„Das Resultat seiner Mühen war eine Büste, in welcher der absolutistische Staatsgedanke seine vielleicht vollkommenste Verkörperung erfahren hat. Bereits bei den Porträtarbeiten für Urban VIII., Francesco I. d’Este und Innozenz X. hatte sich Berninis Fähigkeit zur idealistischen Verklärung des Herrschers bewährt. Doch niemals ist er in der Stilisierung weiter gegangen als bei der Ludwigsbüste. Die wallende Lockenpracht des Marmorbildes wurde sorgfältig in der Mitte gescheitelt, anders als beim lebenden Modell, dessen Haare als dichter Pony in die Stirn fielen. Der König selbst soll den Künstler auf diese Veränderung hingewiesen und von Bernini die schmeichelhafte Antwort erhalten haben: „Eure Majestät sind ein König, welcher der ganzen Welt die Stirn bieten kann.“ Ein Bonmot übrigens, das sich in Windeseile am Hofe verbreitete und eine neue Haarmode zur Folge hatte. Die „Frisur à la Bernini“ ist ein schönes Beispiel für das Leben, das die Kunst nachahmt.“

Arne Karsten, Bernini: Der Schöpfer des barocken Rom

Pizza

Braucht keine Einleitung. This – is – pizza.

Der Teig reicht für eine ziemlich üppige Pizza, die der Kerl locker schafft und ich eher selten. 150 g Mehl/Grieß tun’s auch, wer den Teig richtig dünn haben will, nimmt nur 100.

100 g Mehl, Type 550, mit
100 g Hartweizengrieß sowie
einer ordentliche Prise Salz,
einer Prise Zucker und
1/2 Tütchen Trockenhefe vermischen. Dazu
lauwarmes Wasser nach Augenmaß (ca. 150 ml); der Teig sollte beim Kneten nicht mehr an den Händen kleben. Also am besten Wasser nur in kleinen Schwappen dazugeben, kneten, gucken, nachgießen – und wenn zu viel Wasser im Teig ist, mit Mehl wieder trocken kriegen. Easypeasy. Den Teig ein paar Minuten lang liebevoll durchkneten, zu einer Kugel formen und in einer Schüssel parken, die mit Olivenöl ausgerieben wurde. So flutscht er nach dem Gehen widerstandslos auf die Arbeitsplatte. Den Teig abgedeckt an einem warmen Ort für ein Stündchen gehen lassen.

In der Zeit die Soße zubereiten. In einer Pfanne
1 Zwiebel und
2, 3 Knoblauchzehen in
Olivenöl anbraten. Mit
Rotwein ablöschen (den Schritt kann man auch weglassen), kurz einkochen lassen und dann
1 kleine Dose stückige Tomaten (ca. 400 g) dazugeben. Mit
Salz,
Pfeffer und
allen Kräutern und/oder Gewürzen, die irgendwie italienisch schmecken, würzen. Bei mir kommt gerne noch ein bisschen Chili in die Soße. Weiter einkochen lassen, bis es eine halbwegs feste Masse geworden ist, beiseite stellen.

Den aufgegangenen Teig noch mal kurz durchkneten, ausrollen und auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech umsiedeln. Während er abgedeckt noch mal gehen darf, den Ofen auf volle Pulle vorheizen. Bei mir gehen nicht mehr als 250 Grad, und die sind’s dann halt. Jetzt den Belag nach Lust und Laune vorbereiten; ich werfe meist nicht mehr als rote Zwiebeln, in Ringe geschnitten, und viel, viel Käse oben drauf. Gestern war es Trüffelsalami, Parmaschinken ist auch super, frisches Basilikum, fein gehobelte Zucchini – ihr findet schon was zum Belegen. „Mein“ Käse ist meist Büffelmozzarella mit Parmesan, gestern musste der alte Gouda weg; geht alles.

Die Soße auf dem Pizzateig verstreichen, Belag drauf, Käse drauf, ab in den Ofen (unterste Schiene, dann wird der Boden schön knusprig), und nach ungefähr zehn Minuten ist die Köstlichkeit fertig.

Links vom 7. September 2012

In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal die Paralympics etwas aufmerksamer verfolgt als sonst. Das liegt ehrlich gesagt vor allem daran, dass ich vor Kurzem die große Freude hatte, drei Athlet_innen zu porträtieren (darüber plaudere ich ausführlicher, wenn der Kram online ist), von denen zwei an den Spielen teilnehmen. Und wenn ich eh schon dabei bin, mir die Rennen im Handbike anzuschauen bzw. Rollstuhl-Basketball, dann gucke ich eben auch den Rest.

Was mich so fasziniert hat, waren die ungewohnten Bewegungsabläufe. Der Sport ist der gleiche, der Aufwand schlicht ein anderer. Was alleine bei der Leichtathletik alles anders aussieht, hat mich sehr verblüfft. Zum Beispiel sitzen die Werfer_innen (Diskus, Speer, Kugel), die sonst im Rollstuhl sitzen, in auf sie abgestimmten, fest montierten Geräten und stoßen nur aus dem Oberkörper heraus. Logisch. Dabei scheint das Alter nicht so sehr eine Rolle zu spielen wie bei den nichtbehinderten Athlet_innen; auf dem Siegerpodest finden sich ziemlich oft etwas ältere Damen und Herren.

Ebenfalls sehr spannend: die Läufe der Blinden. Bei den 100 m scherzten der Kerl und ich, naja, die rennen ja nur geradeaus, aber wie man blind mit großer Geschwindigkeit die Kurve bei den 200 m und aufwärts rennt, hat mich sehr begeistert. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Damen ausschließlich mit männlichen Guides rannten. Ich stelle es mir recht schwer für die männlichen Athleten vor, einen Guide zu finden, der mit ihnen mithalten kann, denn die Zeiten waren nicht sehr viel langsamer als bei den Olympionik_innen.

