Tagebuchsnif 09.02.20snif

Mit halberkältetem Kopf ausgerechnet Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften anzufangen, ist vielleicht nicht unbedingt eine meiner besten Ideen, aber vielleicht gefällt mir der Stil auch gerade, weil ich etwas fiebere. Ist wie Proust, nur ohne den Zwischenschritt ÜbersetzerIn. Und mit wunderschönen, unerwarteten Wortkombinationen. Ich liebe sowas.

„Wenn man sein Haus bestellt hat, soll man auch ein Weib freien. Ulrichs Freundin in jenen Tagen hieß Leontine und war Liedersängerin in einem kleinen Varieté; sie war groß, schlank und voll, aufreizend leblos, und er nannte sie Leona.

Sie war ihm aufgefallen durch das feuchte Dunkle ihrer Augen, durch einen schmerzlich leidenschaftlichen Ausdruck ihres regelmäßigen, schönen, langen Gesichts und durch die gefühlvollen Lieder, die sie an Stelle von unzüchtigen sang. Alle diese altmodischen kleinen Gesänge hatten Liebe, Leid, Treue, Verlassenheit, Waldesrauschen und Forellenblinken zum Inhalt. Leona stand groß und bis in die Knochen verlassen auf der kleinen Bühne und sang sie mit der Stimme einer Hausfrau geduldig ins Publikum, und wenn dazwischen doch kleine sittliche Gewagtheiten unterliefen, so wirkten sie um so gespenstischer, als dieses Mädchen die tragischen wie die neckischen Gefühle des Herzens mit den gleichen mühsam buchstabierten Gebärden unterstützte.“

Nebenbei: Das Buch steht seit Jahren in meinem Schrank, aber jetzt bin ich anscheinend reif dafür, es endlich zu lesen. Beim Aufklappen fiel mir eine Amazon-Grußkarte entgegen: „Hallo Anke, wollte mich mal auf diese Weise für Dein Weblog bedanken. Ist immer wieder nett, bei Dir vorbeizusurfen. Viel Spaß und viele Grüße, Oliver“

Huch! Dank Google weiß ich jetzt: Für dieses Geschenk habe ich mich am 31. Januar 2003 bedankt. Sie sehen, liebe Leserinnen, liebe Leser, jedes Buch, das mir geschenkt wird, wird irgendwann angefangen. Doch, doch.