Mittwoch, 29. März 2023 – Preview

Heute wird die Ausstellung „Charlotte Salomon. Leben? oder Theater?“ eröffnet. Um 19 Uhr geht’s im Kunstbau los, kommt vorbei, es kostet nichts. (Die Bar allerdings schon.)

Gestern war die sogenannte Preview für die Förder*innen des Hauses und alle, die auf der Einladungsliste standen, darunter natürlich auch wir Mitarbeiter*innen. Ich hatte beim Aufbau schon mal vorbeigeschaut und wusste daher so halbwegs, was nun fertig gehängt zu sehen sein würde, aber ich fand es trotzdem toll, nun alles hübsch ausgeleuchtet anschauen zu können.

Neben den vielen einzelnen Blättern Salomons aus ihrem „Singespiel“ (kein Tippfehler) gibt es verschiedene Stationen über Leben in Berlin in den 1920er und 1930er Jahren, über das besetzte Frankreich, mann kann ein bisschen aus der Musik hören, die Salomon in ihrem Werk erwähnt, es hängen Plakate von früheren Ausstellungen und es gibt eine Vitrine, in der alte Kataloge oder weitere Auseinandersetzungen mit ihrem Werk zu sehen sind. Dort findet sich auch ein Katalog, der seit wenigen Tagen bei mir liegt. Denn eine freundliche Leserin hatte mir geschrieben, dass sie 1971 in Amsterdam eine Ausstellung mit Salomons Singespiel gesehen und sich damals den Katalog gekauft hatte. Den hat sie mir tollerweise geschenkt, und ich blättere seitdem liebevoll in ihm rum. Er steht nicht bei uns im Haus, er steht nicht mal im ZI, und ich fühle mich sehr reich beschenkt. Die Dame ist Künstlerin – schaut doch mal bei ihr vorbei.

Und kommt zur Eröffnung! Oder seht euch die Ausstellung an. Lohnt sich wirklich.

Dienstag, 27. März 2023 – An mir vorbei

Kacktag. Aber schönes Konzert abends. Zum Wachwerden sieben Minuten Liszt (Arrangement Horowitz).

„Und dafür heule ich hier in mein Bier?“

Freitag bis Sonntag, 24. bis 26. März 2023 – Frankfurt

Freitagvormittag gemütliche Hinfahrt von München nach Frankfurt, ich arbeitete im Zug, die Zeit verging wie im Flug.

Rückfahrt einen Hauch ungeplant schon Sonntagabend statt Montag, denn heute geht ja nichts mehr wegen des Streiks, der völlig in Ordnung ist. Unsere Tickets behielten die Gültigkeit, wir reservierten nur zwei neue Sitzplätze, Zug fuhr püntklich und es gab sogar noch freie Plätze. Ich arbeitete nicht, die Zeit kroch dahin, und ich war darob nölig, wollte aber auch nicht mehr arbeiten, weil ich um 19 Uhr nicht mehr denken kann.

Freitag bummelten wir nur durch die Gegend, lästerten über die Playmobilhäuser rund um den Römer, kehrten im Café an der Schirn ein, gingen aber noch nicht Kunst gucken. Freitag war quasi Reise- und Rumlungertag. Aber wir hatten abends einen Termin, nutzten die zuckelige U-Bahn nach habichvergessen, die 30 Minuten dauerte, vom dortigen Bahnhof holte uns ein alter Freund von F. ab, den er vor 20 Jahren in den USA kennengelernt hatte. Wir wurden köstlich bewirtet und beweint und vom (freiwillig nüchtern gebliebenen) Gastgeber mit dem Auto wieder zum Hotel zurückgebracht, was keine 15 Minuten dauerte, und so wird das nichts mit der Verkehrswende.

Samstag kam zuerst Niki de Saint Phalle in der Schirn dran, die ich als gebürtige Hannoveranerin natürlich kenne, bei uns stehen ja drei Nanas rum, über die ich mir nie Gedanken gemacht habe als Kind, ich fand sie halt schön und bunt und gut war’s. Erst nach Jahren ist mir die kunsthistorische, feministische und soziologische Sprengkraft der Figuren klar und seitdem liebe ich sie noch mehr.

In der Ausstellung sah ich aber erstmals ausführlich ihr Frühwerk und das fand ich noch spannender.

