Ein höllisches Dankeschön …

… an Monika, die mich mit Hellboy 11: The Bride of Hell überrascht hat. Wie ich eben schon twitterte: Ich bin immer sehr gerührt, wenn die Geschenke auch noch eingepackt sind. Als ob das Geschenk nicht schon toll genug ist. Vielen Dank, ich habe mich sehr gefreut. (Die wunde Fußballseele auch.)

Edit: In der Mittagspause gleich mal reingelesen – und mich wieder daran erinnert, warum ich Hellboy und seinen Tonfall so gerne mag. In der ersten Geschichte treibt sich mein Schnucki in Mexiko herum und trifft auf jemanden namens Camazotz. Autor Mike Mignola schreibt in der Einleitung: “Camazotz is a Mayan bat god, and the woman with the necklace of human hands and the rattlesnakes is somebody, but I can’t remember who and I can’t find my notes.”

„Sie erinnert sich an die merkwürdige Antwort, die Katharina ihr gab, als sie gefragt wurde, welche Erklärung sie dafür habe, dass ihr so viel auffalle. ‘Mir fällt so viel auf, weil ich den Tod bereits in mir habe’, hat sie gesagt. ‘Ich gehe dem Tod entgegen, weißt Du’, hat sie weiter gesagt, ‘auch wenn ich vielleicht das Glück habe, noch ein, zwei Jahrzehnte zu leben. Ich sterbe allmählich, ich sterbe von Tag zu Tag ein wenig mehr. Und je mehr ich sterbe, umso mehr liebe ich die kleinen Dinge am Wegrand. Ich übersehe keines von ihnen, ich nehme ununterbrochen Abschied: aufmerksam, getröstet, mit all diesen lebendigen Dingen so eng verbunden wie in meinem früheren Leben noch nie. Das ist das merkwürdige am Alter: dass einem die Welt immer näherkommt, dass sie alles tut, einen zu umschließen und heimzuholen.’“

Hanns-Josef Ortheil, Liebesnähe

Champions Links

Kleine Nachlese. Ich bin immer noch traurig. Scheint zu stimmen, dass das länger dauert. (Mist.)

@Kaliban und @agitpop reden:

„– Von uns, die wir nicht Bayern-Fans sind, und daher wöchentlich mit Enttäuschungen und regelmäßig mit titellosen Jahren leben, von uns normalen Menschen also, wird ja immer gerne angenommen, dass Bayern-Fans zu großer Emotion gar nicht fähig sind.

— Was natürlich absoluter Blödsinn ist, weil es eine Katastrophenrangfolge vorgibt. So als gäbe es eine Schwelle, die überschritten werden muss damit etwas emotional trifft.

Natürlich ist ein so verlorenes Champions-League-Finale nicht vergleichbar mit einem Abstieg. Aber ein versemmelter Test ist auch nicht vergleichbar mit einem abgebrannten Haus. Das macht die Sache aber in dem Moment nicht weniger schmerzhaft.“

„Dear Bayern Munich and fans,

This letter isn’t meant to be patronising. I’m thrilled to finally see Chelsea lift this trophy, of course, and I’m not going to be ashamed of that. But I find myself feeling sad it was you we beat to get there.“

Graham MacAree schreibt uns einen Brief.

Selbst ein 1860er-Fan trauert mit uns:

„Dass ich mich in erster Linie als Münchner und erst dann als Löwe in dieser Lage begriffen habe, ist in diesem Blog ja auch schon hinlänglich beschrieben worden. Nach dieser epischen Samstag-Nacht muss ich allerdings gestehen, dass die Sache mit den Bayern und mir zum ersten Mal die Ebene des rationalen Respekts (den ich immer hatte) verlassen hat und irgendwas Diffuses mit Sympathie zu tun hatte. Gerade, weil sie verloren haben, weil sie bitter und trotzdem mit Anstand verloren haben. Verlieren macht rot und macht manchmal groß, größer und röter jedenfalls als die ewige Machtmaschine FC Bayern, die zwar immer alles gewinnt, aber genau deswegen so kalt daherkommt.“

Die Sonntags-Sonderausgabe der SZ als pdf, bei deren Titelfoto ich am Gate am Flughafen MUC heulen musste.

Saisonabschluss

Freitag, 18. Mai

Im Gomez-Trikot nach München. Eine Mitarbeiterin am Security Check am Hamburger Flughafen meint, sie drücke den Bayern die Daumen. Am Flughafen München warten die ersten Kamerateams schon an der Drehtür zwischen Terminal 2 und 1. Ich setze einen distinguierten Gesichtsausdruck auf und zupfe das Trikot noch mal hübsch. Die Angeber tragen ihre Presseausweise am Champions-League-Bändchen deutlich sichtbar um den Hals. Ich klettere neidisch in die S-Bahn, wo sich zwei Businesskasper darüber aufdotzen, dass die ganze Stadt am Wochenende mit Fußballfans voll sei. iPod lauter, langsam vorhibbeln.

Abend mit Gastgeber Kai alias @probek in der Innenstadt ein bisschen adidas-Werbung an der Fassade von Hirmer geguckt. Sieht auf YouTube schick aus, ist aber vor Ort ein bisschen lang und belanglos. Wir warten das Endergebnis nicht ab – hat Chelsea hier auch gewonnen? – und fahren wieder nach Hause.

