„Wagner-Wahn“

„Im Frühjahr 2013 bietet der Spielplan drei Wochen „Wagner-Wahn“: Gleich zehn Opern von Richard Wagner stehen dann im Fokus des Programms – zehn exemplarische Inszenierungen seiner Hauptwerke aus dem Repertoire der Staatsoper, alle dirigiert von Simone Young. Neben dem erfolgreichen Hamburger »Ring« von Claus Guth sind dann auch noch mal die Wagner-Interpretationen von Ruth Berghaus, Peter Konwitschny, Harry Kupfer, Robert Wilson und Marco Arturo Marelli zu erleben. Mit der „WahnCard 200“ können Besucher alle zehn Vorstellungen sehen.“

Die Hamburgische Staatsoper präsentiert ihr Programm für die Spielzeit 2012/13.

Spitzenspiel

Der Kerl und ich bloggen heute am Tag des Duells Dochtmund – Bayern gemeinsam. Wenn Sie bitte mit einem freudigen „DEUTSCHER MEISTER WIRD NUR DER FCB, NUR DER FCB, NUR DER FCB!“ auf den Lippen unten stehendes Banner klicken würden? Danke. (Ein Schuss, ein Tor, die Bayern, DIE BAYERN!)

Ofenblumenkohl mit Superspice

Eigentlich werfe ich meinen Blumenkohl ja immer in Curry-Bierteig und frittiere die Hölle aus ihm raus, aber das Rezept von Nicky sah zu gut aus, um es nicht auszuprobieren. Dieses Mal landete der kleine Racker also nicht im Topf, sondern im Backofen. Mit einer Million Gewürzen umhüllt.

In den Mörser (oder den elektrischen Zerkleinerer) kommen

1 EL Sesamsamen,
1 TL schwarze Sesamsamen,
1 TL gemahlener Kreuzkümmel,
1 TL grobes Meersalz,
1/2 TL schwarze Pfefferkörner,
1/2 TL Koriandersamen,
1/2 TL Chilipulver oder Chiliflocken,
2 kleine getrocknete Chilischoten,
1/2 TL getrockneter Thymian und
1/2 TL gemahlener Kurkuma.

Ich hatte keine schwarzen Sesamsamen und wollte keine Chilis, deswegen war bei mir ein halber Teelöffel Piment d’Espelette drin. Außerdem war mein Koriander schon gemahlen, wovon ich einen viertel Teelöffel in den Mörser gehauen habe.

Einen Kopf Blumenkohl in Röschen verwandeln, mit
3 EL Superspice,
3 EL Brotkrumen (bei mir Paniermehl) und
Olivenöl

in eine Schüssel mit Deckel umsiedeln, alles gut durchschütteln, auf ein Backblech geben und für eine knappe Stunde irgendwas zwischen 30 und 60 Minuten bei 200° C schmoren lassen. Mir war die knappe Stunde schon fast ein bisschen viel; ich hätte den Blumenkohl gerne etwas bissfester gehabt. Und mit dem Kurkuma werde ich das nächste Mal ein bisschen sparsamer sein. Die Schärfe fand ich aber sehr angenehm. (Heißt: kaum zu spüren.)

Dazu gab’s einen Dip aus Quark, Schnittlauch, Salz, Pfeffer und Olivenöl. Gerne wieder.

Tagebuch 25.3. bis 7.4. – Auf Droge

25. März

Die Walküre“ in der Bayerischen Staatsoper, unter anderem mit Klaus Florian Vogt, in der Regie von Andreas Kriegenburg, am Pult Kent Nagano. Wunderwunderwundervoll. Großartige Sänger_innen, stimmige Inszenierung, herrliches Orchester. Und ein freundlicher junger Mann, der seine Randkarte gegen meine Mitten-im-Parkett-Karte tauschte, damit mein zickiges Beinchen sich mal lang ausstrecken konnte, weil ich nicht schon wieder nach dem ersten Akt gehen wollte wie in der Hamburgischen „Götterdämmerung“. Außen kann man zwar die Übertitel nicht mehr lesen, ist aber völlig wumpe. Ich kenne den Kram ja.

26. März

Da ich am 27. einen beruflichen Termin in Ingolstadt hatte, blieb ich am 26. einfach in München und schlug mein Home Office in der Küche des Gastgebers auf. Sehr ungewohnt, in Agenturklamotten im Home Office zu sitzen. War aber schön, mal mit einem anderen Ausblick zu arbeiten. Zum Mittag statt des üblichen Müsli mit Obst Vanillejogurt mit Obst. Ich Rebellin. Abends gemeinsam in der Taverna Molos, bei dem ich nächstes Mal nur Vorspeisen bestelle, weil ich nach ihnen schon sehr, sehr satt bin, wie ich jetzt weiß. Zum ersten Mal bewusst die Isar gesehen.

27. März

Tolles Gespräch mit zwei Audi-Designerinnen, was sie so den ganzen Tag machen. Jetzt weiß ich auch, wer sich die Farbnamen ausdenkt, die ich immer so lustig finde. Und dass sich Hirschleder verdammt gut anfühlt. Nach dem Termin fuhren meine Kollegin und ich nicht sofort zum Flughafen, sondern gönnten uns noch einen Kaffee bei Aran und eine Leberkässemmel bei Vinzenz Murr. Das erste Mal die Sonnenbrille aus dem Rucksack geholt.