Danach gingen wir in den anderen Flügel der Schirn und sahen gefühlt ewig Videokunst von Elizabeth Price, die uns deutlich mehr gefiel als wir erwartet hatten. Ich zitiere die Schirn:

„Aus Kunst­ge­gen­stän­den und Doku­men­ten von histo­ri­schen Ereig­nis­sen entwi­ckelt Price im Zuge ihrer digi­ta­len Aneig­nung neue Erzäh­lun­gen. Ein wieder­keh­ren­des Thema ist die durch die Digi­ta­li­sie­rung verän­derte Arbeits­welt, das Abwan­dern der manu­el­len Arbeit in Schwel­len­län­der mit gerin­gen Löhnen oder die Zunahme der Infor­ma­ti­ons­ar­beit, Büro­tä­tig­keit und Verwal­tung.“

In der Pressemitteilung stehen die Titel und genaueren Inhalte. Lesens- und vor allem sehenswert, das Ganze.

Bei der Arbeit „Night of the world“ von 2023 fühlte ich mich unangenehm ertappt. Ich zitiere die eben verlinkte Pressemitteilung:

„Sie widmet sich einem Schiff namens Tricolor, das im Dezember 2002 in einem West Hinder genannten Gebiet des Ärmelkanals zwischen den Britischen Inseln und dem europäischen Festland sank. Geschildert wird eine Fantasieerzählung, in der die Schiffsladung von 2896 Luxusautos eine Art Bewusstsein erlangt. Deren „intelligente Fahrzeugsteuerungssysteme“ entwickeln eine Sprache aus Benutzerhandbüchern und Pressemitteilungen. Als ein Chor synthetischer Stimmen wenden die Fahrzeuge sich mittels bewegter Grafiken auf dem Bildschirm an die Betrachterinnen und Betrachter.“

Die „Sprache aus Benutzerhandbüchern und Pressemitteilungen“ ist mir natürlich sehr vertraut, weil ich sie selbst jahrelang verfasst habe. Die ganzen Sprechblasen von „dynamischen Linien“, „kraftvollen Eindrücken“ und ähnlichem Firlefanz habe ich hier schön um die Ohren gehauen bekommen. Der Text verstieg sich zu „Arabesken aus“ irgendwas, vergessen, aber spätestens dann saß ich mit sehr roten Öhrchen da. Dass man „Truth in Engineering“ (BMW-Claim) auch als eine Art Manifest einer künstlichen Intelligenz lesen könnte, fand ich äußerst clever.

Wir verzichteten aufs Mittagessen, denn wir hatten abends eine Reservierung. Gestärkt durch Weingummi, Kekse und Cola gingen wir noch ins Museum für moderne Kunst, wo uns Rosemarie Trockel leider eher ratlos zurückließ. Ich mag ihre textilen Arbeiten sehr gern, aber für alles andere musste man das Begleitheft lesen, zu dem wir beide keine Lust hatten. Wenn von den dortigen, guten Texten ein Drittel an den Wänden gestanden hätte, wäre es uns vielleicht anders ergangen, aber so bummelten wir durch Konzeptkunst, die uns leider eher egal blieb.

Abends saßen wir im Masa, aus dem wir völlig begeistert wieder herauskamen. Zwei Fotos gemacht, eins auf Insta gepostet, aber auch erst am Tag danach, ich wollte nur schauen und riechen und genießen. Das haben wir sehr ausführlich zelebriert. Kann erstmal kein Sashimi mehr essen, weil das dort schlicht herausragend war; solchen Fisch, solchen Reis hatte ich noch nie gegessen. Und Sake! Wie toll kann bitte Sake sein? Viel gelernt, dankbar gewesen.

Gestern wartete noch das Jüdische Museum auf uns. In der Ausstellung „Zurück ins Licht“ konnte ich vier vergessene oder übersehenene Künstlerinnnen kennenlernen. Sehr gute Ausstellung, die man – leider, wie immer in diesem Kontext – mit der geballten Faust in der Tasche wieder verlässt. Danach schauten wir uns in aller Ruhe die Dauerausstellung an, die uns ebenfalls sehr gut gefallen hat. Man wird nicht zugeballert, bekommt aber alles mit, die Texte sind knapp, aber aussagekräftig, diverse Hörstationen bieten Vertiefung. Und: genug Sitzgelegenheiten! Und Kaffee für lau in einem Raum, der mit „Ask the Rabbi“ überschrieben ist und in dem man sich Videos mit Rabbiner*innen anschauen kann, die in Frankfurt arbeiten. Kenne deine Zielgruppe! Sehr gut.

Ich twitterte, dass die Schließfächer für Jacken und Rucksäcke keine Nummern, sondern Namen haben – erstmal Fritz Bauer gesichert –, worauf das Museum sich mit Grüßen meldete und einen schönen Besuch wünschte. Meine erste Reaktion: „Oh, nett.“ Meine zweite: „Verdammt, da muss jemand am Sonntag arbeiten.“

Mittendrin-Reaktion leider auch: Wieso gibt es eine Eingangskontrolle, in der Rucksäcke durchwühlt werden und bei der man durch einen Metalldetektor geht. Wann hört dieser Scheiß endlich auf, nötig zu sein. Verdammtes Land. (Bin spätestens seit der Diss dauernd auf Krawall gebürstet, wenn es um Deutschland, seine Vergangenheit und seinen Umgang mit eben dieser geht.)