Samstag, 19. Mai

Matchday. Wir beginnen den Tag im Olympiastadion, das ich noch nicht kannte und ich das ich mich spontan verliebt habe. Was für eine herrliche Anlage! Natürlich übersät mit Bayern-Fans, überall rote Trikots, Fahnen, gut gelaunte, entspannte Menschen. Um 12 Uhr findet ein All-Stars-Spiel statt – eine Weltauswahl gegen ehemalige Bayern-Spieler. Und so toll das Olympiastadion aussieht und so hübsch die Akustik der feiernden Fans ist – man sitzt irre weit weg vom Rasen. Ich weiß bis heute nicht, ob mein Ur-Schnucki Fabio Cannavaro überhaupt mitgespielt hat. Immerhin habe ich Pierre Littbarski an seinen O-Beinen und Carsten Jancker an seiner Frisur erkannt.

Im Stadion treffen wir @GNetzer mit seiner Freundin, der schon sehr nervös wegen des kleinen Spielchens am Abend ist. Kais zweiter Gast Mathias (@bunkinho) ist auch da, genau wie Stefen (@fcblogin) und Gunnar (@Breisacher), die den Weg zu uns finden, indem Kai fünf Minuten lang seine mitgebrachte rotweiße Fahne schwenkt. „Siehst du uns jetzt? Jetzt?“

Nach dem Spiel trennen wir uns. Stefen, Kai und ich setzen uns in die Tram (Ich so: „TRAMFAHREN! TRAMFAHREN!”), um in den Augustiner Biergarten in der Nähe des Hauptbahnhofs zu kommen. Das letzte Stück gehen wir zu Fuß, wobei wir an einer Kneipe vorbeikommen, wo ein paar blau gekleidete Chelsea-Fans in der Tür stehen und auf den Stühlen davor sitzen. Einer von ihnen greift sich Kais Fahne, ich nehme sie ihm wieder ab, wir fangen uns ein paar Sprüche und gehen einfach weiter. Im Biergarten ist die Atmosphäre deutlich anders. Zwar sind von den ungefähr 5.000 Gästen 4.500 Bayern-Fans, aber die blauen Grüppchen feiern genau wie die roten entspannt aneinander vorbei. Und manchmal schüttelt man sich auch die Hände.


(Foto von @fcblogin, danke.)

Wir essen Steckerlfisch und trinken Radler (ich werde jedesmal höflich, aber bestimmt korrigiert, wenn ich „Alster“ sage). Zwischendurch müssten wir theoretisch aufstehen und singen, weil immer irgendwer Bayern-Fangesänge anstimmt oder den Klassiker „Steht auf, wenn ihr Bayern seid“ bringt. Und da beginnt meine Zwiespältigkeit, was das Konstrukt Fußballfan angeht. In der Arena brülle ich gerne alberne Schlachtrufe und stehe auch auf, wenn man das von mir erwartet, weil ich im Trikot im Stadion eben ein Bayer bin. Aber im Biergarten bin ich Anke, die Fisch essen und Radler trinken will. Ich kann absolut verstehen, warum die halbe Stadt von den Fußballfans genervt ist, denn gerade in der Masse sind sie des Öfteren einfach nur anstrengend, und wenn man Pech hat, auch noch bedrohlich. Und auch wenn ich außerhalb des Stadions das Trikot trage, muss ich nicht dauernd „Stern des Südens“ anstimmen – dafür habe ich jetzt ja auch eine Ente, danke, Kai – oder grölend durch Innenstädte ziehen.

Nach einem kurzen Sabbern bei Dallmayr („Haben die noch was außer Kaffee und Pralinen?“ – „Anke! Wir gehen da mal kurz vorbei! Ts. Kaffee und Pralinen. Unglaublich.“) geht es per S-Bahn für Kai und mich dann wieder nach Hause, während Mathias in die Arena fährt. Kein Public Viewing, keine Arena für uns, sondern das Sofa. Ich persönlich bin keine Freundin davon, mit 30.000 Leuten auf eine Leinwand zu starren, und auch wenn die Stimmung wahrscheinlich ausgelassener ist als im „eigenen“ Wohnzimmer, sind mir ein großer Fernseher, Bier in Griffweite und ein ungeteiltes Klo doch lieber.

Bevor das Spiel losgeht, gönne ich mir allerdings ein bisschen Kontrastprogramm. Die Bayerische Staatsoper streamt ab 19 Uhr eine Oper live und zwar Bellinis I Capuleti e i Montecchi, das auf Shakespeares Romeo und Julia beruht. Der Twitterer des Opernhauses weiß ganz genau, gegen wen sie anspielen und twittert daher grandioserweise:

(All my hearts are belong to you.)

Um 20 Uhr muss ich die Oper allerdings abbrechen, weil ich nur noch rumhibbele und dauernd zum Fernseher gucke, wo sich SAT.1 seit Stunden einen Wolf sendet. Ich verfolge die Mannschaftsbusse auf dem Weg in die Arena, die Aufstellungen, die Hymne, alles egal, ich esse atemlos Erdnussflips und vergesse völlig zu twittern. 88 Minuten lang glaube ich, dass wir den Pott in der Stadt behalten. Und dann sind irgendwann 120 Minuten rum und dann werden Elfer ge- oder verschossen und dann ist Schluss.

Von irgendeiner WM ist mir ein Bild im Gedächtnis geblieben: ein weiblicher italienischer Fan, der nach der Niederlage seiner Mannschaft noch im leeren Stadion sitzt, im blauen Trikot, in eine Fahne gehüllt, mit rotweißgrünen Streifen im Gesicht. Sie weint. Und ich habe mich jahrelang gefragt, wie man wegen eines Fußballspiels – eines Spiels! – weinen kann. Bis ich Didier Drogba dabei zusehe, einen Elfmeter an Manuel Neuer vorbeizuschieben. Im Moment des Abpfiffs bin ich leer. Fassungslos. Traurig. Und plötzlich sind die Tränen da, und ich denke noch, wie albern ist das denn, aber ich kann nichts dagegen tun.



