Was schön war, die vielen letzten Tage

Als ich zur Synagogenbesichtigung fuhr, erwischte ich den besten Busfahrer Münchens. Wenn ich die Wahl habe zwischen Bus und allen anderen öffentlichen Verkehrsmitteln, nehme ich alle anderen öffentlichen Verkehrsmittel. U-Bahn und Tram sind für meinen Rücken und meine persönliche Bequemlichkeit besser, weil sie nicht so ruckelig-zuckelig fahren und sich nicht beim Aufenthalt an der Haltestelle zu einer Seite neigen. Außerdem ist die Chance auf einen Sitzplatz größer, weil sie einfach mehr Platz bieten. Aber der Bus fährt halt viele kleine Ecken an, die nicht von den schönen Schienenfahrzeugen bedient werden, also fuhr ich Bus.

Dieser Fahrer, den ich seit Wochen nicht vergessen kann, lenkte den Bus butterweichst um jede Kurve, bremste kaum spürbar und fuhr auch so wieder an, kein ruckelig-zuckelig. Außerdem bilde ich mir ein, dass die Haltestellenansagen die perfekte Lautstärke und die Klimaanlage die optimale Temperatur hatten, aber das kann auch nachträgliche Einbildung sein. Wer auch immer am 9. Juli so gegen 11.15 Uhr den 154er in Richtung Bruno-Walter-Ring gefahren ist – danke, Mann.

Ich freue mich immer noch über den Kaiserschmarrn. Wer mein Blog schon länger liest, bekommt eventuell den Eindruck, dass ich gut kochen könnte. Kann ich nicht. Ich kann manchmal gut kochen, und Pfannkuchen sind mein Endgegner. Deswegen gibt’s im Blog auch Rezepte für Bananen-Pfannkuchen, Buttermilch-Pfannkuchen und jetzt eben Kaiserschmarrn. Dieses total einfache Gericht kriege ich nur mit exakten Zutaten hin, während ich bei den angeblich so zickigen Macarons lustig aus dem Handgelenk Eischnee in Mandelmehl einrühre.

Rumlaufen.

Ich habe schon beim Familienbesuch gemerkt, dass es mir deutlich leichter fällt, längere Strecken zu Fuß zu gehen, seit ich regelmäßig walke. Und auch beim Documenta-Wochenende in Kassel habe ich freudig festgestellt, dass mir Wege keine Mühe mehr machen. Was allerdings immer noch doof ist, sind Treppen und Steigungen.

Im langen Eintrag zu meinem rechten Fuß erwähnte ich meine Fußheberschwäche. Das bedeutet, ich kann nicht mehr auf Zehenspitzen stehen. Wenn ihr mal drauf achtet: Beim Treppensteigen bewegt man sich eigentlich nur auf den Zehenspitzen. Da die bei mir nicht mehr funktionieren, mache ich irgendwas anderes, und ich kann nicht mal beschreiben, was ich genau mache.

Das ist auch nervig an diesen Einschränkungen oder körperlichen Andersartigkeiten: Neulich habe ich bei Freunden meinen rechten Schuh nicht mehr anbekommen, weil ich meinen Schuhlöffel vergessen hatte, und ich konnte schlicht nicht erklären, warum das nicht geht, obwohl ich den Schuh fast komplett aufgeknotet hatte. Ich sehe, was mein linker Fuß tut, um in den Schuh zu schlüpfen, aber ich kann es rechts trotzdem nicht reproduzieren.