Einer der Sprints, bei denen der Kerl und ich fast brüllend vor dem Fernseher saßen, war der hier bei den Herren in der Klasse T42 über 200m. Richard Whitehead ist der Mann auf einer der mittleren Bahnen, der stehend startet. Bei diesem Rennen sind mir zum ersten Mal die Bewegungsabläufe aufgefallen, die auftreten, wenn der Mensch keine Kniegelenke mehr hat. Die Federn, auf denen zum Beispiel Oscar Pistorius rennt, sehen so schick aus, weil seine Bewegungen nicht großartig anders sind als die von Menschen mit Unterschenkeln aus Fleisch und Blut. Whitehead muss logischerweise anders laufen. Beim Weitsprung der Damen habe ich diese Bewegung wiedergefunden: bei Vanessa Low, die mit mechanischen Beinen fast vier Meter weit springt.

Auch Rollstuhl-Basketball hat mich begeistert. Basketball selbst finde ich eher langweilig, hier habe ich den „chair skills“ der Damen sehr gerne zugeschaut. Es sind andere und vielfältigere Bewegungen, die ablaufen müssen, um den Ball in den Korb zu kriegen, und mir persönlich haben sie besser gefallen als das ewige Hin-und-Hergerenne der Nichtbehinderten.

Worauf ich hinauswollte: The Big Picture hat mal wieder sehr schöne Bilder. Ich habe einen der Sportler, über die ich schrieb, gefragt, ob Behindertensport den Blickwinkel von Nichtbehinderten ändern könne, was er absolut bejahte. Er meinte, wenn man einmal mitbekommen habe, was körperlich eingeschränkte Athlet_innen leisten, sehe man den Rollstuhlfahrer auf der Straße mit anderen Augen. Man habe nicht automatisch den nichtbehinderten Mitleidsblick, sondern wisse inzwischen, was alles aus diesem Stuhl heraus möglich ist.

Ja.

Mike Mignola, mein liebster Comiczeichner, gibt ein paar Buchtipps bei Barnes & Nobles. Via Comicgates Gezwitscher.

Falls ihr morgen noch nichts vorhabt (gibt ja keine Bundesliga): In Hamburg findet die Theaternacht statt.

Links vom 6. September 2012

Herr Buddenbohm war nach 34 Jahren mal wieder reiten und macht daraus einen dieser Artikel, die ich bei ihm im Blog so liebe (wie alle anderen auch, aber die ganz besonders): Erst lächelt man, dann lacht man, dann wird man nachdenklich, und dann ist da dieses warme, leicht bittere Gefühl im Bauch, und man schaut sich um und nickt und denkt sich, ja, so ist das dann wohl.

„„Jetzt der Papa“, sagte die Reitlehrerin.

„Klar“, sagte ich, „kein Problem. Das letzte Mal ist ja erst 34 Jahre her.“ Und schon war ich oben. Na gut, nicht ganz. Schon lag ich quer über dem Pferd und dachte intensiv darüber nach, wie denn das Aufsteigen bloß früher ging, während die Söhne fragten, was Papa da denn machte und die Reitlehrerin und die Herzdame mir ernsthaft versicherten, dass man mir das wirklich gleich ansehen könne, dass ich früher sehr viel geritten sei.“

33 Musicians On What John Cage Communicates. 100 years ago today, John Cage was born. In celebration of his birthday, we asked contemporary musicians across a wide range of genres and backgrounds — not only in classical music, but also pop, rock, metal, electronic and experimental — what they’ve taken from the late composer’s musical and philosophical ideas.“

„Divorced, beheaded, died, divorced, beheaded, survived.“ Eine Liste von Eselsbrücken zur Geschichte. Und zu vielen weiteren Gebieten. Der obere gehört natürlich zu den Frauen von Heinrich VIII. Via @therealstief.

Felix sinniert über den USA-Aufenthalt seines Sohnes und schlägt den Bogen zu Facebook.

„ich mag den gedanken, dass sich auch mit der vernetzten welt ausser ein paar parametern wie geschwindigkeit, zugänglichkeit und wahlmöglichkeiten, nichts entscheidendes an unserer grundsituation geändert hat. wir waren schon immer soziale wesen. heute sind wir soziale wesen auf speed und mit ungleich mehr optionen als früher. aber das bedürfnis, sich mit gleichgesinnten zusammenzuschliessen, auszutauschen und zu kommunizieren ist nicht neu.“

Nicht das Internet macht uns dumm, es fing eigentlich schon mit der Schriftsprache an, weil wir uns nichts mehr merken mussten. Und Bücher sind auch Teufelszeug. Eine kleine Geschichte des Kulturpessimismus. Via @perlentaucher00.

„Bücher sind das World of Warcraft des 18. Jahrhunderts. Sie machen fett, zerstören soziale Beziehungen und sind so schlimm wie harte Drogen, wenn nicht gar schlimmer. Junge Männer und vor allem junge Frauen tun es: lesen, lesen und lesen. Und natürlich lesen sie nur Schund, Belletristik etwa. Der Pfarrer Johann Rudolph Gottlieb Beyer warnt 1795:

‘Die erzwungene Lage und der Mangel aller körperlichen Bewegung beim Lesen führt zu Schlaffheit, Verschleimung, Blähungen und Verstopfungen in den Eingeweiden, namentlich zu Hypochondrie, die beim weiblichen Geschlecht, recht eigentümlich auf die Geschlechtsteile wirkt.’“

Ein rabenhaftes Dankeschön …

… an @kullerfieps, die mich mit Edgar Allan Poes Complete Stories and Poems überraschte.

Der Mann ist seit einem Tweet von @mrs_lionet wieder verstärkt auf meinem Radar, weil ich folgenden Satz so gerne mag: “Sometimes I’m terrified of my heart; of its constant hunger for whatever it is it wants. The way it stops and starts.” Ich habe keine Ahnung, aus welchem Gedicht oder aus welcher Geschichte er stammt, auch Google wusste nicht weiter als bis zu diesem Buch, und daher landete es auf meinem Wunschzettel – und eben auf meinem Agenturschreibtisch. Vielen Dank, ich habe mich sehr gefreut.

