Tagebuch 9. Oktober 2015 – Dokumentation

Fotos von der neu eingerichteten Wohnung gemacht, um sie meiner Schwester zu mailen, damit sie sie unseren Eltern zeigt, falls die mal wieder bei ihr zu Besuch sind. Meine Eltern haben bis heute kein Internet, was mich wahnsinnig macht, aber nun gut. Da meine Schwester nur fünf Minuten von meinen Eltern wegwohnt, während ich jetzt 800 Kilometer entfernt bin, ist die Chance größer, dass sie sich beim Schwesterherz ein paar Fotos am Rechner angucken als dass sie bei mir in der Küche zum Tee sitzen.

Die Fotos, die jetzt kommen, sind für euch. Meine Eltern haben aussagekräftigere gekriegt, aber ich habe gehört, man soll aufpassen, was man so im Interweb von sich teilt. (Bloggin’ since 2002. All is lost.)

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Ich mag es, wenn Stofftiere ins Farbkonzept passen.

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Neuerdings packe ich gerne Zeug in Schachteln – zack, schon sieht alles ordentlich aus. Ich weiß allerdings bei der Hälfte der Schachteln nicht, was drin ist, weil ich nach dem Einzug erstmal alles irgendwo reingeworfen habe, um die Umzugskisten leerzukriegen. Meine Ordnung ist dementsprechend noch Work in Progress.

Das Regal heißt Peter, ist nicht mehr bei Ikea im Programm, begleitet mich aber seit 15 Jahren von Wohnung zu Wohnung und passt mit seinem edlen Grau auch ganz wunderbar ins Ensemble.

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Kerzenleuchter von meiner Omi, Mainzelmännchen von meiner Schwester. Team Det!

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Futter, Alk, Kunst. My life in a nutshell.

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Man weiß immer, wo ich wohne, wenn man sich die Farbkanten anguckt. Ich habe in meinem Leben noch keine einzige gerade Kante hingekriegt. Inzwischen kann ich das akzeptieren. Zähneknirschend.

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Den Rest des Tages mit Rumliegen, Tee trinken und Lesen verbracht. Die teuren Nougatpralinen genossen. Abends ordentlich Nudeln verspeist.

Tagebuch 8. Oktober 2015 – Erklärbärin

Bei F. aufgewacht nach einer wunderbar ungestörten Nachtruhe. Der Mann hat ein im Vergleich zu meinem Schlafsofa riesiges Bett und ich fühle mich dort immer wie im Hotel (wo ich sehr gerne schlafe). Der Service mit den Süßigkeiten auf dem Kopfkissen könnte allerdings besser sein.

Vormittags beim Karstadt um die Ecke einkaufen gewesen. Nach drei Jahren in dieser Wohnung endlich einen Einsatz für die Besteckschublade gekauft. Leider vergessen, vor dem Einkaufen den Backofen auszumessen, um mir ein tiefes Blech nachzukaufen; das Hamburger Blech war mir zu gammelig, um es mitzunehmen (entsorgt). Batterien für die Küchenwaage nachgekauft sowie 60-Watt-Glühbirnen für die Deckenbeleuchtung, die ich außer im Bad nirgends anmache, weil ich lieber indirektes Licht von mindestens drei Steh- und Tischlampen und bergeweise Teelichtern in meiner Wohnung habe. Aber im Bad nutze ich eben doch das Deckenlicht, das aber immerhin warm vom weißen Duschvorhang und den weißen Kacheln reflektiert wird und eine sehr angenehme Raumatmosphäre erzeugt.

In der Fressabteilung Ben & Jerry’s Peanut Butter Cup gekauft, Pancetta für die Carbonara heute (war eigentlich schon für gestern geplant), Stinkebrie und uralten Gouda, und normalerweise nehme ich noch Pastrami mit, wenn ich da bin, aber gestern lachte mich der Krustenbraten so an, daher wanderte der in meinen Einkaufskorb. Beziehungsweise Einkaufswagen, den ich mit meinen stets griffbereiten Münzen losschließe. Als brave Studentin habe ich immer ein 1- und ein 2-Euro-Stück in der Hosentasche für die diversen Bibliotheksschließfächer, die mir über den Weg laufen.

Nachmittags in meinen elektronischen Stundenplan geguckt, ob ich alle meine Kurse bekommen habe – fast: drei von vier.

Im MA haben wir weniger Wochenstunden als im BA, was daran liegt, dass unsere abzugebenden Hausarbeiten deutlich umfangreicher sind. In diesem Semester muss ich zwei Vorlesungen und zwei Hauptseminare in Kunstgeschichte belegen, wobei ich zwei Hausarbeiten zu ca. 50.000 Zeichen abgeben muss (zum Vergleich: Im BA waren es 30.000 Zeichen, meine BA-Arbeit hatte 65.000). Wir haben im MA kein eigentliches Nebenfach, müssen aber trotzdem noch 30 zusätzliche ECTS-Punkte sammeln. Das geschieht bei uns im sogenannten Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Profilbereich, der aus vielen verschiedenen Fächern besteht. Die Historiker_innen, bei denen ich vermutlich wieder rumhängen werde, sind etwas pingelig; wenn man sich für Geschichte entscheidet, dann darf man nur Geschichte studieren. Bei den anderen Fächern darf man mixen und matchen. Theoretisch könnte ich lustig einen Kurs in Theologie, einen in Philosophie, einen in Anglistik und einen in Gender Studies machen, aber ich glaube, ich bleibe bei Geschichte. Die Kurse sind aber erst für das zweite und dritte MA-Semester empfohlen, darüber darf ich also noch ein paar Monate nachdenken.

