Tagebuch, Sonntag/Montag, 7./8. Juli 2019 – Kochfreuden

Da ich Samstag einen Lost-Marathon startete, den ich aber vermutlich nicht fortsetzen werde, hatte ich Sonntag fünf Zeitungen zum Nachlesen. Irgendwie war ich während der Woche nicht so recht in Laune gewesen, und so las ich stundenlang Politik und Feuilleton nach, blätterte die Wirtschaft durch und warf Finanzen und Sport ungelesen ins Altpapier.

Den Nachmittag verbrachte ich dann entweder fußballschauend oder kochend. Die USA schlugen die Niederlande im Finale der Fußball-WM, und mir geht das ewige „U-S-A!“ von den Rängen so auf den Zeiger! Ich hätte es Cholland auch gefühlt ein bisschen mehr gegönnt zu gewinnen, aber dann wären mir die vielen schönen Think Pieces zu den US-Damen entgangen. Die New York Times konnte mich über die Sprechchöre nach dem Finale aufklären, die ich nicht verstanden hatte: „Equal Pay!“ Hört man ja auch nicht alle Tage im Stadion. Die US-Damen verklagen nämlich gerade ihren Verband auf mehr Geld, auch weil sie deutlich erfolgreicher sind als die Herren, die trotzdem mehr Kohle bekommen.

In der Washington Post konnte man schon nach dem Viertelfinalsieg gegen Frankreich lesen, dass es den Frauen um mehr geht: Wer will schon equality, diese konservative Idee, nach der Frauen irgendwie zu den Männern aufschließen müssten. Wir machen das mal anders. Unter anderem dieses Zitat fand ich schön:

„It’s time to discard, finally, the nagging, jersey-tugging, chronic, small-minded doctrine that we must “contextualize” everything the U.S. women’s national team does as “relative” to the men’s game, and therefore they must be smaller, lesser. Sweet kicking Jesus, what titans these players are. Mental giants who show up big under unimaginably hot lights of controversy. Drivers of explosive new TV ratings, not just in America but in France, England, Germany, Brazil, Italy, with a billion viewers predicted by the end of the tournament.

All they’ve done is basically build a worldwide sport in less than two decades. The NFL needed 100 years to get into the public consciousness this way, the NBA 75. How about, just once, we marvel at what this women’s program has accomplished without all the “yeah buts.” […]

Real power is self-ownership — uncomplaining, unwhining pleasure in self-fashioning and rejecting victimhood. That’s what Rapinoe has, and it’s worth admiring no matter how much you may disagree with her specifics. The audience senses the strength of that self-ownership, and it’s why that audience keeps growing no matter Rapinoe’s trip-wire quarrels with the White House, or her self-professed “fabulous” gayness, or her expletives. Rapinoe did with Trump what an entire league of billionaire NFL owners couldn’t. She handled that guy.“

Vor dem Spiel, in der Halbzeit und danach bereitete ich drei Kleinigkeiten für F. und mich zu. Der Herr schleppte einen Kracher-Rotwein dazu an – merke: mehr Montefalco Sagrantino trinken – und wir ließen uns Torta di melanzana, Peperonata sowie Kartoffeln mit Zucchini und Rosmarin schmecken.

Gestern kam ich nach einer unruhigen Nacht nicht so richtig in Fahrt, trödelte ewig rum und raffte mich vormittags schlussendlich nur zum Einkaufen auf. Aber dafür mal was Anständiges: Ich traute mich an einen echten Fisch ran und nicht nur an die Tiefkühlblöcke. Ich ließ mir vom Fischhändler erklären, wie man einen Fisch filetiert, schaute ihm zu, kaufte dann brav die Filets und nahm mir fürs nächste Mal vor, einen ganzen Fisch zu kaufen, allerdings schon ausgenommen und entschuppt, wir wollen es ja nicht gleich übertreiben. Als ich meinte, mir täten die Fische so leid, wenn ich sie vermutlich zerhacke, weswegen ich sie mir lieber vorbereiten lasse, meinte er sehr richtig, das sei alles Übungssache. „Von den ersten dreien kochen Sie vielleicht Fischfond, aber das wird. Und sie sind ja schon tot, die merken das nicht mehr.“ Na gut.

Zuhause guckte ich ernsthaft Videos, wie man Fisch auf der Hautseite anbrät und lernte auch, dass man diese am besten einritzen sollte. Unter der Haut ist eine kleine Transchicht, und die brät quasi raus, wenn sie raus kann.

Als F. abends vorbeikam, hatte ich die Reste von vorgestern aufgewärmt und noch einen kleinen Salat mit Caesar Dressing gemacht. Majo klappte beim ersten Versuch, wie beim letzten Mal auch schon. Seit ich mir dauernd sage, ach, die kippt eh gleich rum, kippt sie nicht mehr um. Negative thinking! Ich bin da an was ganz Großem dran.

Was ich außerdem lernte: Fisch auf der Hautseite anbraten ist TAUSENDMAL EINFACHER als die blöden hautlosen Tiefkühlviecher! Durch die Haut bleibt der Fisch vor vornherein eher ganz beim Wenden, und so dünn wie die Wolfsbarschfilets waren, musste man sie eigentlich sowieso nicht wenden (auch das lernte ich in einigen Videos). Ich wendete sie trotzdem und das ging ohne Ankleben am Pfannenboden und ohne Stress. Wieso habe ich damit nicht viel früher angefangen? Unnötig zu erwähnen, dass sie ganz hervorragend geschmeckt haben.

Ansonsten viel über Papa nachgedacht und traurig gewesen und überfordert von dem ganzen System an Reha, Krankenkassen, Pflegegraden und Scheiß. Gut, dass meine Eltern mit einer Ärztin befreundet sind, die neben ihnen wohnt – die wird derzeit dauernd von Schwester und Mütterchen nach Dingen gefragt und ist sehr hilfsbereit. Hadere zum ersten Mal in meinem Leben mit unserem Gesundheitssystem.

Nachmittags saß ich mal wieder an der Diss, bei der ich jetzt im sogenannten Mittelteil angekommen bin – ich sehe den Anfang nicht mehr und das Ende noch nicht und habe das Gefühl, nur Quatsch zu schreiben und überhaupt braucht das auch alles kein Mensch, was ich hier mache. Das sei total normal, versichern mir alle Leute, die schon einen Doktortitel haben. Macht es aber auch nicht einfacher.