28. März

Olympique de Marseille gegen Bayern München im Gomez-Trikot auf dem Sofa geguckt. 0:2. Ein kampfbetontes und unterhaltsames Spiel gesehen. Kerl-Kommentar: „Bayerndusel, die haben nur ihren dritten Torwart auf dem Platz.“ In mich reingeknurrt.

29. März

Wieder mal München (long time no see). Meine Lesung im Hukodi stand an, ich war nervös, zu früh im Laden, ging mit dem Gastgeber noch einen Kaffee im Miss Lilly’s trinken, wo wir auf Foursquare feststellten, dass Frau Kaltmamsell anscheinend fünf Sekunden vor uns auch dagewesen war. Wieder zurück, ich hibbelte eine Stunde lang nervös rum und wollte nicht richtig was essen, dann las ich, dann aß ich, dann trank ich viel Sekt und war sehr zufrieden mit allem. Das Publikum anscheinend auch, was mich sehr gefreut hat.

30. März

Kunst gucken: die neue Pinakothek. Ich so an der Kasse: „Gibt’s einen Plan? Ich möchte ins 19. Jahrhundert.“ Mildtätiger Blick: „Junge Frau …“ (schon gewonnen) „… das ist hier alles 19. Jahrhundert.“ Heißt genauer: 22 Räume. 22 Räume 19. Jahrhundert. Ich war knapp drei Stunden beschäftigt, freute mich über ein Wiedersehen mit Wilhelm Leibl, der mir in Hamburg so gut gefallen hatte, und stand an seinem Geburtstag vor einem van Gogh. In München hängen vier Bilder von ihm, unter anderem eine Version der ollen „Sonnenblumen“, die mich noch nie so richtig fasziniert haben. Was mich allerdings umgehauen hat, war „Der Blick auf Arles“. Wo ich in der Hamburger Kunsthalle immer zu den „Frauen in der Kirche“ von Leibl zurückgekommen bin, war es hier das Arles-Bild, das mich nicht losließ. Ich bin wirklich kein großer Fan von van Gogh, aber wenn man Werke von ihm direkt vor der Nase hat, muss man schon ein Roboter sein, um nicht bewegt zu werden. So ging es mir im Musée d’Orsay in Paris, wo ich auch dachte, och jo, van Gogh, nimmste halt mal mit – und dann stand ich gefühlte Ewigkeiten mit offenem Mund vor seinen Bildern. In München genauso. Die Pinselstriche scheinen dir entgegenzukommen, die Farben sind aus einer anderen Welt, dieses Blau habe ich noch nie gesehen, dieses Gelb, diese Kraft, diesen Schmerz.

Im Museumsshop den Gesamtkatalog erworben, auf dem Gastgebersofa durchgeblättert und sehr glücklich gewesen. Abends noch glücklicher gemacht worden, weil Frau Cucina Casalinga Frau Patschbella und mich auf das Köstlichste bewirtete. Habe ich nicht fotografiert, wird aber alles nachgekocht. Und vor allem werden die Weine nachbestellt, von denen ich eine Badewanne hätte trinken wollen. Rotwein, Dessertwein auf Flickr.

31. März

Mit viel Restalkohol und viel Restglück nach Hause geflogen. 1:0 in Nürnberg.

1. April

Home Office mit gewohntem Ausblick. Wer dauernd in München rumhängt, muss leider am Wochenende in Hamburg arbeiten. Sehr nölig gewesen, ausnahmsweise nicht zu Altona 93 auf die Adolf-Jäger-Kampfbahn gegangen. Nochmal nölig gewesen.

2. April

Zu viel zu tun. Gesangsunterricht abgesagt. Dreifach nölig gewesen.

3. April

Mal wieder München (running gag). FCB gegen Marseille. Morgens in Hamburg Schnee, abends sitze ich im Stadion mit zwei Longsleeves und im Trikot. Ohne Jacke, ohne Decke auf den Knien, keine Leggings drunter, nur Turnschuhe statt lammfellgefütterter Stiefelchen. Fühle mich wie in den Sommerferien. Dieses Mal steht der erste Torwart auf dem Platz, und wir gewinnen trotzdem 2:0. Eat this, Kerl.

Der Geburtstagskuchen für den Gastgeber, den er um Mitternacht kriegt, hat den Flug gut überstanden. Herrn Kamke kennen- und lieben gelernt. Viele White Russians. Viel Sekt. Viel Kuchen.

4. April

Langes Frühstück mit dem Gastgeber. Zum ersten Mal Anzeichen von „Ich bin zu alt für diesen Scheiß“: leichte Kopfschmerzen. Irgendwann Rückflug. In Hamburg knurrend den Bayernschal umgebunden, weil ich schon wieder vergessen hatte, dass bei uns noch Winter ist.

5. April

Hektisch gearbeitet, danach hektisch in die Oper gefahren. Dort wollte ich zur Ruhe kommen, was aber nicht ganz so geklappt hat, weil es erstens Mozarts „Don Giovanni“ gab und ich zweitens die Inszenierung eher doof fand. Während des gesamten zweiten Akts überlegt, ob der Rewe an der Hoheluftchaussee bis 24 oder nur bis 22 Uhr geöffnet hat. Falls mich noch mal jemand vollnörgeln möchte, wie toll Mozart sei: Ja, isser wahrscheinlich. Trotzdem gehen mir seine Opern auf die Nerven. Ich habe es fünfmal versucht – jetzt mag ich nicht mehr. Schluss, aus.

Immerhin: In der Hamburgischen Staatsoper kann man die Beine im Parkett anständig lang machen. Keine Sitzprobleme.