Meine zwei Wunschvorlesungen habe ich bekommen (Baukunst der Frühen Neuzeit: Barock und Klassizismus sowie Artists on the Move. Künstlerische Reiseerfahrung seit der Frühen Neuzeit), bei den Seminaren immerhin die Iconic Architecture. Ich hätte mich gerne über die Kunst seit 1960 in der Bundesrepublik und der DDR informiert, aber dort habe ich leider keinen Platz bekommen.

Ab Sonntag darf ich nachbelegen. Dann gilt allerdings nicht mehr unsere bisherige Bewerbung, bei der wir priorisieren konnten, was wir gerne hätten, und das System versucht dann, möglichst viele Studis glücklich zu machen. Stattdessen gilt ab Mitternacht: First come, first beleg. Wer sich am schnellsten einen Platz sichert, der hat ihn dann, weswegen ich um 0.01 Uhr hektisch rumklicken werde. Ich überlege noch, ob ich mich lieber mit digitalen Barockschlössern, niederländischen Porträts oder Global Art History beschäftigen will. Momentan neige ich zu letzterem, weil ich das Gefühl habe, bei den theoretischen Grundlagen meines Fachs noch ein bisschen nachlegen zu müssen.

Abends besuchte mich eine Kommilitonin, um sich von mir Twitter und Blogs erklären zu lassen. Sie ist eigentlich nicht mehr ganz meine Kommilitonin, denn sie hat gerade ihren Master gemacht und würde die Arbeit gerne der Öffentlichkeit präsentieren. Sie ist in meinem Alter, weswegen wir nach dem Erklärbärteil noch über unser Studium plauderten und wie sehr wir es genießen. Ich fand es sehr schön, jemanden am Tisch zu haben, dem es genauso geht wie mir, wenn ich einen Hörsaal betrete: dieses immer wieder überwältigende Gefühl von Neugier, Faszination und Dankbarkeit sowie dem Wissen, warum wir hier sind, was eben andere Gründe hat als bei den vielen 20-Jährigen, die um uns rum sitzen. Für sie sind viele Dinge eine Pflicht, die erledigt werden muss; für uns sind sie stets ein Geschenk. Wir müssen nicht hier sein, wir wollen hier sein.

Tagebuch 7. Oktober 2015 – „Inside Out“

Morgens eine Stunde vor F.s Wecker wachgeworden. Ich muss ja noch nicht anständig aufstehen, die Uni geht erst am Montag wieder los. … DIE UNI GEHT AM MONTAG WIEDER LOS, WO-HOO!

Ich wollte wieder einschlafen und habe dafür versucht, mir den Text zu Tage voller Sonne vorzuerzählen. Sonne ist mein Favorit unter den FCB-Liedern; bei Forever Number One kriege ich bei der Zeile „We’re much better than the rest“ immer Fremdschämpickel, und Stern des Südens ist mir zu uptempo. Über den ganzen FCB-Songs poppte plötzlich Lebenslang grünweiß von Werder Bremen in mein Gesangshirn, meiner Meinung nach das schönste Stadionlied der Bundesliga. Alleine der herrliche melodiöse Sprung von -der zu Bre-!

Den ganzen Tag „lebenslang grünweiß“ vor mich hingesummt und froh darüber gewesen, dass meine Bayerntimeline das nicht mitkriegt.

Den Tag mit Tee aus Omis Geschirr verbracht, dabei die ersten zwei Folgen Quantico geguckt (kann man machen) und weiter Purple Hibiscus von Chimamanda Ngozi Adichie gelesen, von der ich Americanah so mochte.

Bei Stepanini auf eine Rede von Roger Willemsen über kulturelles Engagement gestoßen:

„Das ist die Großherzigkeit von Leserinnen und Lesern, von Menschen, die in Museen gehen, von Menschen, die sich in ein Theater setzen, um eine Opern- oder Theaterinszenierung anzusehen.

Es ist die Bereitschaft, sich für etwas durchlässig zu machen, das aus der Fremde bzw. Ferne kommt, das Ihnen zum Teil vertraut und verständlich, zum Teil unvertraut und unverständlich ist. Sie alle zeigen eine Bereitschaft dafür, sich selbst als jene gemischten Individuen zu zeigen, die unter Umständen hier gefordert, überfordert oder unterfordert werden, die ein ganzes Paket an verschiedenen Emotionen aufbringen müssen. Darin zeigt sich etwas, das am Anfang aller Formen der Generosität, aller Formen des Engagements steht: Es ist nicht wichtig, dass Sie in erster Hinsicht Initiativen materiell unterstützen. Als Erstes ist es wichtig, dass Sie die Bereitschaft mit sich bringen, von der Fremde überhaupt Kenntnis zu nehmen, das heißt wahrzunehmen, was außerhalb von Ihnen selbst ist.“

Wolfgang Ullrichs Vortrag über den Ethos des Kopierens, kreative Leistungen, Urheberrecht, die gegenseitige Inspiration von Künstler_innen und dem Publikum und wie das Internet einiges davon verändert hat – und zwar zum Besseren.

