Schönes neues Wort gelernt:

„Am Abend traf ich den Grafen Chojnicki in unserem Café Wimmerl. Ich wußte wohl, daß man ihm kaum einen größeren Gefallen bereiten konnte, als wenn man ihn bat, für einen seiner Landsleute Vergünstigungen zu verschaffen. Er hatte nicht nur keinen Beruf, er hatte auch keine Beschäftigung. Er, der in der Armee, in der Verwaltung, in der Diplomatie eine sogenannte »brillante Karriere« hätte einschlagen können und der sie geradezu ausgeschlagen hatte, aus Verachtung gegen die Trottel, die Tölpel, die Pallawatsche, alle jene, die den Staat verwalteten und die er »Knödelhirne« zu nennen liebte, machte sich ein delikates Vergnügen daraus, Hofräte seine Macht fühlen zu lassen, die wirkliche Macht eben, die gerade eine nicht-offizielle Würde verlieh. Und er, der so freundlich, so nachsichtig, ja entgegenkommend Kellnern, Kutschern, Dienstmännern und Briefträgern gegenüber war, der niemals versäumte, den Hut abzunehmen, wenn er einen Wachmann oder einen Portier um irgendeine gleichgültige Auskunft bat, bekam ein kaum wiedererkennbares Gesicht, wenn er eine seiner Protektionsdemarchen am Ballhausplatz, in der Statthalterei, im Kultus- und Unterrichtsministerium unternahm: Ein eisiger Hochmut lag, ein durchsichtiges Visier, über seinen Zügen. War er noch unten vor dem livrierten Portier am Portal einigermaßen herablassend, manchmal sogar gütig, so steigerte sich sein Widerstand gegen die Beamten sichtbarlich bei jeder Stufe, die er emporstieg, und war er einmal im letzten Stock angekommen, machte er den Eindruck eines Mannes, der hierhergekommen war, um ein fürchterliches Strafgericht zu halten. Man kannte ihn schon in einigen Ämtern. Und wenn er im Korridor dem Amtsdiener mit einer gefährlich leisen Stimme sagte: »Melden Sie mich beim Hofrat!«, so fragte man nur selten nach seinem Namen, und geschah es dennoch, wiederholte er, womöglich noch leiser: »Melden Sie mich sofort bitte!« Das Wort »bitte!« klang allerdings schon lauter.“

Knödelhirne Herzchen-Emoji.

Joseph Roth: „Die Kapuzinergruft“, München 2009 (deutsche Erstausgabe 1949? so steht’s in meinem Taschenbuch), S. 28. Oder beim Gutenberg-Projekt.