(„Barcelona“)

Sonntag, 20. Mai

Der Abend wird zur Nacht. Wir sitzen zu dritt bis fünf Uhr morgens in der Küche und reden über Fußball, die Bayern, Fußball, die Bayern, Fußball, die Bayern und dann über Fußball und die Bayern. Kurz geschlafen, geduscht, und beim Frühstück geht das Gespräch weiter über Fußball, die Bayern, Fußball, die Bayern und außerdem noch über Fußball und die Bayern. Mein Weg zum Flughafen führt über einen weiteren Biergarten, diesmal der Hirschgarten. Wir sitzen zu dritt in Kais Auto, zwei von uns tragen Trikot (jetzt erst recht), am Fahrzeug weht ein Bayern-Wimpel. An einer Ampel beugt sich ein Radfahrer zu uns ans geöffnete Fenster: „War Pech.“ Wir nicken dankbar für die Anteilnahme. An einer Kreuzung steht uns jemand im Trikot gegenüber: Er zuckt mit den Schultern, „was soll man machen?“ Wir zucken auch und gehen was trinken. Ich kriege wieder ein Alster – „RADLER!” – und wir reden über französische Philosophen und Kochrezepte. Nein, Quatsch, wir reden über Fußball und die Bayern.

Und genau deshalb wollte ich die Saison in München beenden. Am liebsten hätte ich gefeiert, aber nun gut. Jetzt, bei der Niederlage, hätte mich meine Timeline zwar auch getröstet, aber nicht so. Ich wäre den Sonntag über auch in Hamburg brastig und/oder traurig gewesen. In München hatte ich aber das Gefühl, nicht allein zu sein mit diesem seltsamen Gefühl, an etwas zu leiden, an dem ich objektiverweise nicht leiden müsste, wenn ich nicht wollte. Im Biergarten sitzen noch weitere Menschen im Trikot, eine rotweiße Fahne weht, und ich frage Kai, wie lange das denn erfahrungsgemäß dauert, bis eine Champions-League-Finalniederlage nicht mehr so weh tut. „Och, nur ein paar Jahre.“

Ja dann.

Nach der Saison ist vor der Saison. Hallo, 2012/13. Und: Geh weg, EM.

Bakublog

Hurra, Stefan und Lukas sind wieder im Auftrag des guten Geschmacks unterwegs. Hier ihr erster und zweiter Eindruck aus Baku.

Einstimmen

Auch ein Schlemmerbistro im Norden diskutiert über das CL-Finale. Herr Gomez vergnügt sich mit Herrn Kaymer (danke an Kiki für den Hinweis, und ja, es ist Werbung). München putzt sich raus. Ein Liedchen gibt’s auch. (Natürlich.) Und wenn ich Glück habe, bringt mir DHL mein Shirt auch noch rechtzeitig. Daumen drücken!

Bagels

(Hey, Googler:innen, nehmt lieber dieses Rezept!)

Neulich bat ich per Twitter Frau coolcat um ihr Bagelrezept, weil ich die Dinger dauernd sehe, wenn ich mich mal wieder in ihrem Flickr-Stream hungrig sabbere. Freundlicherweise bekam ich es, und jetzt reiche ich es weiter. Drüben steht das Rezept für zehn bis 14 Kringel mit Frischhefe und sogar, wenn man möchte, als vegane Variante. Hier steht die faule unvegane für sechs Bagel.

1 Ei trennen, gut die Hälfte vom Eigelb zum Eiweiß geben und verquirlen. Das restliche Eigelb beiseite stellen.

250 g Mehl, Type 550, mit
1/2 Tütchen Trockenhefe,
2 TL Zucker und
1 TL Salz mischen.

In einem kleinen Topf
25 g Butter in
125 ml Milch schmelzen.

Das verquirlte Ei zur Buttermilch geben und mit den trockenen Zutaten zu einem Teig mischen. Den Teig circa zehn Minuten kneten, notfalls noch Mehl dazugeben. Sagt schon der gesunde Menschenverstand, aber ich schreib’s trotzdem noch mal auf: Wenn nix mehr an den Fingern klebt beim Kneten, ist die Mehlmenge richtig. Den Teig in eine Schüssel geben und abgedeckt eine Stunde an einem warmen Ort gehen lassen.

Danach noch mal kurz durchkneten und aus dem Teig sechs Bagel herstellen. Ich habe dazu sechs Kugeln geformt, sie ein bisschen plattgekuschelt und sehr unfeierlich mit dem Zeigefinger ein Loch in die Mitte gebohrt. Die Bagel abgedeckt für weitere 15 Minuten gehen lassen.

In der Zeit in einem Topf
3 l Wasser,
2 TL Zucker und
1 TL Salz zum Kochen bringen. Die Temperatur verringern, bis das Wasser nur noch simmert. Die Bagels nun mit einer Schaumkelle für eine knappe Minute ins Wasser geben. Ebenso wieder rausfischen, abtropfen lassen, auf ein Backblech umsiedeln, mit dem übriggebliebenen Eigelb bestreichen – wer mag, streut noch Zeug seiner Wahl oben drauf, zum Beispiel Sesam oder Mohn – und im auf 200° C vorgeheizten Ofen für 20 bis 25 Minuten knusprig-gold backen.