„Führt ein intensiver Moment häufig zu einem Gefühlsausbruch, in dem die erfahrene Inspiration noch nicht neu gestaltet, sondern erst einmal nur spontan-beglückt mitgeteilt wird, so begünstigen die Features von Smartphones oder Plattformen der Sozialen Medien solche Gesten sofortiger Äußerung. Das Posten, Rebloggen und Retweeten – dies alles Formen des Kopierens – dient oft dazu, andere an etwas teilhaben zu lassen, das in diesem Moment als stark, überwältigend, besonders emotional erlebt wird. So finden sich Hockneys digitale Bilder auf vielen Websites und Blogs der Sozialen Medien wieder, werden dort weiter und weiter verbreitet, landen durch vielfältiges Rebloggen in unterschiedlichen Zusammenhängen, werden dort wieder von anderen entdeckt, die sich ihrerseits stimuliert fühlen und dies ausdrücken, indem sie schnell den Reblog-Button klicken und das Bild auf ihrem eigenen Blog reproduzieren. Weitergeben und Sich-Aneignen von Bildern – beides Akte des Kopierens – erfolgen also aus demselben Impuls: dem emotionalen Kick, den es darstellt, wenn man sich plötzlich inspiriert fühlt und die Lust verspürt, die in diesem Augenblick als stark empfundene eigene Kreativität auszuleben.“

Meiner Meinung nach auch eine schöne Definition von Bloggen: Man möchte etwas teilen, einfach weil man es kann.

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Abends mit F. Pixars Inside Out gesehen. Es geht um die elfjährige Riley und ihre Emotionen, die ganz zauberhaft und wie immer bei Pixar äußerst humorvoll durch eigene kleine Wesen dargestellt werden. Die vor guter Laube überbordende Joy (gesprochen von Amy Poehler), Sadness (Phyllis Smith) im perfekten Kleidungsstück für Traurigkeit: dem dicken, kratzigen Rollkragenpulli, Disgust in glitzergrün (Mindy Kaling), Anger als kleiner, rotglühender Kampfwürfel (Lewis Black) und der hibbelige Fear (Bill Hader) sorgen für eine große Bandbreite an Gefühlen im Leben des Mädchens, das gerade mit ihren Eltern von Minnesota nach San Francisco zieht. Natürlich geht etwas schief, Joy und Sadness sind plötzlich nicht mehr da, wo sie hingehören, und der Film erzählt, wie die beiden wieder zurückfinden.

Ich war wie immer von der Animation hingerissen. Ich mag es sehr, dass Pixar sich nicht einfach auf ihren Schablonen ausruht, sondern fast immer etwas Neues schafft. Hier war es vor allem die Haut der Figuren, die mich begeistert hat: Sie hat keine fest umrissene Form, sondern blubbert und britzelt und funkelt vor sich hin, wie kleine Sonneneruptionen. Keine Figur ist fertig, sondern immer im Wandel – logisch, weil es viele Formen von Freude, Ärger und Angst gibt. Meine Lieblingsfigur war Sadness, auch weil ich Traurigkeit für eine wichtige Emotion halte. Auch das mochte ich an dem Film (winzige Spoilerwarnung:): dass eben nicht alles immer rosig und toll ist, sondern auch die Trauer ihren Platz haben muss, damit alles stimmt. (Spoiler Ende.)

Hier ist der Trailer und hier geht’s zur Plüschversion von Sadness, die F. gestern abend noch ergoogelte, als ich nicht aufhören wollte, von der Figur zu schwärmen.

Tagebuch 5. Oktober 2015 – Seriengucken

Den Morgen verbrachte ich damit, den Blogeintrag für unseren neuen Fehlfarbenpodcast zu schreiben und wartete dann auf das MP3 bzw. die Links zu archive.org, um die sich die Jungs kümmern. Wir haben eine meiner Meinung nach sehr gute Arbeitsteilung, das flutscht alles.

Nachdem der Podcast online war, wusch ich das restliche Geschirr ab, das gestern abend keinen Platz mehr auf meinem Trockengestell gefunden hatte. Und danach gab ich mich hemmungslos dem Serienkonsum und meiner Bettdecke hin, was beides sehr gut tat.