(Für die Langsamen unter euch: Die Überschrift lehnt sich natürlich an dieses Gedicht an, das auch im Buch steht.)

Schlaraffenland-Lesung

Ich hatte Stevans Buch in meiner Monatsbücherliste schon empfohlen, aber ich mach das hier noch mal. Und vor allem empfehle ich euch, in eine seiner Lesungen zu stürmen – die Termine stehen auf der oben verlinkten Website. Ich hatte gestern abend im wie immer schnuffigen trific die Gelegenheit, den Autor anzuhimmeln, während er einem mies gelaunten Koch eine Stimme verlieh, einer piepsigen Kellnerin und einem überheblichen Kochblogger. Dazu gab’s vier sehr schmackhafte Gänge, die natürlich auch im Buch vorkamen, und den tollsten Rheinhessen, den ich je trinken durfte.

tl:dr: Hört dem Mann zu, wenn er in eurer Nähe ist.

#609060 oder: Mein Problem mit dem Mem

(Bevor’s weitergeht, bitte alle noch mal die Überschrift lesen: MEIN Problem mit dem Mem. Nicht deins, nicht euer. Meins.)

Journelle schrieb vor einigen Wochen einen sehr schönen Artikel, in dem sie sich darüber aufregte, dass es für sie, eine Größe 40/42-Trägerin, kaum Klamotten gibt, die anständig passen und dass die Modefotografie weiterhin auf eher kleine Damengrößen setzt bei der Kleidungspräsentation – was Menschen, die eine größere Größe als 32/34 tragen, nicht wirklich weiterhilft bei der Entscheidung, ob dieses Kleidungsstück denn nun gut an einem aussehen könnte. Ihr Artikel endet folgendermaßen:

„Mir wurde klar, dass es keinen logischen Grund gibt, warum Mode nicht an normalen Körpern gezeigt werden sollte.

Die einzige Erklärung die mir einfällt ist, dass irgendwelche Leute Interesse daran haben, modediktatorisch ihre persönlichen Vorlieben durchzusetzen und das so geschickt anstellen, dass wir alle glauben, dass wir und nicht sie sich irren.

Da ich ein Freund von Serien bin, habe ich beschlossen, mich jetzt regelmäßig vor dem Verlassen des Hauses zu fotografieren und bei Instagram und Facebook hochzuladen. Nicht weil mein Modegeschmack besonders erlesen wäre, sondern einfach weil ich meinen normalen Körper eingepackt in Oberbekleidung sichtbar machen möchte.“

Seitdem fotografieren (wunderbar!) sich mehr und mehr Menschen, weiblich und männlich (wunderbar!), in ihrer Oberbekleidung und posten die Bilder bei Instagram (wunderbar!). Tolle Idee. Aber.

Mein erstes Problem ist ein Teil des Artikels, mein zweites und drittes eins, das mit den Bildern zu tun hat. Aber 4. wird dann total hoffnungsvoll.

1. Im Artikel wird das Wort „normal“ verwendet. Ich stehe sehr auf Kriegsfuß mit diesem Wort, weswegen ich es in meinem Buch auch konsequent in Anführungszeichen geschrieben habe. Denn wer definiert, was normal ist? Momentan definieren das genau die Menschen, die sich anfangs fotografiert haben – die Damen und Herren, denen ich aus meiner Dickenwarte unterstellen möchte, sie seien schlank. Inzwischen tauchen die ersten Bilder mit dicken Menschen auf, was mich sehr freut, aber sie wirken genau so, wie wir dicke Menschen eben auch in der nicht-digitalen Öffentlichkeit wirken: nicht normal. Nicht einer Norm entsprechend.

Das mag jetzt das totale Haarespalten sein, um die Aktion doof zu finden. Ist es nicht. Ich hatte nur von Anfang an das Gefühl, dass diese Fotogalerie keine ist, in der ich auftauchen möchte. Ich will mit meinem nicht-normalen Körper nicht in einer Reihe von Mädels stehen, die – und hier unterstelle ich mal ganz fies etwas – beim Anblick meines Körpers als erstes NICHT denken, wow, total normal, sondern: Puh, bin ich froh, dass ich nicht so aussehe. Weil es eben nicht normal ist so auszusehen wie ich aussehe.

Trotz des fürchterlichen Hypes um die angebliche Adipositas-Epidemie BOOGA BOOGA BOOGA gibt es längst nicht so viele fette Menschen, wie die meisten nicht-fetten Menschen glauben (möchten?). Vielleicht guckt ihr euch mal kurz in eurem Büro, eurer Uni, auf der Straße oder im Bus um? Da sind ne Menge Menschen, die so aussehen wie ihr und sehr wenige, die so aussehen wie ich. Ihr seid die Norm. Ich bin es nicht.

2. Es gibt in der Fatosphere eine Angelegenheit, die so ziemlich jede/n Blogger/in, der oder die sich mit dem Thema Fat Acceptance befasst, aufregt: die sogenannten „headless fatties“. In den allermeisten Artikeln, in denen es um die angebliche Adipositas-Epidemie BOOGA BOOGA BOOGA geht, ist ein Bild zu finden, auf dem ein dicker Mensch zu sehen ist. Nein, meist ist es ein fetter Mensch, gerne mit engen Shirts, aus denen Fettwülste quellen, Hosen, die kurz davor sind zu platzen, unbedeckte Arme, damit man die Bingo Wings gut sehen kann. Und: Diese Menschen haben keinen Kopf. Wozu auch? Sie dienen schließlich nur als angsteinflößende Bebilderung – sieh her, Kind, das sind die Klopse, die deine Krankenkassenbeiträge verfressen!

