Kauf mich

Bestseller, das Magazin von HORIZONT, schreibt in seiner neuesten Ausgabe über Business- bzw. PR-Blogs, allerdings nur aus den USA. Neben dem üblichen Blabla, wie toll Weblogs doch als virales Marketing-Instrument sind, erwähnt Bestseller auch die Kampagnen, die in die Hose gegangen sind, wie z.B. das falsche Blog von Dr. Pepper (Herr Hebig berichtete) oder den neuesten Fake, den sich Mazda geleistet hat. Im Oktober hatte die Firma auf bloggger.com ein Blog gestartet, auf dem es nur zwei Einträge gab – und die waren ganz tolle Autowerbespots. Die Blogosphäre war not amused und zitiert Mazda seitdem schön als Negativbeispiel. (Wobei ich mich gerade frage, ob nicht auch schlechte Publicity immerhin Publicity ist.)

Im Artikel wird auch der Milchproduktehersteller Stonyfield erwähnt, der den Begriff „Weblog“ zwar etwas anders interpretiert, als die Weblogbedeutungsmafia es gerne hätte – “WHAT IS A BLOG? An online, on-going chat. A chance for you to look inside Stonyfield and get to know us, and us to know you.” –, aber die Sache immerhin ernst nimmt. Stonyfield bietet gleich vier Weblogs an, die jeweils ein anderes Thema zum Schwerpunkt haben, z.B. wie machen wir unsere Jogurts, was passiert auf unseren Milchfarmen etc.

Weiterhin geht der Artikel auf das für den „Normalblogger“ sicherlich spannendste Thema an: Was darf ich über meine Firma schreiben und was eben nicht? Es besteht ein Unterschied zwischen Bloggern, die im Auftrag eines Unternehmes schreiben und denen, die zwar einen Job haben, aber laut Schweigeklausel im Vertrag lieber nichts darüber erzählen sollten. Fälle von Kündigungen sind bekannt, wie zum Beispiel dieser Artikel aus der WIRED berichtet (via Schockwellenreiter). Dann lieber gleich unter dem Schutzmäntelchen des eigenen Konzerns bloggen, wie die Microserfs bei Bill Gates. Aber auch hier ist sicherlich eine gewisse Zurückhaltung nötig oder wenigstens eine blogging policy, wie sie zum Beispiel Charlene Li vorschlägt.

Ich persönlich bin immer noch etwas zwiegespalten, was das PR-Bloggen angeht. Ich weiß nicht, ob der Reiz, den ein Weblog für mich ausmacht – der persönliche Ton und das Vertrauensverhältnis, das man mit „seinem“ Lieblingsschreiber aufbaut –, nicht doch verlorengeht, wenn ich weiß, dass der Autor nun im Auftrag einer Firma über ein Produkt schreibt. Halbwegs passendes Beispiel: Wenn ich für Paramount Pictures bloggen würde, würde man mir eine positive Kritik eines Films noch abnehmen oder würde vielleicht doch der leise Verdacht aufkommen, dass ich nur nett zu dem Werk bin, weil ich auf der Gehaltsliste des Konzerns stehe? KANN ich überhaupt meine Unabhängigkeit bewahren, wenn ich für eine Firma schreibe? Und wenn ich das nicht kann, was unterscheidet dann ein Businessblog von den üblichen jubelnden Pressemitteilungen?

Ich sehe in Weblogs eher einen Nutzen für die firmeninterne Kommunikation. Statt eines Intranets, das nur von wenigen gepflegt wird, könnte ein Weblog dazu führen, dass auch andere interessierte Mitarbeiter sich hin und wieder zu Wort melden. Ein Gruppengefühl entsteht, das sonst vielleicht nicht oder in geringerem Umfang da gewesen wäre. Die Kommunikation wird schneller, einfacher, unmittelbarer – so wie sich Nachrichten in der Blogosphäre auch schneller verbreiten als von Ticker zu Ticker. Ein Link, ein Klick, ein neuer Leser.

