„Bebilderte Hörbücher”

Das Unique-Magazin über „die Unsitte der Filmsynchronisation in Deutschland“. Via Christina Brunns quote.fm.

„Synchronisation wirkt stereotypisierend und vereinfachend, da sie immer auch nach (deutscher) Eindeutigkeit strebt. Mit der differenzierten Welt polyglotter Filme kann sie unmöglich zurecht kommen. Mehrsprachigkeit im Kino bedeutet nicht nur ein von so manch deutschem Politiker verteufeltes Multikulti, sondern eben auch Missverständnisse oder Nicht-Verstehen.

In Carol Reeds The Third Man von 1949 sucht ein Amerikaner im Wien der Nachkriegszeit nach einem verschollenen Freund. Dass er sich aufgrund fehlender Deutschkenntnisse nicht mit den Einheimischen verständigen kann, verstärkt sein beklemmendes Gefühl persönlicher Isolation. Da in der Synchronfassung alle Figuren deutsch sprechen, verstehen sich alle, was die Ausgangssituation massiv verzerrt. Weil die dargestellten Verständigungsprobleme keinen Sinn mehr ergaben, griff das Synchronstudio zur Schere. Die Folge: Noch im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts läuft The Third Man im deutschen öffentlichen GEZ-finanzierten Fernsehen in einer zwei Minuten kürzeren Fassung – Vorspann- und Abspannschnitte nicht eingerechnet.(…)

Synchronisation zerstört nicht nur Kunstwerke, sondern auch Interkulturalität. Dass die ganze Welt ausschließlich deutsch spricht, ist nur ein feuchter Traum deutscher Nationalchauvinisten. In Fernsehen und Kino wird sie in Deutschland auf eine Weise gezeigt, die diesen Traum fast erfüllt. Wer von den „schöpferischen Möglichkeiten der Synchronisation“ in Deutschland schwärmt, offenbart nicht nur seine unbegrenzte Verachtung gegenüber Filmemachern als Künstlern, sondern ist auch von deutschen Überlegenheitsphantasien nicht mehr weit entfernt. Die Vorstellung hingegen, dass gerade dank Synchronisation dem deutschen Publikum fremde Kulturen näher gebracht würden, geht von falschen Prämissen aus. Sie hält kulturelle Unterschiede für unüberbrückbar, unterschätzt die Universalität der Filmsprache und führt zum „Mallorca-Syndrom“: Das Fremde wird erst akzeptiert, wenn es als Verlängerung Deutschlands wahrgenommen werden kann.“

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