Die Methode, Menschen nicht mehr als Menschen wahrzunehmen, indem man sie nur als Körper oder Körperteil zeigt, ist alt und billig. Sehr viele sexistische Anzeigen arbeitet mit dieser Methode, und feministische Blogs prangern zu Recht an, dass Frauen gerne mal auf Brüste und Arsch reduziert werden. Genauso widerlich finden wir Dicke es, auf unsere Üppigkeit reduziert zu werden. Wir sind kein Schreckensszenario, wir sind Menschen. Größere als die meisten von euch, aber trotzdem: Menschen.

Mit diesen „headless fatties“ im Hinterkopf habe ich bei den ersten #609060-Bildern scharf die Luft eingezogen. Weil sie für mich in der unseligen Tradition stehen, zu reduzieren. Ihr fotografiert euch ohne Kopf, ihr reduziert euch selbst auf eure Kleidung, auf eure Äußerlichkeit – also genau auf das, auf das ich mich ums Verrecken nicht reduzieren lassen will. Ich muss dem Rest der Welt jeden Tag beweisen, dass ich mehr bin als eine dicke Hülle. Deswegen liebe ich eine bestimmte Flickr-Gruppe sehr: Fatshionista. Darin zeigen sich dicke Menschen ebenfalls in ihrer Kleidung, aber von Kopf bis Fuß. Man sieht eine gesamte Persönlichkeit und nicht nur Klamotte.

3. Zum Abschluss ein ganz persönliches Problem, das ich mit vielen dicken Menschen teile, die Fotos von sich ins Internet stellen: Gerade unsere Bilder tauchen gerne mal auf widerlichen Facebookseiten auf, wo sich Arschlöcher einen darauf runterholen, wie eklig wir aussehen. Mir ist das netterweise noch nicht passiert, aber ich lese genügend Fat-Acceptance-Blogs, um zu wissen, dass das kein Einzelfall ist. Ja, das kann schlanken Menschen auch passieren, aber ich ahne, dass da der Spott keine 200 beschissenen Kommentare lang ist. (Das ist aber nur eine Vermutung. Bekanntlich lese ich extrem selten Kommentare, vor allem zum Thema Dicksein, weil meist gleich einer der ersten fünf die üblichen Vorurteilsfässer aufmacht, die ich schlicht nicht mehr lesen will und muss.)

4. Obwohl ich selbst Bauchschmerzen bei der Aktion habe, gestehe ich jeder/m zu, sie großartig zu finden und sich an ihr zu beteiligen. Mir persönlich hat es in meiner Körperwahrnehmung und -annahme sehr geholfen, bei Fatshionista Frauen zu sehen, die mir ähneln. Man fühlt sich weniger allein, wenn man weiß, dass man es nicht ist. Daher ahne ich, auch wenn es mir persönlich schwer fällt, es nachzuvollziehen, dass auch 40/42-Frauen andere Frauen brauchen, die ihnen ähneln. Für mich ist ja jede Frau unter 44 schlank, aber ich weiß, dass das meine 48/50-Brille ist. Wenn euch diese Bilder also helfen, dann her damit, mehr damit, nicht aufhören. Ich werde nicht in der Galerie auftauchen, aber wenn auch nur eins der Bilder euch hilft, den Satz zu sagen, den ich seit Monaten zufrieden sage, wenn ich vor dem Spiegel stehe, dann bitteschön.

Der Satz lautet:
Das bin ich, und so sehe ich aus.

Links vom 2. September 2012

– Es gibt einen Rover-Report vom Jet Propulsion Laboratory der NASA: kurze Updates auf YouTube darüber, was der kleine Curiosity gerade so auf dem Mars treibt. Die Updates erscheinen mehrmals in der Woche und sind nur wenige Minuten lang – perfekt für den kleinen Infohappen. In dieser Folge habe ich zum Beispiel gelernt, dass auf den Rädern des Rovers neben den üblichen Rillen in der Bereifung auch ein Morse-Code versteckt ist, der sich auf der Marsoberfläche im Sand (?) abdrückt; damit können die Wissenschaftler_innen die Radumdrehungen messen und so feststellen, wie weit der kleine Racker gefahren ist.

– In der Digital Concert Hall kann man den Berliner Philharmonikern vom Sofa aus zusehen. In der umfangreichen Bibliothek sind diverse Konzerte zu finden, und man kann sich auch Live-Konzerte anschauen. Das ganze ist nicht umsonst, aber auch nicht wirklich teuer: Es gibt verschiedene Ticket-Modelle, mit denen eigentlich jeder genau das kriegen müsste, was er oder sie gerade mag. Wenn ich das richtig verstanden habe, kostet das teuerste Angebot 149 Euro, mit dem man ein Jahr lang das Archiv leerhören kann sowie 30 Live-Konzerte geliefert bekommt. Wow.

– Ich lese gerade die Rainer-Werner-Fassbinder-Biografie Ein Tag ist ein Jahr ist ein Leben von Jürgen Trimborn, die mir bisher sehr gut gefällt. Deswegen twitterte ich gestern ein paar Sätze, woraufhin Herr ronsens mir die Dokumentation Deutsche Lebensläufe – Rainer Werner Fassbinder empfahl. Die Empfehlung gebe ich gerne weiter.