Genauso geht es mir beim Treppensteigen. Ich ahne, dass ich rechts irgendwie aus dem Oberschenkel und dem unteren Rücken arbeite, und ich bin immer dankbar für ein Treppengeländer, an dem ich mich ein bisschen hochziehen kann. Aber generell gehöre ich zu den Menschen, die auch für ein Stockwerk den Fahrstuhl oder die Rolltreppe nehmen, weil es mich schlicht ungebührlich anstrengt, eine Treppe hochzukommen. Das hat natürlich auch was mit dem Gewicht zu tun, schon klar, aber ich war vor der OP genauso dick und da war Treppensteigen lästig, aber machbar. Jetzt ist es mehr als lästig. Wenn ich nach zwei Stockwerken im Hauptgebäude der LMU erstmal zwei Minuten Luft holen muss, ist das nicht in Ordnung. (Okay, das Gebäude ist aus dem 19. Jahrhundert, ein Stockwerk überwindet gefühlt acht Meter Höhenunterschied.) Anfangs habe ich noch gedacht, sei nicht so eine Memme, kletter und schwitz halt und hol dann Luft. In den letzten Semestern bin ich stattdessen irre Umwege gegangen, um einen Fahrstuhl zu finden. Falls ihr also mal dicke Menschen seht, die für kleine Strecken den Lift nehmen – es könnte andere Gründe als Faulheit haben. (Auch hier ahne ich, dass bei schlanken Menschen niemand drüber nachdenkt, wenn sie genau das gleiche tun.)

Warum ich jetzt davon anfange? Weil Kassel quasi nur aus Hügeln besteht. Das ging da nie mal hundert Meter einfach nur in einer Höhenlage geradeaus. Man kletterte dauernd Hügel hoch oder ging sie runter. Für gesunde Füße ist das wahrscheinlich eine hübsche Abwechslung, und so hässlich nachkriegsverbaut wie mir Kassel vorkam, sind die Hügelchen auch echt malerisch und damit eine Aufwertung des Stadtbildes, aber meine Güte, habe ich geflucht und geschwitzt. Trotzdem: Zwischen dem Fluchen und während des Schwitzens habe ich mich mehrfach darüber gefreut, dass mir die wenigen Meter, die ich nicht klettern musste, nichts mehr ausmachen. Wer hätte es gedacht: Man kann sich Kondition anspazieren.

Dieser Blogeintrag, der gleich mehrere Stellen hat, die ich auf dem Bildschirm mit Textmarker anstreichen wollte. „[R]elativ genau wissen, wo man sich befindet, die eigenen Koordinaten kennen, die Maße, den Standort. Näher als früher.“ „Es ist noch so weit bis geradeaus.“ „Die Stadt im Zustand der Überforderung, in dem sie sich eingerichtet hat, dass sie gar nicht mehr weiß, wie es ist, nicht immer einen halben Schritt zu weit zu gehen.“ „Selbst nach dem Weltuntergang würde er kleine Aufkleber auf die Trümmer kleben, die erzählen, was das mal war und wohin es gehört.“

Und die Wahlhelfer*innen-Schulung für die Bundestagswahl, von der ich lieber nichts ausplaudere, weil ich nicht weiß, was davon alles bitte nicht verbloggt werden sollte. Ich fühle mich jetzt aber gut gewappnet fürs Ehrenamt.

Die Schulung war auch deshalb schön, weil eine große Befürchtung von mir sehr schnell zerstreut wurde. Am Tag der Schulung waren es in München mal wieder 30 Grad, wie fast die ganze letzte Woche. Der Raum lag im obersten Stockwerk, hatte drei Glaswände und natürlich riss sofort jemand ein Fenster auf, damit auch ja (heiße) Luft reinkommt. Ich sah mich schon dreieinhalb Stunden lang leiden, aber: Die Haustechnik fuhr automatisch immer dort Rolläden runter, wo die Sonne draufschien und stellte andere an, die noch Licht, aber kaum Hitze reinließen. Und: Ich saß auf einem Platz, der die ganze Zeit einen winzigen Luftzug hatte; nie so ventilatorstark, dass er nervte, aber stets spürbar genug, um mich frisch und entspannt zu halten.

Was die Schulung mir auch mal wieder beibrachte und das war nicht schön: Die Leute, die am wenigsten Ahnung haben, reißen am lautesten die Klappe auf und sind meistens Kerle. In meinem Wahllokal sind wir laut Benachrichtigung sechs Frauen und ein Mann; ich hoffe also auf das Beste.