Tattoo

Tattoo
(D, 2002)

Darsteller: August Diehl, Christian Redl, Nadeshda Brennicke
Drehbuch: Robert Schwendtke
Kamera: Jan Fehse
Musik: Martin Todsharow
Regie: Robert Schwendtke

Ich geb mir ja Mühe. Ich guck ab und zu auch deutsche Filme. Soll mir keiner nachsagen, ich hätte Vorurteile. Deswegen hab ich mir gestern Tattoo angesehen und gehofft, dass dieser Film meine üblichen Bedenken dem deutschen Film gegenüber zerstreuen könnte.

Die da wären:

Deutsche Filme haben viel zu viele Dialoge und viel zu wenig Handlung. Die Schauspieler vergessen meist, dass sie nicht im Burgtheater sind, sondern auf einer Leinwand in Großaufnahme. Das heißt, wir kriegen ihre Botschaft auch ohne theatralische Gesten und Gustaf Gründgens-Timbre mit. Und: Die Storys handeln meist von gefrusteten Single-Frauen im Prosecco-Rausch mit schwulen Mitbewohnern. Einmal ganz lustig, beim 20. Mal zum Kotzen.

Daher honoriere ich den Ansatz, einfach mal was anderes zu drehen. Irgendwas anderes. Dafür gibt’s erstmal einen Pluspunkt.

Der Film Tattoo handelt von einem Killer, der es auf die Tätowierungen seiner Opfer abgesehen hat. Schöne Idee, wenn wir die Sache mit dem Hautklauen nicht schon aus Schweigen der Lämmer kennen würden. Der Killer ist aber nicht der Sammler der Hautstücke, sondern nur ein armes Auftragswürstchen. Auch schön, wenn wir die Idee des Untergrundrings von reichen Irren nicht schon aus 8mm kennen würden. Und der ganze Film spielt in einer düsteren Großstadt, die Hauptakteure sind ein junger Bulle auf seinem ersten Job und ein alter erfahrener Cop, die sich erst zusammenraufen müssen, und einer der beiden wird am Ende des Films nicht mehr der sein, der er am Anfang war. Auch schön, wenn wir das nicht alles schon aus Seven kennen würden. Dafür müssen wir den Pluspunkt leider wieder abziehen.

Tattoo bemüht sich zu sehr, seine großen Vorbilder zu kopieren, und schießt dabei übers Ziel hinaus. Er bringt sogar noch zusätzlichen Ballast in die eh schon überfrachtete Story: Wir müssen eine ach so tragische Hintergrundstory des alten Bullen ertragen, die den Film unnötigerweise 20 Minuten länger macht. Wir sehen kopfschüttelnd der geheimnisvollen fremden, wunderschönen Frau zu, die immer in weißen, hautengen Tops in viel zu kalten Räumen rumläuft. Und die natürlich mit dem jungen Bullen im Bett landet, aber nicht, bevor sie noch ein paar richtig bedeutungsschwangere Sätze losgeworden ist. Wir können uns über die bös zugerichteten Leichen amüsieren, die viel ekliger sein sollen als die in Seven, aber leider eher wie eine Schlachteplatte der FX-Praktikantin aussehen. Und wir nehmen nur noch gähnend das arg vorhersehbare Ende zur Kenntnis. Dafür gibt’s wieder einen Punkteabzug.

Einen Pluspunkt hab ich aber noch: der geht an die hervorragenden Schauspieler August Diehl und Christian Redl, die sogar die zugegebenermaßen wenigen deutschen Dummsinnssätze würdevoll über die Lippen bringen.

Der Film hat einige schöne Momente, hübsche visuelle Ideen und sogar ein paar kleine Überraschungen. Die obligatorische Sexszene ist wider Erwarten sehr ansehnlich geworden. Das wenige, was mich gefreut hat, wird leider wieder runter gerissen durch doofe Klischees: die Galeristin in der Wallpaper-Wohnung, der junge Bulle mit der türkischen Mitbewohnerin, die nicht kochen kann, der karrieregeile Kollege, der ständig „Fickst du mich, fick ich dich“ von sich gibt – uargh. Punkt gewonnen, Punkt zerronnen.

Bleibt übrig: ein Nullsummenspiel. Der Film hat mich nicht begeistert, er hat mich nicht enttäuscht, er hat mich nicht mal geärgert. Er hat mich einfach kalt gelassen. Aber wahrscheinlich nur, weil ich eben die schweigenden Lämmer, 8mm und Seven kannte. Wer die Filme nicht kennt, darf die deutsche Filmindustrie gerne unterstützen und sich Tattoo angucken. Es gibt schlechtere deutsche Filme. Aber eben auch ein paar bessere.

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