Und natürlich können Weblogs ein wunderbares Instrument zur Eigenpromotion sein, ob nun gewollt oder nicht. Es gibt Blogger, die durch ihr Weblog fast zufällig zu einem Buchvertrag gekommen sind (nein, ich rede nicht von Blogs!) oder zu einer Kolumne. Ich persönlich habe mein Weblog in meiner letzten Bewerbung angegeben; für meinen derzeitigen Arbeitgeber war es laut Eigenaussage spannend zu sehen, in welcher Kontinuität und vor allem Qualität ich schreibe. Auch wenn mein Chef während der Gehaltsverhandlung ausgerechnet den einen Fragebogen gerne zitiert hat, in dem ich über Geld sage, dass es mir nicht wichtig ist. Den sollte ich auf jeden Fall nochmal editieren.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich für eine ausgewogene Berichterstattung zu bestimmten Produkten eher ein firmengesponsertes Weblog lesen will oder doch lieber eine unabhängige Community wie dooyoo oder ciao, auch wenn die Beiträge dort des Öfteren sprachlich für die Tonne sind. Aber immerhin verschaffen sie mir einen Ãœberblick über Vor- und eben auch Nachteile eines Produkts. Denn, wie gesagt, wie unabhängig kann ein bezahltes Weblog sein? Wess’ Brot ich fress, dess’ Lied ich doch immer noch sing, oder?

5 Antworten:

  1. Ich denke, dass PR-Blogs gar nicht in erster Linie das Produkt anpreisen und bewerben müssen, sondern z.B. über den Entstehungsprozess eines Produkts berichten können. Das wäre beispielsweise im Fall Paramount nicht uninteressant.

    Eines der größten Image-Probleme vor allem großer und kapitalstarker Konzerne ist sicherlich ihre Unpersönlichkeit und Undurchschaubarkeit für den durchschnittlichen Konsumenten. Die könnte zum Teil durch ein PR-Blog aufgehoben werden.

    Auch in Ausnahmesituationen – wie z.B. einer Rückrufaktion eines PKW- oder Konsumgüterherstellers – könnte es Vertrauen und Unmittelbarkeit erzeugen, wenn es auch vorher gepflegt wurde.

  2. Ach, ich denke, wie die Jungs in der Regel ticken, wäre das auf jeden Fall für die Katz. Wer von einem Produzenten für’s Bloggen bezahlt wird, ist einfach abhängig (sonst würde er es nicht tun) und daher ist seine Meinung den Monitor nicht wert, auf dem sie steht. Und was das Thema “Entstehungsprozess eines Filmes” angeht: Man muss sich nur mal diese Promo-Making-Of’s ansehen, dann weiß man,w as dabei rauskommen würde. Interne Kommunikation – das glaube ich auch, wenn da was zugelassen wird. PR? Nein. Oder es gibt etwas, das geht, das ich mir nur nicht vorstellen kann, sagen wir: Max Goldt bloggt für Always Ultra. Das würde ich auch lesen.

  3. http://www.sifry.com/alerts/archives/000390.html

  4. Warum so theoretisch? Warum nicht ein nettes kleines Experiment am lebenden Patienten? Eins auf dieser Seite? Hab gerade den McBlog ein paar Einträge weiter oben gelesen. Wunderbar! Das ist PR! Hat doch alles: Ist nicht plump, ist witzig, unterhaltsam, Marke, Produkt und Preis werden namentlich genannt, sogar mehrfach, auch von verschiedenen Personen, alles wirkt lecker, locker, lustig, authentisch, anregend. Durch die Hintertür. Macht Hunger. Verkauft. Trojanisches Pferd und so.

    Sag, Anke, gab’s Geld dafür? Einjahresgutschein bei McDonald’s für ab und zu einen Running-Burger-Gag, hm? Könnte sein, gell? Wäre das dann widerliche, schleimige, anbiedernde PR? Wäre die Glaubwürdigkeit von ankegroener auf einen Schlag verspielt? Schleicht uns jetzt der Argwohn ins Gemüt? Kann man dem SPIEGEL noch vertrauen, weil er Werbung druckt?

    Wie sich der Blick auf die Dinge ändert, wenn man veränderte Voraussetzungen unterstellt … ;-)

  5. Gerade für emotional oder politisch „geladene“ und/oder besonders innovative Produkte und Dienstleistungen bieten sich Blogs meiner Meinung nach schon ausgesprochen gut an. Ich könnte mir etwa vorstellen, dass Anbieter von besonders ökologischen oder fair produzierten Gütern ihr product statement durch Weblogs besser mitteilen können – mit Hintergrund-Infos über die Materie, Randnotizen und Kommentaren über die politische und technische Entwicklung auf dem Gebiet, Links zu aktuellen Artikeln zum Thema.