Unsere Koffer waren noch im Hotel, wir mussten noch etwas Zeit bis zum Zug rumkriegen, also gingen wir in einen Burgerladen, dessen Burger sehr gut und heiß und fettig waren, wo wir aber leider noch einen kleinen Milkshake als Nachtisch orderten, der uns ins totale Zuckerkoma warf. Hätte man vielleicht erwarten können, wenn man etwas mit Skittles und Toffifee bestellt. Ich wunderte mich, dass die Freshman 15 nicht Freshmen 50 heißen. Wir machten einen Verdauungsspaziergang zur Plastikaltstadt und gingen in einen am Freitag entdeckten kleinen Hof, der nach Fried Lübbecke benannt wurde, den wir uns erstmal ergoogelten und über den ich im ZI etwas nachlesen werde. Wenn wir auf Bildungstour sind, dann richtig.

Ereignislose Rückfahrt, ich erwähnte es bereits. F. döste rum, ich las in einer Diss über die sogenannte „innere Emigration“ einiger deutscher Künstler*innen (problematischer Wiki-Eintrag; nicht alle in Deutschland gebliebenen Künstler*innen waren dem Staat gegenüber in der Opposition) und wechselte dann zu Lion Feuchtwangers Tagebüchern, die ich im Museumsshop erworben hatte.

Und wenn ich mitgekriegt hätte, dass die U-Bahnen im Hauptbahnhof mal wieder im Wochenend-Baustellen-Modus fahren (also nicht auf den Gleisen, auf denen sie sonst fahren und die ich im Schlaf finde), hätte ich noch nicht mal auf eine Bahn warten müssen. Musste ich dann aber, Koffer war zu schwer zum Rennen. Alles wie immer also.

Donnerstag, 23. März 2023 – Aufbau

Zum ersten Mal zugeschaut, wie eine Ausstellung aufgebaut wird. Einiges von „Charlotte Salomon. Leben? oder Theater?“ hängt schon, anderes noch nicht, einiges ist bereits hinter Glas, andere Blätter waren noch so anzuschauen. Ich war deutlich mehr fasziniert (und ergriffen) als ich erwartet hatte. Ein Kurator aus dem Jüdischen Museum Amsterdam war da und sah mit unserem Volontär die Blätter durch, eine Restauratorin überprüfte jede Glasscheibe und wischte notfalls nochmal mit den entsprechenden Mitteln nach (ich erfuhr, dass bestimmte Mittel oder Tücher dafür sorgen, dass die Scheiben sich statisch aufladen, was gerade bei Werken mit nicht bombenfesten Farbschichten eher doof ist), der Betriebsdienst fuhr Vitrinen und Lampenschienen durch die Gegend.

Der Kunstbau liegt noch im Halbdunkel, es ist noch keine wirkliche Ausstellungsatmosphäre, aber man sieht schon sehr deutlich, wo es hingeht. Ergriffen war ich von den Werken, die ich bisher nur aus dem Internet oder Büchern kannte und die so aussehen, als wären sie vorgestern gemalt worden und nicht zwischen 1940 und 1942.

Falls ihr Zeit für diese Ausstellung habt, kommt vorbei. Das wird großartig. Am Donnerstag ist Eröffnung.

Der Tag war hektisch, aber wenn ich gar nicht mehr denken kann, gehe ich inzwischen für fünf Minuten in die Soundinstallation von Ceal Floyer, „’til I get it right“, die gerade in der documenta-Ausstellung zu finden ist. Hier ein Ausschnitt von der documenta. Es ist ein winziger Klangschnipsel, der im Endlos-Loop in einem leeren Raum läuft, und es ist wie eine kleine Seelenmassage. Mal kurz an die Wand lehnen und daran glauben, alles richtig zu machen.

Außerdem Seelenmassage: mit dem Rad zu Arbeit fahren. Vorgestern gemacht, weil ich es eilig hatte, gestern, weil’s vorgestern so schön war.

Mich nachträglich über einen wirklich schönen Abend mit hervorragendem Essen und noch hervorragenderen Weinen im Brothers gefreut, den ich am Mittwoch hatte. Gerne wieder.

Dienstag, 21. März 2023 – 1002 Nächte

Morgens auf dem Weg zur Arbeit gedacht, ah, es ist wärmer als fünf Grad, München stellt die Stühle vor die Cafés. This is the way.

Acht Stunden im Hektikflöz verbracht.

In der Mittagspause fragte Cheffe: „Ankeee, wann hast du wieder mal Geburtstaaag?“ Kuchen von letzter Woche ist anscheinend gut angekommen; die Kollegin hat ihn sogar schon nachgebaut. Ich backe mir den Weg an die Spitze.