Die thematische Struktur hatte ich ja vor Wochen zugunsten einer chronologischen aufgegeben und jetzt merke ich langsam, dass vielleicht eine Mischform aus beiden das ideale sein könnte. Könnte. Weiß ich natürlich nicht. Muss ich erstmal aufschreiben. Hmpf.

Ich beendete gestern vorerst das Kapitel zu Jugend, Ausbildung und ersten Ausstellungen und Verkäufen, das bis 1925 ging und begann mit dem Kapitel 1926 bis 1933. Das hat schon 20 Seiten, ist aber noch längst nicht anständig ausformuliert, sondern eher eine lose Stoffsammlung und ein Berg von Notizen. Aus denen machte ich gestern hübsche Sätze wie zum Beispiel den hier, den ich auch vertwitterte, falls ich ihn wieder rausschmeiße: „Das ‚famose Fruchtstilleben‘ [Zitat aus einer Ausstellungsrezension] ist vermutlich ‚Stilleben mit Gurken‘ (zwischen 1925 und 1927, WV 126, 49 x 49 cm).“

Ich wühlte mich durch diverse Rezensionen, suchte die erwähnten Bilder und versah sie im Text mit Erstellungsdatum, Werkverzeichnisnummer und Maßen, falls vorhanden. Das Jahr 1926 ging recht schnell, da war noch nicht viel, aber 1927 stellte Protzen erstmals im Glaspalast aus. Die Kataloge zu den Glaspalast-Ausstellungen sind netterweise alle online; hier die Seite, auf der Protzen erwähnt wird. 1927 stellte er acht Bilder aus; Dischmatal mit Scaletta, Apenninlandschaft, Rast sowie Davoser See fand ich im Werkverzeichnis, Monreale/Sizilien, Posilippo/Neapel, Bei Florenz I sowie Certosa allerdings nicht. Aber der Begriff Certosa kam mir irgendwie bekannt vor … bis mir einfiel, dass ich genau dieses Werk letzte Woche im Lenbachhaus in der Hand gehabt hatte. Ich hatte Bilder in der Hand, die 1927 im Glaspalast gehangen haben! Ja, das klingt für die meisten von euch vermutlich total egal, aber ich hatte wieder diesen Hauch-der-Geschichte-Moment, den ich bei Originalen des Öfteren habe.

Torta di melanzana

Eigentlich muss man mich zu Auberginen immer überreden, weswegen ich am Wochenende einfach mal eine kaufte und dann gezwungen war, mir verdammt nochmal Rezepte dafür rauszusuchen, die über Baba Ghanoush oder irgendwas von Ottolenghi hinausgehen. Samstag abend gab’s Eggplant Benedict (mit viel zu festem Spiegelei, aber es kann ja nicht immer alles klappen) und gestern dann diese kleine Köstlichkeit.

Laut VegItalia, dem Buch, aus dem Rezept stammt, kann man die Einzelteile gut vorbereiten und dann 30 Minuten, bevor die Gäste kommen, alles gemeinsam in den Ofen schieben. Ich habe lieber alles fertiggemacht und zum verabredeten Zeitpunkt die bereits gebackene Speise nochmal kurz zum Aufwärmen in den Ofen geschoben.

Für vier Portionen.

1 Aubergine in dünne Scheiben schneiden, in ein Sieb über einer Schüssel legen, salzen, abdecken und 30 Minuten ziehen lassen.

900 g frische, reife Tomaten (bei mir war’s ne Dose) einritzen, mit kochendem Wasser überbrühen, nach einer Minute herausnehmen und kalt abspülen. Die Haut abziehen, das Fruchtfleisch kleinhacken, mit Kernen und allem.

2 EL Olivenöl in einem großen Topf erhitzen,
1 Knoblauchzehe, fein gehackt, sowie
1 Zwiebel, fein gehackt, darin bei kleiner Hitze anschwitzen. Tomaten und
1 TL Zucker hinzufügen, aufkochen und ca. 40 Minuten köcheln lassen, so dass eine dickflüssige, konzentrierte Sauce entsteht. Mit
Salz und
Pfeffer sowie
einigen gehackten Basilikumblättern würzen.

Die Auberginenscheiben abspülen und trocken tupfen. In
2 EL Weizenmehl wälzen; bei mir waren es mindestens 4 Esslöffel.
4 Bio-Eier mit
4 EL frisch geriebenem Parmesan verquirlen. Ich habe nur die Hälfte zubereitet, aber zwei Eier waren bei mir eindeutig zu viel. Wenn ihr das ganze Rezept macht, versucht es doch erstmal mit drei Eiern und schlagt notfalls noch eins auf.

Nun die mehlierten Auberginenscheiben in die Eimischung tunken und in
Olivenöl goldbraun ausbacken. Ich habe das Ei recht stark abtropfen lassen, vielleicht habe ich deshalb nicht so viel davon gebraucht. Die Auberginenscheiben nach dem Braten auf Küchenkrepp entfetten.

Jetzt zusammenbauen. In einer 20-Zentimeter-Springform (oder einer Auflaufform) zunächst den Boden mit Auberginenscheiben bedecken. Dann Tomatensauce drauf. Dann nach und nach
350 g Mozzarella (bei mir zerzupfter Büffelmozzarella), dann wieder Auberginen, Sauce, Mozzarella usw. Die letzte Schicht sollten Auberginenscheiben sein. Oben drauf noch etwas Parmesan und dann im auf 190° Ober- und Unterhitze vorgeheizten Backofen für 25 bis 30 Minuten backen.

Oben im Bild ist noch der Boden meiner 18-Zentimeter-Springform zu sehen, ich hatte nur noch eine dreiviertel Aubergine und habe daher die restlichen Zutaten halbiert. Das hat für zwei hungrige Esser mit noch ein bisschen was dazu für eine sehr ordentliche Mahlzeit gereicht. Ich war überrascht, dass man die einzelnen Teile nach dem Backen noch gut rausschmecken konnte, und alles zusammen war würziger als erwartet.

Ich weiß nicht, ob meine Springform auf einmal undicht geworden ist, aber bei mir tropfte irgendwas raus, weswegen ich jetzt gleich mal den Backofen putzen muss. Also vielleicht noch ein Blech oder eine Fettpfanne unter den Rost mit der Springform stellen – oder gleich eine Auflaufform nutzen. Die kann man aber eher doof fotografieren.

