Stillleben

Eigentlich wollte ich zu dem Thema noch ein bisschen mehr schreiben (vielleicht editiere ich hier noch mal rum), aber jetzt gerade drängt die Zeit etwas, daher der fast kommentarlose Hinweis auf eine wunderbare Sendung bei BBC4 über die Geschichte der Stillleben. Mit meinem Liebling Juan Sánchez Cotán. Noch für fünf Tage im iPlayer zu sehen.

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Juan Sánchez Cotán: Stilleben mit Quitte, Kohl, Melone und Gurke (ca. 1602), Öl auf Leinwand, 68,9 x 84,5 cm, San Diego Museum of Art. Bildquelle: Wikimedia Commons.

Zum oben stehenden Stillleben hat Ori Gersht eine filmische Variante geschaffen. Pomegranate von 2006 ist hier in einem längeren Ausschnitt zu sehen. Oder etwas kleiner gleich hier:

Ori Gersht, Pomegranate, 2006 from Noga Gallery of Contemporary Art on Vimeo.

Im Film kommt außerdem der Philosoph Alain de Botton zu Wort, der aus seinem Buch Wie Proust Ihr Leben verändern kann* zitiert. Es geht um einen traurigen jungen Mann, den Marcel Proust kurzerhand zu den Stillleben Jean Chardins im Louvre schickt. Das Artblog hat den längeren Abschnitt, aus dem de Botton im Film zitiert, veröffentlicht. Ich fasse mich kurz, aber ich empfehle euch wirklich, da mal rüberzuklicken – ihr findet eine sehr schöne Beschreibung der Kunst Chardins:

„After an encounter with Chardin, Proust had high hopes for the spiritual transformation of his sad young man.

‚Once he had been dazzled by this opulent depiction of what he called mediocrity, this appetizing depiction of a life he had found insipid, this great art of nature he had thought paltry, I should say to him: “Are you happy?”‘

Why would he be? Because Chardin had shown him that the kind of environment in which he lived could, for a fraction of the cost, have many of the charms he had previously associated only with palaces and the princely life. No longer would he feel painfully excluded from an aesthetic realm, no longer would he be so envious of smart bankers with gold-plated coal tongs and diamond-studded door handles. He would learn that metal and earthenware could also be enchanting, and common crockery as beautiful as precious stones. After looking at Chardin’s work, even the humblest rooms in his parents’ flat would have the power to delight him.“

Der Künstler Mat Collishaw (den ich nebenbei mal wieder in einer Vorlesung kennengelernt habe und zwar mit seinem Werk Bullet Hole, das in der wichtigen Ausstellung Freeze von 1988 zu sehen war) nutzte die alte Technik des Stilllebens für ein makrabes und gleichzeitig faszinierendes, fotografisches Arrangement: Er inszenierte die letzten Mahlzeiten von Menschen kurz vor ihrer Hinrichtung. Auf seiner Website finden sich die Bilder von Last Meal on Death Row, Texas (2011).

Ich finde die Stelle im Film leider nicht mehr, aber einer der Kunsthistoriker, die zu Wort kommen, erwähnt Rachel Ruysch, eine der wenigen weiblichen Künstler, die in der Sendung erscheinen. (Wenn ich mich richtig erinnere, hängt auch in der Hamburger Kunsthalle ein Bild von ihr.) Er erklärt, dass Frauen eher Stillleben malten als figürliche Darstellungen, einfach aus dem Grund, weil sie in der Akademie, sofern sie überhaupt zugelassen wurden, nicht an den Aktkursen teilnehmen durften, in denen unbekleidete Männer rumstanden. „They weren’t allowed to look at naked men, but they were allowed to look at a bunch of grapes.“

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