Auf dem Heimweg als einzigen klaren Gedanken das Abendessen gehabt. Mehr als „Fertignudeln, alles Gemüse, was rumliegt plus schlotzige Sauce“ war aber nicht drin. War dann aber lecker. (Beste schlotzige Sauce in meinem Repertoire.)

Die Geschichte von der 1002. Nacht“ von Joseph Roth ausgelesen. Ich erwähnte es bereits, ich werde mir das Gesamtwerk zulegen müssen. Bin völlig vernarrt in diesen Schreibstil, auch wenn ich mich durch seltsame Frauenbilder und Rassismus kämpfen muss.

Freitag bis Montag, 17. bis 20. März – Piano Playlist

Im Norden gewesen. Dinge erledigt.

Papa hat schon einen Nachbarn. Wenn noch eine*r kommt, hat er seine Skatrunde zusammen. Auf Insta kommentierte jemand das Bild so schön: „Bis dahin Bauernskat.“

Auf der Zugrückfahrt habe ich diese Playlist mit „piano transcriptions“ genossen, durch die ich den Komponisten Ignaz Friedman und den Pianisten Joseph Banowetz kennenlernen konnte. In meinem Mix der Woche verbarg sich dieses kurze Stück von Jean-Philippe Rameau, den ich bisher auch noch nicht gehört hatte, und das brachte mich auf das Album, auf dem dieses Stück war. Im YouTube-Link spielt Grigori Sokolov, den ich schon einmal live hören durfte und seitdem sehr schätze. Empfehle ich euch hiermit alles zum Selbststudium weiter.

Donnerstag, 16. März 2023 – Erneut Alois

Tagsüber viele Meetings gehabt, die schmerzhaft von meinen lächerlichen 19kommafünf Stunden runtertickerten. Deswegen zwei kleine Jobs nicht geschafft, bei denen meine Kollegin und ich anscheinend zwei Stunden aneinander vorbeigeredet haben. Oder ich habe sie schlicht nicht verstanden, das erscheint mir naheliegender. Anstatt beim Feierabend zu sagen, sorry, mach ich morgen gleich als erstes fertig, musste ich nun sagen, sorry, liegt wieder auf deinem Schreibtisch, weil ich erst Dienstag wieder im Haus bin.

Auf solche Abende folgt inzwischen neuerdings normalerweise mein deprimiertes Freitagsloch der jammernden Untätigkeit, aber davor konnten mich F. und Alois dieses Mal bewahren. Ich habe einen Gang fotografiert, aber selbst den mag ich nicht rumzeigen, weil der Abend so perfekt war. Wo ich im November schon von allem beeindruckt war, legte der Laden gestern noch eine Schippe drauf. Jeder. Einzelne. Bissen. Perfektion. So habe ich noch nie gegessen. Wenn ich nicht gerade wohlig seufzte oder hervorragenden Wein trank, schmissen mich die perfekten Bissen ein wenig in die kulinarische Verständnislosigkeit und Überforderung. Wie kann man in eben diesen einen Bissen so viele Schichten packen, so viele unterschiedliche Nuancen, Texturen, Temperaturen? Wie komplex kann man einen Bissen machen? Nebenbei: Kann keine Ente mehr essen, nach gestern kann nichts mehr kommen. Und ich mag Abalone!


Wenn ich in Rente bin und es mir leisten kann, werde ich nur noch Kochkurse besuchen. Neben meinem Seniorenstudium der Soziologie.

Cognac kann ich später leider nicht im Lehnstuhl vor mich hinsüppeln – auch das war mal ein Plan –, denn das Cognac-Game haben wir gestern mit wenigen Mini-Schlückchen durchgespielt. So habe ich noch nie getrunken.

Mittwoch, 15. März 2023 – Ein Drittel Matsch

Vormittags mit Ausstellungsplakaten und -flyern durch unser Büro marschiert, um einen Punkt zu finden, an dem man einen hellen Untergrund für ein Foto mit Plakaten und Flyern hat. Haben wir aber nicht, weswegen ich irgendwann im Foyer des Museums landete und meine Objekte liebevoll auf dem Fußboden drapierte, damit wir was Hübsches für Insta und ein Querformat für Facebook haben. Ich machte noch weitere Fotos unter dem wunderschönen Wirbelwerk, aber die Fotos direkt an der Eingangstür waren besser.

