Was schön war, Sonntag, 9. April 2017 – Architektur

Gestern sah ich erstmals einen Hollywoodstar auf der Bühne, nämlich John Malkovich, der mit Just Call Me God für zwei Abende in München war. Das Stück ist eine Auftragsproduktion für die Elbphilharmonie, was man dem Text ein wenig anmerkt, wenn er vom „großartigen Konzertsaal“ spricht und auf die Orgel hinweist, die eine große Rolle spielt. Wir saßen nun stattdessen in 50er-Jahre-Holzverschalung im Konzertsaal der Musikhochschule – bzw. dem ehemaligen „Führerbau“. Das passte dann doch ganz gut zur Geschichte um den größenwahnsinnigen Dikator eines fiktiven Landes, dessen Palast gestürmt wird, in dem sich der Saal befindet. Eine ebenso fiktive Armee, hier bestehend aus wenigen Soldaten, einer Journalistin (Sophie von Kessel), ihrem Kameramann und einem Armeegeistlichen, kommen in den Saal, schauen sich um – und werden bis auf die Journalistin und den Geistlichen erschossen. Vom Diktator aka Herrn Malkovich. Der Geistliche wird an die Orgel getaped und spielt die nächsten 90 Minuten lang fast kontinuierlich muntere Weisen, der Dikator schreit rum, plappert pseudoweltkritische Allgemeinplätze und bedroht die Journalistin mit seiner goldenen Knarre, während die so tut, als würde sie ein total sinnvolles Interview mit der Plappernase führen. Das ganze war sehr durchsichtig und langweilig und nebenbei mit albernen Klischees überzogen, die schon bei den Namen begannen. Der Diktator erklärte fünf Minuten seinen Phantasienamen (mir egal), der Geistliche wurde von ihm „Burt Bacharach“ genannt, aber Frau von Kessel war entweder „bitch“ oder „sweetheart“. Ihre anscheinend einzige Überlebenschance war dann auch die Erotik, und ich kam aus dem Augenrollen nicht mehr aus. Zum Schluss noch die große Vergebungsgeste oder zumindest eine Annäherung, obwohl der Herr gerade die Liebe ihres Lebens erschossen hatte, aber scheiß drauf. Ich quengelte innerlich vor mich hin, konnte mich aber immerhin an den wenigen zurückgenommenen Minuten von Malkovich erfreuen, wo er ein bisschen Normalität hinter der ganzen bescheuerten Grandezza durchblicken ließ.

Außerdem erfreute ich mich an der Architektur des Gebäudes. Der ehemalige Führerbau, ich schreibe das jetzt vermutlich zum tausendsten Mal in dieses Blog, aber ich weiß ja nie, was ihr euch merkt, ist von außen baugleich mit dem NS-Verwaltungsgebäude, in dem heute das Zentralinstitut für Kunstgeschichte residiert. In unser Gebäude darf auch jede*r rein, denn im Lichthof im Erdgeschoss steht die Abgusssammlung, die man sich kostenlos anschauen kann. Vom Lichthof geht rechts eine Treppe in den ersten und zweiten Stock, die beide annähernd die gleiche Höhe wie das Erdgeschoss haben; wir sehen außerdem eckige Säulen und riesige Holztüren. Das erkennt man alles wenigstens als Andeutung auf der Homepage der Abgusssammlung. Wie der Führerbau bzw. die Musikhochschule von innen aussieht, wusste ich nur vom Wikipediabild, denn in das Gebäude dürfen, zu Recht, nur Studierende und Lehrende. Ich ahne auch, dass da sonst die ganzen Katastrophentouristen nicht mehr rauszukriegen wären, denn in diesem Gebäude hatte Hitler sein Arbeitszimmer, und das muss man sich ja dringend angucken, auch wenn das heute, glaube ich, eine Übungszelle ist. Ich freute mich also auf das Treppenhaus, das auch hübsch anzuschauen ist. Was mich irritierte, waren die Stockwerkhöhen. Hier war das Erdgeschoss deutlich höher als der erste Stock, der aber immer noch, ich nenne sie mal „Altbaumaße“ hatte, während der zweite wie ein halbes Stockwerk aussah. Darüber musste ich sehr grinsen, denn ich erinnerte mich an den Film Being John Malkovich, in dem ein halbes Stockwerk vorkam. Außerdem sah ich, dass hier runde Säulen verwendet wurden, aber die Türen und Türzargen sehen aus wie bei uns. Der schönste Blick ist übrigens nicht die Treppe hoch, sondern genau umgekehrt: Wenn man oben auf der Treppe steht und hinunterschaut, erwischt einen die olle NS-Überwältigungsarchitektur ganz gut. Das Licht ist weicher und heller als bei uns, aber das mag daran liegen, dass es hier von der beigefarbenen Treppe zurückgeworfen wird, während es bei uns bis auf den Blutwurstmarmorfußboden herunterfällt.

Ich hatte also vor dem Stück schön was zu gucken und danach auch. Das Stück selbst kann man sich allerdings getrost schenken.