6. April

Gegengift, schnell. Spontan in den „Parsifal“ gegangen. Großartiges Ding. Musikalisch ja eh, und die Inszenierung von Robert Wilson macht das ganze perfekt. Ich twitterte: „Sieht ein bisschen aus wie Star Trek meets Hurz.“ War auch so, passte aber hervorragend. Bitte mal angucken. Vor allem mit Simone Young am Pult, unter deren Leitung ich dem Hamburger Orchester extrem gerne zuhöre.

7. April

Drei Tage hemmungsloses Rumlungern beginnen: jetzt.

Twitterlieblinge im März 2012, Teil 2

Zwei Filmfragebögen in einem

Liisa und Kiki bewerfen mich gleichzeitig. Für eigene Fragen bin ich gerade zu faul habe ich gerade keine Zeit, aber Stöckchenschulden sind natürlich Ehrenschulden.

Liisa fragt:

1. In welchem Alter warst Du das erste Mal in Deinem Leben im Kino und welchen Film hast Du damals gesehen?

Ich weiß nicht mehr, ob es Asterix und Cleopatra im Autokino oder Aristocats im Palast-Theater Hannover war. Bezeichnend, dass ich die Kinonamen noch weiß, aber nicht, wie alt ich war, als ich die Filme sah.

2. Nach welchen Kriterien entscheidest Du, ob Dir ein Film gefällt oder nicht?

1. Darsteller_innen. 2. Story. 3. Regisseur_in. Heißt genauer: Ich gucke im Prinzip jeden Quatsch mit dem derzeitigen Schnucki oder der derzeitigen Schnuckine, und die Story ist zweitrangig.

3. Angenommen, Du dürftest Dir eines der großen oder kleinen Filmfestivals aussuchen und dort als Jurymitglied tätig werden, welches Festival würdest Du wählen und warum gerade das?

Ich will kein Jurymitglied sein, ich will nicht auf Zwang Filme gucken. Deswegen will ich das auch nicht beruflich machen, über irgendetwas, das ich mag, schreiben zu müssen. Aber wenn man mich mit vorgehaltener Waffe zwänge, würde ich nach Sundance wollen. Nur so. Kein bestimmter Grund.

4. Gibt es einen Film, der in Deinem Leben eine besondere Rolle spielt oder mit dem Dich etwas Besonderes verbindet?

The Meaning of Life. Mein erster Monty Python. Das Leben ist ein anderes, wenn man einmal Monty Python gesehen hat.

One, Two, Three. Den einzigen Film, in den mein Papa meine Schwester und mich geschleift hat, weil er ihn so toll fand. Fand ich auch. Seitdem glühende Verehrerin von Billy Wilder.

Flatliners. Unsterblich in Kiefer Sutherland verknallt, jahrelang die Kaffeetasse so gehalten wie er im Diner, über 30 Mal im Kino gesehen. (Ja, ich weiß. Keine Mails, bitte. ICH WEISS.)

Once Upon a Time in Mexico. Beim ersten Date mit dem Kerl geguckt. War nicht unbedingt ein Date-Film; ich fand ihn doof, der Kerl fand ihn toll, weswegen ich den Kerl auch ein bisschen doof fand. Hat sich ja netterweise noch geändert. (Seitdem mein Lieblingsbeispiel für „Entscheidet euch nicht gleich nach dem ersten Date, ob ihr jemanden toll findet.“ Kann sich alles noch ändern. Zum Beispiel, wenn man drei Monate später zusammen Lost in Translation guckt.)

5. Auch die größten Filmstars treten einmal von der Bühne ab. Welchem Schauspieler, welcher Schauspielerin trauerst Du besonders nach bzw. vor welchem Abschied graut Dir schon jetzt?

Ich vermisse Jack Lemmon sehr.

Kiki fragt:

1. Was war Dein erster Kinofilm und hast Du ihn später noch einmal gesehen? Wie fandest Du ihn dann?

Siehe oben. Ich habe beide Filme seitdem nicht mehr gesehen.

2. Welches sind Deine drei liebsten Filmszenen und warum?

1. „Liebste“ ist es nicht, aber die Szene, an die ich fast jede Mittagspause denke, stammt aus Sleepless in Seattle, wo Meg Ryan einen Apfel schält, ohne abzusetzen. Also die Schale in einer Spirale runterkriegt. Das kleine Söhnchen, das Papa Tom Hanks mit Meg verkuppeln will, schwärmt in einer Radioshow davon, dass seine verstorbene Mutter das auch immer gemacht habe. Und Meg sitzt im Auto, hört die Show und schält ihren Apfel. Nebenbei schneidet sie mit der Schale auch noch ein Kilo Fruchtfleisch runter, damit die Szene ja klappt, und das nervt mich jedesmal, wenn ich den Film sehe. Vor kurzem hat Eli Gold in The Good Wife auch einen Apfel so schick geschnitten, was ihm irgendwer als Posertum vorwarf, woraufhin er nur meinte: “I call it attention to detail.” Warum ich jede Mittagspause daran denke? Weil ich jede Mittagspause einen Apfel in mein Müsli schäle. In einem Stück. HAUCHDÜNN. Attention to detail, bitches.

2. Kiefer Sutherland beim Kaffeetrinken in Flatliners.

3. Jede Schnulzszene in jeder romantischen Komödie. Ja, ich mag das. Ja, ich heule jedesmal. You had me at hello. / I’m just a girl, standing in front of a boy, asking him to love her. / I came here tonight because when you realize you want to spend the rest of your life with somebody, you want the rest of your life to start as soon as possible.