Nachmittags einen Kuchen für die Kolleginnen gebacken, den ich heute mitbringen wollte, aus Gründen, wie es so schön heißt. Der sah beim Rausnehmen gut, aber fragil aus, was mir aber nichts ausmachte, schön locker, das Ding, dachte ich noch so. Nach dem Auskühlen merkte ich beim Glasieren, dass er etwas eingesunken war, was mir aber nichts ausmachte, schön locker, das Ding, dachte ich noch so. Aber als ich den Kuchen abends transportsicher verpacken wollte, merkte ich beim Anheben, dass „locker“ wohl doch „nicht ganz durch“ war. Ich vergaß Anstand und Optik und schnitt das Ding in der Mitte durch, wo mir roher Teig und versunkener Guss entgegenkamen. Ein Drittel Matsch, aber zwei Drittel wirklich guter Kuchen. Dachte ich.

Also buk ich um 21 Uhr noch mal den gleichen Kuchen, der heute unglasiert mit ins Büro kommen sollte, denn ich wollte mir nicht ernsthaft für drei Uhr morgens den Wecker stellen, um einen kühlen Kuchen zu glasieren, der dann um acht Uhr morgens trocken ist.

Erst nachdem der zweite Kuchen im Ofen gelandet war, probierte ich den ersten, den ich schon oft genug gebacken hatte, um zu wissen, wie er schmeckt. Dieser hier schmeckte mehr nach Erwachsenen- als nach zuckrigem Geburtstagsgebäck, denn ich hatte keinen braunen Zucker aus dem Supermarktregal mehr im Haus gehabt und deswegen Muscovado verwendet und auf karamellige Noten gehofft. Die sind aber eher herb ausgefallen, weswegen ich eben, als ich vor dem Wecker um 6.30 Uhr aufwachte, ernsthaft doch noch schnell den Kuchen glasierte und Vanillezucker oben drauf streute, bevor ich mir die Zähne putzte und die normale Morgenroutine startete. Mal sehen, ob das hilft.

Ich war kurz versucht, ernsthaft noch einen schnellen Marmorkuchen anzusetzen, was ich vermutlich gestern abend hätte machen sollen, dachte mir dann aber selbst, dass ich gerade zu sehr nach Stepford abgleite und meine Kolleginnen sehr wahrscheinlich auch mit Erwachsenen-Kuchen klarkommen.

Dienstag, 14. März 2023 – Fanny

Mit Maske ins Büro gegangen und sie einfach den ganzen Tag lang getragen. Abendlicher Test war erneut negativ; der war nötig, weil wir Konzertkarten hatten für Isata Kanneh-Mason. Das Programm war schön, aber so richtig mitgerissen hat mich die Ostersonate in A-Dur von Fanny Mendelssohn. Kannte ich vorher nicht und das hatte mich vom ersten bis zu letzten Ton. Bei Klassik, gerade bei längeren Stücken, wandert mein Gehirn manchmal von der Musik weg und denkt über den Job nach (wenn ich unkonzentriert bin) oder über Essen (wenn ich mich langweile) oder über das große Ganze bzw. wahlweise meine Winzigkeit im Universum (wenn ich überfordert bin). Bei der Ostersonate wollte mein Gehirn aber einfach nur die ganze Zeit wissen, wie es weitergeht, weil das Stück so toll war.

Hier spielt Éric Heidsieck die Sonate.

Montag, 13. März 2023 – Umräumen

Mit dem Rad erst in die UB, dann in die Stabi gefahren, um je ein Buch abzuholen. Ein. Buch. Eins! Habe die Zeiten vermisst, in denen ich kaum noch geradeaus radeln konnte, weil der Gepäckträger so vollgeballert war.

Mal wieder das Arbeitszimmer umgeräumt. Dieser Raum wird turnusmäßig alle sechs Monate umgestellt, bis mir irgendwann mal eine Anordnung für länger als sechs Monate gefällt. Immerhin mag ich die Wandfarbe noch, die ich vor viereinhalb Jahren ausgesucht habe. Ansonsten sammeln sich in diesem Zimmer halt immer mehr Bücher und Unterlagen, je länger ich nicht mehr Uni-mäßig arbeite, wo man am Semesterende alles verklappen konnte, die in immer neue Regale müssen, die mich in ihrer Masse immer mehr nerven.

Mit Hamburg telefoniert. Mit dem Mütterchen telefoniert. Mit F. DMs geschrieben, eine davon war: „Die Dame, mit der wir Sonntag so schön beim Bierchen gesessen haben, ist positiv.“ So nah war ich noch nie wissentlich an einem Kontakt. Gestern abend negativ getestet, heute morgen auch. Fühle mich trotzdem unwohl, so locker-launig in die Arbeit und unter Menschen zu gehen. Werde mit Maske auflaufen und fragen, ob ich mit dem Bürorechner ins Home Office umziehen soll, von wo ich höchstwahrscheinlich auf keine Server kommen werde, was meine Arbeit etwas erschwert. Muss ich absprechen, ich Newbie, die seit Jahren nicht mehr in einem Büro gesessen hat.

