Terrine, München

Frau Kaltmamsell bat mich in die Terrine in München, und da lasse ich mich natürlich nicht lange bitten. Ich war wieder zu faul zum Notieren, und das gelbliche Licht ist nicht besonders fotofreundlich, aber glauben Sie mir bitte: Das war große Klasse. Kann an der netten Begleitung gelegen haben, aber die Terrine verwies kurzfristig das reinstoff in Berlin in meiner Hitliste auf die Plätze. Inzwischen ist die weinselige Euphorie etwas verflogen. Wie gesagt, große Klasse, aber dann doch nicht ganz so irrwitzig toll wie das reinstoff.

(Edit: Nach der Veröffentlichung dieses Eintrags bekam ich eine freundliche Mail von Matthias, der die „Augenkrebsigkeit“ der Bilder bemängelte und sie mir bearbeitet noch mal schickte. Sie sehen deutlich besser aus als vorher, vielen Dank!)

Los ging’s mit einem Stück Melone, das in Rosenwasser mariniert wurde. Ein Hauch Pfeffer dran, ein kleiner frischer spitzer Haps. Dazu kredenzte der Sommelier einen Pinot-Noir-Rosé, dessen Namen ich leider nicht erfrug. Zur Melone war er toll, zum nächsten Häppchen auch, aber dann versagte er kläglich. Ich komme darauf zurück.

Der überaus wortgewandte Sommelier war übrigens geschätzt höchstens 20. Wahrscheinlich hat der Mann mit sieben angefangen, Wein zu trinken. Wir müssen ihn uns als einen glücklichen Menschen vorstellen.

Nächster Spaß: Forellenkaviar, Waldmeister und Ingwerluft. Hach! Hier ging’s los mit den verschiedenen Texturen, über die ich mich persönlich bei jedem Gang am meisten freue. Das widerstandslose Zerplatzen der Kaviarkügelchen, der frisch-kühle Waldmeister, dazu ein Hauch kapriziöser Ingwer. Und der Rosé, der alles fruchtig zusammenhielt.

Eigentlich sollte jetzt das Chef’s Menu losgehen, aber die zuvorkommende Bedienung erwähnte, dass sie gerade total zufällig La-Perle-Blanche-Austern da hätten, ob’s welche sein dürften? Wir entschieden uns für jeweils zwei. So richtig mit Schale und Schlürfen habe ich erst einmal Austern gegessen, und die waren deutlich meerwassriger. Die hier waren sehr fein, einen Hauch salzig, aber auch deutlich größer, was bedeutete, dass ich ein bisschen kauen musste. Was ich bei Muscheln gerne vermeide, denn je länger ich den Kram im Mund habe, desto mehr fange ich an, über die seltsame Konsistenz nachzudenken. Deswegen muss ich die Viecher auch nicht dauernd haben, aber wenn ich schon so freundlich gefragt werde, sage ich natürlich nicht nein. Hier habe ich auch zum ersten Mal kapiert, dass die Zitrone, in Maßen drübergeträufelt, den Meergeschmack noch verstärkt anstatt alles in irgendwas zu verwandeln, was an Kloreinigerduft erinnert.

Dafür war der Rosé jetzt bockig: Nach einer Auster nahm ich einen Schluck und hatte auf einmal das Gefühl, auf brackigen Kieselsteinen rumzukauen. Die Fruchtigkeit vom Wein war weg genau wie die Meeresbrise der Auster.

Erster Gang: Donauwaller mit Navetten, Pfifferlingen und Zitronen-Nussbutter. Dass der Donauwaller wohl ein Fisch sein soll, konnten wir noch erraten, aber nach den Navetten haben wir gefragt: Das ist eine Form der Mairübe. Und, wie ich jetzt weiß, eine äußerst schmackhafte. Zart und knackig, der Fisch zart und bissfest, die Pfifferlinge zart und rauchig. Ein sehr liebevoller Reinkommer, der mir außerordentlich gut gefallen hat.

Dazu gabe’s einen Sauvingon Blanc „Animale Celeste“ 2011, der genauso liebevoll war. Ich rieche beim Sauvignon blanc immer schwarze Johannisbeere, Frau Kaltmamsell ergänzte um Ananas, und wir beide waren sehr glücklich und zufrieden.

Der zweite war mein liebster Gang des Abends: Seeteufel, Erbse, Toast-Avocado, grüne Mandel. Grüne Mandel hatte ich vor ein paar Monaten im reinstoff das erste Mal gegessen und war schwer beeindruckt (wobei der Grüne-Mandel-Gang da auch der Kracher war). „Toast-Avocado“ ist Restaurantdeutsch für „geröstete Avocado“, und Frau Kaltmamsell und ich sagten beide, dass man da auch mal selber hätte drauf kommen können. Mir hat an diesem Gang der Gesamteindruck am besten gefallen: alles war mild-fluffig-süßlich, und das scheint die Geschmacksrichtung zu sein, mit der man mich ins Bett kriegt.

Der Wein dazu war ein Anjou „La Lune“ 2010, der aus Chenin-Blanc-Trauben gekeltert wird. Er sorgte dafür, dass das Essen nicht in seiner eigenen Lieblichkeit erstarrte, sondern hielt frisch und kernig dagegen – natürlich ohne die milde Fluffigkeit zu ruinieren. Jetzt lag auch die Kaltmamsell im Bett.

