Tagebuch Freitag, 4. Dezember 2015 – Lesen, basteln, trinken

Vormittags im Iconic-Architecture-Seminar ein eher schlechtes Referat gehört, was der Referentin allerdings bewusst war, wie sie mir nachher sagte. Der Dozent wies etwas missmutig auf deutliche Ähnlichkeiten zu den betreffenden Wikipedia-Einträgen der Gebäude hin, über die die Dame sprach, was die Stimmung im Kurs nicht besser werden ließ. Erstmals ließ sich der Dozent dazu hinreißen, was er sich für ein gutes Referat wünschte – das wäre vielleicht in der ersten Sitzung besser aufgehoben gewesen, aber vielleicht ist er im Master davon ausgegangen, dass wir halbwegs wissen, was wir tun.

Er erwähnte also Dinge, die er gut fände, und ich hakte im Geist ab, was ich schon in meinem Skript habe: aussagekräftige Bilder (bergeweise, Baby), Quellentexte, wenn möglich (check, danke an die wirklich gute Website von Herzog & de Meuron, die zu jedem ihrer Gebäude eine umfangreiche Bibliografie anbieten [hier das Nationalstadion] und dazu noch Interviews und Katalogtexte en masse, aus denen man ganz herrlich zitieren kann), eine Fragestellung, die man beantworten möchte oder eine kontroverse These, an der man sich abarbeitet, anstatt einfach ein Gebäude vorzustellen (habe ich nach recht langen Überlegungen seit vorgestern auch, wo-hoo) und eine Einordnung in den Gesamtzusammenhang (reichen fünf Olympiastadien vor dem Vogelnest? Ich denke ja).

Die drei Gebäude, über die wir uns zur Fragestellung „Ab wann gab es eigentlich iconic architecture?“ anschauten, waren das Guggenheim New York, das Opernhaus in Sydney und das ehemalige AT&T-Gebäude, das heute Sony Tower heißt. Wir einigten uns darauf, dass wir ab Sydney von iconic architecture sprechen, denn das Gebäude war als eine Art Wahrzeichen geplant und zwar nicht nur für die Stadt, sondern das ganze Land, das sich trotz seiner entlegenen Position auf dem Globus in den Mittelpunkt (oder die Nähe davon) der kulturellen Welt spielen wollte. Ob das kulturell geklappt hat, kann ich nicht beurteilen, aber als Wahrzeichen und Tourismusziel funktioniert das Gebäude hervorragend.

Nachmittags im Zentralinstitut für Kunstgeschichte weiter nach Zitaten gesucht, mich an Canettis Masse und Macht erinnert, das bei mir zuhause im Regal steht und der immerhin ein paar Sätze zu Stadien verloren hat. Weiter Bilder gescannt, mir von Google die chinesische Website des Vogelnests übersetzen lassen, dabei gemerkt, dass es Wachsfiguren von IOC-Präsidenten zum Angucken gibt. An der Präsentation weitergebastelt. Produktiv und darob zufrieden gewesen.

Abends einen Draculawein genossen: die Nase ist voller Brombeeren, der erste Schluck enthält dann auch eine Millisekunde lang herrlich fruchtiges und breites Brombeergelee, aber das dauert eben nur eine Millisekunde und dann zerfällt alles zu Staub und man sitzt da und möchte sich den Mund ausklopfen. Nach einer halben Stunde im Glas ist nur noch Kirsche und eine Erinnerung an Tannin da. Spannendes Zeug.