Filmschule mit Casey Neistat

In den letzten zwei Wochen habe ich mich nicht nur mit Kunstgeschichte und Werbung beschäftigt, sondern auch noch mit der Videofunktion meines iPhones. Und das kam so.

Im Dezember lungerte ich mal wieder auf YouTube herum und sah, dass Casey Neistat ein neues Video gepostet hatte. Ich hatte sein Vlogging ewig verfolgt, aber ihn irgendwann nicht mehr so richtig auf dem Schirm, als er sein tägliches Videotagebuch beendete. In seinem neuen Beitrag erzählte er, dass er eine Art Filmschule anbiete, einen Kurs bei Monthly, der einen Monat dauern, ungefähr acht Stunden Zeit pro Woche verschlingen und 250 Dollar kosten würde. Als User bekommt man Zugriff auf vorgefertigte Videos, in denen Neistat seinen Arbeitsprozess erklärt: wie er Ideen im Alltag findet, wie er daraus einen klassischen Dreiakter macht, wie er schneidet, wie er aus Material einen Film schafft eben. Ich schlief ein paar Nächte darüber und klickte dann auf „Kauf ich, gib her“. Oder ähnlich.

Am 10. Januar ging es dann los. Der sogenannte Classroom ist eine Art Forum, das man mit 20 Mitstudis befüllt. Am ersten Tag ging es um Ideenfindung; seine Idee sollte man mit einem Foto illustrieren und beschreiben. Danach begann das Filmen, auch hier sollte man seine Peer Group schön auf dem Laufenden halten, indem man den ersten Akt postete. Auf den mussten dann drei Peers Feedback geben, daraufhin hatte man noch einen Tag Zeit für Reshoots – deswegen war ich gestern nochmal im Schnee –, und morgen muss der fertige Film online sein. Ich habe ihn bereits heute hochgeladen wie einige andere auch, damit ich nicht noch länger an ihm rumdengele. Manche luden das Ding auch nicht aktweise, sondern gleich komplett hoch, jeder wie er mag. Hier gendere ich bewusst nicht, denn, totale Überraschung, es sind quasi nur Kerle an Bord.

Nachdem ich meinen Film hochgeladen hatte, gelangte ich in eine Übersicht, die anscheinend allen offen steht, nicht nur den Menschen, die für den Kurs bezahlt haben (man kann seinen Film auf „unsichtbar“ stellen). Ihr könnt euch also mal durchklicken. Dort sind etwas mehr Frauen erkennbar, aber die große Masse sind die Jungs, vor denen ich ein bisschen Angst hatte: die Casey-Klone. Was schon in der Kursbeschreibung deutlich wird: Neistat bringt einem hier nicht bei, wie generell Filmemachen funktioniert, sondern wie seine Art zu filmen funktioniert. Daher wusste ich, was auf mich wartet, aber dass dann doch so viele Menschen dabei sind, die ihn teilweise bis zur Schrifttype in der Titelfolie kopieren, fand ich etwas anstrengend.

Ich hatte gehofft, mich geistig etwas aus allem rauszuziehen und so zu lernen, wie ich die letzten Jahre am besten gelernt habe: Jemand erzählt mir was, ich mache Notizen und setze es dann für mich passend um. Das ging nicht so ganz, weil ich es dann doch nett fand, wie freundlich meine Peer Group untereinander war. Das Feedback war grundsätzlich lobend und erst in Nachsätzen kamen manche Kritikpunkte. Daher fühlte ich mich bemüßigt, auch positives Feedback zu hinterlassen. Die ganze Interaktion hat mich geistig mehr beschäftigt als erwartet; genau wie das Gefühl, mit etwas absolut Unperfektem an die Öffentlichkeit zu gehen. Man sollte meinen, dass ich das nach 100 missratenen Kuchen lockerer wegstecke, aber ich war und bin total nervös mit diesem Videoding. Einfach, weil ich es noch nie gemacht habe. Deswegen der Kurs. Schlau, oder?

Aber vielleicht fange ich mal von vorne an.

Die Diss ist quasi durch, das Buch ist im Druck. Ich sitze schon an weiteren Kunstgeschichtsprojekten, aber nichts, was mich (derzeit) 40 Stunden die Woche fordert, und da die doofe Pandemie immer noch nicht vorbei ist, kann ich auch gerade nicht für eine Woche nach Nürnberg und im Kunstarchiv wohnen. Die Werbung läuft gut und fordert mich und erfreut, aber auch da ist noch Luft. Und daher dachte ich im Dezember, ach, lässte dir doch mal von Casey erzählen, wie er so arbeitet, um den Kopf in einem neuen Bereich etwas anzustrengen. Was ich ja gerne mache, wenn mir langweilig wird. Aus dem letzten dieser Anflüge ist ein Doktortitel geworden.

Daher hatte ich in der Weihnachtszeit bei meinen Eltern auch des Öfteren das Handy quer vor der Nase und testete die Videofunktion. Mit den vielen Schnipseln aus Tannenbäumen, beladenen Tellern, einer Zugfahrt durch Deutschland und Papa im Pflegeheim, der dem Handy die Zunge herausstreckt, bastelte ich mit iMovie, das auf dem Mac vorinstalliert ist, einen Dreiminüter; davor hatte ich ein paar Tutorials für dieses Programm auf YouTube gesehen. Ich ergoogelte mir eine kosten- und lizenzfreie Musikdatenbank, legte ein bisschen Weihnachtsmusik drunter und hatte meinen ersten Film gemacht. (Den ich nicht online veröffentlichen werde wegen Papa.)

