Der Herr Geheimrat ganz privat

Ich war am Montag beruflich in Frankfurt und hatte nach dem Termin, für den es Geld gibt, noch etwas Zeit, um Geld auszugeben. Daher testete ich mal die Frankfurter Tram an, die mir ein paar Tage vorher auf Twitter ans Herz gelegt worden war. Ich verzweifelte etwas am Fahrkartenautomaten (ah, es gibt einmal Fahrten innerhalb von Frankfurt und einmal außerhalb), dann müffelte die 12 auch noch, dann stieg eine Kindergartentruppe ein (immerhin mit lustigen Nemo-Neon-Westen und einem russisch blaffenden Fräulein Rottenmeier), aber das war alles wurst, denn nach zehn Minuten stieg ich am Römer aus und guckte mir eben diesen an. Ohne ein Foto zu machen.

Dann sprintete ich durch die Paulskirche (die kannte ich schon, und meine Zeit war knapp bemessen), um zum Ziel meiner Wünsche zu gelangen: dem Goethehaus. Ich habe gerade die Italienische Reise beendet und fand es daher seltsam heimelig, in dem Haus rumzuklettern, in dem Herr Goethe geschrieben hat. Jedenfalls bis er nach Weimar umsiedelte, wo dann auch die Reise entstand.

Nach den guten Erfahrungen mit dem Audioguide in der Pinakothek gönnte ich mir auch dieses Mal einen und war genauso zufrieden. Jedenfalls in meinem engen Zeitrahmen. Wenn ich zwei Stunden gehabt hätte, hätte ich gerne ein paar Informationen mehr gehabt, so aber war er perfekt, um innerhalb eines Stündchens durch Erdgeschoss und drei Stockwerke zu bummeln.

Ich war von der Größe des Hauses sehr beeindruckt, habe mich bei jeder knarzenden Bodendiele fies erschrocken, weil ich gerade auf den plaudernden Mann im Ohr konzentriert war (und es knarzen eine Menge Bodendielen!) und habe mich in die Tapete im blauen Salon im Erdgeschoss verliebt. Ohne ein Foto zu machen.

Das Foto vom Musikzimmer ist natürlich absichtlich so lustig verwischt, um die Dynamik von Musik zu visualisieren. Ist klar.

In der Küche gibt es eine Pumpe mit einem zwei Meter langen, verdammt schwer aussehenden Schwengel, ein kleines Regal mit Kupfertöpfen und Geschirr und dazu einen Herd mit einer einzigen Feuerstelle. Wenn es in der Küche fließendes Wasser gab – wieso gab es dann im ganzen Haus keine Nasszelle? In jeder Etage gibt es drei, vier sehr schöne Zimmer, aber nirgends ein Bad. Dafür ein Familienzimmer, in dem Porzellan zu sehen war, darunter die Schokoladentasse von Mama Goethe, nach der sie angeblich noch auf dem Sterbebett verlangt hat (nach was auch sonst).

(Warum ich diese schräge Perspektive gewählt habe, um ein Bild zu fotografieren, ist mir im Nachhinein so gar nicht mehr klar.)

In der Bibliothek habe ich nach den ganzen Werken gesucht, die mir im (sehr guten) Anhang der Italienischen Reise begegnet sind. Also die Bücher über Italien, Rom, Architektur, Kunst, Geologie, Biologie und überhaupt alles, mit was sich Goethe in Kindheit und Jugend so beschäftigt hat. Leider habe ich kein einziges gefunden, aber vielleicht sind die alle in Weimar. (Memo to me: dringend mal wieder nach Weimar. Die letzten drei Male waren noch zu DDR-Zeiten, und für das Goethehaus hatten wir nur einmal Zeit. Dafür war ich dreimal hier.)

Der Audioguide erzählt etwas zu den Wohnräumen und ihrem Zweck, ausgewählten Möbelstücken und Bildern und eben was zur Schokoladentasse von Mama. Und wenn der PDA nicht am Ende jedes Beitrags blöd plingen würde, wäre ich die ganze Zeit zweieinhalb Jahrhunderte in der Vergangenheit gewandelt. So wird man immer wieder ein bisschen rausgerissen, aber das mag eine persönliche Empfindlichkeit sein. Wie in letzter Zeit so häufig hat mir die kleine Flucht aus dem Alltag sehr gut getan. Und deswegen verzeihe ich Frankfurt auch das elendig hässliche Lufthansa-Terminal.