The Affair, S02E01

Hach, Maura Tierney. Reicht eigentlich schon als Grund, sich The Affair anzuschauen. Hilft aber, dass es noch viele weitere Gründe für diese Serie gibt. Es geht um einen verheirateten Familienvater, der eine Affäre beginnt. Klingt total belanglos, wird aber sehr raffiniert erzählt, weil die Serie nicht nur seine Perspektive schildert, sondern auch die der Affäre bzw. seiner Ehefrau. Anfangs der ersten Staffel dachte ich, das ist ein Gimmick, das sich relativ schnell totläuft, aber es trägt sehr gut, vor allem, weil die Serie vom ursprünglichen Konzept immer mehr abweicht: Wo wir zunächst zweimal die gleiche Story aus zwei Perspektiven erzählt bekommen haben, fransen im Laufe der Folgen die Parallelen immer mehr aus, die Geschichten ähneln sich teilweise kaum noch bzw. die Dinge, die erzählt werden, müssen nicht mehr in beiden Strängen vorkommen. Daher funktioniert dieser Perspektivwechsel immer noch sehr gut. Ich empfinde die Serie als sehr ehrlich, teilweise schon schmerzhaft ehrlich in ihrer Zeichnung von Liebe, die vergeht und Liebe, die entsteht. Die Dialoge sind gut, die Schauspieler_innen noch besser, und allein für das Intro lohnt sich jede Folge.

The Leftovers, S02E01

Ich mochte die erste Staffel der Leftovers sehr gerne. Obwohl ich Damon Lindelof seit Lost nicht mehr ganz über den Weg traue, was Auflösung von Plotpoints und wilden Rätseln angeht, war ich mit dem Staffelende zufrieden – und vor allem mit der ganzen Prämisse der Serie, die auf einem Buch beruht: Bei einem nicht näher genannten Unglück verschwinden auf der ganzen Welt Menschen, einfach so, ohne eine Spur zu hinterlassen. Es wird nie erläutert, was der Grund war, aber darum geht es bei den Leftovers auch nicht; es geht, wie der Titel schon sagt, um die Menschen, die zurückgeblieben sind und mit den Verlusten klarkommen müssen. Die Bandbreite dieses Klarkommenmüssens hat mich in der ersten Staffel sehr beeindruckt. Ich mag den Tonfall der Serie, die Langsamkeit der Handlung, die Stärke der einzelnen Personen. Die zweite Staffel scheint allerdings ein bewusster Bruch zu sein: Der Spielort ist ein anderer, es gibt neue Figuren und es tauchen längst nicht alle alten wieder auf, aber vielleicht kommt das ja noch. Bei mir hatte die Folge schon in den ersten Minuten gewonnen, denn sie beginnt nicht in der gewohnten Serienzeit, sondern ungefähr 10.000 Jahre vorher, und ich bin sehr gespannt, ob wir im Laufe der nächsten Folgen nochmal auf diesen Einstieg zurückkommen.

Ach, wo ich vorhin was von tollen Intros schrieb: Den wundervollen Einstieg aus der ersten Staffel haben die Leftovers zugunsten von etwas ganz anderem gekippt. Aber macht ihr mal, noch vertraue ich euch blind.

The Good Wife, S07E01

Die Serie kann machen, was sie will, ich finde sie seit sieben Jahren toll. Jede Figur, jede Folge, jede Klamotte, die Julianna Margulies trägt, jede ihrer stets nagelneuen, unzerkratzten Lederhandtaschen und jede Flasche Rotwein, die sie energisch entkorkt.

Downton Abbey, S06E03

Die Abbey ist hingegen eher Pflichtprogramm geworden, aber diese Staffel ist dann ja auch die letzte. Während der letzten beiden Seasons habe ich nebenbei gerne Candy Crush gespielt, und ich hoffe, vermutlich vergebens, dass irgendjemand mal Lady Mary eine reinhaut. Team Lady Edith! Aber Maggie Smith und ihre wundervollen Spitzen gegenüber jedem werde ich sehr vermissen.

Homeland, S05E01

Claire Danes. Nuff said. Wird fangirlmäßig weitergeguckt, ganz gleich, wie seltsam alles wird und obwohl Brody schon länger nicht mehr unter uns weilt. Immerhin spielte die erste Folge der neuen Staffel in Berlin und man kann sie sich sogar online anschauen.

The Last Man on Earth, S02E02

In der ersten Staffel ging mir Phil (Will Forte), der zunächst letzte Mann auf der Welt, bevor er noch ein paar weitere Menschlein entdeckte, die eine ungenannte Katastrophe übrig gelassen hatte, relativ schnell auf den Zeiger, weil es ihm anscheinend um nichts anderes ging, die wenigen Frauen, die es noch gab, ins Bett zu kriegen. Netterweise gibt ihm Kristen Schaal Kontra, aber ihre On-Air-Zeit wurde immer geringer und mein Vergnügen an der Serie ebenso. In Season 2 fängt alles wieder gut an, und ich hoffe, sie verkacken es nicht noch ein zweites Mal. Denn das Setting der Sitcom – wenige Menschen in Amerika, die ziemlichen Quatsch mit ihrer Umgebung machen – finde ich immer noch reizvoll. Wobei ich Schaal ja schon eine reinhauen wollte, als sie auf Monets Seerosen, die jetzt in Phils Treppenhaus hängen, ein Männchen auf die Brücke über dem Teich malt, weil sie es so hübscher findet. Und gleichzeitig sind das die absurden Szenen, die ich so mag.

The Big Bang Theory, S09E03

Auch nur noch Pflichtprogramm. Geht mir eigentlich immer mehr auf die Nerven, weil sich jede Folge inzwischen so anfühlt, als müssten die Autor_innen irgendwie 21 Minuten rumkriegen, aber so richtig was Neues fällt ihnen halt nicht mehr ein. Einzig Mayim Bialik als Amy hält mich davon ab, die Serie zu kicken.