Halbwegs gut vorbereitet startete ich also das erste Video, in dem Neistat uns eine halbe Stunde lang an seiner Ideenfindung teilhaben ließ. Ein Kamerateam ging mit ihm durch New York, und er spuckte im Minutentakt Ideen aus, die sich daran entzündeten, was er sah, hörte, wer ihm über den Weg lief. Er erklärte, aus welcher Idee sich welche Art Film machen ließ, verwarf, dachte neu, und hatte schließlich eine Idee. Unser Job war es am ersten Tag nun, selbst eine Idee zu finden. Als Ratschlag hieß es: Nimm einen Ort, an dem du dich wohlfühlst oder auskennst – deine Wohnung, dein Weg zur Arbeit, setz dich ins Auto und fahr rum, räum deinen Keller auf und guck, was du findest. Irgendwas.

Das kenne ich ja aus der Werbung, aus Luft eine Idee machen zu müssen, daher hatte ich relativ schnell sieben runtergeschrieben und fuhr zu der Location, die mir als erstes eingefallen war. Der Job beim ersten Film war nicht, mit einem Script loszulegen, sondern spontan zu filmen. Genau daran scheiterte meine erste Idee schon, denn vom morgendlichen Gedankenblitz bis zum abendlichen Feedbackgespräch mit der besten Freundin hatte ich im Kopf schon ein Script und mir auch überlegt, wo ich was shooten müsste, um meine Story zu erzählen. Die Dame aus Hamburg wies mich freundlich-bestimmt darauf hin, dass das nicht der Job sei, für den ich 250 Dollar bezahlt hätte und ob ich mal aus meinem Kopf und meiner Komfortzone (IMMER ALLES ZU OFT DURCHDENKEN!) rauskommen könnte.

So entschied ich mich für meine zweitliebste Idee, die in meinen Augen nicht mal eine war, sondern nur eine Location, nämlich der Alte Nordfriedhof, über den ich dauernd rübergehe, um auf dem Weg zum Bäcker meinem Lieblingsgrab Hallo zu sagen. Und da war der Anfang einer Idee: Ich zeig den Jungs eine schöne Skulptur. Jetzt muss ich nur noch ein bisschen sinnvolles Fleisch drumrumbasteln.

Wir sahen Neistat in einem weiteren Film beim Drehen zu: Wie komme ich an gute Orte, wie mache ich das Bild interessant, wieviel B-Roll sollte ich aufnehmen? Dabei erwähnte er, dass er zum Schluss, als er sein eigenes Vlog-Format verinnerlicht hatte, meist nur 20 Minuten Film für sein zehnminütiges Video brauchte. Ich konnte das noch nicht, ich habe viel zu viel zu viel zu viel gefilmt. Learning: Du brauchst wirklich nicht jeden Grabstein.

Was ich auch nach dem ersten Shooting (von ingesamt vieren) lernte: warum so viele Menschen plötzlich zu totalen Gearheads werden. Die einzige erforderliche Ausrüstung für den ersten Film war ein Handy und eine Videoschnittsoftware. Ich sehe an vielen Filmen, dass da garantiert schon Systemkameras und Richtmikros im Spiel waren, aber egal, wenn ich die hätte und mit ihnen umgehen könnte, würde ich die auch nutzen. Denn das war das zweite Learning: Die Bilder, die ich im Kopf hatte, habe ich mit einem Handy und einer wackeligen Hand nicht hinbekommen. Ich wollte schon nach einer Stunde mindestens ein Stativ und nach der zweiten Stunde eine anständige Kamera mit einem anständigen Zoom. Den habe ich nur einmal genutzt und dann nach weiteren Versuchen davon Abstand genommen; ich kann mein Handy nicht ruhig halten und gleichzeitig zoomen.

Drittes Learning: Die Kamera ist mobil. Wer hätte es gedacht. Nach der Sichtung meines ersten Materials stellte ich fest, dass ich eher fotografiert als gefilmt hatte. Das mag an meinen Motiven gelegen haben – Grabsteine, meist unbeweglich –, aber auch daran, dass ich mehr auf Bewegung im Hintergrund geachtet hatte, um das Bild interessanter zu machen anstatt darauf, eine Kamerafahrt zu nutzen.

Ich wusste am Anfang noch nicht genau, was ich eigentlich sagen wollte, weswegen ich viel zu viel Zeug aufnahm. Die Grundidee war schlicht, dass ich es spannend finde, dass ein Platz für die Toten heute einer für die Lebenden ist; der Friedhof ist ein Quasi-Park, auf dem Leute joggen gehen oder ihre Kinder auslüften. Daher nahm ich viele Menschen beim Joggen auf und merkte auch da erst nach der ersten Durchsicht, dass ein Platz auf dem Weg total langweilig ist und die Bilder viel spannender sind, wenn ich aus dem Gräberfeld rausfilme. Generell war das der größte Lerneffekt und der, der mich wirklich wachhielt in einigen Nächten: wie anders es ist, eine Geschichte mit Bildern zu erzählen anstatt mit Worten. Klar hatte ich schon Werbefilme geschrieben, aber noch nie selbst einen gedreht. Die Leistung, erst einmal Worte zu finden, die einen Inhalt transportieren, und diesen dann in ein Bild zu übersetzen, fand ich durchaus herausfordernd.