Links von Sonntag, 7. Juli 2019

Krieg im Kopf

Die Republik über die kontinierliche Bedrohung von rechts, die in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten kleingeredet oder ignoriert wird, via Nils Markwardt. Wie twitterte Holger Schulze gestern so passend: „Was hätte der deutsche Staat & seine Polizei wohl getan, hätten sie in den 1970er Jahren 60.000 Schuss Munition & Todeslisten mit 25.000 Personen bei Sympathisanten oder Mitgliedern der RAF gefunden? – Eben. Völlige Ignoranz – wenn nicht sogar klammheimliche Kollaboration?“

Im Artikel geht es nicht nur um Lübcke, sondern es werden noch weitere Fälle von rechtsextremen Morden aufgelistet – und ich muss gestehen, an einige kann ich mich nicht erinnern bzw. ich bin mir nicht sicher, jemals von ihnen gehört zu haben.

„Sie alle scheinen aus dem kollektiven Gedächtnis der heutigen Bundes­republik weitestgehend getilgt zu sein.

Das hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass sich der Rechts­terrorismus strategisch stets von seinen links­extremistischen oder islamistischen Pendants unterschied. Im Gegensatz zu Letzteren verwendete man von rechts­extremer Seite nämlich selten Bekenner­schreiben und handelte gerade nicht im medien­wirksamen Sinne der «Propaganda der Tat». Im Gegenteil: Der rechts­extremistische Terror sollte seit je weniger über einen unmittelbar-kollektiven Schock funktionieren, sondern sein Gift langsam, aber dafür umso entschiedener verbreiten. All jene, die sich im buchstäblichen Faden­kreuz von Neonazis befanden, sollten ahnen, dass sie die Nächsten sein könnten – und entsprechend eingeschüchtert werden. Dies hatte aus rechts­extremistischer Sicht auch den Vorteil, dass die halb­klandestinen Netzwerke, von denen der Neonazi­terror zumeist getragen und unterstützt wird, von den Behörden schwieriger in den Blick zu nehmen sind.

Es gehört somit zu den Paradoxien der Ideen­geschichte, dass gerade Rechts­extreme die Strategie des «führerlosen Wider­stands» (leaderless resistance) kultiviert haben.“

Es geht außerdem um die Ideologie, die hinter rechtem Gedankengut steckt – oder dem Fehlen derselben:

„Besass schon der historische Faschismus nur ein Mindest­mass an theoretischen Grundlagen, meist in Form einer gleicher­massen militanten wie diffusen Mischung aus Führer­kult, Antisemitismus und Rassismus, gilt dies ebenfalls für den Neonazismus. Beide besitzen philosophisch kaum ernsthafte Quellen und verfügen über keine eigenständige Ethik, sondern funktionieren fast ausschliesslich über die permanente Produktion von Feind­bildern. Und bei beiden wird der Mangel an Theorie mit dem Zwang zur paramilitärischen Dauer­mobilisierung kompensiert.

Der Faschismus, ob alt oder neu, ist deshalb stets eine buchstäbliche Bewegung, eine stetig nach vorne stürzende Aggression. Oder genauer gesagt: Er ist stets auf dem Sprung in Krieg und Katastrophe.“

Beschämt sei, wer jetzt an Trump denkt.

Im neuen Spiegel steht übrigens ein in Strecken irritierendes Interview mit Egon Krenz, der brav die Legende aufrecht erhält, dass es in der DDR keine Nazis mehr gegeben habe.

Auch hier fällt mir noch ein Tweet ein, dieses Mal von Jakob Vicari, über den ich sehr lachen musste. Auf dem Spiegel-Titel ist Carola Rackete abgebildet: „Zum ersten Mal eine Frau auf dem @DerSPIEGEL Cover die nicht Angela Merkel ist oder Rücken hat.“

in abendgarderobe malende künstlerinnen auf instagram

Katia Kelm, Künstlerin, guckt sich Künstlerinneninszenierungen auf Insta an.

„heutzutage ist anfängerin-sein ja auch viel einfacher als früher. man kuckt ein paar clips auf youtube und, peng, ist man profi (so hat mein sohn abitur gemacht). oder auf instagram. dort kann man malerei sehen, die noch feucht auf der staffelei steht. man bekommt einblicke in fremde ateliers, welche farben, pinsel und verdünner die leute benutzen und ob sie die leinwände auf keilrahmen spannen oder lose an die wand tackern. zugegeben, bei instagram geht es vordergündig nicht so sehr um die vermittlung von inhalten, aber ich als bildprofi kann die auch aus abbildungen herauslesen.

und bei diesem herauslesen stosse ich auf manche kuriositäten. in letzter zeit zum beispiel vermehrt auf leute, die vor dem malen ihre besten klamotten anziehen. eine verkaufte ihr outfit sogar anschliessend in auflage: „shirt $325, skirt $295“. und ein paar tage später postete sie dann noch ein workoutfoto in eben diesem 325$-shirt und 295$-skirt UND weissen lackschuhen!“

Ich folge neuerdings vielen Interieur-Hashtags und dort fällt mir ebenfalls immer mehr das Inszenatorische auf. Ja, ich weiß, keine irre neue Erkenntnis, denn natürlich gehört das zu einer Bilderplattform, dass wir uns ab und zu Mühe geben, mal einen Filter nutzen und auch ich meist erst das dritte Bild meines Abendessens poste und nicht gleich das erste. Eine Ausnahme ist die Kaltmamsell, die UNS ALLE mit ihren Glastellern irritiert, auf denen Mahlzeiten immer so aussehen als würden sie auf der Tischplatte serviert – besonders apart, wenn’s Sauce gibt –, aber ich ahne inzwischen, dass sie das mit voller Absicht macht, weil sie weiß, dass wir irritiert sind.

Bei den Interieur-Hasis ist die Inszenierung teilweise so irrwitzig, dass die Wohnungen so aussehen, als würde dort nie jemand leben; ein Ikea-Showroom ist bewohnter als diese Bilder. Einer meiner Lieblingsposts war von einer Dame, die ihre Küche instagrammte mit der Bildunterschrift im Sinne von „Ich hatte gehofft, ich würde in einer neuen Küche lieber kochen als vorher, aber nee.“ Die also offensichtlich als jemand, die nicht gerne kocht, tausende von Euro in eine Küche investiert hat, weil sie gut aussieht. Und eine andere nennt ihren ganzen Account sogar „Wohnkulisse“, was eine darstellende Funktion schon impliziert. Immerhin ehrlich, aber vermutlich nicht ganz so entlarvend gewollt.

