesem Schluss:

„The scandal of the Trump presidency leaves Americans only bad choices. Powers and privileges essential to the functioning of an honest and patriotic presidency are called into question by this dishonest and unpatriotic presidency. Succeeding presidents and Congresses will have to find a way to restore or replace busted norms with new ones—but pretending now that the old rules can function as intended is not only delusive, but dangerous.

Subpoena the interpreter now; write a new law formalizing the confidentiality of interpretation later.“

Wie ich gestern schon twitterte: Das einzig Gute an der Trump-Zeit ist, dass man so viel über die amerikanische Gesetzgebung lernt.

Schnell eine Überleitung zu etwas Schönerem: Der Tatortreiniger hatte neulich eine Episode, die in einer Kunstgalerie spielte. Ich bin jetzt erst dazu gekommen, sie zu sehen und empfehle sie natürlich weiter. Wie alle anderen Folgen auch. Neben den üblichen Schwafelkunstworten ist durchaus auch was Wahres an der Kunstbeschreibung der Galeristin dran.

Und noch was Schönes: Zu meinem Traum über meine Oma vor ein paar Tagen kam eine schlaue Mail (danke dafür!), die unter anderem diesen Interpretationsversuch wagte:

„Mich rührt das Existentielle darin an, denn mit diesen Fragen beschäftigen wir uns alle[:] Kontakt zu Verstorbenen, das helle Licht, in das wir alle mal gehen werden, die Kunst, die überdauert, der kindliche „Schöpfergott“ in uns allen …“

Ich hatte die vielen Bilder noch gar nicht in einen Sinnzusammenhang gebracht, aber das schien mir sehr auf die Zwölf zu sein. Mir fiel im Nachhinein auch auf, dass ich seit Weihnachten öfter an Oma gedacht habe: Ihr Bild hängt ja jetzt in meinem Flur, ich sehe sie also neuerdings dauernd. Und bei jedem Spaziergang denke ich an sie, so auch bei meinem Bummel im verschneiten Englischen Garten. Wenn wir bei Oma zu Besuch waren, gab’s immer fürstlich zu Mittag, aber dann, anstatt in Ruhe zu verdauen und rumzuliegen, musste SOFORT ein Waldspaziergang gemacht werden. Immer. Ohne Ausnahme. Alle. Ich habe es so gehasst, dass ich mich heute, bei meinen freiwilligen und durchaus auch lustvollen Gängen, immer daran erinnere, wie doof ich das Rumlaufen früher fand – und wie unglaublich entspannend und beruhigend heute. Ich habe Oma 40 Jahre zu spät verstanden, und ich ahne, dass auch das noch im Hinterkopf war.

Ich bin euch noch ein paar Musiktipps von Year of Wonder schuldig. Die habe ich natürlich alle brav gehört, aber so recht wollte ich zu keinem was schreiben; ihr könnt sie schließlich auch ohne mich anhören, ihr seid ja schon groß.

Was ich aber anmerken wollte, weil ich selbst so erstaunt war: Das Ubi caritas et amor vom 11. Januar hätte ich vom reinen Anhören in die Renaissance gepackt; der Komponist Maurice Duruflé lebte aber von 1902 bis 1986. Den kleinen Gesang hörte ich mehrfach, weil er so wunderschön war.

Clara Schumann kommt in der Playlist als zweite Frau nach Hildegard von Bingen vor. Ihre Drei Romanzen kannte ich vorher nicht, habe sie aber gern gehört. Aus dem Buch zum 13. Januar gelernt: Schumann war eine der ersten Konzertpianist*innen, die ohne Noten auftrat, was heute fast alle tun. Der letzte Satz zu ihrem Eintrag war dann auch sehr hübsch: „Clara was married to a man called Robert who also wrote music. More on him later.“

Und gestern kam dann endlich mal Oper, natürlich ein, haha, Klassiker: E lucevan le stelle aus Tosca. Schmachtfetzen, aber Tosca halt. Der Puccini halt. Ich mag’s. Was mich erstaunt hat: Der Sänger ist Jonas Kaufmann, den ich auf Deutsch bei Wagner ganz grauenhaft finde. Auf Italienisch mag ich ihn gerne.

Was schön war, Sonntag, 13. Januar 2019 – Kulturtag

Klingt beknackt, weil ich ja des Öfteren Musik höre und lese, aber gestern war das mal eine bewusste Entschleunigung – und auch eine bewusste Entscheidung dafür, endlich mal keine Serienfolge zu gucken, die mir allmählich doch mehr Lebenszeit klauen als nötig. Das sollen sie zwar, sie sind ja dafür da, um mir die Zeit zu vertreiben, aber manchmal möchte ich dann doch lieber etwas Neues selbst erleben oder erfahren oder mir erlesen, als mich berieseln zu lassen, auch wenn letzteres bequemer ist.

Morgens lag leider niemand neben mir, mit dem man in den Sonntag hätte reingammeln können. Daher saß ich am Schreibtisch und guckte, was man so tun könne mit der Zeit. Plan Y war, mal wieder in die Kirche zu gehen, was ich hier selten schaffe, weil die Gottesdienste in meiner Kirche ernsthaft erst um 11 Uhr anfangen. Da esse ich doch schon zu Mittag! Das ist so eine dusselige Zeit, die den ganzen Vormittag zerreißt. Meinen jedenfalls. Also: Was hat München denn vielleicht als Alternative? Schnell man den Veranstaltungskalender angeklickt.

Gleich der erste Eintrag, der etwas mit Musik zu tun hatte, war ein Volltreffer: ein Kammerkonzert am Gärtnerplatztheater um 11 (scheint eine beliebte Zeit zu sein). Warum Volltreffer? Weil neben einer Serenade von Ernst von Dohnányi und einem Klavierquartett von Dvořák ein Sextett für Flöte, Oboe, Klarinette, zwei Fagotte und Klavier gegeben wurde. Das sind zwar bis auf das Klavier alles Instrumente, die mir egal sind, aber es war von Bohuslav Martinů, dem ich ja neuerdings völlig verfallen bin.

Online sah ich, dass noch drei Tickets für die kleine Veranstaltung verfügbar waren; das Konzert fand nicht im großen Haus statt, sondern im Foyer in einem der Ränge, es schienen so um die 100 Plätze vorhanden zu sein. Einen davon klickte ich jetzt frohgemut an und wollte mich neu anmelden, als mir das System sagte, ich sei schon angemeldet. Da ich mein Passwort nicht wusste und ich damals bei der Anmeldung garantiert noch keine Passwortverwaltung benutzt hatte (wie jetzt brav seit Längerem, ich empfehle LastPass), bat ich um die Zusendung desselben, ahnte aber schon, dass das ewig dauern würde, da ist mein Server recht zickig.

Ich kleines Clevere öffnete also einen neuen Browser und wollte mich mit meiner Wegwerf-Mailadresse anmelden, aber während ich das tat, meldete das System, dass die Veranstaltung jetzt ausverkauft sei. Waaahh! Mein Martinů!

Nölig klickte ich wieder in den Veranstaltungskalender und fand einen schönen Plan B: Schubert im Herkulessaal der Residenz mit den Münchner Symphonikern, auch um 11. Der Saal ließ sich zwar online überhaupt nicht anklicken, aber ich war mir sicher, dass er mit seiner Größe nicht ausverkauft sein werde. Ich quengelte F. per DM voll, woraufhin der Mann meinte, sein Mütterchen ginge auch oft alleine und spontan in Konzerte und wäre noch nie draußen geblieben – eine Karte gebe es immer.

Und so stand ich um kurz nach 10, als die Tageskasse öffnete, am Gärtnerplatz und fragte, ob es vielleicht noch ein Kärtchen gäbe. Gab es. Angeblich die allerletzte. Sorry, Symphoniker! Nächstes Mal.