Die größte Herausforderung war allerdings eine andere. Mir war im Vorfeld, wie erwähnt, klar, dass ich nicht wie Casey filmen wollte. Daher war mir auch klar, dass ich nicht vor die Kamera wollte. Im Laufe der Filmentwicklung verstand ich aber, dass ein Film, in dem ich anderen etwas zeigen möchte, überzeugender oder attraktiver wird, wenn ich, die Zeigende, auch mal zu sehen bin und nicht nur zu hören. Das ist jetzt ein sehr verkürzter Gedankengang; die Idee, selbst im Bild zu sein, musste über mehrere Tage reifen. Das hat ein bisschen Überwindung gekostet, aber dann doch nicht so viel, wie ich dachte. Ich will hier nicht schon wieder das große Fass der Körperlichkeit aufmachen und der konventionellen Attraktivität und des Hasses auf dicke Menschen, der im Internet immer sehr schnell da ist. Die Peer Group erschien mir okay genug, um das zu wagen, also wagte ich es. So weit war ich selten aus der Komfortzone, möchte ich kurz nach Hamburg vermelden.

In weiteren Videos erläuterte Neistat dann seinen Schnittprozess, den ich mit am spannendsten fand – allerdings auch für mich nur bedingt anwendbar. Ich kann seinen Gedankengang nachvollziehen, wenn er sagt: Du hast auf YouTube nur zehn Sekunden, um Leute dazu zu kriegen, dein Video anzuschauen, also: grab them. Hol sie mit irgendwas rein. Diese Art Clickbait ist mir zutiefst zuwider, ich hasse, wirklich hasse auch seine peinlichen Videotitel, die nie das sagen, was im Video zu sehen ist, aber genau nach dieser Schiene funktionieren: grab them. Mein Video beginnt mit einer zehnsekündigen Fahrt über einen Grabstein und basta. Ich gebe aber zu, dass sie mal 16 Sekunden lang war.

Ich meine, ich kann das Interesse an der Story wachhalten, kann es aber wirklich nicht mehr beurteilen, weil ich den Film – natürlich – ungefähr 50mal gesehen und geändert habe. Irgendwann gestern, nach dem vierten Shooting, beschloss ich für mich, dass ich an diesem Film genug gelernt hätte, machte den finalen Edit und legte ihn damit geistig zu den Akten. Es gibt vieles, was ich gern anders hätte, aber dafür hätte ich nochmal losziehen oder mir eine Steadycam kaufen müssen, und irgendwann ist es auch mal gut.

Ich hoffe, ich kann das Gelernte weiter im zweiten Film umsetzen, den wir, wenn ich unseren Stundenplan richtig im Kopf habe, am Mittwoch beginnen, dieses Mal mit Script und mehr Vorbereitung. Die genauen Kursinhalte, also die Lehrvideos, sind für diesen Film noch nicht freigeschaltet, daher kann ich dazu noch nichts sagen. Ich weiß aber jetzt schon, dass ich vermutlich nicht in ein Richtmikro investieren werde; ein Handystativ habe ich mir gegönnt und auch gerne benutzt, und wie meine Systemkamera Videos dreht, habe ich auch schon ausprobiert. Das Medium Video verlangt von mir irrwitzig viel Zeit; Schreiben geht eindeutig schneller, auch wenn dieser Blogeintrag schon wieder ähnlich viel Zeit kostet wie eine Runde Shooting auf dem Friedhof. Daher ahne ich, dass es bei diesem Kurs bleiben wird und ich nicht zu einer YouTuberin mutieren werde. Aber das war ja eh nie der Plan. Ich habe auf jeden Fall sehr viel Spaß und lerne im Zeitraffer Dinge, die sich wirklich erst noch setzen müssen. Wenn ich auch nicht auf YouTube ende, möchte ich auf jeden Fall für den Privatgebrauch weiter mit Videos rumspielen.

Und jetzt komme ich noch weiter aus der Komfortzone raus und verlinke das Video, das bei YouTube nicht gelistet ist, aber es hat eine URL. Die Kommentare sind selbstverständlich deaktiviert, wie sich das gehört. Enjoy. (Hoffentlich.)

„Ziehet die Bahn durch deutsches Land“

Am 14. Februar erscheint mein Buch über Protzen und die Malerei zur Reichsautobahn. Es ist jetzt auch in der Reihenübersicht des Verlags zu finden. Ich ahne, dass es dort keine Leseprobe geben wird, aber ich versuche, zu gegebener Zeit hier eine hochzuladen. Bis dahin dürfen Sie gerne schon bei der wissenschaftlichen Bibliothek Ihrer Wahl einen Anschaffungswunsch hinterlegen. Sobald es dort steht, können Sie nämlich auch ein formschönes E-Book herunterladen.

Was schön war, Jahresanfang 2022

Eigentlich wollte ich diese Woche schon konzentriert anfangen zu arbeiten, aber es ist eher eine Woche von konzentriertem Kochen, Lesen und Ausruhen geworden. Mir ist erst in den vergangenen Tagen klargeworden, wie anstrengend inzwischen die Zeit in der alten Heimat ist, auch wenn Papa nicht mehr zuhause lebt. Auch das Mütterchen ist eben keine 25 mehr und ich beschäftige mich mehr mit ihrem Zustand als jemals zuvor.

Pastinaken, Möhren, Edamame, Sprossen, ordentlich Butter und Knoblauch.

Kung-Pao-Tofu. Ich sollte öfter mit Szechuanpfeffer kochen. Oder wenigstens kurz die Nase ins Döschen stecken, das duftet herrlich!