Instagram ist sehr spannend für die Bildwissenschaft. Muss weiter seltsamen Hashtags folgen.

‘When They See Us’: Researching the Story of the Exonerated 5 and Beyond at The New York Public Library

Die Kündigung meines Netflix-Accounts hat immerhin sieben Wochen gedauert. Dann wollte ich aber doch When They See Us sehen, und dafür hat sich das Wiederkommen sehr gelohnt. Die alten Einlog-Daten funktionieren übrigens, man wird freundlich wiederbegrüßt, als ob man nur mal kurz spazieren war.

Die New York Public Library twitterte gestern, wie man die Historie des rassistischen US-Justizsystems mit ihren Beständen erforschen könne. Darin enthalten ist natürlich auch die berüchtigte Anzeige Trumps, der für die unschuldigen Teenager die Todesstrafe forderte.

(Via Markus Trapp)

Als Rausschmeißer ein kleiner Twitter-Thread von Annie Minoff, der so beginnt:

„Did you know there is a legit particle accelerator in the basement of the Louvre museum!? I heard about this a few years ago, and have been dying to see it ever since.

Well mes amis, yesterday I DID!“

(via Gerriet Backer)

Was schön war, Dienstag bis Freitag, 2. bis 5. Juli 2019

Dienstag war ich in der Stabi, um Dinge nachzulesen, die im Prinzip als Kopie auf meinem Schreibtisch liegen.

Zur Erklärung: Für die Gedächtnisausstellung von Protzen und Gattin 1976 hatte der damalige Volontär im Lenbachhaus, Helmut Friedel, schon so ziemlich alles zusammengetragen, was über Protzen mal in Zeitschriften erschienen war. Seine Sammlung lag im Archiv des Lenbachhauses, ich kopierte alles, las auch alles durch – und wollte alles nochmal im Original lesen. Ich habe gerne Kontext zu Artikeln, ich will immer wissen, was um diese eine Erwähnung herum noch passiert, wer noch erwähnt wird, worum es überhaupt geht, und was ist das überhaupt für eine Zeitschrift?

Außerdem wusste ich aus Lexikoneinträgen, dass ein Bild von Protzen – Industrie (1929) – in einem Exemplar von Westermanns Monatsheften 1929 abgebildet war, ich wusste aber nicht, welches Bild und in welchem Artikel. Also ließ ich mir das Ding zurücklegen, stellte am Regal fest, dass es Mikrofiche war und nichts zum Blättern und richtete mich seufzend auf die Folterstühle im Kabuff unter der Treppe ein und mindestens fünf Versuche, bis ich das Material so ins Lesegerät gekriegt hatte, dass ich es lesen konnte, nicht auf dem Kopf stehend, nicht seitenverkehrt. So war es dann auch.

Am Mittwoch war ich wieder im Lenbachhaus und durfte das Frühwerk von Protzen ablichten, das da uninventarisiert rumliegt, mein Riechsalz! Meine Kuratorinnenbekannte musste bei mir bleiben, damit ich ja nichts klaue, und das war genau richtig so, denn das hätte ich total gemacht. Nein, natürlich nicht. Aber ich will immer noch den beiden Häusern, die den Großteil seiner Werke haben, eins aus den Rippen leiern, weil die das Zeug ja eh nicht haben wollen, aber geben dürfen sie es mir leider auch nicht, weil sie eine Aufbewahrungspflicht (oder so ähnlich) haben: Wenn’s im Bestand ist, dann bleibt’s da auch, wie es sich für städtische und staatliche Häuser gehört. Mist. Die Rauhreif-Höfe würden so gut über mein Sofa passen!

Und nun, exklusiv für meine Blogleser*innen, ein Bild, das vermutlich seit 40 Jahren niemand mehr gesehen hat … und davor wahrscheinlich auch nicht so irre viele Leute. Das Bildchen ist von 1916, also noch in der Zeit von Protzens Zivilgefangenschaft auf Korsika entstanden. Wann das Passepartout drumgekommen ist, weiß ich nicht. Maße habe ich mir auch nicht notiert, wie ich jetzt beim Aufschreiben merke, ich Anfängerin. Aber es sieht in seiner Reduzierung auf wenige Farben und Formen dramatisch anders aus als die quietschigen, üppigen Landschaften, die er dann seit den 1920ern ein ums andere Mal zu Papier oder auf die Leinwand gebracht hat. Tolles Zeug. Davon waren noch weitere vier oder fünf Blätter in der Mappe, und die möchte ich auf jeden Fall in der Diss erwähnen. Dafür hat mir die Frau Kuratorin auch gleich mal aufgeschrieben, wie ich den Ort korrekt benenne, solange der Stapel noch keine Inventarisierungsnummer hat: „Konvolut aus dem Nachlass von Carl Theodor Protzen und Henny Protzen-Kundmüller, ohne Inv.-Nr. (Erwerbungsjahre entsprechend Gemälde [1967]).“

Mittwoch abend spülte mir dann jemand diesen Tweet in die Timeline (klicken für Thread):

Ich kenne weder Frau Alderton noch hatte ich von diesem Buch je gehört, aber das machte mich neugierig. Ich sah, dass es One Day als Kindle-Ausgabe gab, ließ mir die Leseprobe schicken … und las von Mittwoch abend an bis Freitag mittag mit wenigen Unterbrechungen einen Roman von 2009. Sooo dramatisch fand ich ihn jetzt nicht, aber das mag am Tweet gelegen haben, weil ich ja wusste, irgendwann kommt was ganz Fürchterliches. Ansonsten war er nicht weltbewegend, aber sehr verführerisch runtergeschrieben, und bis auf wenige Sätze, die sich mit der Optik der weiblichen Figuren befassten, freundlich formuliert.

