Was schön war, Mittwoch, 4. April 2018 – Zeitunglesen

Vormittags stand ein Pflichttermin an: die Gabriele-Münter-Ausstellung im Lenbachhaus, die nur noch diese Woche läuft und die ich mir angucken musste. Musste, nicht wollte, denn, es tut mir leid, aber: Ich kann mit Frau Münter nichts anfangen. Konnte ich vor der Ausstellung nicht, konnte ich auch nachher nicht, obwohl natürlich trotzdem was an den Wänden hing, was ich spannend fand. Aber generell ging ich an den Bildern vorbei, vor denen sehr viele Menschen standen und sich offensichtlich über sie freuten oder sich für sie interessierten, während ich die ganze Zeit dachte: „Mir egal, mir egal, mir auch egal, okay, das gucke ich mir beim zweiten Rundgang näher an, mir egal, mir egal, mir egal.“ Ich blieb nur vor wenigen Werken länger stehen, vor einigen pflichtschuldig, vor anderen gar nicht („im Vorbeigehen lernen“).

Für mich neu und interessant war Münters Beschäftigung mit Technik bzw. ihre Bilder von Arbeit, die in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden. Da ich mich in der Diss mit genau diesem Sujet und dieser Zeit herumschlage, waren das Bilder, die ich im Kopf abspeicherte, aber gleichzeitig über sie mit den Augen rollte, weil sie mir, genau, egal waren.

Ebenfalls interessant waren ihre Fotos, aber nicht, weil sie von Münter waren, sondern weil sie mir die USA um die Jahrhundertwende zeigten. Auf ein Foto von drei schwarzen Frauen hatte mich F. im Vorfeld aufmerksam gemacht, es ist hier in der Bildergalerie zu sehen und heißt dort wie auch in der Ausstellung „Drei Frauen im Sonntagsstaat“. In früheren Veröffentlichungen wurde statt „Frauen“ das N-Wort benutzt; diese Namensänderung wurde nirgends kenntlich gemacht. Ich stolperte nur darüber, weil mir das Thema gerade vor wenigen Tagen im Bucerius-Kunstforum in Hamburg bei der Schmidt-Rottluff-Ausstellung aufgefallen war. Dort fotografierte ich folgenden Wandtext:

Ich dachte wieder einmal darüber nach, wie man mit diesem Begriff umgehen soll. Bei Pippi Langstrumpf kann ich mit dem „Südseekönig“ statt des N-Worts sehr gut leben, in Hamburg fand ich den Hinweistext erstmal richtig und schlau (wobei ich das „nicht wertend“ vorsichtig anzweifeln würde), im Lenbachhaus hätte ich es nicht mal gemerkt, wenn F. mir nicht einen Katalog gezeigt hätte, in dem eben noch der alte Name steht. Verändert sich Münters Foto durch den Titel? Natürlich nicht, aber da für sie schwarze Menschen vermutlich kein gewohnter Anblick waren, zeigt auch die Benennung das „Andersartige“. Wobei wir wieder bei der Diskussion sind, dass „Weiß“ der Normalzustand ist und Schwarz eben „das andere“, was natürlich auch totaler Quatsch ist. Außerdem weiß ich nicht mal, ob der Bildtitel von Münter selbst stammt oder nachträglich von der Kunstgeschichte angebracht wurde, die nicht gerade eine progressive Wissenschaft war.

Ich habe bei Noah Sow nachgeschlagen, die in ihrem Buch Deutschland Schwarz Weiss: Der alltägliche Rassismus einen Briefwechsel zwischen Langenscheidt und dem Braunen Mob abbildet. Letztere wollten 2006 darauf aufmerksam machen, dass es für ein Lexikon seltsam sei, Beleidigungen aufzuführen („Zigeuner“ wurde auch erwähnt). Der Verlag schrieb damals sinngemäß, dass sie ja erwähnten, dass es eine Beleidigung sei, aber von vielen älteren Menschen nicht als eine solche empfunden wurde. So ähnlich lese ich das Schmidt-Rottluff-Schild oben: war damals gängig, lassen wir so, erklären es aber. Im Rijksmuseum in Amsterdam – und anscheinend im Lenbachhaus – hat man sich für einen anderen Umgang entschieden und prüft „abfällige Begriffe“ bei seinen Bildtiteln. Die SZ schrieb 2015 dazu:

