All die schönen Lügen
so zärtlich und warm
als Schicksal getarnt

Die Cinema bloggt jetzt auch: Jochen Schütze beantwortet Fragen zum Film, und Arthur Jung, stellvertretender Chefredakteur, lässt angeblich hinter die Kulissen blicken. Schau’n mer mal.

Ich persönlich nutze die Cinema-Webseite ja gerne als Kinoprogramm, denn die Weltstadt Hamburg hat keine einzige Zeitung, in der Donnerstags ein anständiges Programm abgedruckt ist. Jedenfalls keine Zeitung, für die ich Geld bezahlen würde.

Time to say “Drop dead”

Das Culture-Vulture-Kulturblog des Guardian berichtet über die beliebtesten funeral songs. Da diese fast durch die Bank eklig sind, dürfen die Kommentatoren bessere Musik als Trauermarsch vorschlagen. Meine liebsten Einträge:

“If I am hacked to death by a serial killer then Pieces of Me by Ashlee Simpson or Incomplete by Backstreet Boys will be appropriate.”

Going Underground by The Jam.”

“If I was feeling in a chipper mood I’d suggest the eponymous Living in a box.”

Knock on Wood?”

“My best friend wants I can’t imagine the world without me by Echobelly. Nice egotistical choice…..”

Nothing but a good time by Poison, and then Blaze of Glory by Bon Jovi as the curtains close at the crematorium….”

“As the coffin containing my friend who sadly died far too young was carried into the church to Lynard Skynard’s Free As A Bird, tears poured down and it felt remarkably appropriate. Afterwards, I joked to a friend that it could have been worse, they could have played Led Zeppelin… her look said it all – I hadn’t been at the burial, but suffice to say when lowered into the ground he was actually ‘climbing a stairway to heaven’….”

“My grandad had burlington bertie played at his funeral – I’d like to say it was because he was like burlington bertie – but he wasn’t. It was played because it was the only thing he could remember for the last ten years of his life – he couldn’t remember any of our names, but he could remember the lyrics to bertie.”

The Movie Issue

Das NYT Magazine veröffentlichte letzten Sonntag seine turnusmäßige Movie Issue. Diesmal ein ziemlich Irakkrieg-lastiges Angebot: The Hard Sell, ein Interview mit Terry Press, Marketingchefin von Dreamworks, über die Schwierigkeiten, Kriegsfilme an Frauen zu verkaufen, Dale Dye Will Make a Man Out of You – ein Vietnam-Veteran bringt Schauspielern bei, sich wie ein Soldat zu bewegen, aber auch The Narnia Skirmishes über die Verfilmung der Narnia Chronicles und ihre angeblich christlichen Untertöne

Ich habe mir die Intensivpflege von Herrn Williams inzwischen ungefähr 30mal angehört, und mein Urteil ist das gleiche wie nach dem ersten Hören. Das freundlichste Wort, was ich für dieses Werk übrig habe, ist: langweilig. Langweilig, langweilig, langweilig. Schade drum, denn bis jetzt hat mir jede CD von Tattooschnuffi gefallen.

Sollte auch mein zweiter musikalischer Held, Frau Ciccone, mich enttäuschen? Nein, auf die Dame ist natürlich Verlass. Zwar habe ich ihre Platte seit gestern erst viermal geschafft (unter anderem beim zweiten Lush-Massaker dieser Woche – mein Foto von den silbernen und goldenen Sternchen, den Kokosschalensplittern und dem blauen Glitzer auf meinem Badewannenboden ist leider nichts geworden), aber die CD macht eindeutig bessere Laune als die erstgenannte. Geht doch. Über das rosa eingepackte Popöchen im Booklet könnte man zwar nochmal reden, aber das ist mir immer noch lieber als der pencil dick von Robbie. Get ready to jump!

Karmakontoausgleich

Den ganzen Tag über Männerkram wie Autos und Fernseher geschrieben und mir in der Mittagspause von Kollegen die Men’s Health vorlesen lassen müssen („Was Männer von Frauen wissen wollen: Wie fühlt es sich an, einen Tampon zu tragen“).

Als Ausgleich den totalen Mädchenabend gemacht: zu Ikea gefahren und nichts anderes gekauft als nutzlosen Dekoscheiß, danach in die Badewanne (Lush galore) und danach die neu erworbene Johannisbeer-Maske vom Body Shop ausprobiert.

Werde ich langsam wunderlich alt, wenn ich mich morgens beim Schminken schon auf das abendliche Abschminken freue, weil ich dann das duftende Aloe-Vera-Gesichtswasser und die unglaublich reichhaltige Jojoba-Nachtcreme (NACHTCREME!) verwenden kann?

(Nebenbei: Mein Lieblingskollege ist mit zu Ikea gekommen. Auf der Fahrt dahin gab’s das übliche Männlein-Weiblein-Ritual: „Okay, es ist 19 Uhr. Du weiß genau, was du brauchst? Kein langes Rumsuchen und „Ach, guck mal hier, das könnte ich ja auch noch …“? Ja? Dann los.“ Und am Ende hatte ich mehr gekauft als er, hatte dafür aber weniger Zeit gebraucht, und das Ding, weswegen er eigentlich zu Ikea mitwollte, hatte er über seine Pflanzen und Weingläser und Kistchen und Kästchen vergessen. Ha!)

