Tagebuch Mittwoch, 22. Januar 2020 – Austausch

Vormittags ins Archiv gefahren, wo leider immer noch nicht die Bestände für mich lagen, die ich Montag vor einer Woche per Mail bestellt hatte. In die betreffende Abteilung gestapft, wo man mir letztes Mal gesagt hatte, ich sollte doch bitte nicht vorbeistapfen, sondern per Mail bestellen und dort jemanden angetroffen, der sich für die Umstände entschuldigte und mir persönlich die Bestellzettel ausfüllte. Das war mir gar nicht so recht, weil die Zettel bitteschön in aufsteigender Reihenfolge der Inventarnummern ausgefüllt werden sollen und die hatte ich beim Online-Raussuchen natürlich nicht sortiert. Wieder einen mittelprächtig dämlichen Eindruck hinterlassen, aber zugesichert bekommen, dass die Bestände dann heute vormittag jetzt echt mal für mich im Lesesaal wären. Die kleine Doktorandin ist vorfreudig-gespannt.

Eigentlich hatte ich als Alternativplan die Historicumsbibliothek geplant, aber jetzt war ich doch irgendwie schlecht gelaunt. Außerdem war morgens ein Bus ausgefallen, weswegen ich 20 Minuten lang an der Bushaltestelle stand mit bräsig angezogenen Sneakers anstatt vernünftiger Stiefel, weswegen ich zur schlechten Laune auch noch kalte Füße hatte. Daher: Fahrt nach Hause mit Abstecher über den Lieblingsmetzger. Im Kühlschrank lagen noch grüne Bohnen, die wegmussten, und obwohl ich die prima vegetarisch zubereiten kann, hatte ich Lust auf Bohnen mit Speck. Also ein Stück Speck gekauft und dafür mehr bezahlt als für drei Kilo Gemüse. Vermutlich korrekt so.

Tee gekocht, an den Schreibtisch gesetzt und an der Diss gepuschelt. Antworten von verschiedenen Archiven bekommen, meist nicht das, was ich hören wollte, aber immerhin Antwort. Dann endlich mal eine Mail an den Doktorvater aufgesetzt mit der Bitte um einen Gesprächstermin, der letzte war ja nun auch schon wieder ein halbes Jahr her, und vielleicht sollte ich ihm irgendwann mal sagen, dass meine Arbeit jetzt eine etwas anders geartete Grundthese hat. Um ihn auf den neuesten Stand zu bringen, formulierte ich eine neue Gliederung, die bisher nur in meinem Kopf existiert hatte. Und bei dieser Arbeit merkte ich zum ersten Mal, dass ich schon sehr weit gekommen bin und seit ein paar Wochen durch diverse Funde in Münchner Archiven auch endlich weiß, wo genau ich jetzt hinwill. Auch die wenigen Kapitel oder Exkurse, die ich bisher noch mit „eventuell hinter dieses Kapitel? Oder doch hinter das? Oder ganz raus?“ im Hinterkopf hatte, fanden plötzlich ihren Platz, und als ich nach ungefähr zwei Stunden auf das Dokument guckte, stellte ich erstaunt und befriedigt fest: Da ist meine Diss. Muss ich nur noch fertigschreiben.

Hier wahlweise *wimmer* oder *Archivfaust!* oder *OMG* einfügen. Oder die Emoji-Jubeltröte.

Am späten Nachmittag traf ich mich mit einer Kommilitonin, die sich mit einer der Ausstellungen befasst, die NS-Kunst in der Bundesrepublik ausgestellt haben. Sie konnte mir ein paar Vermutungen bestätigen, die ich in Bezug auf diese Ausstellung hatte, und ich versprach ihr eine total tolle Fußnote als Dankeschön.

Gut gelaunt nach Hause gekommen und statt Bohnen mit Speck lieber Spaghetti Carbonara gemacht. Wenn schon mal Speck im Haus ist!

Gemeinsam eingeschlafen.