Ich habe es sehr genossen, recht spontan Musik zu hören – und zu sehen. Mir ist erst bei dieser Veranstaltung mal wieder aufgefallen, woher der Name Kammerkonzert kommt – oder wie wir modern crazy people heute sagen: Wohnzimmerkonzert. Man spielt eben nicht vor 800 Leuten in einem Saal, sondern vor weitaus weniger Menschen in einer intimeren Atmosphäre. Es fühlte sich fast privat an, wir paar Hanseln und die zunächst nur drei Musiker*innen auf der Bühne. Das war schlicht schön, und ich habe mich zwei Stunden lang einfach darüber gefreut, dass ich noch eine Karte bekommen hatte, meinen musikalischen Horizont erweitern konnte und mich begabte Menschen an ihrem Talent teilhaben lassen (für entspannte 18 Euro).

Der von Dohnányi gefiel mir sehr gut; falls ihr keine Zeit für die ganze Serenade habt, hört mal in den 2. Satz sein, das ist sehr lauschig (ab 2:09), oder den 3., der ist äußerst unterhaltsam (ab 5:34). Den Martinů hören wir uns natürlich alle komplett an, der dauert ja bloß 20 Minuten. Der Dvořák war dann ein schöner Rausschmeißer, wenn er mir auch fast ein wenig zu konventionell klang nach dem bluesigen Sextett (schon klar, früher komponiert, jaja).

Zuhause klickte ich einfach mal wieder wild bei Spotify auf Martinů und fand ein weiteres, gerade gut 20 Minuten langes Stück, was ich den Tag und Abend über noch mehrfach hörte, weil es mir so gut gefiel: sein Rhapsody Concerto für Bratsche und Orchester von 1952.

Ansonsten las ich die FAZ von Freitag und Samstag, rührte mal wieder eine Knoblauchmajo an, um Brot in sie zu stippen bzw. um sie über Romanasalat zu schütten, bereitete Kaffee in der French Press zu und zerdengelte sie mir beim Abwaschen, weswegen ich heute morgen den guten alten Porzellanfilter rausholte, um am Schreibtisch bei der Arbeit versorgt zu sein; das längere Kaffeetrinken gestern statt Tee hatte mir gut gefallen. In diesem Zusammenhang: ein Hoch auf Thermoskannen!

Außerdem las ich weiter in Stefan Zweigs Welt von gestern und freute mich unter anderem darüber, wie er Rilke beim Kofferpacken beschrieb.

Ruhiger Tag. Schöner Tag. Hervorragend geschlafen.

Geschmorte Petersilienwurzeln mit Walnussschaum

(Hundert Jahre nach der Rechtschreibreform und ich stolpere immer noch über drei gleiche Konsonanten hintereinander.)

(Warte auf die erste Mail, die mir den Unterschied zwischen „gleiche“ und „selbe“ erklärt. „Dreimal denselben Konsonant“ vielleicht?)

(Okay, mal langsam zum Essen überleiten:)

Das Rezept stammt aus der wunderschönen Jahreszeitenkochschule Winter, aus der ich bereits ein, zwei Dinge fürs Silvestermenü nachgekocht habe, die hervorragend waren. Die geschmorten Urkarotten mit Haselnussschaum sind es wahrscheinlich auch, aber ich hatte diverse Zutaten nicht im Haus bzw. hätte nicht gewusst, wo ich sie herkriegen hätte können und deswegen ist es ein bisschen was anderes geworden. Und ja, ich komme mir wie die Kommentatoren auf Chefkoch vor, die beim Burger die Bulette gegen Fischfarce und den Salat gegen Sellerie austauschen und dann trotzdem von einem tollen Rezept sprechen, aber da müssen wir jetzt durch.

Ich schreibe mal das Rezept aus dem Buch ab, weise aber darauf hin, dass ich statt Möhren Petersilienwurzeln genommen habe (mussten weg), statt Haselnussöl und -mus das gleiche in Walnuss. Hat aber trotzdem toll geschmeckt, wobei ich ahne, dass Zitrone und Thymian noch einen winzigen Hauch besser zu Karotten gepasst hätten. Da ich jetzt aber ein kleines Gläschen Walnussmus besitze, von dem ich keine Ahnung habe, was ich damit noch anstellen soll, außer es mit viel Zucker aufs Brot zu schmieren, werde ich das Rezept garantiert nochmal mit Karotten nachkochen. Ich ergänze dann eventuell Bilder.

Für vier Personen. Ich habe übrigens nur die Hälfte des Rezepts gekocht, daher im Geist die Gemüsemenge auf dem Bild verdoppeln.

500 g Urkarotten (ca. 12 Stück) in allen Farben (bei mir, wie gesagt, Petersilienwurzeln, alle minimalistisch monochrom) waschen, schälen, notfalls hälfteln und auf einen Bogen Backpapier legen. Aus dem falten wir gleich einen Umschlag, also Platz lassen. In den Umschlag kommen noch

Saft und Schale einer Biozitrone, Schale am besten in schicken Zesten,
3 TL Butter,
2–3 Zweige Thymian und
Salz; ich habe das fotogene grobe genommen.

Die Seiten des Papiers über dem leckeren Gemüseberg zusammenklappen (muss nicht luftdicht sein) und die Enden zum Gemüse hin auffalten und mit einer Metallklammer befestigen; Büroklammer geht, ich habe gnadenlos einen Tacker genutzt. Den Umschlag in den auf 150° Umluft (!) vorgeheizten Ofen geben und für 40 Minuten backen. Das Gemüse sollte weich sein.

Wenn ihr einen Sahnebereiter (aka eine ISI-Flasche) habt, könnt ihr den Schaum schon vorbereiten und die Flasche dann im 50 Grad warmen Wasserbad warm halten, bevor ihr ihn serviert. Ich habe sowas nicht; dann möchte das Buch den Schaum zum Servierpunkt fertig haben. Heißt: zehn Minuten, bevor das Gemüse aus dem Ofen kommt, mit dem Schaum anfangen.

100 g Butter schmelzen. In einer Schüssel über dem Wasserbad
120 ml kräftige Rindssuppe (bei mir Kalbsfond) mit
4 Eigelb mit einem Schneebesen schaumig-cremig aufschlagen. Das sah bei mir wie Zabaione aus, im Buch hat es eher eine Mayonnaise-Anmutung.
50 g Haselnussöl (bei mir Walnuss) und die Butter langsam in den Dotterschaum unterschlagen, immer schön weiterschäumen, nur eben nicht alles auf einmal reinkippen. Zum Schluss noch
30 g ungesüßtes Haselnussmus oder -paste (bei mir Walnuss) und
2 EL hellen Reisessig unterrühren. Mit Salz abschmecken.

Das Gemüsepäckchen vorsichtig öffnen und den Schaum über und neben die Karotten (die Petersilienwurzeln) löffeln. Noch ein paar
Haselnussblättchen (bei mir gehackte Walnüsse) darüberstreuen und im Backpapier servieren. Oder ein Foto fürs Blog machen und dann alles unfeierlich auf einen Teller kippen, damit alles schön in Butter und Schaum schwimmen kann.

Wie auch bei den bisherigen Rezepten aus dem Buch gefällt mir die, Achtung, komisches Wort, Kultiviertheit des Rezepts. Es klingt total hemdsärmelig und nach schraddeligem Holzküchentisch und Wein aus Wassergläsern, schmeckt aber sehr fein. Bin bis jetzt hingerissen vom Buch und freue mich schon auf den Frühling, wenn ich den nächsten Band kaufen werde.