3. Hast Du schon einmal selbst einen Film gedreht, und sei es nur auf Video oder Super 8, so richtig mit Drehbuch, Maske/Kostüm und was war das für einer? Bzw. was wäre das für einer, wenn Du das machen würdest?

Ich habe für die Aufnahmeprüfung der Berliner Filmhochschule einen Super-8-Film mit Karl gedreht. Ist leider vernichtet worden, weil ich es schlicht und ergreifend verpennt habe, ihn mir zu besorgen. In meinem Kopf war er gut.

4. Gibt es einen Film, der Dir Angst macht und den Du nie, nie, nie wieder sehen willst?

Irréversible.

5. Und welchen Film würdest Du gerne noch einmal auf der großen Leinwand sehen, der leider nur noch im TV oder auf DVD zu haben ist?

FLATLINERS!

Ein heldenhaftes Dankeschön …

… an Julia, die mich mit Klaus Florian „Schnucki“ Vogts Helden-CD überrascht hat. Vielen Dank, ich habe ich sehr gefreut. Julia hofft laut Widmung übrigens immer noch auf meine Mozart-Erleuchtung. Dazu möchte ich kurz sagen: Donnerstag abend bin ich hier. Und auf Twitter lautet eins meiner liebsten Hashtags neuerdings #MozartMögen2012. Läuft. (Ihr werdet euch noch wünschen, ich hörte mehr Wagner.)

Bücher März 2012

Johann Wolfgang Goethe – Wilhelm Meisters Lehrjahre

Nachdem ich Goethes italienisches Tagebuch so mochte und musikalisch gerade auf Mozart gepolt bin, dachte ich mir, lieste doch mal wieder was aus dieser Zeit. Lehrjahre hat mir allerdings längst nicht so gut gefallen wie die persönlichen Aufzeichnungen des Geheimrats, was nichts mit der Sprache zu tun hat. Ganz im Gegenteil, genau die hat dafür gesorgt, dass ich mich durch immerhin 600 von den gut 700 Seiten kämpfte, bevor ich mir das Ende dann in der Wikipedia durchlas. Die Handlung ist fies soapig, voller dusseliger Zufälle, und die Pointe ist das Äquivalent zu Filmen, in denen Aliens für alles verantwortlich sind, aber das war mir die erwähnten 600 Seiten egal, denn ich liebe, liebe, liebe einfach die wundervollen Worte, die ich lesen durfte, auch wenn sie mir inhaltlich egal waren. Klingt wahrscheinlich etwas exzentrisch, kann ich auch nicht besser erklären, aber genau wie klassische Musik auf den Ohren ist Goethe vor der Nase ein kleiner Urlaub vom Alltag.

(Der Gesamttext beim Gutenberg-Projekt.)

V. K. Ludewig – Ashby House

Herrlich kapriziöses Ding. Alles beginnt mit einer Beschreibung eines alten, viktorianischen Hauses in Cornwall, in dem ein seltsames Geschwisterpaar lebt, das vom Haus verschlungen wird. Ja, genau. 150 Jahre später kauft eine Starfotografin das Anwesen und bezieht es mit ihrer Schwester. Die beiden sind sich spinnefeind, aber dummerweise aufeinander angewiesen, denn Fotografin Lucille sitzt im Rollstuhl, während Laura ohne ihr Geld kein Auskommen hätte. Schon in der ersten Nacht wird klar, dass dem Haus die neuen Gäste nicht ganz so recht sind, und von da an passiert auf jeder Seite irgendwas. Das Haus und seine paranormale Aktivität, ein seltsamer Hund, prima Sexszenen, Reminiszenzen an das alte Hollywood oder Lästereien über das neue, die Paparazzi, das Geheimnis der beiden Schwestern, die Dorfbewohner rund um das Haus und garantiert noch mehr, aber das habe ich wahrscheinlich im Sog überlesen oder jetzt bei der Rezension vergessen. Denn Ashby House ist, wie ich twitterte, „eins von diesen Mistdingern, die dich entspannt reinholen und dann nicht wieder gehen lassen.“ Lässt sich nur in einem Rutsch durchlesen, hätte von mir aus auch ruhig doppelt so dick sein dürfen, ist manchmal ein bisschen sehr in sich selbst verliebt, aber das war mir egal. Oder anders: Kann ich ne Fortsetzung haben? Mit Steerpike?

(Der Autor bloggt als glamourdick. Wer sein Blog kennt, ahnt, wie das Buch klingt. Und das meine ich sehr positiv.)

(Leseprobe bei dtv.)

Italo Svevo (Barbara Kleiner, Übers.)– Zenos Gewissen

Fing sehr, sehr schön an und wurde dann sehr, sehr anstrengend. Wieder mein Frauenproblem bei Büchern, die älter als fünf Minuten sind. Zeno wurde 1923 veröffentlicht, und so klingt’s dann auch, wenn die Damenwelt das Thema ist. Gleichzeitig klingt es aber auch extrem charmant, was natürlich auch an der Übersetzung von Kleiner liegt, die relativ neu ist. (Mehr dazu in der Wikipedia.) Ich musste jedenfalls sehr lachen über die vielen Versuche des Ich-Erzählers, sich das Rauchen abzugewöhnen, immer begleitet von stündlichen Tagebucheinträgen „Letzte Zigarette“. Weniger lachen musste ich bei dem Kapitel, in dem sich Zeno direkt nach der Heirat eine Geliebte zulegt, und danach habe ich das Buch dann auch weggelegt.