Der dritte Gang: Schwarze-Bohnen-Essenz mit Ziegenkäseravioli und Tomate. Ich finde Essenz generell spannend, weil mein Kopf auf das ganze Gemüse wartet und ich bloß eine Flüssigkeit schlürfe. So auch hier: Die Erdigkeit der Bohnen, die einem elegant die Speiseröhre auskleidete, passte hervorragend zur Zickigkeit des Ziegenkäses, der von der säuerlichen Frische der Tomaten ergänzt wurde. Kein großer Aufreger, aber stimmig – und deutlich hübscher als das miese Foto. Entschuldigung.

Der Wein blieb der „La Lune“, mit dem wir immer noch sehr glücklich waren. Ich ahne, dass mein Agenturempfang demnächst wieder eine Kiste annehmen und mich nölig anrufen wird: „Hier ist schon wieder Alkohol für dich!“

Der vierte Gang war der unspektakulärste, aber wir brauchen ja auch nicht immer Feuerwerk: Foie Gras, Kirsche, schwarze Olive. Wie schon bei der grünen Mandel hatte ich reinstoff-Flashbacks, denn dort wurde eben diese Mandel mit Foie Gras kombiniert – für mich eine großartige Kombination. Hier war mir die Gänseleberpastete ein bisschen zu warm, und die Kombination mit der Kirsche erschien mir zwar halbwegs passend, aber doch einen Mikrometer daneben. Der Wein allerdings machte eine Menge wieder wett. Wo ich das Gefühl hatte, dass Kirsche und Foie Gras nur widerwillig miteinander auf dem Teller lagen, sorgte der Ramos Pinto Ruby Port dafür, dass sie sich in meinem Mund ganz hervorragend verstanden.

Der übliche Magenaufräumer: ein Sorbet. Ich glaube, Ingwer. Passt.

Der Hauptgang war, wie schon in der Küchenwerkstatt, Reh, genauer gesagt Poltinger Reh mit Mangold, Verjus und Brombeere. Ich liebe die Kombination von Wild mit Obst, wobei das Wild kaum nach Wild schmeckte (was, glaube ich, der Witz an Reh im Sommer ist anstatt zu Weihnachten). Sehr schöner Gang, ohne Höhen und Tiefen, aber dafür eben absolut ausgewogen.

Beim Wein ritt mich meine charmante Begleitung schön rein. Der Sommelier setzte gerade an, uns den 2004er Reserva „Finca de Ganuza“ schmackhaft zu machen, indem er darauf hinwies, dass er zu 90 Prozent aus Tempranillo bestehe, woraufhin Klatschbase Kaltmamsell rumpiepste: „Meine Freundin mag keinen Tempranillo.“ Ich zuckte schamhaft zusammen, beteuerte, der totale Fan von Tempranillo zu sein, dachte aber innerlich, es gibt Milliarden von Rotweinen, wieso muss es ewig der olle Tempranillo sein? Freund Sommelier bot mir sofort einen Ersatz an, aber so leicht kriegt man mich nicht. Ich gehe davon aus, dass die Jungs und Mädels sich was bei der Zusammenstellung gedacht haben, und deswegen bestand ich fast auf dem verdammten Tempranillo. Der dann – natürlich – überraschend gut war. Erstmal (für mich) belanglos, weil ich die Traube eben belanglos finde, aber: Die zehn Prozent, die eben nicht von der Schnarchnase stammten, machten aus dem Wein etwas Besonderes. Sie bestanden zu fünf Prozent aus Graciano und jeweils zweieinhalb Prozent aus Viura und Malvasia. Ich konnte ihr Aroma überhaupt nicht festnageln, sondern faselte nur angetan vom Geist über dem Wasser, der meine Nase hochkletterte. (Ja, mir geht’s gut, danke.)

Laut ausgedruckter Speisenfolge, die ich mir nach dem Festessen erbat, kam jetzt das „Pre-Dessert“. Wieder ein schönes Wort für die interne Datenbank. Das Vorspeischen war eine Schokoladencreme plus Himbeersauce, und eins von beiden war mit Eukalyptus aromatisiert. Die Kombi Schokolade plus X gewinnt bei mir immer, Himbeeren sind super und Eukalyptus wird von Koalas gegessen – what’s not to love?

Der Abschluss war dann noch mal ein Kracher, der in meiner persönlichen Hitliste direkt hinter der erbsigen Avocado landete: Tannennadeleis (!), Rosenwasserpfirsich, Marzipanespuma. Frau Kaltmamsell meinte zu Recht, vor uns wäre nun kein Nadelbaum mehr sicher, denn das Eis war unglaublich gut. Mehr Frucht als Tannenbaum, sehr frisch, ein bisschen herb, aber eigentlich hat es nur grün geschmeckt. Wie grün halt so schmeckt. Dazu das weichgespülte Marzipan und die feinfruchtigen Pfirsiche – ich war begeistert. An den Wein erinnere ich ich in meiner Süßspeisenseligkeit nicht mehr, aber er war bestimmt genauso toll wie die anderen: ein 2010er Vouvray „Le Clos du Bourg“.

Terrine
Amalienstraße 89 (Amalienpassage)
80799 München

Geöffnet Montag bis Samstag ab 18.30 Uhr (Küche bis 22.30 Uhr) sowie Dienstag bis Freitag 12 bis 15 Uhr (Küche bis 14 Uhr).

Telefon: 089/28 17 80
E-Mail: geniessen@terrine.de