Edit: So sieht das ganze mit Möhren aus. Dieses Mal habe ich auch den Schaum etwas fester hinbekommen. Einfach nach dem Einrühren von allem den Schneebesen gegen einen Holzkochlöffel austauschen und gemächlich weiterrühren, während das Wasserbad blubbert. Die Masse bekommt relativ schnell eine Lemon-Curd-artige Zähigkeit. (Sorry, zu hungrig zum hübschen Anrichten.)

Tage- oder eher: Nachtbuch Freitag, 11. Januar 2019 – Inception

Unaufregender Tag. Gearbeitet, bei der Post gewesen, um ein Päckchen für F. abzuholen, danach eingekauft, dann meine erste selbstgemachte Gemüsebrühe angesetzt. Dafür hatte ich vorgestern brav Schalen und ähnliches von meinen Zutaten für die Suppenmahlzeit aufgehoben, weil ich wusste (danke, Buzzfeed Tasty), dass man derartige Reste noch zum Brühekochen verwenden kann, ganz wie man Hühnerkarkassen für Hühnerbrühe benutzt.

Ich röstete Zwiebeln in einer Pfanne an und warf währenddessen Tomaten (frisch und getrocknet), Suppengrün, getrocknete Steinpilze, diverse Kräuter und Gewürze und Reste von vorgestern (Lauch, Kohlrabi, Brokkoli, Möhren, Petersilienwurzel) in einen großen Topf, gab die Zwiebeln dazu und übergoss alles mit Wasser. Das kochte ich auf, ließ es abkühlen, siebte es zweimal durch, bis auch die fiesen Sandpartikel, die IMMER im Lauch bleiben, weg waren und füllte das karamellschimmernde Ergebnis in Gefrierboxen ab. Ich war allerdings noch nicht ganz zufrieden mit dem Geschmack, vielleicht waren meine Zwiebeln zu enthusiastisch angeröstet und zu wenig frisches Gemüse drin. Aber jetzt habe ich erstmal ein Ausgangsprodukt, mit dem ich weiterarbeiten kann.

Gelesen, Serien geguckt, viel Tee getrunken, sehr früh ins Bett gegangen, weil mir schon auf dem Sofa die Augen zufielen, genau wie dann beim Lesen im Bett. Ebenso früh aufgewacht, F. eine Guten-Morgen-DM geschickt, denn bei dem Mann ist es gerade schon drei Stunden später, ins Bad gegangen, wieder ins Bett, weil ich dachte, ach, einmal umdrehen, ist ja noch so früh. Wieder eingeschlafen.

Und dann den intensivsten Traum seit langer Zeit gehabt. Ich erspare euch Details, aber für mich selbst will ich festhalten: Ich habe meine Oma umarmen können. Wir waren nämlich auf ihrem Geburtstag, die ganze Familie, alle Verwandte, tausend weitere Leute, alles irre voll, und ich war damit beschäftigt, a) meine Schuhe zu suchen und b) F., der seine Jacke in der Küche hatte liegen lassen und sein Handy darin hatte geklingelt. Also versuchte ich, ihn zu rufen oder irgendwen, der ihn vielleicht gesehen haben könnte, aber ich war anscheinend erkältet, ich hatte nicht viel Stimme und fand alles doof, zu viele Leute, barfuß, keiner hört mich. Ich weiß noch, dass ich dachte, dass Omas Küche so nie geklungen hat (meine Großeltern sind beide schon tot, meine Oma seit fast 30 Jahren, da gab es noch keine Handys in meiner Umgebung) und dass ich mich freute, sie umarmen zu können. Wir hatten nie ein richtig gutes Verhältnis, seit ich in meiner bockigen Pubertät war und leider ist sie nicht alt genug geworden, um dieses Verhältnis wieder geradezurücken, aber ich habe mich trotzdem gefreut, sie wieder umarmen zu können. Das hat sich richtig echt angefühlt.

An den nächsten Traumteil kann ich mich nicht erinnern, aber daran, dass ich irgendwann nicht mehr alleine war, sondern zu zweit, und auch hier erspare ich euch alle Details bzw. ich will sie nicht erzählen, aber auf einmal fühlte sich alles noch echter und sehr anders und äußerst angenehm an, wenn ihr versteht, was ich meine. Ich sagte mir irgendwann selbst, hey, diese Gefühle hast du wirklich lieber, wenn du wach bist, also sagte ich mir selbst: Wach auf. Wach jetzt auf. Das tat ich anscheinend auch, ich öffnete meine Augen, sah ein Licht, das aus dem Türspalt meiner Zimmertür zu kommen schien, ich ging darauf zu, öffnete die Tür und wusste, ich schlafe immer noch. Denn diesen Raum mit der Treppe, an deren Kopf ich gerade stand, kannte ich nicht, aber der Raum war voller kleiner Skulpturen, und ein Kind stand vor mir und erzählte mir, dass es diese Kunstwerke angefertigt hatte. Ich machte Smalltalk und sagte mir gleichzeitig immer heftiger WACH JETZT AUF, und dieses Mal funktionierte es.

Das ist jetzt über eine Stunde her und ich bin im Kopf immer noch etwas wuschig. Da ich gestern kaum etwas gemacht habe, was ich vorher nicht gemacht habe, frage ich mich natürlich schon, was mein Kopf da alles wegarbeiten musste. Und: Vielleicht waren das keine Steinpilze in der Suppe Denkerstirnemoji.

Damit ihr aber etwas vom heutigen Blogeintrag habt und nicht nur schlimmes Traumgeschwafel, copypaste ich hier ein Stück aus Stefan Zweigs Die Welt von gestern hin, das ich gerade mit großem Genuss lese. Der gute Mann hat gerade seine Schule in Wien beendet und schreibt sich nun in Berlin für Philosophie ein, mit dem festen Vorsatz, nie zur Uni zu gehen, sondern endlich mal den ganzen Tag in Ruhe schreiben zu können und abends im Theater zu sitzen.

In den vergangenen Kapiteln habe ich schon viel über die Bühnenszene Wiens erfahren, das Verhältnis der Geschlechter beleuchtet bekommen, durfte mich mit Zweig über die beknackten Burschenschaften aufregen und erfuhr, dass Theodor Herzl einer der ersten war, die Zweig veröffentlichten; Zweig beschreibt die erste Begegnung sehr eindringlich.

Wie gesagt, große Buchempfehlung. Gibt’s offensichtlich für lau im Netz oder für kleines Geld als eBook; ich lese altmodisch, wie sich’s für diesen Inhalt gehört, auf Papier.

„Selbstverständlich dachte ich nicht daran, in Berlin zu »studieren«. Ich habe dort die Universität ebenso wie in Wien nur zweimal im Verlauf eines Semesters aufgesucht, einmal, um die Vorlesungen zu inskribieren, und das zweitemal, um mir ihren vorgeblichen Besuch testieren zu lassen. Was ich in Berlin suchte, waren weder Kollegien noch Professoren, sondern eine höhere und noch vollkommenere Art der Freiheit. In Wien fühlte ich mich immerhin noch an das Milieu gebunden. Die literarischen Kollegen, mit denen ich verkehrte, stammten fast alle aus der gleichen jüdisch-bürgerlichen Schicht wie ich selbst; in der engen Stadt, wo jeder von jedem wußte, blieb ich unweigerlich der Sohn aus einer ›guten‹ Familie, und ich war müde der sogenannten ›guten‹ Gesellschaft; ich wollte sogar einmal ausgesprochen ›schlechte‹ Gesellschaft, eine ungezwungene, unkontrollierte Form der Existenz. Wer in Berlin an der Universität Philosophie dozierte, hatte ich nicht einmal im Verzeichnis nachgesehen; mir genügte es zu wissen, daß die ›neue‹ Literatur sich dort aktiver, impulsiver gebärdete als bei uns, daß man dort Dehmel und anderen Dichtern der jungen Generation begegnen konnte, daß dort ununterbrochen Zeitschriften, Kabaretts, Theater gegründet wurden, kurzum, daß dort, wie man auf Wienerisch sagte, ›etwas los war‹.