Castle, S08E03

Die Serie fand ich nie richtig toll, aber auch nie richtig schlecht. Und irgendwie sind mir alle Charaktere ans Herz gewachsen, auch wenn die Storys zum Ende jeder Folge so richtig schön abstrus werden und nur noch aus Zufällen bestehen. Wurst, Castle ist schnuffig und irgendwie Wohlfühlfernsehen.

The Muppets, S01E02

Die Pilotfolge habe ich durchgehalten, obwohl gleich die erste Pointe eine sein sollte, die sich über Miss Piggys Gewicht lustig macht (einfachstes Ziel ever, ihr denkfaulen Autor_innensäcke). Der Rest der Folge fühlte sich ähnlich falsch an; die Muppets sind hier zu erwachsen, zu zynisch, zu abgebrüht, um mir noch Spaß zu machen. Und ich hasse Fozzie Bear. In Folge 2 ausgestiegen, die dritte nicht mehr angeschaut.

Fehlfarben 8: Zahlen und Malen

Wir schauten uns zwei Ausstellungen im Haus der Kunst an und begossen das ganze mit Crémant.

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00.00:00. Begrüßung, Vorstellung und Blindverkostung Crémant 1.

00.02:00 Unsere erste Ausstellung: Hanne Darbovens „Aufklärung“ im Haus der Kunst. Die Schau hat uns allen sehr gut gefallen, aber ob wir sie jedem und jeder weiterempfehlen würden, bleibt offen. „Aufklärung“ ist noch bis zum 14. Februar 2016 zu sehen. Und wer Zeit hat, nach Bonn zu fahren – dort läuft in der Bundeskunsthalle bis zum 17. Januar die zweite Hälfte der Darboven-Retrospektive. Sie trägt den Titel „Zeitgeschichten“.

00.33:20. Blindverkostung Crémant 2 und noch mehr Darboven, Fazit ab 00.40:45.

00.47:30. Blindverkostung Crémant 3 und großes Rätseln, ob in Flasche 1 und 3 eventuell der gleiche Stoff ist.

00.51:20. Die zweite Ausstellung, ebenfalls im Haus der Kunst: „Zufallsmuster“. Auch hier drei Daumen nach oben, wenn auch eher welche der Kategorie „Och jo“ statt „Aber sofort rein da“.

01.18:00. Alkoholauflösung und Verabschiedung.

Das Enthüllen der verpackten Flaschen war dieses Mal aufregender als sonst, denn wir hatten zwei Crémants alleine nach der Optik im Verdacht, eventuell gleich zu sein. Wir warten ja seit Monaten darauf, dass wir mal ein Duplikat am Tisch haben, aber – ich muss die Pointe leider verraten – es ist uns wieder nicht gelungen. Dafür war Felix mal wieder Sieger mit seinem Rosé-Crémant, der uns allen dreien am besten geschmeckt hat.

Crémant 1: Crémant de Loire, Beauchoisy, 12,5%, bei Rossmann für 8 Euro.

Crémant 2: Crémant de Loire Rosé, Baumard, Carte Corail, 12,5%, bei Geisels Weingalerie für 17 Euro.

Crémant 3: Crémant de Loire, Henri Delacote, 12,5%, bei Tengelmann für 7 Euro.

Tagebuch 4. Oktober 2015 – Fünf zu eins

Morgens deprimiert gebloggt. Aber dazu immerhin sehr farbenfroh gefrühstückt: Der Lemon Curd leuchtete so neongelb, dass ich das festhalten wollte.

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Ich kann mir endlich Blumen und Kräutertöpfe kaufen, weil sie jetzt die Semesterferien überstehen, denn diese verbringe ich ab sofort in München. Deswegen besitze ich jetzt, wie in Hamburg, wieder Orchideen, und Sonntags ist Orchideenwässertag, wie in Hamburg.

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Nachmittags ins Stadion gefahren. Ich hatte das Spiel konservativ auf 2:0 für Bayern getippt und mich damit schon sehr optimistisch gefühlt. Verloren hat Dortmund dann 1:5 und das völlig zu Recht. Ich sah ein außergewöhnlich gutes Fußballspiel und war sehr froh, mich in die Arena aufgerafft zu haben. (Und ich bin geteilte Tagessiegerin im Tippspiel, wo-hoo!)

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Außerdem war das mein erstes Spiel mit einer akustisch ernstzunehmenden gegnerischen Fankurve. Ich fand es sehr spannend, von links und rechts verschiedene Gesänge zu hören, wobei ich etwas näher zur Südkurve saß, weswegen ich unsere Jungs und Mädels lauter hörte. F. und saßen ungewohnterweise zwischen Dortmundfans, die anfangs noch jede Aktion beklatschten, aber irgendwann nur noch resigniert und ergeben auf den Abpfiff warteten.

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Abends bei Kerzenlicht Bohnenpüree mit Zitronenschale und Knoblauch auf getoastetem Topfbrot. Gemeinsam eingeschlafen. Grundstimmung deutlich sonniger als morgens, was mich sehr gefreut hat.