Die Grundidee ist, immer den gleichen Tag eines Jahres zu beschreiben, aus der Sicht der zwei Hauptfiguren. Das ist die ersten vier, fünf Jahre sehr reizvoll, danach wird es manchmal nervig, weil so wichtige Entwicklungen nur erwähnt werden können, denn das wäre ja noch alberner, wenn alles Wichtige genau an diesem Tag stattfände. Deswegen kam mir das literarische Vehikel irgendwann eher wie ein Korsett vor, in das jetzt irgendwie die Story gezwängt werden muss, und zweitens hätte ich gerne mehr vom Rest des Jahres gelesen. Ab und zu brüllte ich: „Jetzt bleib doch mal an deinen Figuren dran, Alter!“ Aber gut. Es funktioniert irgendwie, und ich habe es anscheinend gerne gelesen.

Was daran schön war: Zeit für sowas zu haben.

Was auch schön war: mal wieder auf dem iPad mini zu lesen und es bewusst in der Hand zu haben. Normalerweise steckt es in einer hässlichen Hülle, weil ich auf meinem eReader wirklich keine Kratzer haben will; mein Handy hatte noch nie eine Hülle und kriegt auch keine. Deswegen spüre ich meist das blöde Plastik, wenn ich das Pad in der Hand habe, um Streams darauf zu schauen oder Hay Day zu spielen. Für die circa 15 Stunden Lesezeit nahm ich es aber heraus und merkte mal wieder, wie wunderbar das Ding gestaltet ist und wie gut es sich unter meinen Fingern anfühlt.

Was am schönsten war: Freitag morgen saß ich mit dem iPad auf dem Balkon, vor mir ein Flat White, auf der Nase die neue Sonnenbrille, die dafür sorgte, dass die hellen Fassaden gegenüber mich nicht mehr blendeten, Schatten über mir, Pflanzen und Hummeln um mich herum, ein leichter Wind. Und wenn nicht zwei Straßen weiter gerade eine Baustelle wäre und damit fieser Lärm, hätte sich das fast wie Urlaub angefühlt.

Donnerstag abend waren F. und ich im NS-Dokumentationszentrum, um uns einen Vortrag von Roger Cohen anzuhören. Bis auf ein paar Sätze, wo er gegen safe spaces und Sprachverbote wetterte (knurr), nickte ich alles ab, was er über die seit Trump veränderten transatlantischen Beziehungen, die USA und Europa zu sagen hatte. Der Vortrag ist auf Facebook nachzusehen, aber Bild und Ton sind leider nicht die besten.

Wir gingen danach noch hungrig pakistanisch essen, redeten, genossen noch einen Absacker-Gin auf F.s Balkon (ich nur einen halben) und schliefen gemeinsam ein. Was auch schön war.

Gestern abend ein Foto vom 30-jährigen Abitreffen zugemailt bekommen. Ich bin seit dem Zehnjährigen nicht mehr dabei gewesen und erscheckte mich etwas: Das sind ja alles alte Leute geworden? OMG ich bin auch ein altes Leut geworden! Sinnkrise galore. Und gleichzeitig: Die sehen aber alle zufrieden aus. Das freute mich dann wieder, ich schickte geistig einen Gruß in die alte Heimat und war wieder froh, nicht mehr dort zu wohnen. Und nie wieder in der Pubertät in die Schule gehen zu müssen. Jetzt, ja, sofort wieder, jetzt weiß ich ja, wozu ich das alles brauche. Wobei: Integralrechnung und Atommodelle waren dann doch eher eine für mich sinnlose Beschäftigung.

1000 Fragen, 281 bis 300

(Ich zitiere Christian: „Die Fragen stammen ursprünglich aus dem Flow-Magazin, Johanna von pink-e-pank.de hat daraus eine persönliche Blog-Challenge gemacht, und Beyhan von my-herzblut.com hat das PDF erstellt.“)

281. Malst du oft den Teufel an die Wand?

Ich würde es anders ausdrücken: Im Kopf gehe ich so viele Stresssituationen oder Unannehmlichkeiten durch wie möglich, wenn ich einen Termin, ein wichtiges Meeting oder ein Vorstellungsgespräch habe, ein Referat halte, in den Urlaub fahre oder irgendwie sonst mit Koffer irgendwo hinmuss, gar mit diversen Verkehrsmitteln und Menschen. Ich nenne das „eine gute Vorbereitung“ und nicht „den Teufel an die Wand malen“.

282. Was schiebst du zu häufig auf?

Ich erwähnte neulich mal den geplanten Titel meiner Autobiografie: „Was weg ist, ist weg.“ Darin schwingt auch mit: Wenn ich was zu erledigen habe, dann mache ich das, denn das ist es erledigt. Steuer, Post, Packstation, Altpapier, Werbetexte, Dissertationen, her damit, weg damit.

Nur zu Ärzten oder Ärztinnen krieche ich erst, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Außer zum Zahnarzt, da bin ich innerhalb von fünf Minuten.

283. Sind Tiere genauso wichtig wie Menschen?

Nein.

284. Bist du dir deiner selbst bewusst?

Hä? Cogito ergo sum oder was willst du, Fragebogennase?

Okay, ich antworte mal ganz brav. Ich bin mir meines Körpers vermutlich öfter bewusst als schlanke Menschen. Ich bin mir meiner Privilegien erst seit einigen Jahren bewusst und vergesse auch gerne mal, dass ich sie habe. Ich mache mir öfter selbst bewusst, was ich kann, weil ich das sonst in schlechten Momenten vergesse. Daran anschließend kommt natürlich die Spirale, was ich alles nicht kann, aber da muss ich dann durch. Zufrieden, Fragebogen?

285. Was war ein unvergesslicher Tag für dich?

Ich kriege keine ganzen Tage zusammen, glaube ich. Es gibt aber durchaus Ereignisse, an die ich mich gerne zurückerinnere. Die Stunden am und auf dem Chiemsee und Frauenwörth mit dem ehemaligen Mitbewohner. Der Sonnenblumen-Irrgarten bei der Wiedereröffnung des Van-Gogh-Museums mit F. Der Wind und das Meer auf Sylt mit dem Kerl. Die Momente, in denen ich die ägyptischen Pyramiden und die Chinesische Mauer das erste Mal sah. Der erste Anflug auf Chicago. Der HerheimParsifal in Bayreuth. Der Augenblick, in dem ich vor dem Prüfungsamt das Masterzeugnis aufschlug und die Note sah. Meine Geburtstagsparty im März.