In der Tat kam ich nach Berlin in einem sehr interessanten, historischen Augenblick. Seit 1870, da Berlin aus der recht nüchternen, kleinen und durchaus nicht reichen Hauptstadt des Königreichs Preußen die Residenzstadt des deutschen Kaisers geworden war, hatte der unscheinbare Ort an der Spree einen mächtigen Aufschwung genommen. Aber noch war Berlin die Führung in künstlerischen und kulturellen Angelegenheiten nicht zugefallen; München galt mit seinen Malern und Dichtern als die eigentliche Zentrale der Kunst, die Dresdner Oper dominierte in der Musik, die kleinen Residenzen zogen wertvolle Elemente an sich; vor allem aber war Wien mit seiner hundertjährigen Tradition, seiner konzentrierten Kraft, seinem natürlichen Talent Berlin bisher noch immer weit überlegen geblieben. Jedoch in den letzten Jahren begann sich mit dem rapiden wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands das Blatt zu wenden. Die großen Konzerne, die vermögenden Familien zogen nach Berlin, und neuer Reichtum, gepaart mit einem starken Wagemut, eröffnete der Architektur, dem Theater hier größere Möglichkeiten als in einer anderen großen deutschen Stadt. Die Museen vergrößerten sich unter dem Protektorat Kaiser Wilhelms, das Theater fand in Otto Brahm einen vorbildlichen Leiter, und gerade, daß keine richtige Tradition, keine jahrhundertealte Kultur vorhanden war, lockte die Jugend zum Versuche an. Denn Tradition bedeutet immer auch Hemmung. Wien, an das Alte gebunden, seine eigene Vergangenheit vergötternd, erwies sich vorsichtig und abwartend gegen junge Menschen und verwegene Experimente. In Berlin aber, das sich rasch und in persönlicher Form gestalten wollte, suchte man das Neue. So war es nur natürlich, daß die jungen Menschen aus dem ganzen Reiche und sogar aus Österreich sich nach Berlin drängten, und die Erfolge gaben den Begabten unter ihnen recht; der Wiener Max Reinhardt hätte in Wien zwei Jahrzehnte lang geduldig warten müssen, um die Position zu erlangen, die er in Berlin in zwei Jahren eroberte.

Es war just in diesem Zeitpunkt des Überganges von der bloßen Hauptstadt zur Weltstadt, daß ich in Berlin eintraf. Noch war der erste Eindruck nach der satten und von großen Ahnen vererbten Schönheit Wiens eher enttäuschend; der entscheidende Zug nach dem Westen, wo sich die neue Architektur statt der etwas protzigen Tiergartenhäuser entfalten sollte, hatte eben erst begonnen, noch bildeten die baulich öde Friedrichstraße und Leipziger Straße mit ihrem ungeschickten Prunk das Zentrum der Stadt. Vororte wie Wilmersdorf, Nikolassee, Steglitz waren nur mit den Trambahnen mühsam zu erreichen, die Seen der Mark mit ihrer herben Schönheit erforderten in jener Zeit noch eine Art Expedition. Außer den alten ›Unter den Linden‹ gab es kein richtiges Zentrum, keinen ›Korso‹ wie bei uns am Graben, und vollkommen fehlte dank der alten preußischen Sparsamkeit eine durchgängige Eleganz. Die Frauen gingen in selbstgeschneiderten, geschmacklosen Kleidern ins Theater, überall vermißte man die leichte, geschickte und verschwenderische Hand, die in Wien wie in Paris aus einem billigen Nichts eine bezaubernde Überflüssigkeit zu schaffen verstand. In jeder Einzelheit fühlte man friderizianische, knickerige Haushälterischkeit; der Kaffee war dünn und schlecht, weil an jeder Bohne gespart wurde, das Essen lieblos, ohne Saft und Kraft. Sauberkeit und eine straffe, akkurate Ordnung regierten allerorts statt unseres musikalischen Schwungs. Nichts war mir zum Beispiel charakteristischer als der Gegensatz meiner Wiener und Berliner Zimmerwirtin. Die wienerische war eine muntere, geschwätzige Frau, die nicht alles in bester Sauberkeit hielt, dies und das leichtfertig vergaß, aber begeistert einem jede Gefälligkeit erwies. Die Berlinerin war korrekt und hielt alles tadellos im Stand; aber bei ihrer ersten Monatsrechnung fand ich in sauberer, steiler Schrift jeden kleinen Dienst berechnet, den sie erwiesen: drei Pfennige für das Annähen eines Hosenknopfes, zwanzig Pfennige für das Beseitigen eines Tintenflecks auf dem Tischbrett, bis schließlich nach einem kräftigen Addierstrich für ihre sämtlichen Bemühungen sich das Sümmchen von 67 Pfennigen ergab. Ich lachte zuerst darüber; charakteristischer aber war, daß ich selbst nach wenigen Tagen schon diesem peinlichen preußischen Ordnungssinn erlag und zum ersten und letzten Male in meinem Leben ein genaues Ausgabenbuch führte.“

Tagebuch Donnerstag, 10. Januar 2019 – Rumstapfen

In der Mittagspause traf ich eine hervorragende Entscheidung: Ich ließ mich mit dem Bus nicht zur Stabi fahren, zu der ich wollte, sondern mitten in den Englischen Garten und ging von dort zu Fuß zur Bibliothek. Das war so schön, dass ich mir das ernsthaft des Öfteren selber sagte. Ich stapfte durchs ruhige und fast menschenleere Weiß und sagte „Das ist so schön!“ vor mich hin. Meiner Oma hätte das gefallen.

Das ist der Biergarten am Chinesischen Turm. Ich fand es sehr hübsch, wie akkurat es sich der Schnee auf den Bänken und Tischen bequem gemacht hat.

Von da ging ich einfach kreuz und quer durch die Gegend.





Bis ich am Monopteros ankam, der einzigen Marke, von der aus ich weiß, wo ich bin.


Hier bin ich schon auf dem Weg zur Straße, die aus dem Garten direkt zur Uni führt. Nebenan ist die Stabi.



Ich konnte gar nicht alle Schneemenschen fotografieren, die bereits rumstanden. Leider. Aber schön zu merken, dass ich nicht die einzige bin, die sofort welche bauen will, wenn’s geht.

Aus der Stabi holte ich zwei Bücher über Bohuslav Martinů: eine Biografie (es gibt laut des Vorworts mehrere, die aber zum Teil unter der Zensur der Tschechoslowakei erschienen und dementsprechend nicht ganz vollständig sind) und einen Aufsatzband, der sich mit Martinůs Musik und ihrem Platz im 20. Jahrhundert beschäftigt. Die Biografie begann ich dann auch gleich im Bus zurück nach Hause zu lesen.

Was ich beim Rumsuchen im OPAC erst zu spät gesehen habe: Die Bibliothek hat natürlich auch Partituren. (Natürlich hat die Bibliothek auch Partituren! ❤️) Da werde ich vermutlich demnächst auch ein paar ausleihen; vielleicht verstehe ich beim Mitlesen, warum mir die Musik dieses Komponisten so gefällt und ich sie nicht mehr aus dem Kopf kriege.

Der Bus brachte mich dann zum Supermarkt, wo ich einmal das halbe Gemüseregal leerkaufte und mir zuhause eine Suppe kochte. Was man halt so macht im Winter. Team Suppe forever!

Zum Spätzleschaben war ich allerdings zu faul, die sind gekauft, SORRY SCHWABEN!