Bohnensuppe mit Tomaten und gerösteten Zwiebeln, Ottolenghi im Guardian. Im gleichen Link das Rezept zum folgenden Bild: Sauerscharfe Suppe mit Sprossen, im Rezept mit Kohl, bei mir mit Zucchini und Rettich.

Seit längerer Zeit, quasi seit Beginn der Diss, suchte ich ein Buch, das in München nur in der Stabi steht und auch dort nur in den Lesesaal geliehen werden kann. Es ist ein Überblickswert über Darstellungen von Arbeit und Industrie, ich das ich ewig reingeschaut habe, aber nie am heimischen Schreibtisch. Deswegen suchte ich auf archivalischen Plattformen, aber das Ding war meist jenseits von Gut und Böse bepreist. Bis letzte Woche, wo ich ein angebliches Bibliotheksexemplar für 50 Euro fand (sonst fingen die Angebote für die Hardcoverausgabe jenseits der 100 an; das Softcover wollte ich nicht, das hat eine eher bescheidene Abbildungsqualität und um die geht es mir ja vorrangig). Die Rezensionen machten mich etwas nervös; anscheinend verschickte der Verkäufer öfter mal Ware, die nicht dem Zustand entspricht, mit dem er sie angeboten hat. In meinem Fall traf aber alles zu: Das Buch sieht quasi unberührt aus. Danke, Institut für Kunstgeschichte der Uni Karlsruhe, dass sich bei euch anscheinend niemand für den Titel interessiert hat.

Pinkfarbene Tulpen in meiner Bibliothek. Dort dachte ich ewig über eine neue Wandfarbe nach, Gardinen, vielleicht die Regale lackieren, dämliche Buchen-Billys? Im Endeffekt schob ich ein Regal wieder dorthin, wo es schon beim Einzug gestanden hatte, drehte ein weiteres aus dem Raum spießig wieder an die Wand zurück, obwohl wir ja wissen, dass „Alles an der Wand lang“ eine total langweilige Einrichtungsart ist. Im Moment möchte ich aber Langeweile und Übersicht in diesem Raum. Und Tulpen.

In der Küche dachte ich ebenfalls über Veränderungen nach, hielt mich aber zurück und bestellte keine breiten Unterschränke, sondern schichtete Zeug in Körbe um, die jetzt im weiterhin zu flachen und zu niedrigen Regal stehen. Immer noch nicht perfekt, aber aufgeräumter und ruhiger.

Die Inhalte der ganzen angebrochenen Packungen aus dem Vorratsschrank wurden in Gläser und Flaschen umgefüllt. Wodurch im Schrank Platz wurde für die eher unahnsehnlicheren Dinge in meiner Küche (Gewürzdosenchaos). Ich betrachte meinen Frühjahrsputz verfrüht als erledigt.

Bei der Date Night mit F. einen Sauvignon blanc für besser als erwartet entdeckt. Generell ein sehr schöner Abend. Sollten wir öfter machen. (Verpiss dich endlich, Virus.)

Zuwendungen von Leserinnen erhalten: einmal eine 1-Kilo-Tüte Quaxi aus Bonn, einmal zweihundert Seiten Trost aus Berlin. Vielen Dank für beides!

Am Freitag kam nach fürchterlich langen drei Wochen endlich wieder meine Gemüsekiste. Am Heiligabend hatte ich sie abbestellen müssen, weil ich nicht in der Stadt war, und letzte Woche machte der Versender wohlverdienten Urlaub. Zur Feier des Tages bestellte ich deutlich mehr als sonst und habe nun Tempeh (noch nie gegessen) und Lauchzwiebeln, deren Grün gefühlt dreimal so lang ist wie bei der Supermarktware. Sehen so Frühlingszwiebeln aus? Egal, Spring Onion Pancakes für alle!

Die ebenfalls mitbestellten Franzbrötchen konnten nicht vollständig überzeugen, aber auch ein mieses Franzbrötchen ist besser als gar kein Franzbrötchen.

Mit dem neuen Rechner kamen ein paar Einschränkungen, wie immer, wenn man gefühlt vier Betriebssystemversionen überspringt, weil die alte Kiste einfach nicht mehr mitkommt: Mein Photoshop lief nicht mehr. Ich könnte jetzt natürlich weiterhin meine wenigen Fotos fürs Blog auf dem alten Rechner bearbeiten und sie mir per Mail schicken. Oder weiter, wie in den letzten Wochen, mit Vorschau und Gimp rumstümpern. Oder ich abonniere für 11 Euro im Monat ein Adobe-Paket und darf entspannt an meinem neuen Rechner arbeiten. Dafür werde ich vermutlich Amazon Prime kündigen, ich versuche eh, dort nicht mehr so oft zu bestellen. Auch die drei Probemonate AppleTV werde ich nicht verlängern, dort gibt es quasi nichts, was mich interessiert.

Von Gabriele Tergit ist ein weiterer Roman erschienen: „So war’s eben.“ Der DLF berichtete.

Erneut einer Vorlesung aus der Berliner Humboldt-Uni gefolgt. Wenig Neues für mich – es ging um Raul Hilbergs Standardwerk –, trotzdem wichtig.

