Da wollte ich doch zum Tag der Deutschen Einheit einen kleinen Eintrag verfassen über die Städte, die ich zu DDR-Zeiten besucht habe, meist als Mitreisende an Jugendfreizeiten, die vom Landkreis Hannover veranstaltet wurden. Peinlicherweise fiel mir fast als erstes ein rothaariges Mädchen namens Susanne ein, mit der ich durch halb Erfurt gelaufen bin, um Kristallwodka zu finden, den sie unbedingt als Mitbringsel haben wollte. Das Stichwort „Kristallwodka“ kam mir aber arg bekannt vor, und siehe da: Tante Google zeigte mir, dass ich den Eintrag, den ich für heute schreiben wollte, bereits vor drei Jahren geschrieben habe.

Hier also ein bisschen recyceltes Blogzeugs. Präsentiert von Anke a.k.a. „Ze Brain“. So nennt mich jedenfalls der Kerl immer, wenn ich mit den Ellenbogen an unseren Türklinken hängenbleibe oder ihn zum zwanzigsten Mal was frage, was ich schon zwanzigmal gefragt, aber schon wieder vergessen habe. Enjoy.

Drei Jugendfreizeiten in der DDR, Mitte der 80er Jahre.

Potsdam. Sanssouci. Die langen Gänge, die goldenen Rahmen. Filzpantoffeln? Ich weiß es nicht mehr. Zu viele Kabel, die auf den Treppen liegen. Es hat geregnet.

Weimar. Die beste Stadtbilderklärerin, die wir je hatten. Das Goethe-Haus. Mehr Licht. Die Farben, die Bibliothek, der Blick aus dem Fenster in den bunten Garten. Die FDJ-Truppe, die uns am Ausgang entgegenkam. Dann Buchenwald, wo einige ernsthaft vor den Öfen posiert haben. Die Pathologie. Die Straße aus Grabsteinen. Und die roten Fahnen in der Ausstellung, die mit der Errichtung des Antifaschistischen Schutzwalls endete, mit dem ja alles gut wurde, wie wir wissen.

Naumburg. Der Dom, in dem es ein Treppengeländer gibt, auf dem oben Franz von Asisi steht. Und das gesamte Geländer hoch laufen Tiere auf ihn zu. Unser Führer hat uns gesagt, wir sollten alle mit den Händen am Geländer langlaufen, so blieben die Tiere seit Jahrzehnten blank. Haben wir gemacht. Meine Finger erinnern sich an das Gefühl, einen Hasen aus Metall gestreichelt zu haben.

Jena. Der rote Stern.

Gera. Der riesige Fabrikschornstein, von dem unser Führer behauptete, er wäre deshalb so hoch, damit die Schadstoffe nicht bis auf die Stadt runterkämen. Klar. Wahrscheinlich war es deshalb auch so bräunlichdunkel in der Stadt. Wir haben in der Jugendherberge Thomas Mann übernachtet, die aus einzelnen Gebäuden am Hang und einem alten Haupthaus bestand. Meine Mitreisende Elisabeth hatte eine Erkältung und hat einen Esslöffel China-Öl geschluckt, worauf ich Angst hatte, sie wiederbeleben zu müssen. Tim hat draußen auf den Stufen gesessen und in Kohle ein Bild der hügeligen Landschaft gezeichnet. Es war sehr ruhig.

Meißen. Porzellan. Viel, viel, viel Porzellan. Zwei gekreuzte Schwerter. Ein schöner Marktplatz. Eine Kirche, zu der verdammt viele Stufen hoch führten.

Dresden. Die Elbe. Die Brücken über die Elbe. Die Semper-Oper. Der Zwinger, meine Güte, der Zwinger und das Grüne Gewölbe. Wie eine andere, wunderschöne Welt. In der Innenstadt der beste Intershop der DDR.

Leipzig. Die Universität, der Weisheitszahn mit dem fiesen Karl-Marx-Relief, ohne das der Turm wahrscheinlich umfallen würde. Ein riesiger, leerer Platz, der Sozialismus quasi atmet. Auerbachs Keller. Viel zu viel Bier. Goldene Kuppeln? Von was? Und am nächsten Morgen das Bach-Haus und die Thomaskirche. Die Thomaner haben gesungen und ich garantiert geheult.

Erfurt. Der Dom. Die bunten Fenster. Die Bänke voller Schnitzereien, Gesichter und Geschichten. Ein Mann, der mit einer riesigen Ölkanne die Straßenbahnschienen abschreitet. Die kleinen, grauen Fahrkarten, in die Löcher gestanzt wurden. Susanne und ich haben in der ganzen Stadt keinen Kristallwodka gefunden.

Eisenach. Die Wartburg. Der Tintenfleck, der garantiert seit Jahrhunderten liebevoll nachgemalt wird. Der Blick aus dem Fenster ins grüne Tal. Die Ahnung der Grenzanlagen.

Die Heimfahrt über Helmstedt. Die leiser werdenden Unterhaltungen, wenn die Grenze erreicht wird. Die Erleichterung, wenn sie hinter einem liegt. Der erste Halt auf westdeutscher Seite, Autobahnraststätte, Süßigkeiten, erstmal den Braunkohlemief aus den Klamotten kriegen. Aber da fahren wir nochmal hin, oder? Klar. Nächstes Jahr wieder im Herbst. Wir sehen uns.

Ich will keine Mauer wiederha’m.