Wo wir gerade bei Suppe sind:

Why are Instagram-famous recipes so impossible to resist?

Nikita Richardson schreibt für Grub Street über die Kichererbsensuppe aus der New York Times, die ich auch nachgekocht habe (Instagram/Rezept im Blog), ohne allerdings den Hashtag #thestew zu kennen. Gestern auf Twitter fragte ich mich, ob ich ein early oder ein unaware adopter sei, worauf Herr Giardino meinte, ich sei ein unaware influencer. Das gefällt mir sehr.

Ich habe die Suppe übrigens gekocht, weil die Cooking-Sektion der Times sie mir in meine Twittertimeline gespült hat. Vielleicht, und das wird auch im Artikel angerissen, kochen wir das Rezept auch nur alle nach, weil’s gut klingt und nicht weil es einen Hashtag dazu gibt.

„In less than two months, #TheStew has taken on a life of its own, and has no doubt entered the regular cooking rotation for numerous home cooks around the country. In the days when cookbooks, food magazines, and product labels were the primary spots that people found new recipes, it could take months or even years for ideas to become universally beloved household staples. (It probably required at least a few Thanksgivings before green-bean casserole achieved critical mass, and people are still discovering Marcella Hazan’s superlative tomato sauce.) But in the age of digital word of mouth, you only need to see the same recipe pop up on your feed so many times before you feel compelled to try it — and then of course to post about it yourself. The Instagram snowball effect means a recipe can enter the home-cooking canon in a matter of days, not years. Call it the joy of hashtag cooking.“

Nicht Franck Ribéry ist pervers, sondern 19 Cent für 100 g Hähnchenkeulen

Ich hoffe, ihr seid mit der Causa Ribéry vertraut? Ja, oder? Dann noch ein letzter Take von Herrn Dollase zum Thema:

„Franck Ribéry hat nichts anderes getan, als eine von vielen Möglichkeiten zu wählen, zu viel Geld für fast nichts auszugeben. Sein Gag mit dem Blattgold schadet Niemandem. Der Wirt des Etablissements wird sich freuen, und vielleicht sichern ja solche und ähnliche Ausgaben auch noch diverse Arbeitsplätze. Ohnehin kommt es immer wieder mal vor, dass Angehörige besonders zahlungskräftiger Bevölkerungsgruppen in Luxusrestaurants den Eindruck erwecken, der Laden gehöre ihnen – sie würden das Ganze schließlich finanzieren. Da ist der Fall Ribéry viel Wind um nichts.

Vor allem ist nicht Ribéry pervers, sondern die Tatsache, dass für Billig-Angebote in Supermärkten Tiere getötet und zu einem Preis verhökert werden, der eine Mssachtung von Leben und eines zivilisierten Zusammenhanges von Wertschätzung für Tiere und ihrem Preis ist. In einem aktuellen Angebot von heute bietet EDEKA 100 g Keulenfleisch für 19 Cent an. Um sich dem „Nichts“ an Preis noch weiter anzunähern, nimmt man auch nicht den Kilo-Preis, sondern den für 100 Gramm, weil er noch billiger klingt. Darüber regen wir uns sporadisch auf, obwohl es ein Dauerzustand ist, der trotz massiver Kritik zu keinerlei Veränderung führt.“

(via @ClaudiusSeidl)

Tagebuch Mittwoch, 9. Januar 2019 – Neun Eins Eins Neun

Ich musste gestern ein paar Dokumente für die neue Steuerberaterin unterschreiben, da fiel mir das schicke Datum auf.

Der schlecht gelaunte Feierabend von vorgestern ging über in einen traurigen Morgen, der aber dann zu einem besseren Vormittag wurde. Ich ärgere mich immer noch über mich selbst, aber jetzt habe ich mich lange genug ausgeschimpft.

Stiefelchen angezogen, rausgegangen, Zeitung gekauft, zur Drogerie gestapft, Zeug gekauft, nach Hause gegangen, viel Tee getrunken, viel gelesen, viel Musik gehört – und einen Podcast, ich komme gleich noch darauf zurück.

Aber erstmal die Musik zum Tag aus Year of Wonder: Sie kommt heute aus Verdis Messa da Requiem, genauer gesagt das Offertorium. Schade, das Dies Irae knallt mehr. Wie immer habe ich nach dem Durchhören des kurzen Stücks auf die Album-Playlist geklickt und mich gestern an die schöne Aufführung des Monteverdi Choirs erinnert, die ich erst Anfang November gesehen hatte.

Das Buch hängt den Musiktipp an der Geschichte von Rafael Schächter auf. Wieder was gelernt: Die musikalischen Darbietungen in Theresienstadt waren mir bekannt, dieser Name noch nicht.

Über den New Yorker entdeckt: den Podcast SongExploder. Der Gastgeber interviewt Musiker*innen, die eine Viertelstunde lang über eine ihrer Kompositionen sprechen, sie mit Tonbeispielen unterfüttern, und zum Schluss gibt’s das Lied dann wieder zusammengebaut.

Die erste Episode, die ich mir anhörte, wurde im Artikel angeteasert und war mit Loren Bouchard, der eine meiner liebsten Fernsehtitelmelodien komponiert hat: die von Bob’s Burgers. Nachdem ich die Folge (schon von 2014) gehört hatte, weiß ich auch, warum sie einer meiner liebsten ist: weil sie das generelle Grundgefühl der Serie so gut zusammenfasst. Bis zum Schluss hören, dann kommt noch der Teil des Tracks, den man im Fernsehen (aka im Interweb) nie hört, weil die Folge schon beginnt und die Figuren sich wieder in den Haaren liegen.

Dann klickte ich mich durch die Episodenliste und fand die Folge zur Titelmusik von BoJack Horseman, die ich ebenfalls großartig finde. Gelernt: Das Stück wurde geschrieben, weil Komponist Patrick Carney, Drummer der Black Keys, mal sein neues Studio bzw. dessen Equipment in Nashville antesten wollte und wurde erst dann zu einer Titelmusik. Carneys Onkel Ralph steuerte das Saxofon bei.

Ein Lied von 2005 höre ich immer noch gerne und gröle mit, wenn niemand zuhört: Suddenly I See von KT Tunstall, die spannenderweise von einem Bild bzw. einem Albumcover von Patti Smith zu diesem Song inspiriert wurde. Auch sehr hörenswert, die Episode.

Und, letzte Folgenempfehlung: Ich weiß jetzt mehr über die Titelmelodie von House of Cards. Ich mag die Melodie sehr, auch wenn ich die Serie seit der dritten oder vierten Staffel nicht mehr gucke. Aber es gibt diesen einen großartigen Moment, wo sich alle rumzirpenden, klimpernden und wabernden Instrumente vereinen, zu einem fetten Akkord, bei dem ich mich immer gefragt habe, ob das wirklich einfach Dur ist oder noch irgendwas Chromatisches mitschwingt. Jetzt weiß ich: Es ist A-Dur.

Die Titelmelodie änderte sich von Season 1 zu den weiteren; aus den hellen Geigen wurden etwas dunklere Celli, weil auch die Serie düsterer wurde. Damit verliert der strahlende Akkord auch ein bisschen seine Leuchtturmwirkung, aber er ist immer noch toll. Hier sind alle Melodien hintereinander geschnitten. Meine Lieblingsstelle kommt bei Sekunde 50, dann nochmal länger bei 1:20.

Tagebuch Dienstag, 8. Januar 2019 –  Das Abo ist tot, es lebe das Abo

Vormittags einen Text abgegeben, für den ich eigentlich eine Korrekturschleife eingeplant hatte – die dann aber nicht nötig war. Weniger Arbeit ist zwar nett, aber jetzt kriege ich auch weniger Geld. Muss schlechter texten.