Mich vor einem Aufsatz gedrückt und stattdessen einen langen Blogeintrag verfasst. Meine Lust zum Bloggen geht seit Monaten immer mehr zurück. Vielleicht liegt es an der Situation mit Papa, vielleicht auch einfach damit, dass ich es schon so lange mache. Jahrelang habe ich damit kokettiert, dass Bloggen für mich wie Zähneputzen ist, das mache ich halt einfach. Aber so langsam habe ich das Gefühl, dass meine Blogeinträge auch immer mehr dieses Niveau haben: wie einfach nebenbei gemacht (so entstehen sie halt derzeit). Deswegen freuen mich Einträge wie der vom Mittwoch, weil ich über den nachdenken musste. Dieser hier ist Pflichterfüllung, weil Menschen mir Süßigkeiten und Bücher schicken oder mich auf Patreon unterstützen. Ich ahne trotzdem, dass dieses Jahr vielleicht das letzte sein wird, in dem ich diese Tagebuchform mit Kochblogeinsprengseln weiterführen werde. Ich habe am 1. Juli 2002 meinen ersten Blogeintrag in dieser Form veröffentlicht; vielleicht sollte ich das nach 20 Jahren einfach mal lassen oder ändern. Ich werde mir das bis Ende Juni überlegen.

Diskontinuität und Konsensfiktion

Ich denke gerade über zwei Begriffe nach, die mir gestern in verschiedenen Medien untergekommen sind. Sie stehen beide in der Überschrift.

In einem Artikel im NYT Magazine zeigt sich die Autorin Elizabeth Weil über die vielen Waldbrände in Kalifornien irritiert: „This Isn’t the California I Married.“ Bevor sie und ihr Ehemann in diesen US-Staat zogen, war ihnen theoretisch klar, dass Waldbrände eine immer wieder auftretende Gefahr waren. Nun aber sind sie ständig präsent: „Living in California now meant accepting that fire was no longer an episodic hazard, like earthquakes. Wildfire was a constant, with us everywhere, every day, all year long, like tinnitus or regret.“ War der orangefarbene Himmel, der 2020 öfter vertwittert wurde, ein Hinweis auf die drohende Apokalypse? Alex Steffen, laut seiner Twitter-Bio und dem Artikel ein „climate futurist“, erklärt:

„We have this idea that the world is either normal and in continuity with what we’ve expected, or it’s the apocalypse, it’s the end of everything — and neither are true,” he said. That orange sky in 2020? “We’re all like, Wow, the sky is apocalyptic! But it’s not apocalyptic. If you can wake up and go to work in the morning, you’re not in an apocalypse, right?”

The more accurate assessment, according to Steffen, is that we’re “trans-apocalyptic.” We’re in the middle of an ongoing crisis, or really a linked series of crises, and we need to learn to be “native to now.” Our lives are going to become — or, really, they already are (the desire to keep talking about the present as the future is intense) — defined by “constant engagement with ecological realities,” floods, dry wells, fires. And there’s no opting out. What does that even mean?

We’re living through a discontinuity. This is Steffen’s core point. “Discontinuity is a moment where the experience and expertise you’ve built up over time cease to work,” he said. “It is extremely stressful, emotionally, to go through a process of understanding the world as we thought it was, is no longer there.” No kidding. “There’s real grief and loss. There’s the shock that comes with recognizing that you are unprepared for what has already happened.”

Der letzte Absatz ließ mich an den derzeitigen Umgang mit Corona denken bzw. im Nachgang auch über mein verändertes Denken über deutsche Politik und, auch durch die Dissertation, generell mit meinem Gefühl, in diesem Land zu leben. Wo ich mich jahrelang durchaus als Verfassungspatriotin bezeichnet habe, suche ich derzeit wieder etwas festeren Boden unter den Füßen. Ich weiß noch, wo ich stehe, aber ich spüre, dass sich der Boden unter mir verändert hat. Oder anders: dass der Boden nie der war, für den ich ihn hielt.

Ich lese gerade das Buch Ganz normale Organisationen. Zur Soziologie des Holocaust von Stefan Kühl (hier eine gute Rezension bei hsozkult). Kühl belegt, dass der Großteil der Täter im NS-Staat innerhalb bestimmter Organisationen funktioniert hat (SA, SS, Wehrmacht), was für ihn der Hauptgrund für die Teilnahme an Tötungsaktionen war. Innerhalb einer Organisation besteht von vornherein eine gewisse Übereinkunft über ihre Grundlagen und Ziele; genau deshalb schließt man sich ihr an. In Bezug auf die immer schwerwiegenderen Einschränkungen der jüdischen Bevölkerung im „Dritten Reich“ und ihrer medialen Begleitung benutzt Kühl den Begriff der

„antisemitischen Konsensfiktion, die sich während der Dauer des NS-Regimes immer weiter verfestigt hat. Konsensfiktion heißt, so der Definitionsvorschlag Niklas Luhmanns, dass man ‚bei einer Begegnung mit anderen zunächst von der Gemeinsamkeit wechselseitiger Erwartungen ausgehen‘ kann, ‚ohne jeweils im Einzelnen abklären und aushandeln zu müssen, wie weit die Zustimmung wirklich geht.‘ Ein Angehöriger der Ordnungspolizei, der in einem Gespräch in Übereinstimmung mit der NS-Propaganda verkündete, dass die Juden das ‚Unglück des deutschen Volkes‘ seien, konnte etwa davon ausgehen, sich im Rahmen einer abgesicherten Konsensfiktion zu bewegen. Die Zustimmung basiert nicht vorrangig auf der Internalisierung von Normen oder Überzeugungen, sondern kann sich auf die ‚ungeprüfte Unterstellung‘ verlassen, dass ‚alle anderen zustimmen.’“ (S. 102/103)

Da ich von Soziologie keine Ahnung, aber dafür Google habe, was Sie bitte nicht mit einer ernsthaften wissenschaftlichen Auseinandersetzung verwechseln sollten, fragte ich die allwissende Müllhalde nach dem Begriff der Konsensfiktion und stellte interessiert fest, dass er nicht auf mörderische Organisationen begrenzt ist, sondern auch Paarbeziehungen und Businessmeetings mit ihr funktionieren oder dass über sie im Bezug auf Demenzkranke und ihre Pflege geforscht wurde.