286. Was wagst du dir nicht einzugestehen?

Ich bin mit mir auf Du, wir haben keine Geheimnisse voreinander. Es gibt aber durchaus Dinge in mir, an die ich nicht gerne rankomme. Um die gehe ich immer auf Zehenspitzen rum, aber ich weiß, dass sie da sind.

287. Bei welcher Filmszene musstest du weinen?

Bei ungefähr einer Million Filmszenen. Am schlimmsten war vermutlich Schindlers Liste, aber das ist lange her. Ansonsten weine ich in jedem Pixar-Film, wie sich das gehört.

288. Welche gute Idee hattest du zuletzt?

Blumen für den Balkon zu besorgen. Ich hätte nie gedacht, wie gerne ich vom Schreibtisch aus auf sie raufgucke. Und wie beruhigend das ist, sich morgens und abends kurz um sie zu kümmern: gießen, Verblühtes ausputzen, einfach ein bisschen anschauen und sich über so etwas Schlichtes, Schönes freuen.

Kräuter waren übrigens eine genauso gute Idee. Nicht ganz so hübsch, aber ich finde es ernsthaft immer noch toll, mir einfach ein bisschen Würze vom Balkon zu holen.

Ich denke jetzt natürlich über Palmengärten und Zimmerpflanzen nach und ich glaube, diese Büchse der Pandora ist ganz schön groß.

289. Welche Geschichten würdest du gern mit der ganzen Welt teilen?

Immer die, die ich nicht teilen darf. Erzählt mir bloß keine Geheimnisse, irgendwann verblogge ich die aus Versehen. (Außer Dienstliches, da bin ich der totale Geheimhaltungsstreber.)

290. Verzeihst du anderen Menschen leicht?

Anderen vermutlich leichter als mir selbst.

291. Was hast du früher in einer Beziehung getan, tust es heute aber nicht mehr?

Fremdgehen.

292. Was hoffst du, nie mehr zu erleben?

Verletzungen. Vor körperlichen habe ich fast mehr Angst als vor seelischen, und ich hoffe, dass dieser Satz mich nicht mal übel in den Arsch beißt.

293. Gilt für dich das Motto „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“?

Ja. Ich bin aber blöderweise neugierig und will immer alles wissen.

294. Wie wichtig ist bei deinen Entscheidungen die Meinung anderer?

Ich ahne, dass mich Instagrambilder inzwischen mehr beeinflussen als ich mir eingestehen möchte, jedenfalls was Einrichtungsgegenstände angeht. Bei Klamotten bin ich relativ unbeeinflussbar, weil ich da kaufen muss, was mir freundliche Onlineshops für dicke Menschen anbieten (hrmpf. Projekt „Endlich nähen lernen“ rückt immer weiter nach vorne auf die innere To-Do-Liste). Was berufliche Entscheidungen angeht, diskutiere ich die zwar gerne durch, mache dann aber, was ich eh machen wollte. Kurz gesagt: Die Vorstellungen anderer fließen sicherlich in meine Bewertung ein, aber im Endeffekt bin ich diejenige, die mit der Entscheidung leben muss.

Ich weiß gerade selber nicht, ob ich die Frage beantwortet habe.

295. Bist du ein Zukunftsträumer oder ein Vergangenheitsträumer?

Ich bin ein generell-in-der-Gegend-Rumträumer. Heißt: Ich denke eher, total sinnvoll, über meine Karriere als Drehbuchautorin in den USA und meine Riesenwohnung in Wien nach als über Werbeakquise und Nazischeiß. Darüber denke ich schließlich sonst nach.

296. Nimmst du eine Konfrontation leicht an?

Nein, ich laufe vor Konfrontationen sehr gerne weg. Alles viel zu anstrengend.

297. In welchen Punkten unterscheidest du dich von deiner Mutter?

Ich habe Internet und koche gern. Ich kann Geschichten beim Erzählen davor bewahren, völlig auszuufern, damit niemand um den Tisch rumsitzt und sich fragt, worum’s eigentlich geht und ob nach zehn Minuten irgendwann mal ne Pointe kommt. Ich wiege eindeutig mehr, aber im Gegensatz zu meiner Mutter stresst es mich nicht mehr. Ich will kein riesiges Haus haben und nicht auf dem Land wohnen.

Ich merke mit zunehmendem Alter aber auch, dass ich ihr in vielen Dingen ähnele. Hauptsächlich, dass wir beide den ganzen Tag vor uns hinbrabbeln.

298. Wo bist du am liebsten?

Zuhause, wo immer das gerade ist. Kann auch ein Hotelzimmer sein. Irgendwo, wo ich eine Tür hinter mir zumachen kann. (Nein, Zugklo zählt nicht.)

299. Wirst du vom anderen Geschlecht genug beachtet?

Ach Gottchen.

300. Was ist dein Lieblingsdessert?

Eis und/oder Schokolade gehen immer. Wobei die Welfenspeise ziemlich unschlagbar ist. Das Rezept aus Deutschland vegetarisch ist seit Jahren mein Standardrezept. #sturmfestunderdverwachsen

Tagebuch Montag, 1. Juli 2019 – Wochenende

Da die letzten drei Tage nicht ganz so erholsam waren, nahm ich mir eine Auszeit. War eh zu warm für alles. Gelesen, viel Tee getrunken, Köfferchen endgültig ausgepackt, Wäsche gewaschen.

Nix für die Diss gemacht, zu faul zum bloggen. Stattdessen so genau wie möglich notiert, wie es Papa ging im Vergleich zu vor vier Wochen, weil ich das sonst vergesse: was kann er, was kann er nicht, wie reagiert er auf was.

Und: die neuesten Mitbringsel aus der alten Heimat auf Instagram geworfen. Die kleine Platte und die winzigen Schälchen gehörten mal Omi, keine Ahnung, von wann die sind. Sechziger Jahre? Auf die Schälchen passen ungefähr zehn Erdnüsse, weswegen sie eigentlich total nutzlos sind – aber so hübsch! Auf Insta meinte jemand schlauerweise, dass die hervorragend für Grüße aus der Küche oder ähnliche Kleinigkeiten geeignet wären. Wird beim nächsten F.-Bekochen ausprobiert.

The Man Who Invented Bookselling As We Know It

James Lackington eröffnete 1794 in London „The Temple of Muses“, einen damals ungesehen großen Buchladen.