Aber ich konnte mich sehr über eine Mail freuen:

Eigentlich wollte ich deswegen nett sein und die SZ statt der FAZ kaufen, aber der Vorsatz hielt nur bis zur Lektüre vom Perlentaucher, der mich auf einen Artikel über Religionsunterricht im FAZ-Feuilleton aufmerksam machte (hinter der Paywall). Also FAZ erstanden. Und dann, nach lausigen, lächerlichen, wirklich lachhaft albernen acht Tagen Abolosigkeit wieder ein Abo abgeschlossen. Muss woanders sparen. Und schlechter texten.

Abends eine Kundenmail bekommen, über die ich länger nachdenken musste, was meinen lauschigen Feierabend etwas ruinierte. Missverständnisse kommen vor, aber als Dienstleister dürfen sie mir eigentlich nicht passieren; es ging um organisatorische Dinge, nicht Textqualität. Mich über mich selbst geärgert und Frustschrott gegessen statt schöner Dinge mit Brokkoli, die ich eigentlich geplant hatte. Mal sehen, ob ich das jemals hinkriege: mich nicht selbst doppelt für Fehler zu bestrafen (Ärger plus mieses Futter). Oder ob ich es schaffe, Seelenstress vom Essen zu entkoppeln. Ich ahne, dass ich das nicht mehr hinkriege, diese Bewältigungsstrategie fahre ich schon zu lange.

Die Musik zum Tag (Year of Wonder) kommt von Arcangelo Corelli, den ich meinte, als Namensgeber für einen Nicholas-Cage-Film zu kennen, den ich bis heute aber nicht gesehen habe und von dem ich jetzt nach der Lektüre des Wikipedia-Eintrags weiß, dass die beiden Corellis gar nichts miteinander zu tun haben. Ähem.

Und jetzt muss ich doch mal ein winziges Hühnchen rupfen, denn das Largo aus Corellis Concerto Grosso in D-Dur, Op. 6, No. 1, dauert ernsthaft nur eine Minute. Ein bisschen mehr darf mir die Verfasserin ruhig zumuten. Also klickte ich auf den Album-Link der Spotify-Playlist und hörte das ganze Concerto Grosso, das eh nur entspannte 13 Minuten dauert. Barock ist zwar nicht meins, aber das hat mir gefallen. Und ich weiß jetzt, was ein Concerto Grosso ist.

Wo wir gerade bei der FAZ waren – da stand Montag in meiner Lieblingsrubrik „Die Gegenwart“ ein langer Artikel über den Populismus (leider nicht online). Der Politikwissenschaftler Torben Lütjen arbeitet den Unterschied zwischen den heutigen Schreihälsen und den historischen heraus, was mich etwas hoffnungsvoller gestimmt hat, im Gegensatz zum Autor.

Zunächst ging es um den Zusammenhang von Autoritarismus und Populismus:

„Der Begriff [des Autoritarismus] zielt gleichsam auf eine vorpolitische Bewusstseinsebene und beschreibt einen generellen Zugang zur Welt. Personen mit einem autoritären Weltbild, so die Annahme, richten sich an konventionellen Verhaltensweisen aus, orientieren sich an starken Vaterfiguren und neigen dazu, Fremdes als Bedrohung wahrzunehmen.

Nun ist einiges an dem behaupteten Zusammenhang zwischen Rechtspopulismus und Autoritarismus offensichtlich. Schließlich wissen wir, dass die Anhänger der AfD ebenso wie die Wähler anderer rechtspopulistischer Parteien in Meinungsumfragen eine stärkere Präferenz für „starke Führer“ bekunden und mit bestimmten Erscheinungsformen der repräsentativen Demokratie hadern. […]

Und doch ist die Erzählung vom autoritären Populismus allenfalls die halbe Wahrheit. Der moderne Rechtspopulismus ist widersprüchlich und gebrochen. Er besitzt eine Art doppelten Boden, in dem sich eine Geisteshaltung findet, die sich mit autoritärem Denken nicht besonders gut verträgt – was die Sache nicht unbedingt ungefährlicher macht.“

Lütjen beschreibt dann die Parallelwelt von Verschwörungstheoretikern, angefangen von der Alt-Right-Bewegung, die Außenstehende als unwissende Schafe beschreibt, …

„… die den Lügen der Mainstream-Medien glauben, den Versprechungen der Politiker, die nicht mit offenen Augen durch die Welt gehen und sich leicht manipulieren lassen. In der Sprache der AfD ist es hingegen der ‚mündige Bürger‘, der durchschaut hat, wie die Dinge wirklich sind. […]

Der Rechtspopulismus rechnet in seiner Ansprache tatsächlich mit Menschen, die sich für so kompetent halten, dass sie die Komplexität der Welt ohne fremde Hilfe und damit selbst verstehen. Sie brauchen dafür keine vermittelnden Instanzen, keine Übersetzer und keine Mediatoren. Es geht, so kontraintuitiv das vielleicht klingen mag, um individuelle Selbstermächtigung, oder wie es auf Neudeutsch heißt: Empowerment.“

Was mir in diesem Zusammenhang gefehlt hat, war der Hinweis auf die durchaus vorhandenen Mediatoren: die Facebookgruppen, die Twitter-Threads, die WhatsApp-Gruppen, in denen man seine eigene Meinung gegencheckt – man ist also vielleicht doch nicht ganz so mündig, sondern sucht Gleichgesinnte, die eine Richtung vorgeben. Oder eine Verschwörungstheorie, ein verfremdetes Bild, eine verkürzte Bundestagsrede von Frau Weidel. Außerdem hätte ich mir eine Distanzierung vom Begriff der „Mainstream-Medien“ gewünscht, aber das mag persönliche Befindlichkeit sein.

Lütjen kommt dann zum Kern des Ganzen:

„Im Faschismus […] ist der individuelle Anspruch auf Wahrheit im Grunde suspendiert. Hier ist es der von der Vorsehung erwählte Führer, in dem sich die Wahrheit manifestiert. […] Im Linksautoritarismus existiert ebenfalls nicht die Idee der individuellen Welterklärung: Die Wahrheit wird hier von der Partei als bürokratischer Organisation verwaltet oder von den offiziell beglaubigten Parteiintellektuellen. NIcht jeder ist schließlich berufen, Marx zu verstehen.“

Hier fragte ich mich, ob das auch ein Grund dafür sein könnte, warum im Osten anscheinend mehr Menschen mit Zeitungen und Fernsehen hadern als im Westen – weil man es sich 40 Jahre lang antrainiert hatte, eben diesen Medien nicht zu glauben?