Ich stieß aber auch auf eine Publikation, die sich genau mit der Frage beschäftigt, die ich hatte: ob sich nämlich die sogenannten Spaziergänger auf ihren Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen innerhalb einer Konsensfiktion des Widerstands befänden. Der Artikel stammt vom Juli 2020 und nennt überraschend genau diese Maßnahmen bzw. die zustimmenden und warnenden Berichte und Tweets über sie eine Konsensfiktion. Also genau das Gegenteil von meiner Annahme:

„An die Stelle demokratischer Aushandlung und Debatte traten dagegen zunehmend Konsensfiktionen, also sprachliche und andere symbolische Praktiken, die einen gesellschaftlichen Konsens lediglich behaupteten, inszenierten oder manipulativ einforderten, um damit politische Entscheidungen gegen Kritik zu immunisieren. Hierzu gehör(t)en vor allem Einheitsparolen verbunden mit moralischen Appellen, Ermahnungen und Belehrungen mit latenten sozialen oder explizit-[wider]rechtlichen Sanktionsandrohungen bei nonkonformem Verhalten (vgl. etwa zwischenzeitlich populäre Twitter-Hashtags wie #wirbleibenzuhaus nebst allen Varianten, #FlattenTheCurve, #ApplausFuerDieHelden etc.; […]). Wir-Rhetoriken nahmen temporär genauso sukzessive zu wie etwa die Adjektive gemeinsam (ein Schlagwort der Unionsparteien) und solidarisch (einst Fahnenwort linker/Arbeitnehmer-bezogener Interessensgruppen). […]

Konsensfiktionen und Alternativlos-Rhetoriken sind in vielerlei Hinsicht problematisch: Erstens verhindern sie eine offene und kritische Debatte; zweitens ver- oder überdecken sie tatsächliche soziale Unterschiede, Problemlagen und Bedürfnisse (etwa die Abhängigkeit von Gesundheit und sozialer Herkunft); drittens befördert sich schwelende Unzufriedenheit, die sich früher oder später Bahn bricht, den sozialen Frieden gefährdet und/oder Orientierung in allem sucht, was nach ‚Nicht-Establishment‘ aussieht (langfristig dürfte die AfD daher von der Corona-Diskurskonstellation profitieren).“

Die AfD scheint mir bisher glücklicherweise nicht überproportional von diesen Debatten profitiert zu haben; ihr Ergebnis bei der Bundestagswahl 2021 lag unterhalb dem von 2017 (10,3 vs. 12,6%). Profitiert haben eher die außerparlamentarischen Gruppierungen, für die ich nicht mal einen gemeinsamen Oberbegriff habe. Der eben verlinkte Artikel zeigt sich pikiert über Begriffe wie Covidioten oder Aluhüte und kommt zu einer in meinen Augen gefährlichen Folgerung:

„Der Ausdruck Verschwörungstheoretiker (u.ä. wie Aluhutträger) wurde und wird im Pandemie-Diskurs äußerst flexibel gegen alle Akteure eingesetzt, die sich von der jeweiligen Mehrheitsposition (insb. von politischen Maßnahmen gegen die Pandemie) zu weit entfernen. Eine diskursspezifische Variante sind etwa die Neologismen Coronademo und Covidioten, die teilweise pauschalisierend jeglichen öffentlichen (Straßen-)Protest abwerten und Unterstützung oder gar (An)Teilnahme verunmöglichen. Das heißt freilich nicht, dass einige der so referierten Äußerungen oder Diskursakteure ob ihrer Substanz- bzw. Evidenzmängel nicht zurecht zu kritisieren wären. Aus diskursanalytischer Perspektive ist der Punkt vielmehr, dass der Einsatz von Kontaminationswörtern nicht das Ende einer argumentativen Auseinandersetzung bildet, sondern umgekehrt die ‚Sinnlosigkeit‘ jeglicher Kritik oder Befassung bereits unterstellt (vgl. dazu Vogel 2018 sowie Knobloch 2018; eine genauere Einordnung von Kontaminationswörtern auf empirischer Grundlage ist derzeit Gegenstand laufender Forschung).“

Und da sind wir wieder bei dem schwankenden Boden, mit dem ich derzeit hadere. Das mag sein, dass der Begriff „Covidiot“ einem partnerschaftlichen Diskurs im Wege steht, aber Pappgalgen, auf denen „Für Merkel“ steht, Telegram-Kommunikationen, in denen zu Tötungen aufgerufen werden, Fackelaufmärsche vor Privatwohnungen von Politiker*innen und Gewalt gegen Polizist*innen, die die Demonstrationen der sogenannten Spaziergänger begleiten, die sich stur über derzeitiges Recht hinwegsetzen, sind in meinen Augen auch nicht gerade offenherzige Gesprächsangebote.