„Das Museum zeigt 8000 Werke und Objekte in seiner ständigen Sammlung. Mehr als eine Million weitere Stücke befinden sich im Depot, werden aber nach und nach im Internet nachzuschlagen sein. Auch deren Angaben werden nun auf abwertende Klischees hin geprüft und dann geändert. […]

Was jetzt geändert wird, sind also zumeist Formulierungen späterer Kunsthistoriker oder, im Fall der Schriftstücke und der anderen Objekte, Historiker. Die früheren Bezeichnungen werden im Archiv bewahrt, als Quellen für historische Recherchen. Es gibt keinen Grund, heute in einem international geprägten Land wie den Niederlanden noch an kolonialen Bildbeschreibungen in Museumssälen festzuhalten. Die Kunst im Museum gehört schließlich allen Niederländern, gleichgültig, wo ihre Urgroßeltern geboren wurden. Und Gäste aus dem Ausland sollte man auch nicht unnötig beleidigen. Ebenso wenig muss sich eine dunkelhäutige Hausangestellte in schmierigem Ton nachsagen lassen, sie sei “exotisch” gewesen.“

Inzwischen bin ich ganz simpel bei dem Schluss angelangt: Wenn schwarze Menschen das Wort ablehnen und nicht damit bezeichnet werden wollen, dann sollte eine weiße Kunsthistorikerin das annehmen und Bildtitel ändern, fertig. Ich schwanke aber immer noch bei Titeln, die die Künstler*innen selbst ihren Werken gegeben haben. Da kann ich persönlich – als Weiße – mit Erklärtäfelchen wie in Hamburg gut leben. Ich weiß aber nicht, ob Schwarze das auch können. Auf der Braune-Mob-Seite habe ich nichts zu diesem recht speziellen Thema gefunden, lese mich aber gerade durch die Rubrik „Sprachliches“.

Wie schon am Dienstag ignorierte ich Twitter bewusst, guckte morgens und abends rein, beantwortete eine Reply und musste mich kurz aufregen, ich komme darauf zurück. Tagsüber hatte ich keine Zeit, denn neben der FAZ lag gestern auch die Süddeutsche auf meinem Sofa und wollte gelesen werden. Ich brauchte für beide jeweils eine Stunde, wobei die SZ ungefähr dreimal so dick ist wie die FAZ, sich aber deutlich einfacher lesen lässt. Das hatte ich ganz vergessen, dass sie nicht ganz so hochgestochen wie die FAZ ist. Las sich sehr schön, vor allem der München- und der Stadtteil-Teil, den die FAZ natürlich nicht hat. Das mache ich heute wieder.

Zu Twitter: Abends im Bett, vom Tag entspannt, antwortete ich Idiotin nicht nur auf die Reply, sondern scrollte auch zehn Tweets durch. Jetzt weiß ich, dass wieder irgendein armer Mann in der Zeit darüber geschrieben hat, dass er mit Frauen nicht mehr klarkommt. Und schon war der Blutdruck wieder oben, wo er nicht gewesen wäre, hätte ich diese blöde App nicht geöffnet. Langsam glaube ich wirklich, dass ich entweder 500 Leute entfolgen oder die App löschen muss.

Abends machte ich aus Bratkartoffeln Pseudo-Fondant-Potatoes, die bei Masterchef irre gerne gekocht werden. Dafür brät man recht dicke Kartoffelscheiben – eher Klötze – in viel Butter von beiden Seiten an, gießt dann Hühnerbrühe in die Pfanne, wirft Knoblauch und Thymian dazu und lässt alles simmern, bis die Kartoffeln weich sind. Thymian hatte ich nicht, und meine Klötze sind Scheiben, weil ich ja Bratkartoffeln machen wollte, aber gerade, als ich eine Zwiebeln schneiden und den Speck aus dem Kühlschrank holen wollte, dachte ich, nee, ich gieße da jetzt Hühnerbrühe rein. Dazu gab’s Bohnen im Speckmantel, denn für meinen Salat von vorgestern hatte ich nicht alle Bohnen verbraucht. Ebenfalls dazu: einen Riesling, den ich wegen der fancy Flasche gekauft hatte. War nicht ganz so der Bringer, aber trinkbar.

Apropos Masterchef: die australische (und einzig wahre Ausgabe) soll angeblich schon Ende April wieder losgehen, wo-hoo! Dann schaffe ich auf keinen Fall mehr zwei Zeitungen am Tag.

Wie mein Medienkonsum ist auch mein Essen gerade sehr unspektakulär. Passt.