Spannend fand ich diese Überlegung zu den individuellen AfD- oder Rechtswähler*innen:

„Die Rechtspopulisten von heute aber scheinen kaum nach dem Aufgehen in der Masse zu lechzen, scheinen überhaupt wenig Sehnsucht nach Gemeinschaft oder Bindung zu verspüren. Weder fallen sie als regelmäßige Kirchgänger noch sonst irgendwie als begeisterte Vereinsmeier auf [dafür hätte ich gerne eine Quelle gehabt]. […] Auch sie sind, wie der Soziologe Andreas Reckwitz es bezeichnet hat, ein Teil der ‚Gesellschaft der Singularitäten‘, und nicht etwa (wie es allerdings Reckwitz und andere wohl meinen) deren regressiver Gegenentwurf.“

Lütjen spricht dann noch über das innerparteiliche Chaos in der AfD, wo Führungsfiguren relativ unerbittlich ersetzt werden – eigentlich nicht unbedingt ein Zeichen von Führertreue. Wobei die modernen Vorsitzenden auch eher Pseudo-Führer*innen sind:

„Auch sollte man bezweifeln, dass es sich bei all den Trumps und Orbáns, den Salvinis, Gaulands und Straches um jene berüchtigten ‚strengen Vaterfiguren‘ der Autoritarismus-Forschung handelt, die ihre eigenen Zöglinge züchtigen und erziehen wollen. Eher sind es wohl moderne Kumpel-Väter, die ihren verzogenen Kindern gegen die bevormundenden Lehrer den Rücken stärken und sie dabei noch weiter dazu anstacheln, sie sollten sich nicht weiter vorschreiben lassen, wie sie lebten, was sie zu fühlen und woran sie zu glauben hätten. Der Populismus (das ist seine größte Stärke und seine größte Schwäche zugleich} fordert den Menschen intellektuell und moralisch gar nichts ab – schon gar keine Opfer im Namen einer historischen Idee oder Mission.“

Und das sehe ich als Hoffnungsschimmer: Die heutigen AfD-Wähler mag ich für verblendet und denkfaul halten, ich habe aber keine Angst davor, dass sie Verkehrsflugzeuge in Hochhäuser lenken. Und gerade weil sich die Partei eigentlich nur in der Flüchtlingspolitik halbwegs einig ist, hoffe ich darauf, dass sie sich schlicht selbst erledigt. Das hat die Ein-Thema-Partei der Piraten ja auch prima hingekriegt.

(Alle Zitate aus: Torben Lütjen: „Populismus oder die entgleiste Aufklärung“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.1.2019, S. 6.)

Tagebuch Montag, 7. Januar 2019 – Team Ophelia!

Morgens vor die Tür gestiefelt, um eine Zeitung zu kaufen. Immerhin gleich Croissants (Frühstück) und Brezn (Nahrung für den Rest des Tages) mitgebracht. Die neueste Folge Outlander geguckt; die jetzige Staffel finde ich eher doof, aber man weiß ja nie, mal weitergucken. Den Rest des Tages war ich dann wieder im Texterflöz unterwegs.

In der Mittagspause hörte ich die Musik zum Tag aus Year of Wonder: Gestern gab’s Les chemins de l’amour von Francis Poulenc, worüber Autorin Burton-Hill treffend schrieb: „It is tinged with a bittersweet poignancy, the lilting charms of its melody undercut by a sense of impending loss.“ Ich fand das Stückchen sehr schön. Mehr kann ich zu den drei Minuten nicht sagen. Ich frage mich gerade, ob ich die Musik zum Tag nur verbloggen sollte, wenn ich etwas zu sagen hätte. Auch hier: mal weitergucken.

Und abends traf ich mich dann mit F. in den Kammerspielen. Es gab den Herrn Hamlet in einer Inszenierung von Christopher Rüping. F. hatte das Stück schon zweimal gesehen und verriet mir, dass es erstens mit dem Schluss losgehe und das zweitens alle drei Schauspieler*innen mal den Hamlet geben würden, symbolisiert durch einen schwarzen Hoodie, den sie tauschten, bevor zum Schluss alle dieses Kleidungsstück trugen. Ich kann jetzt nicht mehr beurteilen, ob ich das auch ohne F.s Worte kapiert hätte – ich gehe mal davon aus, dass ja –, aber ganz so ein Selbstläufer ist diese Idee anscheinend nicht: Mit uns war eine Schulklasse im Saal, bei denen sich einige beim Rausgehen gegenseitig fragten, wer denn nun eigentlich Hamlet gewesen wäre.

Dass es mit dem Schluss losging, war für das Bühnenbild ein Geschenk und für die Darstellenden vermutlich nur ein weiterer Baustein in ihrem unbequemen Abend: Sie verteilten erstmal minutenlang eimerweise Kunstblut auf dem durchlässigen Metallfußboden. Das machte immerhin schön klar, dass das Stück vielleicht keine lyrische Angelegenheit werden würde, falls es jemand noch nicht kennen sollte. Wobei: Ohne Vorkenntnisse vom Stück sitzt man vermutlich zwei Stunden ziemlich ratlos im Publikum, so sehr zerbröselt Rüping den Text, nutzt nur noch Versatzstücke und ergänzt recht freestyle. Nachdem aber klar ist, dass alle tot sind – das Blut wäre ein Hinweis, eine Anzeigentafel, auf der so ziemlich alle Namen der Figuren nach und nach durchgestrichen werden, ein weiterer –, fangen wir doch von vorne an. Nur szenenweise und die auch stark verkürzt; Rosencrantz und Guildenstern sind, wenn ich mich richtig erinnere, für ungefähr eine Minute erkennbar und haben auch keine Funktion mehr, außer dass sie sterben, was dadurch symbolisiert wird, dass die beiden Darstellenden sich jeweils einen Eimer Kunstblut über den Kopf schütten – eine Geste, die am Abend gefühlt achtzigmal vorkam.

Ich erspare euch eine Nacherzählung und verweise faul auf diverse Kritiken, die sich alle nicht einig sind. Ich persönlich fand’s bis auf kleine Dinge großartig. Zum Beispiel der Umgang mit dem Evergreen „Sein oder Nichtsein“: Der Satz leuchtet irgendwann auf der Tafel auf und Hamlet stöhnt nur abwiegelnd, och nee, nicht den Scheiß wieder. Statt ihm beginnt dann auch der Musiker an der Bühnenseite, der stets sichtbar ist (und manchmal irre laut), Samples von alten Aufnahmen des Monologs abzuspielen. Das hätte ich grandios gefunden, das Ding kennt eh jede*r, aber so ganz hat sich Rüping anscheinend doch nicht getraut, ihn komplett wegzulassen, also beginnen die Schauspieler*innen selbst auch nochmal, den Text aufzusagen. Das war zuviel und inkonsequent.

Was ich aber hingegen grandios fand, war sein Umgang mit Ophelia, der armen Maus, die das komplette Stück irgendwie erduldet, bevor sie gnädig ertrinken darf, hmpf. Hier schreit Hamlet (gerade verkörpert von Kaja Bürkle) Ophelia (hier gerade Nils Kahnwald) minutenlang an, wie sehr sie nerve, wie sehr sie seine Zeit koste, mit ihrem Hamsterblick, dass sie sich endlich verpissen solle, warum sie nicht auf ihn höre und SICH ENDLICH VERPISSE uswusf. Das ging gefühlt zehn Minuten so, die schreiende, herumirrende Bürkle und im Hintergrund emotionslos Kahnwald, der das alles über sich ergehen lässt und dessen Mimik weder Entsetzen noch Erstaunen noch Wut oder Angst zeigte, er stand da einfach und sie brüllte ewig. Irgendwann war ich selbst genervt davon und dachte mir, jetzt geh doch endlich, dann geht das Stück mal weiter – und in dem Moment hatte ich kapiert, worauf alle hinauswollten: Ich war als Publikum genauso zum Arsch geworden wie Hamlet, der Ophelia loswerden und weiter mit Blut rumspritzen wollte. Auf die Zwölf.

Überhaupt habe ich selten einen solch unsympathischen Hamlet gesehen, was ich im Nachhinein als zwiespältig empfand. Am Abend selbst fand ich es toll, dass aus dem angeblich edlen Rächer ein totaler Mistkerl wird, im Nachhinein weiß ich nicht, ob die psychische Komponente, der innere Aufruhr, die Wahnvorstellungen (?) der Figur damit nur faul unter den Teppich (oder den blutigen Metallboden) gekehrt wurden.

Man kann dem Stück sicherlich vorwerfen, teilweise inkonsequent zu sein, aber ich hatte zwei äußerst intensive Stunden und empfehle euch einen Besuch. Wir zwei mussten das dringend bei einem Bierchen besprechen, was den Abend ebenso intensiv weitergehen ließ.