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Tagebuch 2./3. Oktober 2015 – Wurzeln

Die Erkältung ist nicht richtig da und nicht richtig weg. Ich bin grundmatschig, aber unverschnupft, fühle mich abgeschlagen, brauche aber weder Taschentücher noch Erkältungsbäder. Vielleicht ist es schlicht der Herbst, der mir auf dem Gemüt sitzt.

Am Freitag saß ich drei Stunden in der KuGi-Bibliothek, um mein Wissen über Konzeptkunst aufzufrischen, denn am morgigen Montag nehmen wir unseren neuen Fehlfarben-Podcast auf. Eigentlich sollte mich drei Stunden Rumlesen nicht anstrengen, aber danach war der Kreislauf wieder im Keller, und es reichte gerade noch zum Einkaufen, bevor ich mich wieder unter die Bettdecke verkroch. WTF.

Samstag ging es wieder etwas besser, so dass ich mit F. ins Haus der Kunst ging, um mir Hanne Darboven und Zufallsmuster anzuschauen. Danach war auch mein Appetit wieder da, ich kochte lustig vor mich hin, ging halbwegs früh alleine ins Bett und schlief gut durch.

Und heute morgen ist wieder alles grau und ich liege unter einer Glocke aus Traurigkeit und Hilflosigkeit.

Eigentlich müsste ich gerade auf der Oidn Wiesn sein, um mich in netter Runde vom diesjährigen Oktoberfest zu verabschieden. Stattdessen sitze ich alleine am Rechner und versuche mal wieder, hinter meine Traurigkeit zu gucken.

Ich weiß, dass sowohl der Kerl als auch F. mein Blog lesen, und ich will F. nicht wehtun, wenn ich darüber schreibe, dass ich mein altes Leben ein bisschen vermisse, und ich will dem Kerl nicht wehtun, wenn ich hier alles mit frisch verliebten rosa Herzchen zupflastere. Aber genau zwischen diesen beiden Polen bewege ich mich gerade. Ich weiß, dass das alles irgendwann besser wird, ruhiger, sich richtiger anfühlen wird, aber momentan fühle ich mich seltsam entwurzelt.

Mein Umzug war alles andere als lang geplant, was sonst eher mein Ding ist. Er war auch nicht mit Lust aufs Neue untermalt, sondern über ihm schwebte ständig ein „Wo soll ich denn sonst hin?“ Ich wohne nicht hier, weil ich hier wohnen will, ich wohne hier, weil es gerade nicht anders geht. Ja, ich will in München studieren, sonst hätte ich den Studienplatz in Hamburg angenommen. Aber die Wahl dieses Ortes fühlt sich nicht mehr so frei an wie die vor drei Jahren, als ich machen konnte, was ich wollte, wo auch noch Dresden und Berlin im Rennen waren. Theoretisch kann ich immer noch machen, was ich will, aber praktisch ist Hamburg für mich verbaut und deswegen bleibt nur München. (Und jetzt liest F. da wieder lauter Quatsch rein. Lass das bitte. // Edit – F. so: „Was soll ich denn da reinlesen? Den Satz kannste löschen.“)

München war für mich immer Urlaub, mein kleiner Extraort neben dem normalen Leben. Und jetzt ist München das normale Leben. Das ist einerseits toll, denn ich mag die Stadt wirklich lieber als Hamburg (ich fange jetzt nicht wieder mit den Radwegen an, versprochen) – ihre Winzigkeit, ihre Dörflichkeit, die Museen, natürlich das Zentralinstitut für Kunstgeschichte, den Fußballverein, und ja, meine eigene Wohnung. Die war in den letzten drei Jahren meine Insel. Aber jetzt ist sie das Festland, ich kann nirgends anders mehr hin. Und auch wenn ich gar nicht mehr woanders hin will, fühlt es sich auf einmal eng an, zu klein für mich. Es ist ein blöder Schalter im Kopf, der noch umgelegt werden muss, aber so ganz kriege ich das noch nicht hin.

Ich freue mich sehr darauf, dass nächste Woche die Uni endlich wieder losgeht, denn dann habe ich keine Zeit mehr, in meinem eigenen Saft rumzupaddeln, dann muss ich wieder viel zu viel lesen und noch mehr schreiben. Vielleicht fange ich dann auch endlich an, Wurzeln zu schlagen, an dem Ort, den ich mir ausgesucht habe, wenn auch nur halbfreiwillig. Vielleicht wird dann aus dem „halbfreiwillig“ ein „das war die richtige Entscheidung, das passt so“. Ich hoffe einfach mal darauf.

Tagebuch 1. Oktober 2015 – *zzzz*

Da schaffe ich es zum ersten Mal in fünf Jahren ohne die traditionelle Wiesngrippe durchs Oktoberfest – und dann steckt mich F. so latent mit einer halben Erkältung an. Mittwoch in der Gaultier-Ausstellung merkte ich schon, dass mein Kreislauf gerne jede Sitzgelegenheit wahrnehmen und danach die nächstgelegene Tram nach Hause nehmen wollte, anstatt ein bisschen durch den güldenen Herbst zu spazieren. Zuhause angekommen kochte ich Tee, rührte eine heiße Zitrone an und legte mich gut hydriert schlafen.