Die Gewalt, die ich derzeit aus sicherer Entfernung über das Internet verfolge und der ich persönlich nicht ausgesetzt bin, beunruhigt mich mehr als das Virus oder die Maßnahmen, die zu seiner Bekämpfung gelten und ständig neu verhandelt werden. (Weswegen sie meiner Meinung nach gerade keine Fiktion eines Konsens erzeugen; von Anfang an wurden sie von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen.) Mich beunruhigt es sehr, dass sich inzwischen ein gewisser Teil der Bevölkerung vom gemeinschaftlichen Konsens nicht nur abgewandt hat, sondern ihn aktiv bekämpft – und dazu noch der Meinung ist, im Recht zu sein. Dass sich diese Menschen ausgerechnet mit der jüdischen Bevölkerung im „Dritten Reich“ gleichsetzen, ist für mich äußerst schwer verständlich. Allerdings: Der Begriff der Konsensfiktion hat mich immerhin dazu gebracht, über diese Gleichsetzung nachzudenken. Wenn man von seiner Umgebung immer wieder signalisiert bekommt, im Widerstand zu sein, gegen eine Diktatur aufzustehen und keine Korrektive wie andersklingende Medien mehr zulässt, kann ich diese Denkart sogar nachvollziehen. Mir ist nur immer noch nicht klar, wie man diese Fiktion auflösen kann bzw. den ihr Anhängenden klarzumachen, dass sie sich in einer fiktiven Welt mit fiktiven Gegnern bewegen.

Was mich wieder zum Anfang des Blogeintrags und dem Begriff der Diskontinuität bringt. Ich zitiere: Diskontinuität bedeutet, dass alle Erfahrungen und Expertisen, die ich mir in den vergangenen Jahren angeeignet habe, auf einmal nicht mehr stimmen, und dass ich nicht angemessen auf diesen Zustand der Unsicherheit vorbereitet bin.

Ich ahne, dass viele Spaziergänger und ich gar nicht so weit voneinander entfernt sind. Ich bin im – vielleicht naiven, weißen, mittelschichtlichen – Bewusstsein aufgewachsen, dass der Staat und seine Organisationen für mich da sind. Ich halte mich an Regeln, zahle Steuern, fahre nicht zu schnell Auto und verprügele niemanden, weil mir seine Nase nicht passt. Dafür erwarte ich zum Beispiel, dass der Staat mir eine Schulbildung zukommen lässt, in Krankenhäusern Platz für mich ist und ich vor Menschen geschützt werde, die mich verprügeln wollen, weil ihnen meine Nase nicht passt. Seit fast zwei Jahren ist dieses Vertrauensverhältnis allerdings angeknackst. Schule scheint inzwischen mehr ein Glücksspiel zu sein, das auf den Schultern von Lehrenden, Eltern und Kindern ausgetragen wird. Wie schlecht der Zustand des Gesundheitssystems ist, war mir in diesem Ausmaß nicht klar. Aber am meisten bin ich davon überfordert, dass der Staat sein Gewaltmonopol aus den Händen gibt, das er bei Demonstrationen linker Gruppierungen, G20-Gipfeln oder Fußballspielen doch immer sicher beherrschte. Ich bin davon überfordert, dass Menschen sich in deutlich wahrnehmbaren Zahlen gegen den Staat wenden, dass sie kurz davor sind, den Reichstag zu stürmen, dass ihnen in meinen Augen sinnvolle Regeln des Zusammenlebens – Rücksicht, Solidarität, Ansteckungsvermeidung – schon zu viel und eine Einschränkung ihres persönlichen Freiheitsbegriffs sind. Ich bin davon überrascht, mehr Staatsgewalt gegenüber den Spaziergängern zu fordern, wo ich sonst überhaupt keine Freundin von eben dieser Staatsgewalt war. Ich bin überfordert davon, dass meine kleine Welt nicht mehr so funktioniert wie noch vor zwei Jahren, und ich komme aus dieser Fassungslosigkeitsschleife kaum wieder heraus. Und ich fange gar nicht erst an, über die drohende Umweltkatastrophe nachzudenken, weil diese mich in ihrer Unfasslichkeit noch mehr überfordert.

Ich ahne, dass auch einige der Spaziergänger eher aus Fassungslosigkeit und der daraus folgenden Wut demonstrieren und (hoffentlich) nur ein kleiner Teil gewaltbereit und offensichtlich staatsfeindlich ist. Aber auch hier greift mein Gefühl der Diskontinuität: Früher hätte ich vehement dafür plädiert, zu reden, zu diskutieren, Fakten zu kommunizieren, um Menschen zu überzeugen. Aber das hat sich spätestens mit dem Einzug der AfD in diverse Parlamente erledigt. Ich komme sehr schwer damit zurecht, dass ein Teil der Menschen in meinem Staat sich freiwillig und anscheinend bewusst und wissentlich in Konsensfiktionen begibt, die theoretisch mit gutem Willen und Lesekompetenz widerlegt werden könnten. Ich hätte schlicht nicht damit gerechnet, dass das passiert. Und ich weiß immer weniger, wie ich meine ehemals halbwegs heile Welt wieder zusammenstückeln kann, ohne ständig das Gefühl zu haben, in einer Apokalypse zu leben, die keine ist, sondern ein Dauerzustand.

Cannoli-Kastenkuchen

Genau wie der Insta-Account von NYT Cooking macht mich der von Smitten Kitchen wahnsinnig: Sobald ein Bild einer Köstlichkeit gepostet wird, will ich sie nachkochen oder -backen. So wie diesen Kastenkuchen. Ich habe noch nie Cannoli gegessen, aber die Zutaten Zitrone, Orange, Schokolade und Pistazie haben gereicht, um mich in die Küche sprinten zu lassen. Völlig zu Recht.