Gemeinsam bierschwer eingeschlafen. Durchgeschlafen, endlich mal wieder! Vielleicht sollte ich meinen ollen Tee abends durch Bier ersetzen.

Tagebuch Samstag/Sonntag, 5./6. Januar 2019 – Musikalisches Wochenende

Der freitägliche Schnee war liegengeblieben, München sah super aus, und ich tat, was jeder vernünftige Mensch macht, wenn Schnee liegt – und man zu faul ist, vor die Tür in den Englischen Garten zu gehen, aber dafür einen Balkon hat:

Dann ging ich aber doch irgendwann raus, Zeitung gekauft (schon gut, ich schließe wieder ein Abo ab, es hilft ja nichts), Brot gekauft, Süßigkeiten für F. gekauft, der von einem Kurztrip wiederkam und dem ich was Nettes auf den Wohnzimmertisch legen wollte, was ich im Anschluss an meine Einkäufe erledigte.

Zuhause lauschte ich der täglichen Portion Musik aus Year of Wonder, ich verlinke das einfach weiter, mir gefällt das sehr. Samstag durfte ich das magische Crucifixus von Antonio Lotti kennenlernen, der mir vorher kein Begriff war. Das kleine Stück hörte ich gleich mehrfach. Ich möchte den Tipp der Autorin weitergeben: Stop whatever you’re doing and let it wash over you. Bitte nicht in der Mittagspause auf dem Smartphone, wartet bis zum Feierabend. Aber dann!

Hier ist mein Tweet mit der Buchseite dazu; alleine für den Text und dieses Stück lohnt sich das Buch bzw. die Spotify-Playlist. Aus dem Tweet entspann sich eine kleine Diskussion, durch die ich eine weitere Playlist entdeckte: „Hört euch das mal an, Vol. 2“ mit klassischer Musik, Vol. 1 folgte ich bereits. Auf der neuen Playlist entdeckte ich gleich noch mehrere Komponisten, die ich vorher nicht kannte, vor allem Hans Rott hatte sofort gewonnen. Den Rest muss ich noch durchhören, weiter bin ich noch nicht.

Den Abend mit F. verbracht, Käse gegessen, Rotwein getrunken (endlich mal wieder einen Blaufränkisch), gemeinsam eingeschlafen.

Den Sonntag standesgemäß vergammelt, immerhin Croissants vom Bäcker geholt, keine Sonntagszeitung, ha!, dann auf dem Sofa eingeschlafen, egal ob beim Lesen oder beim Seriengucken, vom eigenen Schnarchen aufgewacht. Ich liebe solche Sonntage.

Die Musik zum Tag kam von Max Bruch, der mir nichts sagte, aber als die ersten Töne seines 1. Violinkonzerts erklangen, dachte ich, „Ach, das!“ Ich dachte, ich hätte das garantiert schon mal in einem Filmsoundtrack gehört, aber die IMDB half mir nicht weiter. Vielleicht hatte das Klassikradiohören in der Badewanne in Hamburg doch was Gutes gehabt. Ihr kennt das auch, kommt schon, anspielen, ist hübsch.

Was ich an der Spotify-Playlist so schön finde, ist, dass man vom einzelnen Appetithäppchen auf das komplette Album kommt und sich so auch brav den Rest des Konzerts anhören kann. Mir gefallen die anderen zwei Sätze des Violinkonzerts sogar noch besser als der erste.

Zur Feier des Tages holte ich sogar meine Boxen wieder aus den zwei Schränken, auf die ich sie offensichtlich nach dem Umzug verteilt hatte. Ja, ich Banausin habe bisher nur über die Laptop-Lautsprecher Musik gehört. Die kleinen Boxen hatte ich mir mal in Hamburg gekauft, aber selten benutzt. Jetzt rahmen sie hübsch meinen Schreibtisch ein und mir gefällt das alles sehr. Beschwingtes Arbeiten und Bloggen. Was ich gestern auch feststellte, nachdem ich sie angeschlossen hatte: Mein neuerdings so geliebter Martinů knallt darüber noch mehr.

Ich war so beschwingt, dass ich meine Küche kurz umräumte (kein Foto). Der Raum ist der einzige, mit dem ich noch etwas hadere, was die Wandgestaltung angeht. Ich habe mal das bisher hochkant stehende Kallax in die Horizontale gekippt, mein Lieblingsgeschirr darauf drapiert und zwei große Bilder obendrauf an die Wand gelehnt, die wollte ich am Sonntag nicht annageln. Mal sehen, wie das wirkt. Bin bisher zufriedener als vorher, aber so ganz richtig richtig ist es immer noch nicht.

Die alten, neuen Boxen zahlten sich dann abends richtig aus, als ich dem Livestream der Bayerischen Staatsoper lauschte, die Smetanas Verkaufte Braut live übertrug; hier die Termine für weitere Aufführungen, für die man sich nicht schick machen muss.

Von der Aufführung hatte ich zufällig eine äußerst positive Besprechung im Radio gehört, was man halt so morgens im Bad mitkriegt, und mich daher ohne große Erwartungshaltung an den Schreibtisch gesetzt (weil da halt die Boxen stehen). Eigentlich wollte ich nur kurz reingucken, aber dann blieb ich doch die ganzen drei Stunden dabei, holte mir in der Umbaupause in der ersten Hälfte ein Bier aus dem Kühlschrank, ging in der Pause – ganz wie in der echten Oper – erstmal aufs Klo und dann zum Schnittchenteller, der bei mir gestern aus zwei Käsesorten bestand, die noch von Silvester übriggeblieben waren. Das Social-Media-Team begleitete den Abend meiner Meinung nach sehr gut, und ich hatte gerade in der ersten Hälfte so viel Spaß wie noch nie mit einer Oper. In der zweiten Hälfte wurde es dann ruhiger, melancholischer und zärtlicher, das große Feuerwerk an Gags war verpufft, aber auch hier konnte ich natürlich Musik und Stimmen genießen. Vielen Dank für den Stream, gerne wieder!

Ich habe allerdings schreckliche Nachrichten von meinem Balkon:

Maybe he likes warm hugs? Ich werde ihn mal reinholen.

Ein unkompliziertes Dankeschön …

… an Elke, die mich mit Yotam Ottolenghis Simple überraschte. Den Titel hat der deutsche Verlag netterweise nicht mit „Simpel“ übersetzt, sondern einfach den englischen gelassen.

Von Ottolenghi habe ich bereits mehrere Kochbücher im Schrank, er gehörte mit zu den ersten etwas komplizierteren Küchenmeister*innen, die ich nachkochen wollte, nachdem mich sowohl Jamie Olivers als auch Tim Mälzers Bücher nicht mehr so richtig umhauen konnten. Von letzterem habe ich aber einen hervorragenden Kartoffel-Gurken-Salat mit warmem Essigdressing, den ich bis heute liebe.

Eines meiner liebsten Futterfotos, von dem ich mich bis heute ärgere, dass es so klein ist, stammt von einem Ottolenghi-Rezept (süßsaurer Feldsalat mit roter Bete). Seine Nudeln mit Gewürzbutter retten mich jeden Abend, wenn ich keine wirkliche Lust zum Kochen habe, aber trotzdem was richtig Tolles essen möchte. Sein Mejadra ist mein liebstes Comfort Food, und sowohl seine Blumenkohltorte als auch die Knoblauch-Ziegenkäse-Tarte sind inzwischen Go-to-Rezepte, wenn Besuch vorbeikommt.

Daher war ich sehr auf sein Einfach-Kochbuch gespannt, denn eine Rezeptkategorie darin ist: „Rezepte mit nicht mehr als zehn Zutaten.“ Was bei Ottolenghi ja quasi unmöglich ist. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.