Twitter-Lieblinge August 2012

Bücher August 2012

Anna Katharina Hahn – Kürzere Tage

Hat mir sehr gut gefallen. Die Kapitel erzählen zunächst abwechselnd von Leonie und Judith, zwei Frauen, die mal einen Plan für ihr Leben hatten, und nach und nach wird immer weniger klar, ob das so hingehauen hat mit Kindern, Männern, Karriere, Glück. Der Stil ist nüchtern, aber in jedem Satz schwingt mehr mit als er Buchstaben hat. Was ich so mochte: dass man beide Frauen verstehen kann, sie bescheuert findet, sie mag, sie bedauert, sie verurteilt, mit ihnen fühlt und sich die ganze Zeit fragt, bin ich das? Wär ich das gewesen wenn? Große Empfehlung.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Frank Büttner/Andrea Gottdang – Einführung in die Ikonographie: Wege zur Deutung von Bildinhalten

Das Buch teilt sich in christliche und profane Ikonographie und wirft einen ziemlich unvermittelt in die Welt von Symbolen, Farben, Blumen und Heiligen. Das ganze ist, soweit ich das beurteilen kann, wirklich nur eine sehr atemlose Zusammenfassung; das Buch kann nur anreißen, aber das macht es sehr gründlich. Ich kann nicht behaupten, mir viel gemerkt zu haben – dafür war es eben zu viel –, aber ich bin über durchaus lustige Dinge gestolpert wie den Pelikan (gnihihi) als Opferungssymbol, weil er sich die Brust aufreißt, um seinen Nachwuchs mit seinem Blut zu ernähren. Hinweis: Das Ding ist kein Lexikon, wo man bequem nachschlagen kann, was wohl eine Orchidee in der Pfote eines Stachelschweins bedeutet, sondern erläutert eher Entstehungen von bestimmten Symbolen wie zum Beispiel die Attribute der Apostel oder der Evangeliare, was Embleme so bedeuten, wie sehr die jeweilige Zeit (und damit die jeweilige Bibelauslegung oder gerade angesagte Literatur und Musik) Einfluss auf die Bildwerke hatten. Das Buch fragt aber auch durchaus zu Recht, ob überhaupt immer alles irgendwas sagen soll und erinnert daran, Bilder auch als Gesamtkunstwerke stehen zu lassen anstatt sie in Details zu zerlegen.

Marie Velden – Lilienrupfer

Ein tiefes Näh! aus der angewiderten Magengegend. Das Ding war eine Empfehlung, und ich habe es auch brav durchgelesen, weil ich dann doch wissen wollte, ob die arme, arme Hauptfigur ihren Traummann findet, denn das ist natürlich das einzige, was irgendwie wichtig ist. Job, Wohnung, Freunde, alles irgendwie Deko, so lange nicht der richtige Kerl am Start ist. Widerliche Botschaft, belangloser Stil, bitte nicht kaufen. Ach und das Ende! DAS ENDE! So was darf man seit Patrick Ewing einfach nicht mehr bringen. Schlimme Scheiße.

(Leseprobe auf amazon.de.)

Annette Pehnt – Mobbing

Ich mochte Pehnts Insel 34 schon sehr, und Mobbing mochte ich noch mehr. Der Inhalt ist schnell erzählt, aber er dient eher als Tapete für die wundervolle Sprache. Mann wird auf der Arbeit gemobbt und ihm wird schließlich gekündigt, während die Ehefrau mit zwei kleinen Kindern zum Zuschauen verdammt ist. Das Buch pickt sich Situationen und Dialoge heraus, springt zwischen Gegenwart und Erinnerungen hin und her und wird immer dichter, immer bedrohlicher und immer bedrückender. Die Sprache ist nicht mehr ganz so verkünstelt wie bei der Insel, sondern viel schlichter – was es noch anstrengender macht, das Buch zu lesen. Große Empfehlung.

Friedrich Ani – Süden und das Lächeln des Windes

Von der Süden-Reihe schwärmte ich ja schon mehrfach, daher hier nur die kopierteingefügte Inhaltsangabe von Amazon: „Der neunjährige Timo Berghoff wird von seiner Mutter vermisst gemeldet. Doch weder Susanne Berghoff noch ihre Schwester Carola, bei der der Junge oft zu Besuch ist, wollen sich zu näheren Umständen äußern. Für den Vater Timos, offenbar in Wolfsburg auf Arbeitssuche, scheint der Vorfall nicht einmal Grund genug zu sein, zurück nach München zu kommen. Süden findet heraus, dass Timo von einer Mitschülerin kurz vor seinem Verschwinden geohrfeigt wurde. Er sucht sie auf, kann jedoch nichts aus ihr herausbringen. Wenig später verschwindet sie ebenfalls spurlos.“

Hat mir natürlich gefallen. Gleich den nächsten Süden hinterher, dann muss ich nachordern.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Friedrich Ani – Süden und der glückliche Winkel

Dieses Mal verschwindet ein Postbeamter, der brav 28 Jahre lang jeden Morgen auf der gleichen Straßenseite zur Arbeit gegangen ist, wahrscheinlich immer das gleiche aß und trank und las und tat. Und dann eben doch nicht. Ich kann die Süden-Reihe kaum aus der Hand legen, inzwischen dauert jedes Buch nur noch drei Stunden, weil einem die Figuren so vertraut sind, die Sprache, ihre Eigenheiten. Und deswegen glaube ich auch alles, was ich lese, und deswegen nimmt mich jedes Buch so mit. Das hier auch.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Friedrich Ani – Süden und das verkehrte Kind

Ein Kind verschwindet, und es ist wie immer nicht so, wie man zuerst glaubt. Und hofft. (Ich brauche eine kurze Pause von der Süden-Melancholie.)

(Leseprobe bei amazon.de.)

Alina Bronsky – Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Wundervoll. Sehr anstrengend, ungefähr so wie ein Familientreffen, auf dem man Menschen sieht, die einem unangenehm sind, denen man aber partout nicht ausweichen kann. So ungefähr geht auch die Geschichte: Rosalinda, Tatarin und sehr überraschend und unwillig Großmutter geworden, zieht an ihrer Tochter statt die kleine Aminat groß. Jedenfalls ist das der Plan, aber dann besinnt sich die Kindsmutter doch noch, was Rosalinda nicht einfach so hinnehmen kann, wie sie überhaupt rein gar nichts einfach so hinnehmen kann. Sie mischt sich ein, lügt, betrügt, macht und tut und das natürlich nur aus Liebe und weil sie weiß, was gut für alle anderen ist. Sie ist, glaube ich, einer der unsympathischsten Charaktere, die ich je zwischen zwei Buchdeckeln kennengelernt habe, aber blöderweise auch einer der faszinierendsten. Ich war eigentlich nur mit Kopfschütteln, Lachen, schnellstmöglich Umblättern und wieder Kopfschütteln beschäftigt. Ich habe die Geschichte geliebt, die Sprache, die Figuren, den Schrifttyp und das Cover und verzeihe dem Buch alles, was mir weh getan hat.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Christopher Clark (Norbert Juraschitz, Übers.) – Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers

Im Juli las ich den ersten, sehr dicken Band der dreiteiligen Wilhelm-II-Biografie von John Röhl und quengelte, dass das schon sehr ausführlich sei. Dann empfahl mir Ellebil den Clark – und jetzt quengele ich, dass es mir nicht ausführlich genug ist. Wobei Röhl sich mit der Zeit bis zum Amtsantritt 1888 beschäftigt und Clark eher die Zeit der Regierung interessiert; insofern hinkt der Vergleich natürlich etwas. Trotzdem. Ohne Röhl hätte ich beim Clark sehr viel mehr googeln müssen, und vieles, was Clark mir auftischt, hätte ich gerne etwas ausführlicher erläutert bekommen bzw. mit mehr Quellenmaterial angereichert. Beide haben allerdings eine sehr dezidierte Meinung vom letzten deutschen Kaiser; Röhl versteigt sich manchmal zur Theorie, Wilhelm II sei quasi der erste Schritt in den Nationalsozialismus gewesen, was Clark sehr deutlich verneint. Dafür hat er mir einen Hauch zu viele Sympathien in die andere Richtung, meint also eher, das war alles nicht so schlimm, der Mann hat da halt ein bisschen rumregiert, war aber eigentlich zu kaum was nütze. Ich hänge meinungsmäßig dazwischen – und werde jetzt doch noch mindestens einen weiteren Band Röhl lesen. Spannender Mensch, spannende Zeit.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Friedrich Ani – Süden und das grüne Haar des Todes

Die Pause war nötig – und mit diesem Band hat mich die Verzweiflung an der Welt und ihrer Bewohner wieder eingeholt, die die Süden-Reihe für mich so unwiderstehlich macht. An diesem Band knabberte ich allerdings zunächst etwas herum. Was ich an den Romanen so mag, ist ihre Dringlichkeit und dass sie sich nie auf Zufälle verlassen. Es passiert, was passieren muss, und es passiert nichts, weil dem Autor nichts Besseres eingefallen ist. Hier stolperte ich zum ersten Mal über einen vermeintlichen Bruch – eine Zeugin meldet sich, die eigentlich keinen Grund dazu hätte, und nur durch ihre Aussage gerät etwas sehr Großes ins Rollen. Erst ganz zum Schluss wird klar, warum die Dame sich zum Sprechen entschlossen hatte, und auf einmal fühlte sich dieses Buch noch bedrückender an als es das sowieso schon tat. Mein bisheriger Liebling aus der Reihe.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Friedrich Ani – Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Ich mag das, wenn Reihen plötzlich mit ihrer Stuktur brechen. Hier ist Süden auf einmal auf sich selbst gestellt anstatt wie sonst immer im Team zu ermitteln. Dabei wollte er doch nur das Grab seiner Mutter im Heimatdörfchen besuchen, wird aber in einen Fall hineingezogen, in dem es um ein Mädchen geht, das seit einem Jahr verschwunden ist. Auch hier, ich wiederhole mich dauernd, ich weiß: Empfehlung.

(Leseprobe bei amazon.de.)

John Lanchester – Capital

In Capital geht es um einige Bewohner von Pepys Road in London, eine frühere Arbeitersiedlung, in der aber inzwischen eher recht wohlhabende Menschen leben. Zum Beispiel ein Banker und seine Klischeenixtufrau (die einzige Person im Buch, die ich wirklich zu platt gestaltet fand), ein Betreuer von jungen Premier-League-Spielern, eine alte Dame, die schon so lange in der Straße wohnt, dass diese einfach an ihr vorbei wohlhabend geworden ist. Zusätzlich lernen wir die Betreiber des kleinen Kiosks am Straßenende kennen, einen polnischen Arbeiter, der die Häuser der Reichen wieder und wieder renoviert, einen Künstler, eine Verkehrspolizistin. Die Bewohner von Pepys Road erhalten eines Tages Postkarten, auf denen ihre eigenen Häuser abgebildet sind – plus eine Botschaft: We want what you have.

Das Buch entwickelt sich sehr vorsichtig, fast zögernd, ich hatte die ersten 100 Seiten eigentlich das Gefühl, das gar nichts passiert, was aber natürlich Quatsch ist, denn selbst wenn wir nur auf dem Sofa sitzen und lesen, passiert etwas, nämlich: Wir sitzen auf dem Sofa und lesen. Ganz allmählich lernt man die Bewohner und die Menschen, die sie umgeben, besser kennen, Verbindungen tun sich auf oder werden gekappt, und nach und nach wird aus der betulichen kleinen Straße ein großes Panorama, das den Blick öffnet auf Geld, Gier, Ruhm, Luxus, Macht – und Familie, Beziehungen, Schuld, Hoffnung, Abschiede, Anfänge.

