Tagebuch Donnerstag, 20. Mai 2021 – Zweitgeimpft

Ich war nicht mehr ganz so angespannt wie vor der Erstimpfung, ich konnte dieses Mal auch in der U-Bahn zur Messe lesen, mir fiel aber auf, dass sich meine Wahrnehmung einer zu höchstens einem Viertel besetzten U-Bahn geändert hat: Von „Oh cool, überall Platz“ bis hin zu „Ach du Scheiße, überall Menschen!“ Mal sehen, wann das wieder weggeht.

Ich stieg gleichzeitig mit einem Herren aus dem Bus, der einen von der U-Bahn bis vor die Tür des Münchner Impfzentrums bringt. Auch er steuerte profimäßig auf die erste Drehtür des Gebäudes zu, hinter der sich die Menschen sammeln sollten, die zur Zweitimpfung aufliefen. Erneut riefen Freiwillige, welche Tür für wen ist, ich hörte kaum noch zu, ich bin ja auch schon Profi. Es wurde wieder kontaktlos Fieber gemessen, „Zur Zweitimpfung? Danke, Sie können weitergehen.“ Dann musste man wieder den Perso vorzeigen, dieses Mal in Kombination mit dem Zettel, den man bei der Erstimpfung mitbekommen hatte („Dokumentation Erstimpfung“). Dann durfte ich wieder durch den Gang gehen, nach dem ich beim letzten Mal links abgebogen bin und von dem es zu der großen Halle mit den Anmeldungen geht. Dieses Mal ging’s nach rechts, der Herr aus dem Bus weiterhin zehn Meter vor mir. Er zeigte einer der zwei Freiwilligen erneut seinen Zettel, auf dem der Impfstoff vermerkt wurde. Ich sah in der Halle schon die verschiedenen, mit Seilen abgetrennten Gänge mit den Impfstoffnamen, der Herr steuerte auf einen Biontech-Gang zu, ich wollte ihm wieder hinterherlaufen, wurde aber anders eingewiesen: „Bitte zwischen den zwei roten Linien lang.“ Oh, Fußbodenmarkierungen, die waren mir beim ersten Mal gar nicht aufgefallen.

Ich ging also auf einem anderen Biontech-Weg lang als mein Vorgänger, der steuerte auch den Kabinenblock an, in dem ich meine Erstimpfung erhalten hatte. Meine Seile lotsten mich weiter, ich war etwas verwirrt, dachte, dass ich gleich schon in der Wartezone wäre, in der man nach der Impfung noch etwas ausruhen soll, aber dann sah ich, natürlich, einen zweiten Kabinenblock. Dort kam gerade ein anderer Herr an, der von der Einweisedame nur mit Impfstoffname angesprochen wurde, aha, die Bodenmarkierungen sind nicht nur Deko, wer hätte es gedacht. „Moderna?“ Der Herr bejahte und wurde weitergelotst. Dann kam ich: „Biontech?“ Ich bejahte ebenfalls, wurde gebeten kurz zu warten, die Dame suchte eine freie Kabine, winkte mich heran, zog hinter mir den Vorhang zu, und noch bevor ich die Jacke ausziehen konnte, stand schon der Mediziner im Raum.

Ich setzte mich, beanwortete die Fragen, mir geht’s gut, mir ging’s die ganze Zeit gut, alles prima, aber eins wollte ich noch wissen. Ich hatte mich vor ein paar Tagen spaßeshalber auf der Seite des Impfzentrums eingeloggt, auf der meine Termine hinterlegt sind. Dort las ich verwirrt, dass noch keine Erstimpfung stattgefunden hatte. Ich kopierte mir daher vorsichtshalber den Zettel mit der Dokumentation der Erstimpfung, weil ich dachte, dass mir der vermutlich wieder abgenommen werden würde. Wurde er nicht, ganz im Gegenteil, „den bewahren Sie bitte gut auf, genau wie den von heute. Kopie machen ist immer gut.“ Diese Zettel sowie natürlich mein Impfpass sind nämlich die einzigen Belege, dass ich geimpft wurde; wenn die Zweitimpfung durchgeführt wurde, fliege ich nach einer kurzen Zeit automatisch aus dem System, und dann existiert kein digitaler Nachweis mehr. Der eh nicht wirklich existiert hat, weil keine Impfung verzeichnet wurde, obwohl ich eine erhalten hatte. Ich bin schon sehr gespannt darauf, wer mir einen digitalen Impfpass ausstellen wird oder ob die QR-Codes auf den Zetteln mir da irgendwie weiterhelfen.

Die Zweitimpfung ging ebenso zackig voran wie die erste, ich wurde wieder in den Warteraum geschickt, aber davor bekam ich noch meinen Stempel; dieses Mal nur auf die Dokumentation, den im Impfpass hatte ich schon in der Kabine bekommen. Ich wurde von einem Orthopäden geimpft, wie mir der Stempel mitteilte. An den kleinen Schaltern für den zweiten Stempel geriet ich an eine junge Dame, die sich sehr darüber freute, dass ich schon zum zweiten Mal da war, woraufhin ich mich auch endlich mal offensiv freute und „Yeah“ sagte und die Beckerfaust machte, was sie dann auch tat. Das war schön.

In der Wartezeit schickte ich F. die übliche DM, der mit dem Emoji für den Roboterarm antwortete, worüber ich sehr lachen musste. Gesamtzeit Betreten der Halle bis Warteraum: gute fünf Minuten. Irre.

Auch dieses Mal nahm ich brav den Bus zurück anstatt zu Fuß zu gehen, um mich zu schonen, und merkte zu Hause, dass ich irrsinnig müde war. Ich hielt es noch ein paar Stunden mit Lesen, Kochen und Dösen aus, bis ich um 22 Uhr ins Bett fiel, also zwei Stunden vor meiner üblichen Zeit. Dieses Mal tat nicht mal die Einstichstelle weh wie noch beim ersten Mal, heute morgen ist sie etwas empfindlich, aber das fiel mir erst auf, als ich mein T-Shirt anzog und sie dabei anscheinend berührte. Ich trage weiterhin alles bei der SafeVac-App ein, obwohl ich mir ein bisschen albern dabei vorkam, „Müdigkeit“ einzutragen, aber so sei es.

Ab dem 3. Juni ist mein Impfschutz komplett und den ersten Aufenthalt im Kunstarchiv habe ich schon gebucht. #fuckcorona #thankyouscience