Was schön war, Samstag/Sonntag, 25./26. Juli 2020 – Nähen und lernen

Am Samstag nähte ich ein zweites Top nach demselben Schnittmuster bzw. meinen ausgeschnittenen Papierbögen wie am Freitag. Auch das Ergebnis kann ich noch nicht komplett vorzeigen (oder überhaupt), weil ich daran noch einiges ändern werde, aber ich stand am Samstag aus Ermangelung eines Ganzkörperspiegels auf der Leiter vor meinem Badezimmerspiegel und bewunderte mein Werk an mir und fand alles ganz großartig.

Das helle Top vom Freitag war ein Stoff gewesen, den ich nicht hätte anziehen wollen, weiß ist überhaupt nicht meine Farbe. Im Nachhinein ärgere ich mich ein winziges bisschen, dass ich den Stoff nicht als Tischdecke verwendet habe – als ich ihn auf dem ausgezogenen Küchentisch ausbreitete, um zu schauen, ob die Stoffmenge für das Top überhaupt reicht, war mein erster Gedanke: Och, das lass ich gleich so liegen. Aber dann zerschnitt ich ihn doch, und als Übungsstoff war er auch perfekt, weil er recht dünn war und sich gut nähen ließ. Außerdem habe ich deutlich mehr weißes und schwarzes Garn im Nähkästchen als farbiges (danke, Oma) und musste so nicht mittendrin Angst davor haben, die letzten Nähte möglicherweise in Rot nähen zu müssen, weil Weiß aus war.

Das zweite Top sollte durchaus eins sein, das ich so draußen, so unter Menschen mit Augen tragen könnte, ganz eventuell. Daher griff ich zu einem dunkelblauen Stoff, eine Farbe, aus der ich gerade meine gesamte Garderobe zusammenstelle, falls ich etwas nachkaufe, denn ich sehe gut darin aus und alles passt zu allem. Eine meiner lockeren Bekannten trägt immer, wenn ich sie sehe, was meist eher im professionellen Umfeld passiert, einen blauen Hosenanzug, darunter dunkle Blusen oder Tops, und sieht immer perfekt aus. Manchmal sind es schlichte Halbschuhe, manchmal die guten alten Chucks dazu, aber wie gesagt, immer passend. Dieses Outfit werde ich klauen, denn nichts langweilt mich mehr, als über meine Optik nachdenken zu müssen. Vielleicht ändert sich das mit dem Nähen, aber eigentlich würde ich hier ganz gerne Dinge gnadenlos vereinfachen und meinen Kopf zu Wichtigerem benutzen.

(Einschub: Mein normalerweise einziges Schmuckstück neben meinem Silberring, nämlich Ohrringe, trage ich im Moment nicht: Brillenbügel, Mund-Nasen-Schutz-Bändchen und Ohrhänger gleichzeitig nerven total.)

Zurück zum Top und zum blauen Stoff, der auch ein bereits zugeschnittenes und damit günstiges Teil vom Ausverkaufstisch beim Karstadt gewesen war. Je länger ich ihn in der Hand hatte, desto besser gefiel er mir und deswegen gab ich mir dieses Mal etwas mehr Mühe als beim ersten Top, wo ich einfach nur verstehen wollte, was ich eigentlich machen muss, bevor ich mir Mühe gebe. Daher achtete ich dieses Mal brav auf alle Abstände, maß teilweise noch einmal nach – und beging gleich beim ersten Zuschneiden einen Fehler. Der Ausschnitt des Tops war mir zu tief, den wollte ich einfach drei, vier Zentimterchen höher setzen. Beim Vorzeichnen auf dem Stoff verwechselte ich komplette Matschbirne aber ernsthaft das Armloch mit dem Halsausschnitt – fragt nicht – und schnitt daher falsch aus. Habe ich das also auch hinter mir. Wird mir nie wieder passieren. *hust*

Ich stellte interessiert fest, dass sich dieser Stoff null bügeln ließ. Beim helleren Top brauchte ich nicht einmal Stecknadeln, so schön fest und klar lagen die vorgebügelten Kanten vor mir, bevor ich sie durch die Nähmaschine schob. Bei diesem Stoff, von dem ich nicht weiß, wie er heißt (wo ist die Fachbibliothek für Textilkunde?) hielt nichts, nicht mal eine Andeutung einer Kante blieb übrig, sobald ich das Eisen vom Stoff nahm. Faszinierend, faszinierend. (Arschlochstoff. Dann wirst du halt gepiekt.) Stecknadeln sind theoretisch super, aber gefühlt verletze ich mich daran öfter als mit scharfen Messern beim Kochen, Nervensägen, praktische. Ich steckte also einen Saum fest, nähte, steckte den nächsten fest, nähte … ich hatte überlegt, erst alles abzustecken und dann alles zu nähen, ahnte aber, dass ich mich beim mehrfachen Stoffwenden blutig stechen würde. Die Angst der Anfängerin vor ihrem Werkzeug.

Das Konzept des Brustabnähers ist super, nur der Name nervt, auch wenn er genau das aussagt, was er aussagen soll: Man zieht quasi den Stoff, der sonst sinnlos vor der Brust rumhängen würde, durch eine Naht unterhalb der Büste nach hinten, so dass man vorne keinen halben Meter Stoff vor sich herschleppt. Hier orientierte ich mich am Schnittmuster und maß nicht noch einmal bei mir selbst, schlicht weil ich gar nicht gewusst hätte, wo ich hätte messen sollen. Nach dem Nähen wusste ich: Bei Burda-Schnittmustern den Abnäher zwei Zentimeter höher ansetzen. Ta-daa, WAS GELERNT! (Werde jetzt bei jedem Renaissancebild mit römischen Tuniken Brustabnäher vermissen.)

Dann war das Top fertig, ich schlüpfte hinein – und fand den Fall des Stoffs und das Tragegefühl schon mal ziemlich super. Die Länge war perfekt, auch die Armlöcher waren nicht mehr so knapp wie beim ersten Exemplar, nur der Ausschnitt war immer noch zu weit. Logisch. Ich steckte mir drei Falten ab, wie ich es tausendmal bei Project Runway gesehen hatte und nähte die per Hand fest, weil ich mich mit der Nadel in der Hand immer noch etwas sicherer fühle, gerade bei so sichtbaren Stellen wie dem Ausschnitt. Erneut reingeschlüpft – und es passte. Es passte! Menschen mit normaler Konfektionsgröße können das Gefühl vermutlich nicht ganz nachvollziehen, wie es ist, ein Kleidungsstück anzuziehen – und es passt. Das war ein fantastisches Gefühl! Gleich mal den Lieblingskundenblazer drübergezogen (bei dem ich demnächst todesmutig die Ärmel kürzen werde) und mich fantastisch gefühlt. Also wenn man davon absieht, dass ich verschwitzt war, nur Leggings unter dem schicken Oberteil trug und auf einer Leiter vor dem hohen Badezimmerspiegel stand, um meinen gesamten Oberkörper ansehen zu können.

Ein paar Nähte werde ich wieder auftrennen und per Hand nochmal nähen, die könnten etwas hübscher sein, aber ansonsten habe ich jetzt ernsthaft ein Kleidungsstück genäht, mit dem ich mich auf die Straße bzw. in Meetings und ins Theater trauen würde. Damit habe ich selbst nicht gerechnet, und deswegen war ich das ganze Wochenende sehr gut gelaunt.