(Leseprobe bei amazon.de)

Berni Mayer – Mandels Büro

Der Berni hat ein Buch geschrieben über den Max, der ein Detektivbüro aufgemacht hat mit dem Sigi. Beide haben keine Lust mehr, Musikjournalisten zu sein, weil das ist irgendwann langweilig. Dann kommt die Malleck ins Büro und will, dass der Sigi und der Max den Leo ausspionieren, ihren Mann, der viel zu viele Affären hat. Dann wird der Leo umgebracht, und dann sind da noch der Edelstein und der Danny und der Urbaniak und der Dieter, und alles zusammen liest sich ungefähr so wie diese wenigen Zeilen. Als ob der Sigi der Anke abends bei einem Bier diese unglaubliche Geschichte erzählt, wie da das Handy vom Leo in der Basedrumkiste und wie dann diese Nazis noch und dieser Eva-Braun-Film in Babelsberg, na servus. Das „Servus“ ist übrigens die einzige Stelle, über die ich gestolpert bin, weil der Max nie nach München wollte, aber die Leute mit „Servus“ grüßt. Geschenkt. Der Kriminalfall war mir, ehrlich gesagt, ziemlich egal, aber ich mochte die Figuren und ihre Eigenarten sehr gerne. Und vor allem die Sprache, auch wenn meine kleine stilistische Referenz da oben wahrscheinlich klingt, als sei das Werk für Schwachsinnige geschrieben worden. Ist es nicht. In einem Rutsch durchgelesen, viel Krempel über die Musikbranche gelernt, Dialoge geliebt, Fortsetzung haben wollen. (Und ein Spin-off mit Dieter.)

(Der Autor bloggt unter burnster.de und ist nach den Bundesligaspieltagen meine erste Anlaufstelle. Und natürlich tippe ich in seiner Tipprunde mit.)

(Leseprobe bei amazon.de.)

Christine Eisenbeis – Im nächsten Leben werd’ ich Spielerfrau: Ein Phänomen wird abgeschminkt

Aus dem Buch hatte ich schon mal zitiert, und so ungefähr klingt es auf 170 Seiten. Es kommen verschiedene Frauen zu Wort, die mit Fußballspielern bzw. -spielerinnen verheiratet sind, und allen ist gemein, dass sie sich nicht als „Frau von irgendwem“ definieren. Kein Wunder, denn wer macht das im Jahr 2012 noch? (Außer Werbeagenturdeppen und -deppinnen, die sowas Beknacktes wie „Susi S., Zahnarztfrau“ texten.) Deswegen quengeln auch alle am Begriff der „Spielerfrau“ rum. Natürlich steht man als Ehefrau oder Partnerin hinter dem geliebten Menschen, aber man ist immer noch eine eigenständige Person. Zusätzlich räumen die Damen mit dem Vorurteil auf, sie würden den ganzen Tag shoppen und faul rumlungern. Im Prinzip mochte ich das Buch, aber manchmal tappt es in seine eigene Falle, zum Beispiel, wenn es diesen Begriff in eine Reihe von weiteren (O-Ton) „Traumberufen“ wie Model oder Schauspielerin stellt oder Sätze bringt wie „Da kommen Spielerfrauen richtig zur Geltung“, wenn es um eine beknackte Gala geht, auf der irgendwelche B-Promis C-Preise kriegen. Dann nämlich definiert das Buch selbst das Spielerfrau-Dasein als eine Art Beruf, was es eben nicht ist. Und genau das wollte mir das Buch doch die ganze Zeit sagen.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Christian Kracht – Imperium

Imperium erzählt die Geschichte von August Engelhardt (den es wirklich gab, und wenigstens das Grundgerüst der Story scheint auch historisch zu stimmen, aber das ist total egal), der sich 1902 eine kleine Kokosplantage auf den heutigen Duke-of-York-Inseln kaufte (damals Deutsch-Neuguinea). Als Nudist und Vegetarier war er zusätzlich davon überzeugt, dass die Kokosnuss das einzig wahre Lebensmittel sei und beschloss, sich ausschließlich davon zu ernähren. Engelhardt ist die Hauptfigur, aber um ihn herum toben sich noch weitere Exzentriker (und sehr wenige Damen, die einen Namen haben) aus, die ähnlich beknackt sind. Dummerweise ergibt trotzdem alles einen Sinn, wenn man von einer ähnlich wahnsinnigen Grundlage wie dem Kolonialismus ausgeht. Mich hat Imperium sehr an Conrads Heart of Darkness erinnert, wobei bei Heart wenigstens noch ein vernünftiger Mensch dabei war, nämlich der Erzähler. Hier erzählt auch irgendwer, deutet gerne an, dass noch Hitler auf uns wartet und das Schlimmste noch nicht vorbei ist, aber im Prinzip werden wir auf der Südseeinsel alleine gelassen, um mit Engelhardt durchzudrehen. Kracht hat versucht, seine Sprache alt klingen zu lassen – mit Worten wie „Kinematograph“ oder Endlossätzen à la Mann –, was mir persönlich sehr gut gefallen hat. Trotzdem geht es mir auf den Zeiger, dass manche Bücher noch in der alten Rechtschreibung gedruckt werden. Wenn das auch Zeitkolorit sein sollte, hätte ich die zweite Auflage gerne in Fraktur. Ganz oder gar nicht, Baby.

(Kritiken beim Perlentaucher, keine Leseprobe, nirgends. Doof, das.)