Ich kann schwer beschreiben, warum mir Capital so außerordentlich gut gefallen hat. Aber ich mag diese epischen Bücher sehr gerne, ganz gleich ob es um eine Familie geht, eine historische Epoche oder wie hier eine Straße, die einen viel weiter mitnehmen als man es auf den ersten Seiten erwartet hatte.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Stevan Paul – Schlaraffenland: Ein Buch über die tröstliche Wirkung von warmem Milchreis, die Kunst, ein Linsengericht zu kochen und die Unwägbarkeiten der Liebe

Eigentlich sagt der Untertitel ja schon alles, auch wenn er zu lang für einen Untertitel ist. Aber das wäre auch so ziemlich das einzige, worüber ich was zu nölen hätte. Oder nee, eins noch: Die Geschichten sind ZU KURZ, VERDAMMT. Da trifft man so schöne Gestalten wie die Köchin Klöpke, die schon in der DDR fürs Politbüro Soljanka produziert hat und dann mit genau dem Satz entlassen wird, den Schabowski auf der Pressekonferenz zur unbeabsichtigten Maueröffnung verlas: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ Oder den Oberkellner Adam, der seinen Job ganz großartig findet, wenn da nur die Gäste nicht wären, weswegen Schnöselnasen auch gerne mal unwissend die Teilrechnung von frisch Verliebten übernehmen müssen. Oder auch den Autoren selber, denn im Buch findet sich meine Lieblingsgeschichte aus Stevans Blog über seine Erfahrung mit Wodka und der russischen Küche, die im schönsten Trinkspruch aller Zeiten mündet: „Auf Eure warmherzige Gastfreundschaft, auf die reiche, russische Küche und auf den klaren Geist des Wodkas! Mögen die Weizenfelder der Russischen Föderation ewig wachsen.“ (Der Eintrag ist leider nicht mehr online. Ich prangere das allerschärfstens an!) Alle diese Figuren sind da – und schon sind sie wieder weg. Ich hätte von fast allen noch zehn Seiten mehr haben wollen, mindestens. Dafür trösten mich die schönen Adjektive und Verben im Buch, denn ich liebe Stevans Eloquenz, die Espressomaschinen und Öle wispern lässt, wenn sie arbeiten, oder die Formulierungen wie „die Klarheit der unberührten Gläser“ hervorbringt. Ein schönes Buch, nicht nur fürs Herz, sondern auch für den Magen, denn zu jeder Geschichte steht ein Rezept im Buch. Noch eine große Empfehlung für diesen Monat.

(Leseprobe und mehr beim mairisch-Verlag.)

Friedrich Ani – Süden und die Schlüsselkinder

Ha, endlich mal ein Band, bei dem ich was zu quengeln habe. Wieder wird ein Kind vermisst, und dieses Mal hat der schlaue Racker ein Handy dabei. Süden so: „Die Polizei könnte das Handy orten.“ Jugendheimtante so: „Sie sind bestimmt schneller.“ Ja, klar. Den Fall fand ich eher meh.

(Leseprobe bei amazon.de.)

(Alle Links, die zu Amazon führen, sind Affiliate Links.)

Links vom 30. August 2012

– Die Familie Hensel war mehr als überrascht, als ihre erwartete Tochter sich bei der Geburt als zwei Töchter herausstellte. Abigail und Brittany sind siamesische Zwillinge, die sich einen Körper teilen. In den USA haben die beiden 22-Jährigen seit Kurzem ihre eigene Reality-Show, die von Salon als sehr un-reality-showig bezeichnet wird:

„Unlike so many TV shows — reality and otherwise — “Abby & Brittany” is a kind of soothing ode to the niceness of 20-year-olds, and especially of 20-year-old girls. The women who live with Abby and Brittany are normal in that explicitly Midwestern way, which is to say, normal to the point of notability, grounded, smiley, well-adjusted, well-behaved, just like Abby and Brittany. The roommates are a sort of Greek chorus, supplying the audience with the information it needs — about the girls’ physiological differences, how much tuition they pay (one and a half) and the differences in their personalities — and also expressing their endless, genuinely heartfelt admiration of the two and their astounding simpatico.“

Im Artikel ist eine 45-minütige Dokumentation verlinkt, die die beiden mit 16 zeigt. Sehr sehenswert.

– „Schluss mit Ewigkeit!“ aus der Zeit. Der Artikel bemängelt den immer gleichen Kanon, der in den Museen zu sehen ist, während in den Depots Schätze lagern, die nie ans Tageslicht gelangen. Warum eigentlich?

„Die Alternative? Das wäre ein Museum, das sich von den üblichen Dokumentationspflichten befreit. Das sich auf eigenwillige, ungewohnte Kunstgeschichten einlässt. Und den Mut fasst, die vielen Experimente des 20. Jahrhunderts neu zu beleben. Immer wieder wurde versucht, das Museum neu zu denken, von El Lissitzki über Alexander Dorner bis André Malraux. Die Vergangenheit war oft wagelustiger als unsere Gegenwart, wenn es darum ging, andere Ausstellungsformen zu erproben.

Allerdings kann eine solche Neubesinnung nur gelingen, wenn die Museen unterstützt werden. Erstens bei der Digitalisierung ihrer modernen Sammlungen, sodass sich künftig jeder per Internet in den Depots umtun kann. Zwar werden manche Werke bei dieser Form der Fernbetrachtung nicht ihre volle ästhetische Wirkmacht entfalten. Andere wiederum, die wie der Flaschentrockner von Marcel Duchamp nicht unbedingt auf ein genaues Augenstudium angelegt sind, wären im digitalen Archiv gut aufgehoben. Und insgesamt wäre der Gewinn gewaltig: Das Museum könnte endlich Mut zur Lücke fassen. Es wäre reich, ohne den Reichtum immerzu zeigen zu müssen.“

(via Axel Kopps Gezwitscher.)

– Und zum Schluss ein Video, das ich auch nach zwei Tagen immer noch als sehr beunruhigend empfinde, obwohl es so ästhetisch gefilmt wurde: die Sprengung der Fliegerbombe in Schwabing.

Links vom 29. August 2012

The Best Of The Internet’s Reaction To The Botched “Ecce Homo” Painting

Die Nummer 18!

Restaurier deinen eigenen Ecce Homo.