Ich bin gerade wieder auf dem Pastrami-mit-Kaffeemayonnaise-Trip, die mir gestern allerdings etwas zu dünnflüssig geraten ist.

reinstoff, das zweite Mal

Der erste Besuch liegt ein Jahr zurück; inzwischen hat das reinstoff einen zweiten Stern bekommen, und ich behaupte von mir, ich hätte einen Hauch mehr Ahnung von gutem Essen und gutem Wein. Beste Voraussetzungen also, um einen tollen Abend zu haben. Ich nehme die Pointe vorweg: hatten wir. Ich nehme allerdings noch was vorweg: Das schöne, klare, weiße Licht, das wir im letzten Jahr hatten, ist leider einer gelblichen Raumbeleuchtung gewichen. Das macht den Laden zwar etwas heimeliger, meine iPhone-Bilder allerdings sehr fies. Netterweise hat mir Herr Knüwer einige seiner Bilder überlassen, die deutlich schicker sind. Und noch was: Ich habe mir keine Notizen gemacht, was für den Blogeintrag sehr, sehr doof ist. Insofern ist das hier keine angemessene Kritik, sondern eher ein Merkzettel für mich, damit ich noch in drei Wochen weiß, was ich gegessen und getrunken habe.


(Foto: Thomas Knüwer)

Wir starteten mit einem Rieslingsekt, um uns die Wartezeit bis zu den Vorspeisen zu verkürzen. Die bestanden aus, copypaste von der Speisekarte:

„Eisblume und Vinaigrette“ – genauer gesagt ein bisschen Sorbet (?) mit säuerlich-frischer Vinaigrette. Schöner Reinkommer.

„Cracker“ – mit Rhabarbergelee. Weder süß noch salzig, aber herrlich. Zuerst knistert, dann schmeichelt es.

„Aubergine und Miso im Umschlag“ – kleine Gemüsewürfel in Esspapier. Mein Kommentar an dem Abend: die erste Aubergine, die nach was schmeckt.

„Eingelegter Hering, traditionell“ – genau so.


(Foto: Thomas Knüwer)

Der Gruß aus der Küche war ein „Lammburger“ – genauer gesagt, ein grünes Macaron, das mit einem winzigen Salatblatt und Lammfleisch belegt war, serviert an einem Klecks Senfdressing auf knitterigem Pergamentpapier. Den Burger in die Hand genommen, durch den Senf gezogen, in einem glückseligen Haps verspeist und mit den Fingern noch den Rest Dressing vom Pergament gerettet.

Dann ging es an die Hauptgänge, zu denen Stevan, Thomas, zwei weitere Menschen, von denen ich nicht weiß, ob sie genannt werden möchten, mit denen man aber einen sehr netten Abend verbringen kann, und ich die Weinreise orderten. Also zu jedem Gang ein Glas passenden Wein. Inzwischen bin ich so weit, dass ich an den Weinen fast mehr Spaß habe als am Essen, weswegen es mich noch mehr ärgert, mir keine Notizen gemacht zu haben.

„Morchel ,Royale’ mit Pinienkernen, Zwiebelbouillon und Verjus 8“, dazu gab es einen Amontillado V.R.O.S, Bodegas Tradicion, Jerez. Kein Foto, und der Gang wurde von den Erinnerungen an die folgenden leider in die hinterste Hirnecke gedrückt. War garantiert toll.

„Garnelen aus der Normandie, Buschbohne, Seemoos und Aioli“, dazu einen Riesling R „Monzinger Halenberg“, Emrich-Schönleber von der Nahe, 2008. Wie ich schon twitterte: der beste Riesling, den ich je getrunken habe. Bitte kauft ihn mir nicht weg, ich muss ihn dringend noch mal trinken. Garnelen und ich werden wohl nie richtig dicke Freund_innen, aber die hier waren (erwartungsgemäß) ausgezeichnet. Vor allem das grüne Sößchen hatte es mir angetan, und ich musste mich sehr zusammenreißen, nicht den Teller zu kippen und den Rest auszutrinken.

Wieder ohne Foto: „Ei, geschmortes Huhn, Johannisbeerblätter und verflüssigte Kräuter“, dazu einen Manzoni Blanc de Plana, Vigna Dogarina, Veneto, 2008. Das nächste kleine Wunderwerk aus verschiedenen Texturen, die für mich so spannend waren, dass ich den Geschmack fast vergessen hätte. Knusprig, flüssig, eine Beilage, die zuerst spröde und dann schmelzig im Mund war, dazu das weiche Ei – herrlich. Der Wein dazu war ebenso komplex: viel Frucht, viel Ooomph.

„Gänseleberterrine, Erd- und grüne Mandel“, dazu einen Cantocuerdas Moscatel, Bernebaleva, Vinos de Madrid, 2009. Bei dem Wein jauchzte ich peinlicherweise ein bisschen auf, was den schnuckigen Sommelier aber nicht aus dem Konzept brachte. Seit Frau Cucina Casalinga mir einen Moscato kredenzte und ich im trific grundsätzlich den Gelben Muskateller vom Pollerhof anhimmele, will ich mich in die Richtung fortbilden. Der hier war eine gute Fortbildung – so eine von der Sorte, wo ich schon bei der ersten Nase weiß, dass ich davon gerne eine Kiste nach Hause tragen wollen würde. Lieblich, aber mit genug Muckis, um gegen die Gänseleber anstinken zu können. Bei der Beschreibung dachte ich, das wird ein feister Angebergang mit nem vorsichtigen Wein dazu. Stattdessen machte sich der Moscatel im Mund breit, während die Gänseleber fein vor sich hinschmolz und die grünen Mandeln charmante Akzente setzten. Ach, und das Brot! Fluffigst.