„Late 18th-century London was a time of great social change. More people were learning to read, and the increase in leisure time among the working and middle classes meant an increased demand for books. But books were still an expensive luxury, and bookstores could be intimidating places. At the time, the typical bookstore did not encourage idle browsing or lounging. Lackington wanted to find a way to make books more affordable and accessible while still turning a profit, and with this in mind, he set about revolutionizing the book trade in at least four ways.“

(via @stabiHH)

Warum politische Talkshows sind, wie sie sind

Ein Artikel aus dem Tagesspiegel von 2018, der Zitate von Mitwirkenden an Talkshows (Gäste, Moderatorin, Produzent, Kritiker) zu einer Art Gespräch montiert.

Damit sind wir schon an dem Punkt, über den wir heute sprechen wollen – nämlich über Talkshows selbst. Die standen selbst in der Kritik: immer die gleichen Themen, immer die gleichen Gäste, dabei zu plump und populistisch. Herr Lobo, warum ist das so?

Lobo: Die Zuschreibung ist aktuell, dass in Talkshows das politische Deutschland verhandelt wird. Eine Art von Ersatz-Show-Parlamentarismus. Ich halte das auch für okay. Die Debatten, die dort stattfinden, finden ja ein ungeheures Echo. Dabei ist nicht unbedingt klar, was eine Talkshow genau soll. Die einen sagen, es sei Diskussion als Selbstzweck, die anderen sagen, es sei Aufklärung und politische Bildung. Sogar die Leute, die dort arbeiten, haben da unterschiedliche Auffassungen.

Hans Hütt: Natürlich sind Talkshows vom Wesen her populistisch, das ist ihre Dramaturgie! Das war übrigens schon so, bevor die AfD überhaupt existiert hat. In Talkshows geht es um Unterhaltung, nicht um Haltung. […]

Küppersbusch: Es gibt eine alte Branchen-Bauernregel: Die Besetzung einer Panel-Talkshow erfolgt nach den Grundregeln des Kasperletheaters: Du brauchst Hänsel, du brauchst Gretel, den Zauberer und das böse Krokodil.

Wer ist da wer?

Küppersbusch: Früher waren Hänsel und Gretel die Volksparteien, das sind zwei Geschmacksrichtungen von “Ja, okay”. Der Wissenschaftler kommt gerne etwa von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, ein radikaler Lobbyist in der Camouflage des weißen Ärztekittels, der seine Weisheiten als Naturwissenschaften verkauft. Und das Krokodil war immer Alice Schwarzer oder der Berliner CDU-Rechtsaußen Heinrich Lummer.

Und heute?

Küppersbusch: Heute haben wir mit der AfD eine komplette Krokodilpartei. Die AfD ist auf der funktionalen Ebene eine Wiedergängerin der frühen Grünen: Die waren ein Castingvorschlag, als der Bundestag als taubengraues Beamtenparlament verschrien war. Bei den Grünen gab es einen Bauern im Folklorekittel, eine Friedensaktivistin, die mit einem Bundeswehrgeneral liiert war, einen Taxifahrer in Turnschuhen und stillende Pfarrerinnen. Nun kommt dasselbe Castingmodell noch mal, mit einer downgegradeten Herzogin, einer gleichgeschlechtlichen Wanderpredigerin gegen die Ehe für alle und einem Frankfurter Cordjanker, der 40 Jahre lang in der CDU war.“

(via den (dem?) Autor @daniel_erk)

Tagebuch Freitag bis Sonntag, 28. bis 30. Juni 2019 – Durch das schöne Niedersachsen

Warum ich mir ausgerechnet das heißeste Wochenende bisher in diesem Jahr für den Besuch bei Papa in der Reha ausgesucht habe, weiß ich nicht mehr.

Am Bahnhof in München fragte mich eine Dame, ob sie ihren Rucksack kurz auf meinen Rollkoffer abstellen könnte – „dann kriege ich ihn vielleicht endlich zu“. Natürlich. Gutes Karma gemacht, denn die Fahrt nach Hannover verlief ereignislos-entspannt, die Klimaanlage funktionierte tadellos und wir kamen pünktlich an. Einziger Nervscheiß: Der Stream vom Bachmannpreis lief nicht, ohne alle zehn Minuten abzustürzen, trotz Bord-W-LAN, weder auf Handy noch iPad. Ich las die Geschichten abends auf dem iPhone als pdf und hörte auch ein, zwei Jurydiskussionen nach, aber das Live-Erlebnis hatte ich leider nicht.

In Hannover stieg ich in die S-Bahn in Richtung Heimatdörfchen, die überraschend voll war. Kurz liebäugelte ich mit der ersten Klasse, die fast leer war, blieb dann aber brav in der zweiten zwischen zwei Quengelkindern und ihrer gestressten Mutter sowie zwei älteren Damen, die sich über ihre Krankheiten austauschten, sitzen. Alles richtig gemacht, denn es wurde kontrolliert.

Zuhause holte mich mein Mütterchen vom Bahnhof ab. Sie lässt sich gern von mir bekochen, wenn ich da bin, weil sie das selbst nicht so mag. Wir hatten uns vorher auf Gemüsepfanne geeinigt, wofür sie eingekauft hatte, aber mir war im Zug noch Gemüsecurry eingefallen. Meine Mutter hat jetzt Thai-Currypaste in der Küche und wird sie vermutlich nie aufbrauchen. Aber es hat ihr gut geschmeckt.

Merken: Der Dorfsupermarkt hat keinen frischen Koriander.

Samstag dann mit Schwester und Mutter in Richung Norden gefahren. Erst eine Stunde über die Dörfer, um den allgegenwärtigen Stau auf der A7 zu vermeiden, was sehr schön war. Wenn man nicht überall ein Auto brauchen würde, würde ich da sofort wieder hinziehen, ein Fachwerkhaus nach dem nächsten. Dort hätte ich mal fotografieren sollen, aber in der Zeit habe ich nur ein bisschen wehmütig rumgeguckt.

Letzte Stunde dann Autobahn, super Foto. Guckt mal, KEINE BERGE! Da hinten ist quasi schon Sylt.

Papa nach vier Wochen wiedergesehen. Der Unterschied zum Krankenhaus war recht groß, aber der Weg für ihn ist noch sehr weit. Er weiß den Geburtstag meiner Schwester (gerade?) nicht, kann aber fehlerfrei den Radetzkymarsch pfeifen und benennen. Das muss hier an Details reichen.

