American Beauty

American Beauty (1999)

Darsteller: Kevin Spacey, Anette Bening, Thora Birch, Mena Suvari, Wes Bentley, Chris Cooper
Drehbuch: Alan Ball
Kamera: Conrad L. Hall
Musik: Thomas Newman
Regie: Sam Mendes

Ich hatte einen Freund. Karl. Er starb Ende 1999 und wurde 37 Jahre alt. Er war mir so ähnlich wie niemand sonst auf der Welt. Wenn es Seelenverwandte gibt, dann war Karl meiner.

Wir haben uns in Berlin kennengelernt, als ich mich um einen Studienplatz an der Filmhochschule beworben habe und er gerade sein ganzes Konto in Amerika leer geräumt hatte, um zwei Monate nach Deutschland zu fahren. Wir sind zufälligerweise durch die Mitwohnzentrale in derselben Berliner Wohnung gelandet. Wir trafen uns in der Küche, ich fragte ihn: Do you speak German? und alles war klar.

Karl und ich haben immer dieselben Filme geliebt. Sobald ein guter Film in Amerika anlief, rief er mich an, um mir zu erzählen, wie er war. Er rief an, wenn meine Lieblingsschauspieler bei Jay Leno oder Letterman waren, weil er wusste, dass ich jedes Wort wissen wollte. Manchmal sogar während der Show, um mich mithören zu lassen. Dafür meldete ich mich, wenn Elvis Costello im deutschen Fernsehen auftrat. Und er hörte die erste in Deutschland aus-gestahlte Folge von South Park und lachte über die deutschen Stimmen.

Wir haben zusammen die Oscars geguckt; er in Indiana zur Prime Time, ich in Deutschland zu nachtschlafender Zeit. Beim besten fremdsprachigen Film habe ich ihn angerufen, um mit ihm diesen Moment zu genießen, beim besten Film rief er an. Wir haben zusammen gesehen, wie The English Patient, Titanic und Shakespeare in Love ausgezeichnet wurden.

Der letzte Film, von dem Karl mir begeistert erzählte, war American Beauty. Ein Film, in dem Lester Burnham (Kevin Spacey) entdeckt, dass sein Leben kein Leben mehr ist, sondern dass er innerlich schon tot ist. Er beschließt, sein Leben zu ändern. Er erfüllt sich Wünsche, die völlig unvernünftig sind, er kündigt seinen sicheren Job, um in einer Imbissbude zu arbeiten – einfach, weil es Spaß macht, und nicht, weil es prestigeträchtig ist. Er tut plötzlich nur noch das, was er will. Und plötzlich merkt er, wie glücklich er ist, wie gut sein Leben eigentlich ist. Er wird plötzlich von einer tiefen, ehrlichen Dankbarkeit erfüllt, weil er so ein großartiges Leben haben darf. Und in diesem Moment stirbt er.

Mein Telefon klingelte mitten in der Nacht, und ich wusste, es waren keine guten Nachrichten. Karl war bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Wir hatten gerade zwei Tage vorher noch im Internet gechattet, und er wollte mich eigentlich am Wochenende anrufen, um mich ausführlich zu fragen, wie mein neuer Job als Werbetexter in Hamburg wäre. Ich hatte ihm im Internet nur die kurze Fassung gegeben: Es ist großartig, nicht mehr kellnern zu gehen und sich zu wünschen, jemand anders zu sein. Es ist großartig, endlich etwas aus meinem Talent zu machen. Mein Leben ist großartig. Ich bin glücklich.

Und er sagte nur: I am so proud of you. And I am so happy to see you happy.

Drei Monate nach Karls Tod wurde American Beauty mit dem Oscar als bester Film ausgezeichnet. Ich habe die Verleihung alleine geguckt. Zu nachtschlafender Zeit. Niemand rief mich an. Aber ich wusste, Karl guckt zu. Die Show hat er sich bestimmt nicht entgehen lassen.

Ich bin dankbar dafür, ihn kennengelernt zu haben. Ich bin dankbar dafür, dass wir uns alles gesagt haben, was zu sagen war. Ich habe mein Leben geändert, um mich selber glücklich zu machen. Und ich hatte noch die Chance, den wichtigsten Menschen auf der Welt an meinem Glück teilhaben zu lassen.

Mein Leben ist großartig. Und manche Filme schaffen es, genau dieses Gefühl festzuhalten.