Otto Freundlich, Ein Baum, 1927, Leinwand, 54,8 cm x 45,8 cm x 2,1 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Dauerleihgabe der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München. Derzeit in „Kunst und Leben 1918 bis 1955“ zu sehen; eins meiner Lieblingsbilder in der Ausstellung.

Sonntag, 12. März 2023 – Pärt, Mendelssohn Bartholdy, Goldstein

Um 11 Uhr eine Runde klassische Musik in der Isarphilharmonie abgeholt. In der Pause dachte ich natürlich schon an den Blogeintrag und dass ich euch mal wieder schöne Musik weiterreichen kann, aber im gleichen Moment fiel mir ein, dass kaum ein YouTube-Video den Effekt hat, den Livemusik haben kann: emotionale Teilnahme, weil man die Musik körperlich spürt. Und sie nicht wegklicken kann, außer man möchte es sich mit seinen diversen Sitznachbar*innen verderben, wenn man mittendrin den Saal verlassen will.

Ich vertraue trotzdem auf YouTube, denn gerade das erste Stück, „Swan Song“ (2014) von Arvo Pärt, hat mir sehr gut gefallen. Dauert nur sieben Minuten, vielleicht was für den entspannten Wochenstart? Ist harmonischer als die Jahreszahl vermuten lässt.

Danach gab’s Pärts dritte Sinfonie, wo der Paukist endlich mal zeigen konnte, was er draufhatte. Oder wie F. danach meinte: „All eyes on me: DRUM SOLO!“

Nach der Pause rauschte Mendelssohn Bartholdys 2. Sinfonie, „Lobgesang“ ein bisschen an mir vorbei. In einer Kirche wäre ich vermutlich vergnügt bis ergriffen gewesen, hier in den gemütlichen Plüschsesseln blieb ich etwas unbeteiligt. Muss ich mir nochmal anhören. Die Abendzeitung spricht aus, was ich fühlte:

„Das Problem dieses Werks, das als Symphonie beginnt und als Kantate endet, steckt bereits im Untertitel: “Lobgesang”. Felix Mendelssohn Bartholdy lässt den Chor, drei Solisten und das Orchester frohlocken, aber nicht mit vollem Herzen, sondern gebremst durch biedermeierlichen Anstand. Kontraste, die jede Kunst würzen, gibt es nicht, und so ist es kein Wunder, wenn der eine oder andere Hörer verhalten gähnt.“

Die SZ ist auch Pärt gegenüber hartherzig, das habe ich nicht so empfunden. Gerade den leisen Reinkommer mochte ich sehr. Und ich fand das Orchester extrem konzentriert und mochte diese wirklich spürbare Einigkeit.

„Klobig wirken die drei ineinander übergehenden Sätze bei Paavo Järvi, wie aus schweren Trümmern gefügt. Noch verlorener bleibt der vorangestellte “Swansong” desselben Komponisten aus dem Jahr 2014, bedarf die hier erreichte Einfachheit doch einer inneren Ruhe, die der Beginn eines Abends kaum leisten kann.“

Vielleicht als Rausschmeißer für heute etwas oder jemand, auf den wir uns alle einigen können: Brett Goldstein. Die NYT hat ein schönes Interview mit ihm – und einen Link zur Muppets-Weihnachtsgeschichte, die Goldstein in sechs Minuten in seinem Liveprogramm rockt. (Für euch ohne Paywall)

Aber ich mochte den Anfang und den letzten Absatz am liebsten: Brett Goldstein faces life after “Lasso”.

„A few minutes into coffee last spring, Brett Goldstein wanted to show me something on his phone.

I leaned over and saw puppeteers sitting on skateboards while they hid behind a table, rolling into one another in apparent bliss as their hands animated a clowder of felt cats above their heads. For Goldstein this represented a kind of creative ideal, as pure an expression of fun, craft and unbridled glee as any human is likely to encounter.

“Imagine this is your actual job,” he said, his breathtaking eyebrows raised in wonder.

Goldstein shot this behind-the-scenes video during his time as a guest star on “Sesame Street,” an experience this Emmy-winning, Marvel-starring comic actor and writer still describes as the single best day of his life. […]

But his Muppet affection does offer a glimpse at what motivates him as a performer, creator and workaholic, which is less about opportunities, franchises or scale than the vulnerability and risks of trying to reach someone and the openness required to take it in. The thing he’s always looking for, he told me over and over — to the point that he started apologizing for it — is a bit of human connection in a world that can seem designed to thwart it.

“They put up this Muppet and I’m gone,” he said. “But that requires from both of us a leap of faith, like, ‘We’re doing this, and I’m all in and you’re all in.’ And if one of us did not commit to this thing then it’s [expletive] stupid — it’s just a [expletive] felt thing on your hand, and I’m an idiot for talking to it and you’re an idiot for holding it.