Gary Shteyngart – Super Sad True Love Story

Der Titel trifft’s ganz gut: Mich hat die Love Story, die sich sehr selten wie eine anfühlt, super sad gemacht. Weil in der Geschichte eine Zukunft entworfen wird, die ich mir sogar vorstellen kann. Lenny, ein 39-jähriger amerikanischer Mitarbeiter einer Firma, die ihren Kunden ewiges Leben verspricht, trifft in Rom Eunice, knapp 20 Jahre jünger, koreanisch, schlank. Das Buch besteht aus den Tagebucheinträgen Lennys und den Teeneinträgen von Eunice. „Teen“ ist das allwissende Äquivalent zum heutigen Facebook, jeder trägt seinen „äppärät“ mit sich herum, der ihm fast alles über die Mitmenschen verrät (Kreditstatus, Größe, Gewicht, Gesundheitszustand usw.) und mit dem man kommunizieren kann (eher selten) und shoppen (dauernd). Lenny ist auf der Suche nach dem ewigen Leben, und eine junge Freundin kann da nie schaden (beeindruckt auch seinen Boss, der ihm dauernd sagt, er möge doch mehr auf seine Gesundheit achten), während Eunice nicht so genau weiß, nach was sie sucht. Was sie aber weiß – und dabei ähnelt sie ihren Freundinnen, mit denen sie teent bzw. ihrer Schwester: Man kann immer noch dünner sein, als Mädchen ist sie eh doof, ihr Traumjob ist „retail“ (die Jungs arbeiten in „media“ oder „finance“), und Einkaufen ist immer gut. Ihre Kleidung bezieht sie bei AssLuxury oder JuicyPussy (es gibt auch JuicyPussy4men, wo sie irgendwann für Lenny shoppt), gerade angesagt sind „onionskin jeans“, durchsichtige Hosen, die hauteng anliegen und rasierte oder geschmückte Schamgegenden zeigen, oder der „nippleless bra“.

Und obwohl Eunice sich irgendwann für Politik und Kunst interessiert und Lenny klar wird, dass es wichtiges gibt als den richtigen Vitamincocktail, ist das, was mir bei hängengeblieben ist: Frauen werden immer mehr zu Sexobjekten und das freiwillig. Und das kommt mir nicht einmal so fürchterlich zukünftig vor, wenn ich mir heutige Facebookfotos von jungen Mädchen anschaue, die meinen, im engen Top ein Duckface machen zu müssen, um attraktiv zu sein. Bzw. dass es wichtiger ist, ein attraktives Foto zu haben als eine attraktive Timeline.

Das Buch macht aber ein noch größeres Fass auf: Russland heißt inzwischen HolyPetroRussia, Amerika ist ein Überwachungsstaat, in dem so ziemlich alles den Bach runtergeht, und der chinesische Yuan ist die globale Leitwährung. Und obwohl sich anscheinend alles geändert hat, sind manche Dinge die gleichen: die Sorge von Eltern um ihre Kinder, die Suche nach einem Partner oder einer Partnerin, die Erwartungen an eine Beziehung. Diese Kluft zwischen dem, was (so oder ähnlich) schon immer war, und dem, was wird, macht das Buch so spannend. Und deswegen habe ich nur einen Punkt, an dem ich nörgelig geknabbert habe: Dass Frauen sich in die „sex kitten“-Ecke drängen, wird sehr deutlich gemacht, aber in welche Richtung sich Männer entwickeln, wird völlig ausgespart.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Markus Werner – Zündels Abgang

Ich copypaste aus der Wikipedia: „Nach dem Verlust eines Zahns bricht der Lehrer Zündel eine Urlaubsreise ab und kehrt zu seiner Frau Magda zurück, die den Sommer lieber alleine verbracht hätte und nach einem Streit zu ihrer Schwester fährt. Für Zündel ist dies Anlass, nach Genua zu fahren, wo er gezeugt wurde, um sich dort dem Alkoholrausch und Gedanken über Gott und die Welt, Liebe und Selbstmord hinzugeben.“ Und das alles ist sehr unwiderstehlich geschrieben, sehr schlau, sehr bewegend und sehr einzigartig.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Max Scharnigg – Die Besteigung der Eiger-Nordwand unter einer Treppe

Hier zitiere ich den Klappentext, den ich auf Perlentaucher fand (wo ihr natürlich auch Links zu ein paar Rezensionen findet): „Was ist zu tun, wenn vor der eigenen Wohnungstür ein fremdes Paar Herrenschuhe steht? Wenn man von drinnen seine Freundin und eine unbekannte Männerstimme hört? Der Journalist Nikol Nanz macht das, was er am besten kann: Er übt sich im Rückzug und richtet sich erst mal häuslich unter der Treppe ein. In seinem Versteck unter der Treppe hofft Nikol ungestört an einem Text über die Erstbesteigung der Eiger-Nordwand schreiben zu können. Aber die Arbeit gerät bald ins Stocken. Das liegt nicht nur an den ungelösten Rätseln um seine Freundin, mit der ihn bis dahin eine herrlich abgeschiedene Liebe verband. Es liegt auch am alten Schmuskatz, dem ehemaligen Gletscherfotografen und Bergkristallverkäufer, der ihn in seinem Versteck aufstöbert und zum Essen einlädt. Gemeinsam versuchen sie, die Trampelpfade einer Liebe nachzugehen und Nikol zurück in den zweiten Stock zu bringen.“ Genauso einzigartig wie „Zündel“. Hat mir sehr gut gefallen.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Unter den Buchtiteln und einigen der Leseproben verbergen sich Amazon-Affiliate-Links.