Ich hatte keinen Ricotta im Haus, sondern habe griechischen Jogurt verwendet und einige Mengenangaben geändert. Unten steht das Rezept wie bei Smitten Kitchen, danach kommen meine Änderungen.

Eine Kastenform von 20 cm Länge fetten und mit Backpapier auslegen, den Ofen auf 180° Ober- und Unterhitze vorheizen.

In einer Schüssel die trockenen Zutaten mischen:
190 g Mehl, Type 405,
2 TL Backpulver,
eine ordentliche Prise Salz,
1/2 TL Zimt,
eine gute Prise Allspice,
170 g zartbittere Schokolade, fein gehackt, und
60 g Pistazien, ebenfalls eher fein gehackt.

Ich habe nur einen halben Teelöffel Backpulver verwendet, ich mag den metallischen Geschmack nicht, der manchmal davon zurückbleibt. Der Kuchen ist trotzdem gut aufgegangen. Wer kein Allspice, aber eine Gewürzmühle besitzt: Einfach zu gleichen Teilen Nelken, Zimtstangen und Muskatnüsse pulverisieren (oder die Muskatnuss reiben, sie ölt dann doch etwas mehr als irgendjemand gedacht hatte, ich nenne keine Namen).

Außerdem habe ich die Schokoladenmenge auf 100 g reduziert, das reicht locker. Sie ist selbst dann noch sehr dominant; beim nächsten Backen – denn das wird es geben – verringere ich vermutlich auf 70 g.

In einer zweiten Schüssel
200 g Kristallzucker sowie
die abgeriebene Schale einer Orange und
die abgeriebene Schale einer Zitrone mit den Fingern verreiben. Der Zucker färbt sich gelborange und duftet herrlich.

In diese Schüssel nun
250 g Ricotta,
120 ml Olivenöl,
1 EL Marsala und
2 Eier geben.

Ich hatte keinen Ricotta, sondern habe griechischen Jogurt verwendet, der etwas mehr Flüssigkeit mitbrachte. Daher habe ich nur 90 ml Olivenöl verwendet. Statt Marsala gab’s Sherry.

Alles mit einem Schneebesen verrühren, die trockenen Zutaten untermischen, nicht zu lange rühren, nur so, dass alles gut vermischt ist. In die Form füllen und für 55 bis 65 Minuten bei 180° backen. Stäbchenprobe machen, lieber etwas zu lange im Ofen lassen. Nicht zu früh aus der Form heben oder stürzen, der Kuchen ist herrlich locker, aber anfangs arg instabil.

Ich merke gerade, dass ich klinge wie manche der Chefkochkommentator*innen: „Und dann habe ich Steak mit Fleischwurst ersetzt und die Kartoffeln mit Wackelpudding und es hat echt mies geschmeckt! Scheiß-Rezept!“ Mein Fazit lautet netterweise anders: tolles Rezept. Trotz des Schokobergs kommen die Zitrusfrüchte gut durch, und die Konsistenz hat mir außerordentlich gut gefallen.

Fotorückblick 2021

Eine Idee von Joël: zwei Fotos pro Monat als Jahresrückblick. Sie dürfen drüben gerne anlegen.

Januar: Pandemie-Sauerteige und Sadness.


Februar: Ich bespreche den „Autobahn“-Film und vermisse die geschlossenen Museen.


März: Ich backe erstmals den fantastischen Himbeer-Marmorkuchen, der seitdem fest im Repertoire ist, und schleppe Sammeltassen aus dem Norden in den Süden.


April: Ich entdecke die philippinische Küche und stelle beruhigt fest, dass ich keinen Unterschied schmecke, wenn ich tolle Kaffeebohnen nicht händisch und mit Supermahlwerk zerstreichele, sondern sie brutal in Opas 60er-Jahre-Mühle zerhacke. (Geht schneller, nervt weniger.)


Mai: Ich werde zweitgeimpft und esse die einzige Weißwurst des Jahres.


Juni: Ich bin für längere Zeit im Norden und fotografiere und blogge sehr wenig. Aber alte Packungen gehen ja immer. Außerdem bewundere ich eine Pflanze bei den Eltern.


Juli: Immer noch im Norden. Das beste an den Tagen, an denen ich alleine für Papa zuständig bin: der Morgenkaffee um 6 und der Abendalkohol um 21 Uhr auf der Terrasse. Ich stelle beruhigt fest, dass auch der Dorfsupermarkt inzwischen Koriander und Fischsauce hat.


August: Ich gehe nach Monaten wieder in ein Museum und freue mich über drei Grossbergs. Wir gehen gemeinsam nach Monaten wieder in ein Restaurant und freuen uns über alles.


September: Ich habe einen Staubsaugerroboter und besuche das einzige Fußballspiel des Jahres.


Oktober: Ich spreche erstmals auf einer kunsthistorischen Konferenz anstatt nur zuzuhören und koche ebenfalls erstmals mit Kutteln. (Eben im Jahresrückblick ergänzt, hatte ich vergessen. Genau wie den Roboter.)


November: Wir veröffentlichen den einzigen Fehlfarben-Podcast im Jahr und ich freue mich über F.s Fotos vom Vogelhaus bei meinen Eltern, wo wir beide zu Besuch sind.


Dezember: Ich erneuere meine technische Grundausstattung und bin nun, was Internetgeschwindigkeit, Mobiltelefonie und Laptop angeht, auf einem halbwegs neuen Stand. Außerdem fotografiere ich diverse Weihnachtsbäume im Norden und im Süden.