Den gestrigen Tag verbrachte ich zunächst ähnlich; obwohl es mir schon besser ging, blieb ich brav im Bett anstatt ins Zentralinstitut für Kunstgeschichte zu fahren und ein paar schlaue Bücher querzulesen. Grundnahrungsmittel: selbst gebackenes Brot, Lemon Curd, Käse, Tee. Circa 20 Folgen Friends.

Tagebuch 30. September 2015 – Gaultier

In der Hypo-Kunsthalle läuft noch bis Februar eine Ausstellung mit Kleidung von Jean Paul Gaultier. Ich zog also brav meinen Ringelpulli an und machte mich auf den Weg, um mir gut 160 Schaufensterpuppen anzuschauen.

Bereits im ersten Raum lernte ich, dass Haute Couture kein Schnickschnackbegriff ist, sondern bestimmte Anforderungen erfüllt sein müssen, damit ein Modehaus seine Kollektionen so bezeichnen darf:

„[D]ie jeweiligen Unternehmen müssen ein Maß-Atelier mit mindestens 15 (ehemals 25) Vollzeit-Angestellten betreiben, den Hauptsitz des Unternehmens in Paris führen und mindestens 35 (ehemals 50) verschiedene, von Hand gearbeitete, von einem Modeschöpfer kreierte Modelle für Tages- und Abendmode, welche alle Unikate sind, während der saisonalen Haute-Couture-Modenschauen in Paris der Presse präsentieren.“ (Wikipedia)

Was ich auch im ersten Raum lernte: wie alt der Cone Bra schon ist, der eines der ersten Stücke Gaultiers ist, an die ich mich erinnere. Auch die weiteren Klassiker in meinem Hinterkopf sah ich im Laufe der Ausstellung vor mir: den Ringelpulli in all seinen Variationen, den Männerrock und sogar eines meiner Lieblingsstücke, den wundervollen Vogelfedernbolero, den Dana International beim ESC 1998 trug.

Die Räume sind thematisch geordnet. Das klingt erstmal clever, aber es werden für einen Überbegriff alle Kollektionen der letzten 30 Jahre zusammengeworfen, was mich irgendwann doch irritiert hat. Ich hätte gerne eine Entwicklung gesehen, aber vielleicht ist die bei Mode nicht so leicht nachzuvollziehen wie bei darstellender Kunst; gerade Gaultier springt gerne von Inspiration zu Inspiration, von Material zu Material – das scheint keine logische Abfolge zu sein, sondern ein wildes Remixen von allem, was der Mann zu Gesicht bekommt. Genau das macht seine Mode so spannend – aber es macht es auch ein bisschen schwierig, von dieser Fülle im Laufe der Ausstellung nicht überwältigt zu werden. Meine Augen waren im vorletzten Raum schon ziemlich durch, und die Brautkleider, die traditionell als letzte auf den Laufsteg kommen und dementsprechend hier im letzten Raum zu sehen waren, hatten von vornherein verloren. Wo ich doch sonst so ein wedding chick bin.

Im ersten Raum stand ich am längsten vor einer Kreation aus der Spring/Summer Collection 2012 (jedenfalls sagt Google das; das Schild am Exponat sagt 2010): einem Korsettkleid, das von Amy Winehouse inspiriert wurde. Ich gebe zu, ich achte bei mir selbst recht selten auf wirklich gute Stoffe, was aber auch daran liegt, dass es in meiner Größe eben meist Mist zu kaufen gibt; als ob dicke Frauen irgendwie dankbar zu sein hätten, dass sie überhaupt irgendwelche Polyesterzelte zum Überwerfen kriegen. Daher versinke ich beim Klamottengucken in Museen auch gerne in Stofflichkeiten. Es ist frappierend, wie anders teure Materialien aussehen, fallen, verarbeitet sind als die Plünnen, die ich am Leib trage (und der Großteil meiner Umgebung). Man sieht den Kleidungsstücken hier auf jedem Zentimeter an, wieviel Sorgfalt und Liebe zum Detail in ihnen steckt.

Bei einigen Stücken ist die Herstellungsdauer angegeben. Ich habe mir nicht jedes Schild durchgelesen, aber ein Kleid imitierte ein Leopardenmuster durch Perlenstickerei, und das hat angeblich 1600 Stunden erfordert. Glaube ich sofort. Jetzt weiß ich auch, warum Haute-Couture-Models so schlank sind – für Frauen meiner Statur würde man die Kleidung in einem halben Jahr gar nicht fertigkriegen. Ach, wo wir gerade bei Frauen meiner Statur sind: In einem Raum wird großspurig darauf hingewiesen, dass Gaultier sich bei seinen Modellen auch mal (gewagt, gewagt) von der Modewelt-Normschönheit entfernt und zum Beispiel Beth Ditto laufen ließ. Ich hätte mich gefreut, wenigstens ein Kleidungsstück zu sehen, das nicht in Größe 32 vor mir steht, wenn es doch angeblich welche gibt. But that’s just me.