„Rusalka“ online

Seit dem 29. März kann man sich Dvořáks „Rusalka“ in der Inszenierung von Stefan Herheim online und für lau anschauen. Ich habe das Ding in Dresden gesehen und fand es großartig; online kommt es aus der Brüsseler Oper La Monnaie und ist bis zum 27. April abrufbar. Bitte mal rübergucken da.

„Es gehört zur Strategie der Niedertracht, die Betrübten soweit zu bringen, dass sie für ihr Unglück die Beschaffenheit ihrer Haut verantwortlich machen und statt der Welt sich selber verfluchen. Sie sollen sich begreifen lernen als Jammertanten, und sie sollen sich ihrer Traurigkeit schämen. Aussterben sollen sie, damit die Wölfe endlich unter sich sind. Wenn aber die Traurigen gehen, stirbt nicht nur Maria die Trösterin, sondern es stirbt auch das Gespür für das Falsche. Wenn die Kranken folgsam verenden, verscharrt man auch die Todesursachen. Wenn die Leidenden untergehen, die Schwächeren sich zurückziehen, die Verrückten eingelocht sind, dann ist die Welt im Lot, dann herrscht das Positive, dann hört man nur noch das dröhnende und pausbackige Hallelujah der Tauglichen.“

Markus Werner, Zündels Abgang

Ein wildes Dankeschön …

… an Dorothea, die mich mit Jon Krakauers Into the Wild überrascht hat. Vielen Dank dafür – und auch für die schöne Widmung. Ich habe mich sehr gefreut.

Pretty when I cry

Bei meinem alten Gesangslehrer arbeitete ich mit Kraft. Und Muskeln. Und viel Konzentration. Was toll war. Natürlich. Singen ist immer toll, ganz egal, ob man darüber nachdenkt, was man tut oder nicht.

Bei meiner neuen Lehrerin arbeite ich mit genau dem Gegenteil von Kraft: loslassen. Wo ich mir vorher vorstellte, einen imaginären Raum nach oben zu drücken, um höher singen zu können, stelle ich mir nun vor, alles auf einer Tonhöhe zu singen. Klappt genauso gut (oder an doofen Tagen genauso schlecht) wie die andere Methode. Ich werfe ab und zu physische Hilfsmittel in der Gegend rum, um nach oben zu kommen (ein kleiner gelber Massageball ist mein Sönnchen, und er hilft besonders bei Avril Lavigne), manchmal nutze ich meine Arme, um Töne hinter mich zu werfen, damit ich sie eben nicht so nach vorne kreische, manchmal boxe ich in die Luft vor mir, wenn ich rumkrampfe, wo ich doch „nur“ ein paar hohe Tönchen von mir geben möchte.

Loslassen ist toll. Loslassen ist aber auch anstrengend, weil man viel mehr loslässt als man möchte.

Bei meinem alten Gesangslehrer habe ich viel Technik gelernt. Ich habe sehr auf Zunge und Lippen und Schultern geachtet, wie ich stehe, was mein Zwerchfell macht, mein Rachen, meine Nase.

Bei meiner neuen Lehrerin achte ich auf den Text. Was fies ist, wenn ich über Textzeilen stolpere, die etwas in mir anrühren, was ich irgendwann mal verschüttet habe. Zugedeckt mit Selbstvorwürfen, Kritik von außen, Erziehung, sozialer Konditionierung. Nicht laut sein. Nicht auffallen. Sich keinen Raum zugestehen. Über Schmerzen hinwegarbeiten. Angst verdrängen. Das erste Mal habe ich bei dem Satz „What I did for love“ geheult, als ich den gleichnamigen Song aus „A Chorus Line“ sang. Das konnte ich mir sogar erklären, weil ich zu dem Zeitpunkt mein Herz mal kurzfristig verschenkt hatte, was nicht so toll war, wie es sich anhört, weil mein Herz eigentlich jemand anderem gehört. Die Situation war belastend, der Song ein blöder Auslöser, und so stand ich weinend hinter meinem Notenständer und fand alles ganz fürchterlich.

So fürchterlich ist es aber gar nicht. Es bedeutet, dass ich mich bei meiner Lehrerin sicher genug fühle, um alle Schutzschilde abzuschalten. Singen ist für mich etwas sehr Persönliches, weswegen ich es auch nur für mich mache. Es hat ein bisschen Überwindung gekostet, den Unterricht nochmal zu beginnen, nachdem ich vor Jahren damit aufgehört hatte, aber dieses unangenehme Gefühl hat sich sehr schnell gelegt. Meine Lehrerin erzählte, dass auch sie gerne mal losflennt und dass Anna Netrebko erstmal durch alle Arien durchheult, bevor sie sie singt. Was mich natürlich immer beruhigt, dieses alberne „Das machen andere auch, dann isses okay“.

Gestern hat mich die Zeile „Nothing’s gonna harm you, not while I’m around“ aus „Sweeney Todd“ fertiggemacht. Und diesmal konnte ich nicht mal sagen, warum. Ich habe keine Ahnung, was ich verschüttet habe, warum mich gerade dieser Satz zum Weinen gebracht hat. Aber ich hatte einen fiesen Flashback zu ewig her seienden Therapiezeiten, wo ich mir in der ersten Sitzung eine Karte aus vielen auswählen sollte, die mir entspricht. Meine Wahl fiel auf „Ich will gehalten werden“.

Ich meinte vor einigen Wochen (wahrscheinlich auf Twitter), dass Gesangsunterricht wie Yoga, Workout und Therapie sei. Gestern war’s nur Therapie. Ich kam nicht so überschwenglich gut gelaunt raus wie sonst. Aber dafür hatte ich das Gefühl, etwas in mir berührt zu haben. Etwas aufgescheucht zu haben, was sich in irgendeiner dunklen Ecke verkrochen hatte und nun bereit war, rauszukommen.