– Struppig über „Ach, dann trennen wir uns halt und suchen uns was Neues“:

„And then, after we’ve tried to move on one or two or three times, we’re so much older, and we realise we really don’t have an infinite number of shots. We like to think we’ll just move on and try again, applying what we learned, but we cannot even try again once. We try, and then we try a second time, but we’re trying something else already. It’s not destiny any more, we made a choice, right? And it’s all different and difficult all over again. But there’s places we can’t go and word’s we can’t say and music we can’t play any more. Memory and love, cruelly, but true to who we once were, won’t let us. It gets really difficult the third time, and more difficult the fourth time, and very hard the fifth, I guess. Because we never move on. We just try to find a spot from where the ruins that are our hearts still look intact.“

Wie schwierig es ist, in der Provinz Kultursponsoren zu finden, selbst wenn jemand Klangvolles wie Nike Wagner sie sucht. In diesem Fall für das Kunstfest Weimar:

„Während Sportsponsoring immer geht, weil es Marken Sichtbarkeit verschafft wie Förderung in keinem anderen Bereich, wird es in Zeiten der Wirtschaftskrise offenbar auch innerhalb der Firmen schwieriger, Kulturpartnerschaften zu rechtfertigen.

An sich selbst bemerkt Nike Wagner, dass man als Veranstalter fast unwillkürlich beginne, Programmpunkte auf Förderrichtlinien von Unternehmen und Stiftungen hin zu schneidern, um eine aussichtsreiche Bewerbung einzureichen. Auch wenn die meisten Richtlinien völlig in Ordnung seien, müsse man das kritisch beobachten.“

– Ich bin ja immer froh, im Flugzeug ein gutes, altes Papierbuch dabei zu haben: Why do I have to switch off my Kindle for takeoff and landing?

„Because of the way e-ink devices work, they draw no power when displaying either the words on the page or the wallpaper, and so should pose no more of a threat to an aircraft than the hardback the person in the next seat is reading.

But as more of us are flying with more and more electronic gadgets – what the airlines call Personal Electronic Devices (PEDs) – how high is the risk of them interfering with the aircraft’s avionics systems? The answer is a complicated one.“

– Ein hervorragender Text über Triggerwarnungen.

„Many feminist communities use trigger warnings, particularly when discussing rape, sexual abuse, and violence. By using these warnings, these communities are saying, “This is a safe space. We will protect you from unexpected reminders of your history.” Members of these communities are given the illusion they can be protected.

There are a great many potential trigger warnings. Over the years, I have seen trigger warnings for eating disorders, poverty, self-injury, bullying, heteronormativity, suicide, sizeism, genocide, slavery, mental illness, explicit fiction, explicit discussions of sexuality, homosexuality, homophobia, addiction, alcoholism, racism, the Holocaust, ableism, and Dan Savage.

Life, apparently, requires a trigger warning.

This is the uncomfortable truth—everything is a trigger for someone. There are things you cannot tell just by looking at her or him.“

“The specific manner in which the tumour had affected her brain meant that Petunia could not read. She did not want to watch television and she only intermittently wanted to talk; and when she did, Mary tended not to be there. So she spent the day in a state of pure being, a state closer to infancy than any she had experienced since. There were moments when she was afraid, and moments when she felt actual panic, teror, at the thought of dying. At other times when she thought of her death she felt a generalised sense of loss, strangely non-specific: not about the things she would no longer experience, because so many of these things had already faded. Her sense of taste and smell had gone funny, so coffee and tea and bacon and flowers were no longer themselves; or if they were themselves, the sense-impressions were no longer accurately recorded by her brain; they were lost in synaptic translation. But it wasn’t anything specific she felt she was losing: it wasn’t that she was losing this day, this light, this breeze, this spring. It was a general sense of loss connected to nothing and everything. She was simply losing, losing it all.”

John Lanchester, Capital

„Befreit Bayreuth!“

Sehr spannender Artikel aus der Zeit über Wagner, Bayreuth, das moderne Regietheater und dem schmalen Grat zwischen dramatischer Darstellung und Schülertheater:

„Theatergeschichtlich besteht Richard Wagners Unglück darin, dass er mit seinem dezidiert antinaturalistischen Opernwerk ausgerechnet in die Epoche des Naturalismus hineinragte. Er war nicht Zeitgenosse von Sophokles oder Racine, an die er vermutlich eher dachte, sondern von Ibsen und Strindberg. Wie die Bilder und Berichte von den ersten Bayreuther Aufführungen belegen, hatte er selbst keine realistische Darstellung im Sinn. Aber er wollte im Sinne des Aristoteles die Ergriffenheit aller Sinne bewirken und duldete kein ablenkendes Element. Von ebenso sinnbildlicher wie praktischer Bedeutung war hierfür die Verbannung der Musiker in den Orchestergraben. Was Wagner als revolutionäre Neuerung einführte, um die Konzentration ganz auf das ästhetische Ereignis zu lenken, geriet spätestens nach seinem Tod in den Sog des frühmodernen Illusionstheaters, das seine überzeugendere Fortsetzung im Kino fand, die hochartifizielle Form der Oper hingegen ad absurdum führte.“

(via Patrick Hahns Gezwitscher)

Ein blauweißes Dankeschön …

… an Mara, die mich mit einem Buchgeschenk perfekt auf meinen Aufenthalt in der bayerischen Landeshauptstadt vorbereitet. Jetzt muss nächsten Montag nur noch das Immatrikulationsamt ja sagen, und dann arbeite ich 111 Orte in München, die man gesehen haben muss von vorne bis hinten durch. Vielen Dank für die Überraschung, ich habe mich sehr gefreut.

(Stelle gerade fest, dass ich immerhin 13 Orte schon kenne, einige allerdings nur vom Vorbeigehen bzw. -fahren: den Gewürzladen von Herrn Schubeck, die Gipsfiguren im Haus der Kulturinstitute, die Neue Synagoge, die Mae West, das Hofgartenbrunnwerk, den Hubertusbrunnen, die Bavaria, die Kragenköpfe am Karlstor, den Kunst-U-Bahnhof am Königsplatz, die Magdalenenklause im Nymphenburger Park, den Teufelstritt in der Frauenkirche und natürlich das Stadion an der Grünwalder Straße sowie das Trainingsgelände des FC Bayern München. Ha!)