Was schön war, Freitag, 28. Dezember 2018 – Compact-Disc-Kauf

Die Besatzung des Fehlfarben-Podcasts plus eine Begleitperson war im Haus der Kunst verabredet, um sich pflichtschuldig die Retrospektive von Jörg Immendorff anzuschauen. Wir hatten nicht über die Ausstellung podcasten wollen, aber jetzt, nachdem wir sie gesehen haben, ärgerten wir uns doch ein bisschen darüber – da hätte man schön Gesprächsstoff gehabt. Komisch, dass sich Immendorff so nach Pflicht im Vorfeld angefühlt hatte – so fühlt sich die Ausstellung nämlich überhaupt nicht an. Sie ist zwar, logisch, wir haben ja keine 80 Räume zur Verfügung, ein arg konzentrierter Ritt durch sein Schaffen, aber zeigt, soweit ich das beurteilen kann, aus jeder Schaffensphase Werke, die eben diese Zeit gut verdeutlichen.

Ich fand es spannend, seine politischen Werke im Kontext zu sehen – also nicht nur ein Werk, sondern mehrere, die seine Position zeigen. Überhaupt fand ich es schön, einen Künstler mit einer Position zu sehen, einem selbstgestellten politischen Auftrag, halt mehr als hübsche Wanddekoration. Und wie er sich immer und immer wieder an der deutschen Geschichte, an der deutschen Teilung, an sich selbst als Deutscher als Teil dieser Geschichte abarbeitet. F. konnte sich im Vergleich wieder herrlich über Meese aufregen, der unserer Meinung nur so tut, als hätte er eine Position. Gut, dass wir über den auch nicht podcasten, das würde drei Stunden dauern und Florian und ich kämen nie zu Wort.

Immendorffs Spätwerk kannte ich noch nicht, ich hatte irgendwann in den 1970er und 1980er Jahren im Kopf mit ihm aufgehört, daher fand ich die Räume besonders spannend. Hier waren auch noch mehr Bezüge zur Kunstgeschichte zu sehen, von denen ich leider kaum welche entziffern konnte. Das tat ich dann im Museumsshop, wo ein Großteil seines Gesamtwerks schon als Buch verlegt und mit anständigen Informationen versehen war. Ich habe aber sonst sehr gerne nach Referenzen, auch auf eigenen Werke, gesucht und sie gefunden. Ich glaube, da werde ich nochmal reingehen. Solltet ihr auch, läuft noch bis zum 27. Januar.

(Ohne Titel, 2006.)

Bei strahlendem Sonnenschein spazierten F. und ich dann in Richtung Falkenturmstraße, wo ich ein kleines Geschäft für klassische Musik aufsuchen wollte. Ich erwähnte schon diverse Male, dass ich Bohuslav Martinů seit Monaten hinterherhöre, aber immer nur das, was bei Spotify rumliegt. Jetzt wollte ich mich dem Mann aber doch mal systematisch nähern. Dafür brauchte ich CDs, und die wollte ich nicht bei Amazon bestellen, sondern im Fachhandel erwerben, wo mir vielleicht jemand mit Ahnung eine Aufnahme empfehlen konnte. Das tat dann gestern der Besitzers eines winzigen und vollgestopften Lädchens namens Zauberflöte. Zunächst beglückwünschte er mich dazu, Martinů für mich entdeckt zu haben, „den sollten viel mehr Menschen kennen.“ Ich geb euch das mal weiter, vielleicht ein Neujahrsvorsatz?

Ich bat um eine Aufnahme seiner Sinfonien und bekam eine CD empfohlen, die bei Amazon so halbhalb besprochen worden war. Ich kann das noch überhaupt nicht beurteilen, aber die eine Rezension konnte gut zusammenfassen, was mich an Martinů so fasziniert: „the sense of gentle wonder or rapture“. Genauso hört sich seine Musik an! Sie lässt mich staunen und zerrt gleichzeitig süß-schmerzend an meinem kleinen, leicht zu beeindruckenen Herzen. Ich mag es, dass sich seine Melodien immer so anhören, als wollten sie irgendwo hin – und wenn sie dann ankommen, gerne mit breiten Dur-Akkorden, die nicht aufhören möchten, fühlt es sich so an, als hätte auch ich irgendein Ziel erreicht, das perfekte Soufflé gebacken, einen Marathonlauf absolviert, den Weltfrieden gerettet, obwohl ich ja nur stumm rumsitze und mir vermutlich mal wieder der Mund offensteht.

Dann erzählte mir der Inhaber noch von Martinůs Opern – die wollte ich mir aber lieber noch aufheben – und seinen Streichquartetten, da hätte er gerade eine Aufnahme eines tschechischen Quartetts da, dann schwärmte er davon, ich hatte im Kopf eh schon das Geld gezückt, das tat ich dann auch mit den Händen und ging mit zwei CDs nach Hause. Ich weiß nicht, wann ich die letzte CD gekauft habe, muss schon Jahre her sein, seit ich nur noch streame und vor allem meine Anlage in Kisten verpackt bei meinen Eltern steht.

Der Laden gibt auch einen Newsletter heraus, den man sich ausgedruckt mitnehmen konnte, da werde ich mich dringend auf den Mail-Verteiler setzen lassen. Gestern schmökerte ich durch den Ausdruck und hätte am liebsten gleich noch mehr altmodische Silberscheiben gekauft, so schön lasen sich die ganzen Empfehlungen. Ehrlich gesagt hatte der Laden schon in dem Moment gewonnen, als ich eintrat, denn der Lohengrin lief und zwar nicht in Zimmerlautstärke, sondern äußerst wahrnehmbar. Herrlich.

Danach ließ ich mich von Öffis zu einigen weiteren Läden chauffieren, um Einzelteile für mein Silvestermenü einzukaufen, das ich F. vorsetze. Ich kann deswegen nicht in Details gehen, der Gast liest mit.

Wir verbrachten den Abend gemeinsam und spielten die Kunst-Ausgabe von Anno Domini fast durch, wobei das hier meine Lieblingskarte war:

Das Lösungsjahr ist übrigens „um 980“.