„Blauleng, Tomatensaft, Austernkraut und Muscheln“, dazu ein Sotorrondero, Jimenez Landi, Mentrida, 2009. Der Gang, bei dem selbst der Koch am Tisch fragen musste, was bitte ein Blauleng sei. Der Racker ist ein Fisch, der angeblich ein bisschen nach Forelle schmeckt. Kann ich nicht beurteilen, war aber – natürlich – sehr gut. Zartes und gleichzeitig kräftiges Fleisch, dazu die ansatzweise zähen Muscheln, was ich als positiv empfand; sie rutschten nicht so uninspiriert weg, sondern ergänzten den Fisch um eine zusätzliche Textur. Mit dem Wein musste ich mich erst anfreunden: Die Nase zuckte vom Glas weg – Rauch! Also nicht nur ein bisschen Holz irgendwo hinten in den Nasenflügeln, sondern wirklich so, als ob man den Kopf in einen Kamin steckt. Sobald ich aber einen Bissen vom Essen nahm, verschwand der Kamin, und aus allem wurde eine wunderbare Einheit. Hach, Wein!

„Berliner Weiße ,eiskalt’ und Löwenzahnlimonade“, genauer gesagt, ein Schlückchen Dandelion & Burdock. Ein köstliches Sorbet mit Himbeerpüree und einer mit dem Skalpell zerteilten Himbeere zum Magenaufräumen. Über die Löwenzahnlimo war man sich am Tisch nicht ganz so einig: sehr süß, und ich hatte seltsame Zahnarzterinnerungen, weiß der Geier woher. Aber das Himbeerpüree hätte ich geheiratet. Und ich habe Klee gegessen.

„Wald und Wiese: Kronenstück vom Kalb, Salatspitzen, Knollenkerbel“, dazu ein Dominio de Atauta, Ribera del Duero, 2009. Der Gang, der uns am meisten beeindruckte. Schon optisch ein Volltreffer, aber das ist ja fast albern zu erwähnen, und ich streue wirklich zutiefst traurig Aschenberge auf mein Haupt wegen des miesen Bilds. Dann der erste Bissen: Das Fleisch wurde bei Niedrigtemperatur gegart; außen war es lieblichbraun, innen vollständig rosa. Und ich meine: rosa. Sämtliche Stücke hatten die gleiche Struktur und Farbe und steckten voller Kraft und Anmut. Wo wir bisher das gesamte Essen durchgequatscht hatten, war auf einmal Ruhe am Tisch. Fünf Menschen, die sich andächtig mehreren kleinen Stücken Fleisch widmeten, dem bissfesten Spargel, den luftigen Kräutern, der konzentriert-aromatischen Sauce, die alle mit Brot auftunkten, weil es schlicht ein Sakrileg gewesen wäre, auch nur einen Tropfen davon zu verschwenden. Dazu ein tiefroter, vollfruchtiger Wein, an den ich aber kaum eine Erinnerung habe. An das begeisterte Schweigen um so mehr.

Das Dessert für Herrn Knüwer war „asiatisches Müsli und geeiste Zuckererbse“, wir anderen ließen uns „Emmental Grand Cru, Sauerklee und Kernobst“ schmecken. Dazu hatten wir einen Chardonnay R, Ökonomierrat Rebholz, Pfalz, den ich mal wieder nicht als Chardonnay erkannt hätte (dass ich jemals Chardonnay erkennen würde, hatte mir Vinoroma eigentlich auch schon ausgetrieben). Ich gackere zwar immer noch ein bisschen über die Kombination Käsename + Grand Cru (hey, es ist Käse!), aber auch dieser Gang hat mich sehr glücklich gemacht. Erstens sah er aus wie ein Kandinsky zum Essen – ich unterstelle der Küche, den Teller mit Geodreiecken rechtwinklig ausgerichtet zu haben –, und zweitens gab es neben den Obststücken ein Früchtebrot, das so dermaßen allen anderen Klötzen dieses Namens, die man zu Weihnachten kriegt, in den Arsch tritt wie es fester kaum geht. Das war quasi nur Luft mit einem Sauerteighauch und Fruchtsüße. SO. GEHT. FRÜCHTEBROT.


(Foto: Thomas Knüwer)

Die Rausschmeißer nach den acht Gängen waren „Erfrischungsstäbchen“, die ähnlich wie die Billovariante schmeckten, aber kunstfertig handgedrechselt aussahen, weswegen Stevan anfing, darüber nachzudenken, wie man die wohl herstellt. „Kaffeesahne karamellisiert“ war ein dekonstruierter Milchkaffee – das Stichwort „Milchmädchen“ fiel; mich erinnerte es an einen mit Gold überzogenen Starbuckssirupkaffee, und ich hätte gerne viel mehr davon gehabt. Der „Energieriegel“ war ein dünnes Segel aus Nüssen, bei dem ich mich fragte, ob die Küchencrew Yoga macht, um so ruhige Hände zu haben, die man braucht, um diesen Hauch zusammenzubauen. Und das „Schokokissen und Kümmel“ war Luft mit würziger Schokolade ummantelt.

Ein letztes Knacken im Mund, ein wehmütiger Blick auf die leergegessenen Platten und ausgetrunkenen Gläser. Zum Abschluss noch ein Espresso und ein Nussbrand, von dem ich mir blöderweise die Marke nicht erfragt habe, denn es war der erste Schnaps, der so mild war, dass er dazu verführt, deutlich mehr als 2 cl davon zu trinken. Wenn ich mich richtig erinnere – und irgendwann war ich, wie beim letzten Mal, nicht mehr fähig, klar zu denken, weil ich in Glückshormonen badete –, haben wir fast fünf Stunden für das Festmahl gebraucht. Ich war danach weder angetrunken noch überfressen, sondern hätte gerne gleich für den nächsten Tag wieder einen Tisch gebucht.

Ehe ihr fragt: mit Trinkgeld 275 Euro. Jeden Cent wert. Logisch.

