The Sofa News

Hole mit LoveFilm ein bisschen Filmbildung nach, indem ich nur altes Zeug in die Ausleihliste packe, das ich entweder noch nicht kenne oder nur synchronisiert. Bisherige Ausbeute: Lawrence of Arabia (ist mir zu lang, Entschuldigung, Filmgötter, aber der ist nichts für mich), Rio Bravo (hab ich dutzende Male als Kind mit Papa gesehen, ging auf Englisch 30 Jahre später irgendwie gar nicht mehr), The Italian Job (großartig), Pulp (nach 50 Minuten eingeschlafen), A Place in the Sun (auch großartig, aber mit Montgomery Clift und Elizabeth Taylor kann man ja auch kaum was falsch machen).

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Bin gerade in den dritten Band von sieben des Klassikers Auf der Suche nach der verlorenen Zeit eingestiegen. Der erste Band war ein Suhrkamp-Büchlein, noch schön in Garamond gesetzt und von 1992, wo anscheinend nicht genug Geld oder Zeit für ein paar hilfreiche Anmerkungen im Anhang war. Hat mir aber nichts ausgemacht, das Buch mäanderte auch so mit mir durch die Gegend, ich war zufrieden und eingemummelt in meinen lieben, schmeckigen Serifenbuchstaben mit dem geklecksten F, und daher hatte ich nichts zu nörgeln. Der zweite und dritte Band sind nagelneu, lila statt blau, sie haben beide ein Foto von Proust auf dem Einband und vor allem einen richtig dicken Anhang, weil auf fast jeder Seite mir mindestens zwei Fußnoten irgendwas erzählen möchten. Das habe ich anfangs ignoriert – im ersten Band hab ich ja auch keine Sekundärliteratur gebraucht –, aber irgendwann siegte natürlich die Neugier über die Bequemlichkeit, dauernd aus dem Lesefluss gerissen zu werden, um 600 Seiten weiter hinten drei Zeilen über einen Maler oder Schriftsteller oder Koch zu lesen, die heute niemand mehr kennt. Ich glaube nicht, dass es mich wirklich weitergebracht hat, diese Namen erklärt zu bekommen, aber ich habe angefangen, darüber nachzudenken, ob man in zwanzig Jahren auch einen Anhang für die heutige (oder auch schon wieder gestrige) Popliteratur braucht. Ich mag ja Bücher oder Filme, bei denen ich mir schlau vorkomme, weil ich irgendwas dechiffriert habe. Aber hat irgendjemand in zwanzig Jahren noch den gleichen Spaß daran oder sind derartige Bücher schon zwei, drei Jahre nach ihrem Erscheinen belanglos geworden, weil sie ohne die Referenzen nicht mehr funktionieren?

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Habe mir den sechsten Reiseführer aus der Vis-a-vis-Reihe von Dorling-Kindersley gekauft. Auch wenn ich noch nicht vollständig in New York, Washington und Rom war – mein Kopf kennt die Städte schon auswendig.

(Beim Linksuchen gesehen: Es gibt einen Hamburg-Reiseführer. Huschhusch ins Einkaufskörbchen.)

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Die letzten 20 Jahre habe ich nie hinterfragt, ein Auto zu besitzen. Als Landei hat man ja die Tage gezählt, bis man endlich 18 war und damit nicht mehr auf die drei Busse angewiesen war, die durch die Dörfer zuckelten und ab 20 Uhr den Betriebsschluss einläuteten. Durch die Monate in Berlin und die Lustlosigkeit, mich hier in Hamburg um meinen natürlich mit inzwischen leerer Batterie in der Tiefgarage vor sich hinschlummernden BMW zu kümmern, bin ich fast ein Jahr nicht mehr Auto gefahren. Als ich vor zwei oder drei Wochen wieder damit angefangen habe, kam mir alles auf einmal irrsinnig hektisch vor. Wie habe ich mich jemals auf den ganzen Quatsch konzentrieren können? Fahrspuren, Fußgänger, Radfahrer, Zebrastreifen, Straßenverhältnisse, Umleitungen und die Wahl des richtigen Radiosenders? Inzwischen geht’s wieder, aber im vorgestrigen Feierabendstau habe ich mich ganz dringend nach den iPodlärmigen Jungs, den breitbeinig dasitzenden Kerlen, den müden Müttern, den plärrenden Kindern und kreischenden Mädchen im Bus oder in der Bahn gesehnt – denn das hätte ich alles ausblenden können, indem ich ein Buch aus dem Rucksack ziehe.

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Bin gerade mal wieder dankbar. Dass ich soviele Bücher um mich rumstapeln kann, dass ich Zeit habe, sie zu genießen, dass es nie aufhört, spannend und aufregend und mitreißend und traurig und lustig und eine ganze andere Welt zu sein, eine Seite umblättern zu können.