Tagebuch Mittwoch, 25. März 2020 – Dreckstag

Vielleicht hätte ich den Tag nicht damit beginnen sollen, This is Us zu gucken. Oder mir vom Mütterchen am Telefon erzählen lassen, dass sie es gerne mal vergisst, draußen Abstand zu den Leuten zu halten, „das ist halt so drin.“ „MAMA!!!“ Und dann kam noch eine Mail vom hessischen Wirtschaftsarchiv, an das ich eine Frage zu einem Gemäldeverkauf von Protzen gerichtet hatte; auf die Antwort hätte ich auch gerne verzichtet, wieder ne schöne Theorie im Eimer und ein Eintrag im Werkverzeichnis mehr, den ich mir nicht erklären kann.

Da half auch keine Tannhäuser-Ouvertüre. Ich versuche die nächstbeste Strategie – Keksebacken –, aber die Dinger waren auch eher so naja, ich weiß echt nicht, wie ich dieses simple Rezept verkacken konnte, aber hey, Dreckstag halt. Selbst eine schöne selbstgemachte Pizza konnte mich nicht aufheitern, und mal ehrlich, wenn mich NICHT MAL PIZZA AUFHEITERN KANN HERRGOTTNOCHMAL.

Irgendwann ging ich mir selbst auf die Nerven, zog meine Sneakers an, steckte eine Atemschutzmaske ein und ging eine Runde über den Friedhof in meiner Nähe. Die Maske hatte F. mir letzte Woche vorbeigebracht, die hatte er sich mal für Wacken gekauft, um bei sehr trockenem Wetter in der Moshpit nicht an Staub zu ersticken. Hatte er aber nicht gebraucht, jetzt habe ich eine und er hat auch noch eine. Ich werde sie wohl zum Einkaufen morgen gleich ab Haustür aufsetzen, denn ich ahne, dass man sich im Supermarkt nicht so wirklich richtig aus dem Weg gehen kann.

Das ging aber auch auf dem Weg zum Friedhof und auf diesem selbst auch nicht so recht, nur wenige Menschen auf dem Gehweg gingen bewusst einen Schritt nach rechts, wenn ich das tat, damit wir möglichst weit voneinander entfernt aneinander vorbeikamen. Irgendwann ging ich auf der Straße, weil mir das alles zu blöd wurde. Der Friedhof war fest in der Hand von Joggenden und Walkenden, auch da schaffte ich nicht mal eine Runde, ohne dauernd ins Gestrüpp steigen zu müssen, bevor ich ihn wieder verließ. Trotz allem fühlte ich mich besser, als ich wieder nach Hause kam, und merke mir für die nächsten Wochen: lieber radeln statt gehen. Das dürfte jetzt sogar auf der Leopoldstraße funktionieren, yay!

Nach dem Nachhausekommen natürlich als allererstes Hände gewaschen, dann zum ersten Mal in meinem Leben meinen eigenen Schlüsselbund mit Sagrotan besprüht, das garantiert nicht gegen Coronaviren hilft, aber es hat sich angefühlt wie ein bisschen Kontrolle über IRGENDWAS zu haben. Daher bin ich auch immer noch begeistert vom Drosten-Podcast: weil er mir jeden Tag vermittelt, dass geforscht und weitergedacht wird. Mir persönlich hat es zum Beispiel geholfen, mal über die Studie mehr zu erfahren, in der nachgewiesen wurde, dass das Virus auf unbelebten Oberflächen weiter existiert. Zu hören, dass die Konzentration des Virus dramatisch nachlässt, hat meine eigene Panik vor Türklinken und Einkaufswagengriffen deutlich verringert. (Im Skript auf Seite 2 nachzulesen.)

Abends sehr den körperlichen Kontakt zu Menschen vermisst. Okay, eigentlich nur zu einem.

Was den Tag ein bisschen rettete, waren nette Mails, ein sehr überraschender Brief (endlich mal wieder am Briefkasten gewesen) und ein paar Tweets bzw. Insta-Storys, in denen Menschen sich über unsere Klassik-Playlist gefreut haben. Das war schön. Gabriel schreibt übrigens noch eine Runde über Klassik in der Krise beim Krautreporter.

Und mein Sauerteigbrot ist was geworden! Es ist nicht ganz so aufgegangen wie gehofft, aber mein Ansatz war auch noch im Säuglingsstadium; ich habe ein winziges bisschen Hefe zum Teig gegeben. Geschmacklich finde ich es sehr gut. Next step, wenn ich mich wieder traue, Pakete zu empfangen: Roggensauerteig. Roggenmehl habe ich nämlich noch nie im Haus gehabt, das muss ich bestellen oder in irgendeinem Biomarkt finden.