Schwesterherz fuhr mich nach drei Stunden ins nächste Dorf, von wo mich ein klimatisierter Metronom nach Hamburg brachte. Bei den letzten Hamburg-Terminen im vergangenen Jahr war ich immer froh, wieder dort wegzukönnen, weil es nicht mehr Zuhause ist. Jetzt war es deutlich besser, so ein komisches sehnsuchtsvolles „Das war mal ich“. Ich fühlte mich trotz 32 Grad wohl, vom Schwitzen abgesehen, aber ich freute mich über den lauten Bahnhof, die muffigen U-Bahn-Tunnel und die vielen Menschen. Und halt, dass ich wieder in Hamburch war. Am Bahnhof Buchholz hatte eine ältere Dame mit mir Smalltalk gemacht und ich dachte die ganze Zeit, yay, ich verstehe ältere Damen wieder! In München nicke ich immer nur und piepse ab und zu „gell?“ oder „mei!“

Im Hotel die zweite Dusche des Tages. Das ist echt das einzig richtig Gute am Sommer: Duschen ist nie so toll wie in dem Augenblick, wenn man völlig verschwitzt von draußen reinkommt.

Dann bereitete ich mich auf das Viertelfinalspiel der Damen vor. Ich hatte keine Lust gehabt, den Rechner mitzuschleppen, aber wie erwähnt, iPad und Handy dabei. Ich gucke Streams eh lieber auf dem iPad, weil es seltsamerweise stabiler läuft als mein Laptop. Aber wie schon beim Bachmann-Stream wollte das dusselige Ding partout nichts abspielen. Ich richtete mich seelisch schon auf Fuppes auf dem Handy ein, bis mir Schlaubergerchen einfiel: Du bist im Hotel. Da sind Fernseher! Und so konnte ich auf 32 Zoll in HD dabei zugucken, wie die deutschen Damen leider gegen Schweden verloren.

Die Noch-Teamkolleginnen bei Bayern. Sara Däbritz geht nächste Saison nach Paris, bei Rolfö weiß ich es gerade selbst nicht. Sven?

Ich habe mich sehr gefreut, dass die mediale Aufmerksamkeit für die Frauen-WM größer war als gefühlt jemals zuvor. Auch in meiner Bubble guckten mehr Leute einfach mal zu und fanden das wohl ganz okay. Daher ist es doppelt schade, dass es nur zum Viertelfinale gereicht hat. Wobei: Wie weit sind noch mal die Herren letztes Jahr in ihrer WM gekommen?

Abends war ich verabredet und musste nochmal in die heiße Wand raus, aber dafür konnte ich mit einer meiner liebsten Hamburger Damen schnacken und Salat essen und Wein trinken und zwar in dem Laden, in dem wir das jahrelang regelmäßig gemacht haben. Ich war traurig und glücklich gleichzeitig.

Gegen ein Uhr wieder im Hotel gewesen und zum dritten Mal geduscht. Ein Hoch auf die Erfinderin dieses Dingsis!

F. hatte eine DM geschickt, dass er meine Blumen gegossen hätte. Hatte ich auch noch nie: Menschen, die ich darum bitten muss, meine Blumen zu gießen.

Sonntag morgen, ICE von Hamburg nach München. Der Blick auf die Anzeigentafel ließ mich wimmern. Um den Abschiedsschmerz vom Norden zu lindern, hatte ich großflächig Franzbrötchen eingekauft. Nein, erzählt mir nicht, wo es in München gute Franzbrötchen gibt, es gibt nur in Hamburg gute Franzbrötchen, don’t @ me.

Dieses Mal war die Klimaanlage nicht ganz so mein Freund. Draußen waren es irgendwann 35 Grad, aber die freundliche Kühle der Hinfahrt wollte sich nie recht einstellen. Für mich fühlte es sich so an, als ob die Klimaanlage zwar angeschaltet sei, aber nur gerade so, dass man sie merkt. Mein Kreislauf, dem es die ganze Zeit hervorragend gegangen war, maulte ab Nürnberg etwas rum. Auch aufstehen und rumlaufen half nicht. Ich bat um eine Flasche Wasser aus dem Bordrestaurant – meine eigenen anderthalb Liter hatte ich schon ausgetrunken – und fächelte mir Luft zu. (Fächer immer dabei.) Trotzdem war ich sehr froh darüber, kurz nach halb vier endlich in München zu sein. Auch weil nicht mehr so recht für mein leibliches Wohl gesorgt war!

Ich lenkte mich mit Dvořáks 9. Sinfonie ab („Aus der neuen Welt“), die echt jedesmal besser wird. Mit dem dritten Satz stand ich bis jetzt irgendwie auf Kriegsfuß, aber gestern war der fast so toll wie der vierte. Nichts geht über den vierten. Der fühlt sich für mich immer so an, als ob dich die ganze Zeit etwas beim Kragen hat; es lässt manchmal locker, wabert aber immer im Untergrund herum, und irgendwann haut es dir alles um die Ohren.

Die ganze Zeit auf mein Lieblingsbrot beim Lieblingsbäcker am Hauptbahnhof gefreut. Ausverkauft. Frustbrezn besorgt.

Zuhause in eine recht kühle Wohnung gekommen, weil alles verrammelt und abgedunkelt gewesen war. Nur halbherzig ausgepackt, weil erschöpft von det Janze.

Später beantwortete ich auf Twitter launig eine Frage von Herrn Braun richtig und fragte spaßeshalber, ob ich jetzt zwei Karten für seine Tannhäuser-Generalprobe in Bayreuth gewonnen hätte. Und dann passierte das:

Ja gut dann. (OMFUCKINGGOD!) Endlich mal wieder Bayreuth. Auch wenn man inzwischen keine Kissen mehr mitbringen darf. Und auf einer Probe war ich auch noch nie! Wie ich gestern schon twitterte: Ich schrie vor Freude gleich mal mein Handy an, ganz erwachsen und damenhaft.

Abends noch die Preisverleihung bei der Frau Bachmann nachgeguckt. Ich bin immer noch überrascht davon, dass ich den Text Kenn ich nicht von Yannic Han Biao Federer beim Zuhören so banal und nach der Jurydiskussion total toll fand. Auch er bekam einen Preis, der Hauptpreis ging aber an Birgit Birnbacher, deren Text Der Schrank mir auch als pdf sehr gefallen hatte.