Ein wildes Dankeschön …

… an Nina, die mich mit Inge Waltls (zu.viele.konsonanten) wild & köstlich – Feine Gerichte aus der Wildpflanzenküche überrascht hat. Das Buch stand zwar nicht auf meinem Wunschzettel, aber ich habe mit Interesse schon die Rezepte mit Gänseblümchen durchgeblättert – und frage mich jetzt, ob ich einfach mal eine Wiese leersammeln und verkochen sollte. Eine neue Aufgabe, yay! Vielen Dank, ich habe mich sehr gefreut.

„Bavaria‘s cuisine is a monster truck. It crumples the delicate-by-comparison culinary offerings of Spain, Italy, and France like tiny little Fiats and Peugots in its path.

Do you want to eat Bavarian food? OF COURSE YOU DO. It is rich and doughy and filling and is the only thing on the planet that can soak up German beer.“

Noch mehr Neues EINSELF!

Jetzt, wo wir hier alles anständig lesen können, weil alles so schön groß ist, habe ich auch noch einen neuen Menüpunkt gebastelt (bzw. basteln lassen, Sie wissen ja, ich lasse, ich befülle das hier nur mit Content), und dieser neue Menüpunkt heißt: Bücher. Da links isser.

Ich finde nicht alle Bücher wieder, die ich hier in den letzten knapp zehn Jahren besprochen habe, aber so alles ab 2007 ist in der Liste. Enjoy.

Deppenpost

Äh. Ja. Mailen die sich den Text erstmal intern siebzehnmal zu, bevor sie arme Blogger_innen belästigen? Niedlich.

Alles neu macht der Mai Nee, die Überschrift nehme ich nicht, ist ja nicht alles neu, und außerdem ist sie doof. Hm. Mal überlegen, was ich drüber schreibe.

Oma Gröner ist alt und hat müde Augen und keine Lust mehr auf ihre geliebte kleine Verdana. Denn meine geliebte kleine Verdana sieht nur in 12 Punkt und darunter hübsch aus; darüber finde ich sie meh. Daher hat sich mein bewährter, persönlicher Style Sheet Servant Herr jawl an die Arbeit gemacht und das Blog etwas modernisiert. Beziehungsweise dafür gesorgt, dass Oma Gröner sich beim Gucken nicht mehr so anstrengen muss.

Die Headlines sind weiterhin serif, jetzt allerdings in Cardo anstatt in Georgia, der Fließtext weiterhin sans serif, jetzt in Quattrocento sans anstatt in Verdana. Und alles eben riesengroß. Die Fotos dürfen sich statt 380px jetzt 500px breit machen, was meine iPhone-Fotos noch mieser, meine Futterfotos per Digicam aber hoffentlich etwas hübscher aussehen lässt.

Zusätzlich funktioniert dieses Blog jetzt mit diesem fancy responsive web design; den Ausdruck habe ich in einem der meist unverständlichen Kerl-Tweets über dieses Thema gelernt und wende ihn seitdem begeistert an. Das heißt, ankegroener.de passt sich jetzt deinem Screen in der Breite fließend an. Je schmaler dein Device ist (27-Zoll-Thunderbolt-Display, iPad, iPhone … oder eben was von der dunklen Seite der Macht), desto schmaler wird auch das Layout, bis es auf Smartphones schließlich nur noch die Textspalte gibt und das Menü zum Ausklappen ist. Ich probiere das gerade noch alles aus; wenn es irgendwo so richtig seltsam aussieht, gerne Mail oder DM an mich.

Sonst hat sich nix geändert. Weiterhin altmodisches Tagebuchbloggen. Ihr kennt das ja.

Mokka-Walnuss-Marmorkuchen

Das Rezept stammt von der charmanten Ostwestwind und reicht in der Menge, wie sie unten steht, für eine Gugelhupfform. Ich wollte nur was Kleines zum Spontankaffee und habe daher das Rezept halbiert und damit eine kleine Kastenform vollgekriegt.

Auch en miniature ist der Kuchen äußerst schmackhaft: ein bisschen Schokolade, ein Hauch Kaffee, eine Spur Nuss und das alles flauschig verpackt. Gerne wieder.

85 g dunkle Schokolade (bei mir Lindt 70 %),
60 ml Kaffee (bei mir Espresso),
1 TL löslicher Kaffee oder Espresso (bei mir schnödes Kaffepulver) und
30 g Butter bei kleiner Flamme zu einer Creme schmelzen.

In einer Schüssel
315 g Mehl, Type 405, mit
40 g gemahlenen Walnüssen (bei mir Haselnüsse),
1 TL Backpulver und
1 TL Salz mischen.

In einer zweiten Schüssel
225 g weiche Butter zu einer dicklich-weißen Creme verschlagen. Nach und nach
4 Eier sowie
350 g Zucker unterrühren.

In diese Creme nach und nach die gemischten trockenen Zutaten sowie
240 ml zimmerwarme Milch mischen. Laut Ostwestwind immer abwechselnd, dabei mit den trockenen Zutaten anfangen und aufhören. Keine Ahnung warum, hat aber funktioniert und geschmeckt und deswegen hinterfrage ich das nicht groß. Das Mischen geht mit dem Mixer; ich persönlich bin allerdings ein großer Fan des vorsichtigen Unterhebens per Teigschaber. Wahrscheinlich bilde ich mir das ein, aber seitdem ich nicht mehr hysterisch mixe, sondern chillig unterhebe, sind meine Kuchen fluffiger als früher.

Eine Hälfte des Teigs in die Kuchenform gießen, die zweite Hälfte mit dem Schokobutterkaffeegemisch mixen und ebenfalls in die Form geben. Mit dem Besteckteil Ihrer Wahl die Teige kurz vermischen, so dass ein Muster entsteht. Wer es kleinteilig mag, kann die Teige auch abwechselnd löffelweise in die Form füllen. Wir haben ja sonst nix zu tun.