“Do you know what I mean?”“

Samstag, 11. März 2023 – Fünfzudrei mit Puderzucker

Nach Monaten mal wieder im Stadion gewesen. In der Allianz-Arena stand es nach zwei Minuten 1:0 für Augsburg, am Ende dann 5:3 für Bayern. Nun ja. Eine Niederlage war nicht ganz unerwartet, und die Tore waren durch die Bank fast alle sehenswert, wenn es auch mehr für die Mannschaft waren, der ich nicht ganz so die Daumen gedrückt habe. Es war trotzdem nett, mal wieder Fußball vor Ort anzuschauen, in dickster Jacke mit Handschuhen. Dieses Mal war ich genau richtig angezogen, Sonnenbrille und Thermosocken gleichzeitig waren die richtige Wahl gewesen. Nach dem Spiel noch netten Menschen Hallo gesagt, abends alleine vor Netflix versackt.

Ach ja, und zum Frühstück konnte ich endlich mal den Topfuntersetzer vom Mütterchen benutzen, den sie in den 1950er Jahren liebevoll bestickt hatte. „Nimm mit, nimm mit, wenn du den magst, ich freu mich über alles, was aus diesem Haus rauskommt.“ Ja dann.

Es gab Waffeln für meine heimliche vierköpfige Familie.

Freitag, 10. März 2023 – Charlotte Salomon

Ich lese gerade Margret Greiners „Charlotte Salomon: ‚Es ist mein ganzes Leben‘“. Der Stil ist nicht ganz so meiner, aber das Buch hilft mir, mich auf unsere kommende Ausstellung zu Salomon vorzubereiten. Wir zeigen eine Auswahl aus den über 1000 Blättern, die Salomon hinterlassen hat und die einen Einblick in ihr Leben geben.

Im Buch werden die Nummern der jeweiligen Bilder angegeben, auf die sich ein Textteil bezieht; einige Werke sind abgebildet. Das Gesamtwerk ist tollerweise online und damit frei zugänglich. Die Seite entstand im Zuge einer Ausstellung von 2017 des Jüdischen Museums Amsterdam.

Ich bin sehr gespannt auf unsere Ausstellung und freue mich sehr auf sie. In den vergangenen Woche habe ich die Bilder in digitaler Form bereits sehr oft angesehen und kann es kaum erwarten, sie im Original anschauen zu können.

KW 9/10 – Der Man-kommt-ja-zu-nichts-Blogeintrag

*wühlt im Handy die Fotos durch, um sich zu erinnern, was sie die letzten zwei Wochen gemacht hat*


Team French Toast. Und Team Waffel und Team Pfannkuchen, aber wenn Weißbrot im Haus ist, dann immer Team French Toast. Hier mit schnell aufgekochten TK-Brombeeren.

Die Praktikantin im Soy verabschiedet. Lecker vegane vietnamesische Küche, gerne wieder. Auch wenn die Klamotten danach etwas länger rochen.

Viel gearbeitet. Mal wieder daran irre geworden, dass ich manche Jobs inzwischen aus dem Handgelenk kann und für andere meinen ewig langen Spickzettel durchsuchen muss. CMS, Social-Media-Anwendungen, diverse Programme und Websites und Datenbanken und Zeug, die sich manchmal in meinem Kopf zu einem Knäuel aus HILFE! verknoten und sich im nächsten Moment engelsgleich auflösen. Es bleibt kompliziert, aber es bleibt gleichzeitig so unfassbar großartig. Ich erzähle jedem im Haus, dass ich mich im August hier anketten werde. Man wird mich gewaltsam entfernen müssen, freiwillig gehe ich nicht wieder. Es macht so irrwitzig viel Spaß und ich hasse meine blöde Halbtagswoche. Was ich alles schaffen könnte, wenn ich 40 Stunden hätte!

Total im Waltz versackt bei äußerst sympathischer österreichischer Küche und noch mehr sympathischem Wein, nicht nur aus Österreich. Bitte gehen Sie dort hin und bleiben Sie lange.


An Omis Geburtstag gedacht und dass das Internet ihr blaues Blümchengeschirr genau so gerne mag wie ich.

F. und ich ertrinken uns gerade das Burgund. F. jammert zu recht darüber, dass wir damit 15 Jahre zu spät dran sind und es uns eigentlich nicht mehr leisten können, aber ich finde, das ist ein schöner Plan für die nächsten Jahre. Einfach mehr Burgunder trinken.