Komm ruhig raus. Nothing’s gonna harm you. Not while I’m around.

Ach, du, Internet

Auf reddit beantwortet eine Hundertjährige Fragen der Leser.

„Q: What do you miss that doesn’t exist/isn’t in use anymore?

A: The wind up telephone.“

„Im nächsten Leben werd’ ich Spielerfrau“

„’Der Fußball hat uns natürlich vieles schneller ermöglicht, als es normalerweise der Fall wäre. Sicherlich profitiere ich auch vom Ruhm meines Mannes. Das fängt klein an, in irgendwelchen Lebensmittel- oder Metzgerläden, da bekommt man bessere und schönere Stücke’, sagte einmal Brigitte Friedrich, Ehefrau von Jürgen Friedrich vom 1. FC Kaiserslautern. Das war 1971. Damals dreht Peter Jochen Degen, Sportjournalist beim SWR, einen Film über Spielerfrauen. Eva im Abseits hieß die siebeneinhalbminütige Reportage. Degen wollte damals wissen, was das für Frauen sind, die mit den Lizenzspielern verheiratet sind, ob sie vom Ruhm etwas abbekommen, wie sie leben und wie sie die Zukunft sehen.

40 Jahre später wirkt dieser Film wie ein von Loriot inszenierter Sketch. Und trotzdem: Vieles hat sich bis heute nicht geändert. (…) 40 Jahre später klingt das so: ‘Piotr (Trochowski – Anm. Anke) findet es schön, wenn ich Essen mache und mich um den Haushalt kümmere. Er schränkt mich aber nicht ein, wenn ich arbeiten wollte, könnte ich das. Aber andererseits habe ich eine Weile mal auf Partys an der Kasse gearbeitet, und da kamen dann so Sprüche: Ist dein Freund so geizig, dass du arbeiten gehen musst …?! Also wenn ich nicht arbeite, dann will ich ihn nur ausnutzen, und wenn ich arbeite, dann heißt es, er ist geizig’, sagt Melanie Trochowski und verdreht die Augen. (…) ‘Wenn eine Frau zuhause bleibt, wird sie als dumm dargestellt.’

Aber warum? Warum muss sich Melanie Trochowski rechtfertigen, dass sie Hausfrau ist? Sie sagt sogar ausdrücklich: ‘Ich bin Hausfrau.’ Sie hat kein Problem damit. Auf jeden Fall ist es ihr lieber, als zu sagen: ‘Ich bin Spielerfrau.’ (…)

Während Rebecca Loos stolz von ihrer Affäre mit David Beckham berichtete und letztlich nur profitierte – ihrer Karriere als Schauspielerin und Sängerin kam die Publicity durchaus zugute –, war Victoria Beckham nicht nur die öffentlich Gedemütigte, sondern auch die, der man die meiste Schuld an der ganzen Geschichte gab. Weil sie nicht, wie es von einer Spielerfrau erwartet wird, bei ihrem Mann in Spanien weilte, sondern in England geblieben war.

Als ‘Spielerfrau’ ist ihre Hauptaufgabe doch klar definiert: Vor allen Dingen soll sie ihren Mann unterstützen. Und Victoria Beckham kümmerte sich zu der Zeit, als David in Madrid spielte, offenkundig viel zu sehr um ihre eigenen Belange. ‘Vielleicht nicht mehr als jede andere Ehefrau auch, aber bei Spielerfrauen wird ein ganz anderer Maßstab angesetzt’, schreibt Jennifer Bullen in ihrer Doktorarbeit (über Spielerfrauen – Anm. Anke). (…)

Dass Frau Seeler eine selbständige, starke Frau war, die im Hause Seeler die Entscheidungen in die Hand nahm, streitet sie nicht ab. ‘Und wenn ich das manchmal übertrieben habe, mit meiner Selbständigkeit, wenn Uwe gemeckert hat mit mir (‘Du willst immer alles alleine entscheiden!’), dann habe ich ihm nur gesagt: ‘Mäuschen, du wolltest das so, du wolltest eine starke Frau’, berichtet sie im Hamburger Abendblatt. Auch Uwe Seeler macht seine Scherze darüber: ‘Ich entscheide über die großen Dinge bei uns, meine Frau entscheidet über die kleinen, und was große und was kleine Dinge sind, bestimmt meine Frau’, erzählte er im WDR anlässlich seines 70. Geburtstags am 5. November 2006.“

Christine Eisenbeis, Im nächsten Leben werd’ ich Spielerfrau: Ein Phänomen wird abgeschminkt

Ein hart erarbeitetes Dankeschön ….

… an Mike, der mich mit Markus Zuzaks The Book Thief überraschte. Hart erarbeitet, weil das Päckchen eigentlich schon Sonntag dagewesen wäre, es aber nicht in der vollen Packstation landete, sondern in einen Filiale umgeleitet wurde, weswegen ich gestern anderthalb Stunden vor Feierabend los musste, um noch zur Post zu kommen, die ja auch irgendwann Feierabend macht und die lange Busfahrt und der Feierabendverkehr und ach es ist wie immer alles ein Elend. Aber gleichzeitig toll, denn für die Mühe bekommt man ein Buch. Was will man mehr. Vielen Dank, ich habe mich sehr gefreut (auch wenn sich’s jetzt gar nicht danach anhört).