Das Ganze für eine Stunde im auf 195° C vorgeheizten Ofen backen und beim Auskühlen den Kerl aus der Küche scheuchen. („Wieso muss der auskühlen?“)

re:publica 2012 – Tag 3

Meine Soziophobie nahm am letzten Tag noch ausgeprägtere Züge an als am zweiten: Ich hoffte sehr, dass mich niemand ansprach, und das hat auch ganz gut geklappt. Trägt wahrscheinlich nicht gerade zu meiner Reputation als echt netter Mensch bei, aber das war alles ein bisschen zu viel von allem. Abends im reinstoff in kleiner Runde konnte und wollte ich stundenlang reden, tagsüber in der Masse dagegen verschwinden und einfach nur zugucken, zuhören, aufnehmen, mich inspirieren lassen.

Dafür war das erste Panel nicht ganz so geeignet. EU-Kommissarin Neelie Kroes las ihren Vortrag fast komplett ab (auf Papier!!einself!), und dementsprechend fiel es mir etwas schwer, dabei zu bleiben. Könnte aber auch an ihren Thesen gelegen haben, die in meinen Augen keine waren: Sie wünscht sich ein möglichst freies Internet, aber zum Beispiel Kinder müssten auch geschützt werden. Äh. Ja. Das klang zwar enthusiastischer als das meiste, was deutsche Politiker_innen von sich geben, aber alleine für diese Aussage hätte ich keine halbe Stunde Zeit gebraucht.

Dafür entschädigte das nächste Panel für so manches: Marcel-André Casasola Merkle (@zeitweise) überlegte laut, wie es wäre, wenn Spieleentwickler wie er Gesetze machen würden. Der Titel des Panels klang für mich so an den Haaren herbeigezogen, dass ich es unbedingt sehen wollte – und ich kam äußerst begeistert wieder raus. Viele, viele tolle Ideen – toll, weil viel, aber auch doof, weil zu viel, um sie sich zu merken. Ich habe gerade noch im Kopf: Wenn Menschen Regeln selbst entwickeln, halten sie sich viel eher daran als wenn ihnen diese von außen aufgezwungen werden. Beispiel Twitter, wo die User selbst „Regeln“ aufstellen, wie zum Beispiel Hashtag-Nutzung, an die sich auch alle halten. Und Twitter als Anbieter hat auf diese Regeln reagiert, indem sie Hashtags irgendwann klickbar machten. (Ich hoffe, ich erinnere mich da jetzt korrekt.)

Merkle sprach über verschiedene Reaktionen, die er in den Berichten von Spieletester_innen wiederfindet: das Gefühl von Ohnmacht, Überforderung, Verkrustung, Ungerechtigkeit. Das seien auch Dinge, die der Gesetzgeber ausgleichen müsste. Monopoly diente als Beispiel für eine Möglichkeit, den Spieler_innen über einen längeren Zeitraum die Möglichkeit zur Teilhabe zu garantieren: Wer über Los zieht, bekommt automatisch Geld und kann weiter mitspielen. Der Weg zum bedingungslosen Grundeinkommen ist gedanklich kürzer als die Zeit, die ich brauche, um diesen Satz aufzuschreiben.

Oder die Tatsache, dass sowohl Spiele als auch Gesetze nicht ergebnisorientiert sind. Wir spielen, um uns gemeinsam zu unterhalten. Und Gesetze sind nicht dazu da, jemanden zu bevorzugen, sondern um ein möglichst gerechtes Miteinander aller zu ermöglichen. Aus diesen Gedanken entstand der Satz, der mein Lieblingstweet der ganzen rp12 ist: „Spiele sind nicht ergebnisorientiert. Außer Strip-Poker. Oder russisches Roulette.“ Gefolgt von: „Mensch-ärgere-dich-nicht ist nur dazu da, damit Kinder lernen, dass die Welt scheiße ist.“

Ich kann dem Panel nicht gerecht werden, weil ich nicht mitgeschrieben habe, daher fallen mir jetzt nur noch diese wenigen Fragmente ein. Ich hoffe sehr, dass der Beitrag vielleicht online gestellt wird, damit ihr ihn nachlesen könnt, denn es lohnt sich sehr. Das fand auch der sehr volle Saal; das Panel hat den bis dahin längsten Applaus bekommen, und ein Fragesteller meinte, er beantrage hiermit eine zweite Staatsbürgerschaft in dem Land, das Merkle mit Gesetzen beglücken würde. Dito.

(Edit: die taz hat Merkle interviewt.)

In hochphilosophischer Stimmung schlenderte ich zu Stage 2, um mir eben diese ruinieren zu lassen, denn dort lieferte Herr Schwenzel einen seiner traditionell unterhaltsamen Vorträge ab. Diesmal trug er den Titel Soylent Green, äh, the internet is people. Da war zwar null Neues für mich dabei (Menschen machen das Internet – ach was), aber ich würde Felix auch bei einem Vortrag Bananen sind Südfrüchte zuhören. Nach 30 statt 60 Minuten waren wir durch, und es gab keine Fragen, was die Moderatorin erstaunte, Felix aber nicht: „Ich hab keine Fragen erwartet. Ich hab ja alles erklärt.“ Genau.