Am vergangenen Montag auf einer Lesung im Haus gewesen. Ich sage nur noch „im Haus“ und denke innerlich immer noch „in der Agentur“, weil ich das halt so lange gesagt und gedacht habe. Anatol Regnier las aus „Jeder schreibt für sich allein“, das ich am Sonntag vor der Lesung noch durchbekommen habe, Empfehlung! Außerdem sprach Ilka Voermann, die für die Frankfurter Schirn die thematisch ähnliche Ausstellung „Kunst für keinen“ kuratiert hatte. Den Katalog las ich am Montag vormittag nochmal schnell gründlich im ZI quer. In die Ausstellung hatte ich es nicht geschafft, von März bis Juni letzten Jahres waren andere Dinge wichtiger.

Aber die Lesung war toll, und danach bat Cheffe noch zu Quiche und Wein und dazu sagt man ja nicht nein. Ich nerdete mit Voermann über Quellen im Bundesarchiv rum und fand alles ganz wunderbar.

Aus dem Buch habe ich die Namen Ina Seidel und Ernst Wiechert gelernt. Wobei „gelernt“ das falsche Wort ist: Die beiden stehen im elterlichen Bücherregal, wo ich sie bisher aber total ignoriert hatte. Das werde ich beim nächsten Besuch im Norden ändern.

Im ZI war ich außerdem, um einer Kollegin aus Hannover ein paar Sachen einzuscannen. Die Dame ist hochschwanger und mag nicht mehr so recht Zugfahren, und für mich ist das ja eh immer wie ein Spa-Besuch, im ZI rumzuhängen.

Gestern eine kleine Präsentation einer Agentur mitbekommen – und mittendrin gedacht, huch, ich bin ja jetzt Kunde. Sonst sitze ich doch immer auf der anderen Seite. Sofort ein superfreundliches Gesicht gemacht, weil mich selbst muffige Kunden beim Präsentieren immer genervt haben.

Innerlich aber auch die ganze Zeit gedacht, yeah, diese Art Präsentationen hast du auch ewig geschrieben oder konzipiert. Habe mich unmittelbar zuhause gefühlt in diesem Sprachduktus und Bildergezappel. Still my people!

Auch gelernt: Von der Agentur stammt die schicke „Du bist nicht allein“-Optik des Burgtheaters. Davon hatte ich beim letzten Wien-Besuch ein Foto gemacht, weil mir die so gefallen hat. Muss ich den Jungs und wenigen Mädels mal mitteilen.

Aus dem Meeting musste ich leider früher raus, denn ich durfte auf einer Führung durch „Kunst und Leben 1918 bis 1955“ mitlaufen – aus dem einfachen Grund, weil ich demnächst wohl auch führe. Ich hätte mir das auch so zugetraut, denn wenn ich über irgendwas Bescheid weiß, dann über den Kram, der bei „Kunst und Leben“ hängt; wenn ich durch die documenta-Ausstellung führen müsste, hätte ich sehr, sehr, sehr, sehr viel lesen müssen. Aber mich hat interessiert, was andere erzählen, die sich nicht seit fünf Jahren mit diesem Thema befassen. Und vor allem, was sie für wichtig halten. Was brauchen die Besucher und Besucherinnen als Grundlage, um mit der Ausstellung etwas anfangen zu können?

Danke an die charmanten Kolleginnen, denen ich zuhören durfte. Auch für den Satz: „Und falls Sie noch etwas zu Herrn Protzen wissen möchten, da drüben steht die Expertin.“ Wollte aber niemand was wissen. Ich schiebe das auf den fortgeschrittenen Zeitpunkt der Führung. Ist klar.

Mein Blogeintrag zu „Kunst und Leben“ hat es übrigens in unseren digitalen Pressespiegel geschafft, und mein Beitrag zu den Autobahnen liegt gerade auf dem analogen rum.

Gestern außerdem noch eine Speed-Führung durch einen Teil des Blauen Reiter bekommen und zwar von einer der Restauratorinnen im Haus, aus Gründen, wie es so schön heißt. Auch hier hätte ich stundenlang zuhören können. Ich freue mich immer so sehr über Nerdwissen, aus dem dann hoffentlich ein Text wird, der die Leser und Leserinnen so begeistert wie mich als Schreibende.

Nebenbei im Home Office latent an einem zweiten Job weitergearbeitet, der theoretisch Ende April losgeht, für den ich aber immer noch keinen Vertrag habe. Ich habe eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, aber nichts Schriftliches. Daher ist meine Bereitschaft, schon richtig viel Energie in die Vorbereitung zu stecken, auch eher gleich null. Ich hoffe, das rächt sich nicht in ein paar Wochen.

Ich mag Asiashops ja auch deshalb gerne, weil ihre Packungsgrößen meinen Essgewohnheiten entsprechen.


Sonntagsfrühstück bei spontanem Apfelkuchen. Natürlich auf Omis Blümchengeschirr.