Was mir dagegen an der Show sehr gut gefallen hat: der Einsatz von lustigen Medien. So stehen im zweiten Raum neun Puppen aus der Jungfrauenkollektion 2007. Die stehen da aber nicht einfach so rum, sondern auf ihre Köpfe sind bewegte Gesichter projiziert, sie singen vor sich hin, lächeln, schauen den Betrachter an … das ist anfangs etwas unbehaglich, aber man gewöhnt sich recht schnell daran, ständig Geräusche oder Gesprächsfetzen im Hintergrund zu haben, in fast jedem Raum. Im Jungfrauenraum standen auch die ersten Matrosen (unter anderem ein Pulli aus gestreiftem Nerz), und ich fühlte mich in meinem Ringelpulli sehr wohl.

Natürlich wird auch auf die Zusammenarbeit mit Promis hingewiesen, wir sehen Fotos von Madonna, Conchita Wurst (ihre Schaufensterpuppe hatte einen Bart, das fand ich großartig), Kylie Minogue und so weiter und so fort. Das war mir aber doch eher wumpe, auch wenn ich mich gefreut habe, eines meiner Lieblingsbilder von Mondino mal in groß vor mir zu sehen. Aber ich fand die Kleidung, die nicht dadurch besonders wird, dass sie von Celebrities getragen wird, viel spannender. Im drittletzten Raum, dem Großstadtdschungel, stand ein Kleid aus der Russia-Kollektion von 1997/98, das ich sofort gekauft hätte, auch wenn gerade mein Oberschenkel darin Platz gefunden hätte (hier zu sehen, hier nochmal extra, und das Kleid ist in echt viel spektakulärer). Es besteht aus einem Tüllrock und einem langen Oberteil aus Wolle. Oben am Hals und an den Schultern sieht es wie ein simpler Strickpulli aus, aber dann werden aus den Längsstreifen plötzlich Zopfmuster, die in unterschiedlichen Höhen beginnen und nach unten auslaufen – in weitere, verschiedene Muster, mal feiner, mal gröber, das Kleid scheint plötzlich zu machen, was es will; ich musste an das Experiment mit den Spinnen denken, die man unter Drogen gesetzt hat, um zu sehen, was mit ihren Netzen passiert (Überraschung: Sie werden sehr lustig), und ich konnte mich an dem Kleid schlicht nicht sattsehen.

Ein weiterer Liebling lief, ja, lief, im vorletzten Raum, dem Punk Cancan, wo hauptsächlich Kleidung zu sehen war, die von Paris oder London inspiriert wurde. Hier war der Aufbau spannend: Man hatte wirklich einen Catwalk nachgebaut, auf dem die Pariser Modelle auf Schienen an einem vorbeiliefen. Man konnte sich an den Laufsteg setzen und ihnen zugucken wie in einer echten Modenschau. An der einen Saalseite standen die Londoner Puppen, auf der anderen hatte man Stühlchen hingestellt, auf denen Puppen mit weiteren Promiklamotten saßen. Für die Ausstellung wurde eine Haarstylistin engagiert, und so erkannte man Catherine Deneuve dann auch gleich an ihrer Frisur. Dass in dem Glitzergoldding mit Ausschnitt bis zum Bauchnabel Kim Kardashian gesteckt hatte, hätte ich mir fast denken können, aber ich musste doch aufs Schildchen gucken.

Auf dem Laufsteg kam mir dann mein liebstes Herrenmodell entgegen: ein langer, schwarzer Rock aus edlem Smokingstoff, der hinten zu einer Hose wurde. Dazu eine schwarze Smokingjacke – ein Traum. Ebenfalls auf dem Laufsteg: ein kurzes, beigefarbenes Kleid, das nur aus breit gestickten Worten bestand, die Paris beschreiben. (Ich finde leider keine Bilder.)

Ich mochte an der Ausstellung den kompletten Aufbau, der die variablen Räume der Hypo-Kunsthalle gut nutzt, und die detailverliebte Ausstattung jeder einzelnen Puppe. Ich war irgendwann von der Masse an Material und Farbe etwas überwältigt, aber ich nehme an, das ist Gewöhnungssache. Ich habe mir in den letzten Jahren angewöhnt, Bilder, Gebäude und Skulpturen genauer bzw. unter bestimmten Gesichtspunkten anzugucken – bei Kleidung muss ich noch etwas üben.

Einen spannenden Effekt hat die Ausstellung aber: Man hört draußen auf der Straße nicht damit auf, mal genauer auf Kleidung zu schauen. So fiel mir sofort die spannungsreiche Kombination aus knallrotem Rock und neonpinken Sneakers an einer jungen Frau auf, genau wie die grauen Hochwasserhosen an einem sehr schlanken Mann, der sie mit einem schwarzen Pulli kombinierte, der ihm leicht von den Schultern rutschte. In seinen schwarzen Schuhen steckten keine Socken. Der Herr neben mir in der Tram hatte in seinem karierten Jackett ein anderskariertes Einstecktuch, und die Kassiererin im Kaufhof, wo ich mir nach der Ausstellung ein bisschen gutes Futter gönnte, trug lange, fein ziselierte, goldene Ohrringe.