Nach einer kurzen Pause, die ich zum Rumlungern auf dem Affenfelsen nutzte, dem Abblocken per Tweet/DM aller Kontaktwünsche (ich kam mir immerhin scheiße und asozial vor) und für ein paar dutzend Seiten in meiner derzeitigen Lektüre, ging ich zu Stage 1, wo Katie Jacobs Stanton, Vice President of Market Development @ Twitter, uns bergeweise Zahlen zur Twitterentwicklung und -nutzung um die Ohren warf. Sie erwähnte lustigerweise eine Sache, die auch Felix besprach: dass Fernsehen durch Twitter wieder zu einem Gruppending geworden ist. Wir gucken zwar alle auf unserer eigenen Couch, diskutieren aber mit hunderten oder tausenden Nutzern über den gleichen Inhalt. Felix erwähnte den #esc, auf den ich mich auch schon sehr freue, Katie zeigte Schaubilder zu American Idol oder den Debatten bei den republikanischen Vorwahlen, wo die Zuschauer_innen die Glaubwürdigkeit der Kandidaten per Twitter-Hashtags bewerteten, was Fox News live begleitete. Mich hat auch fasziniert, dass 90 Prozent aller NBA-Spieler auf Twitter vertreten sind und wieviele Regierungen dieses Medium nutzen (darauf kam auch der nächste Sprecher Steffen Seibert noch mal zurück). Eine Zahl ist mir auch im Gedächtnis geblieben: Bis Twitter die erste Milliarde Tweets voll hatte, vergingen drei Jahre und ein paar Monate. Heute reichen für diese Zahl gerade mal drei Tage.

Und dann brach schon das letzte Panel an: der eben angesprochene Steffen Seibert setzte sich unter großem Applaus auf die Bühne und beantwortet zunächst Fragen der Moderatorin (deren Namen ich leider vergessen habe), bevor die Fragen ans Publikum weitergereicht wurden.

Bei dem Panel wurde mir sehr deutlich bewusst, wer als Profi da oben sitzt und wer nicht. Ich unterstelle dem allergrößten Teil des Publikums, dass es nicht die CDU wählt, und trotzdem hingen alle an seinen Lippen und waren äußerst beifallfreundlich. Seibert wusste ganz genau, was für eine gute Werbeveranstaltung er da ablieferte, und er wusste auch, wie er das Publikum in den Griff kriegen konnte. Erstmal nett sein und danke sagen, dass man eingeladen wurde, zugeben, dass man ein bisschen nervös sei (habe ich ihm nicht abgekauft), dann ein paar kleine Witze in Richtung der Piraten – „Wenn wir dann das Problem der Piraten am Horn von Afrika gelöst haben … (Lacher im Publikum) … am Horn von Afrika, meine Damen und Herren“ (noch mehr Lacher) – und schließlich äußerst charmant und leutselig über die Regierung plaudern wie wir über unsere Kolleg_innen plaudern. Warum er überhaupt mit dem Twittern angefangen habe, wurde er gefragt, woraufhin er meinte, dass viele Regierungen dieses Medium nutzten: „Downing Street No 10, der Élysée-Palast, das Weiße Haus, der Kreml, der Vatikan – und man sollte doch technisch nicht hinter dem Vatikan herhinken.“

Das Panel war jetzt auch nicht übermäßig neu oder inspirierend, aber wie gesagt, ich fand den Kontrast zwischen der Professionalität des Sprechers im Gegensatz zu vielen anderen, sehr überzeugend. Und ja, ich habe mich gut unterhalten. Dafür gab’s dann auch den längsten Applaus (ich habe bei Merkle länger geklatscht, so, bäh) und den vollsten Saal, soweit ich das überblicken konnte, wobei ich ahne, dass Herr Lobo am ersten Abend ähnliche viele Zuschauer_innen gehabt hatte.

Diese re:publica hat sich für mich sehr anders und doch sehr vertraut angefühlt. Neu war: Ich habe alle Panels geguckt, die ich gucken wollte oder eben kurzfristig den Plan umgeschmissen, aber ich war dauernd in irgendwas drin. Ich habe keine Zeit zum Rumlungern oder Quatschen genutzt, sondern war jeden Tag von 10 bis 16 Uhr in Panels, am ersten Abend sogar bis 18 Uhr. Das war bisher gar nicht möglich, weil alles überfüllt war. Dafür habe ich sonst weitaus mehr Menschen getroffen bzw. mich länger als 30 Sekunden mit ihnen unterhalten. Ich weiß nicht, woran es lag, dass ich dieses Mal wirklich nur zuhören und nicht aktiv teilnehmen wollte; vielleicht weil es endlich mal ging.

Mir persönlich hat es jedenfalls sehr, sehr gut gefallen. Die Location ist großartig (nein, sie ist nicht am Arsch der Welt, sondern eine Fußminute von einer U-Bahn-Station weg), wenn mir auch ein bisschen das urbane Umfeld fehlt, das in Mitte die Mittagspausen etwas abwechslungsreicher gemacht haben. Die Vorträge waren fast durchgehend von exzellenter Qualität, und die Bandbreite hat mich sehr erstaunt und noch mehr erfreut. Ich mochte Kleinkram oder begleitende Ideen: die Monoblock-Stühle zum Rumschleppen, die man am letzten Tag sogar käuflich erwerben konnte. Die überklebten Kloschilder, weil die ursprünglichen Bilder einfach doof waren. Das Abspielen der Nyan-Cat-Musik vor jedem Panel, wo sonst in den Pausen entspannter Chillkram lief, der einem auch nach drei Tagen nicht auf den Keks ging. (Edit: klick!) Dass in der republica-space (ich habe sie bisher „open space“ genannt) wieder gemalt wurde, siehe obiges Bild. Und die Begrüßung vom Typ am Kaffeestand: „He, du warst doch gestern auch schon hier.“ Genialer Satz. Trefferquote von fast 100 Prozent, würde ich schätzen.

Liebes re:publica-Team: Tolle Veranstaltung, gerne wieder. Danke.