War of the Worlds

Schrecklich böser und schrecklich guter Science-Fiction-Film von Steven Spielberg. War of the Worlds (Krieg der Welten) erzählt die Geschichte von Papa Ray, der seine zwei Kinder (und sich selbst) vor der Invasion riesiger Außerirdischer retten will. Ray wird von Langweiler Tom Cruise verkörpert, aber das hat kaum gestört, denn was auf der Leinwand passiert, ist viel zu groß und übermächtig, als dass es von den üblichen zwei Gesichtsausdrücken von Herrn Cruise ruiniert hätte werden können. Selbst Kreischkind Dakota Fanning konnte ich einfach ignorieren und mich dafür auf eine wunderbar straighte und perfekt getimte Story einlassen.

Die Bilder, die Spielberg entwirft, sind schlicht überwältigend – selbst auf meinem winzigen Fernseher. War of the Worlds ist der erste Science-Fiction-Film, bei dem ich wirklich alle Hoffnung auf die Rettung der Menschheit aufgegeben hatte (nein, offensichtlich kannte ich die H. G. Wells-Story nicht): Die Außerirdischen sind viel zu perfekt und die Menschheit (meist) viel zu panisch, um gerettet zu werden. Das ist eigentlich auch schon die ganze Geschichte des Films: Wir sehen Cruise und Fanning zwei Stunden dabei zu, wie sie vor den Aliens flüchten, mal allein, mal in Begleitung. Aber was für zwei Stunden das waren! Die Bilder gönnen uns kaum einen Lichtblick – im wahrsten Sinne des Wortes. Alles ist grau und düster, die einzige Farbe entspringt den Aliens, die die ganze Welt mit rotem Gewächs überziehen. Der Soundtrack hält sich bemerkenswert zurück; wenige punktuell gesetzte dramatische Untermalung verstärkt das Gefühl der Angst, das Gefühl, das plötzlich nichts mehr so ist wie noch heute morgen.

Ich persönlich hätte nicht gedacht, dass es einem Film auf so simple Weise gelingt, mich dermaßen in seinen Bann zu ziehen: mit einer ganz schlichten Geschichte, die aber unglaublich erschreckend bebildert wird. Ein paar Szenen haben mich allerdings ein bisschen genervt: die Fotowände mit den Bildern der Vermissten und der mit Staub bedeckte Cruise, nachdem das erste außerirdische Wesen aufgetaucht ist und ein halbes Stadtviertel in Schutt und Asche gelegt hat. Die Szenen hatten für mich einen etwas zu großen Zeigefinger in Richtung 9/11. Sonst aber fühlt sich War of the Worlds sehr zeitlos an – und gleichzeitig fast liebevoll altmodisch. Natürlich sind die Special Effects vom Feinsten, aber sie werden eben nicht so brachial eingesetzt wie in den späteren Alien-Filmen oder so holzhammerlustig wie in Independence Day. Nein, die Effekte fielen mir nicht als Effekte auf, sondern waren schlicht Teil der Story. War of the Worlds ist klassisches Kino: aufregend, packend, menschlich (ein kleines bisschen zu sehr, aber noch erträglich) und mit Bildern ausgestattet, die ich noch nie gesehen habe. 99 von 100 Punkten. Gib mir mehr.

The Polar Express

Normalerweise bin ich das leichteste Opfer für Weihnachtsgeschichten, das es gibt. Ich heule auch im Hochsommer zu It’s a Wonderful Life, Weihnachtslieder bringen mich immer in rührselige Laune, und zur richtigen Jahreszeit genügen die üblichen Filmzutaten „Schnee, Weihnachtsmann, Kinderaugen“, und ich bin dem Film heillos verfallen. Daher dachte ich, dass The Polar Express (Der Polarexpress) leichtes Spiel mit mir haben würde. Hatte er aber nicht.

Das Dumme an dem Film ist: Er ist kein realer Film (kein Problem), auch kein Zeichentrickfilm (auch kein Problem), sondern computeranimimiert – was normalerweise erst recht kein Problem ist, wie wir seit jedem Pixar-Film wissen. Nein, das Dumme ist, dass hier eine fürchterlich schnuffige Geschichte erzählt werden soll und dafür die gefühlloseste aller Umsetzungen gewählt wurde. Die leuchtenden Kinderaugen sehen eben nicht wie leuchtende Kinderaugen aus, sondern wie Pixel in Augenform. Die wirbelnden Schneeflocken, die den Polarexpress auf seiner Reise zum Nordpol begleiten, wirken wie punktgenau berechnet, und sämtliche Kinder sehen aus wie der ehemalige Junge von der Kinderschokolade: gruselig.

Die Story des kleinen Jungen, der nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubt und vom Polarexpress abgeholt wird, um ihn von Gegenteil zu überzeugen, habe ich knappe 30 Minuten durchgehalten. Dann war mir das virtuelle Weihnachstmärchen einfach zu unangenehm. Ich konnte und wollte den Pixelfratzen nicht mehr zusehen, zu seltsam war ihre Umsetzung. Ich hätte mir reale Schauspieler für die bestimmt herzerwärmende Geschichte vom Polarexpress gewünscht; dann hätte sich der Film vielleicht nicht ganz so wie 3 Nüsse für Aschenputtel im Zombieland angefühlt.

Barfuss

Ziemlich danebengegangene … Komödie? Danebengegangener Liebesfilm? Danebengegangenes Roadmovie? Keine Ahnung. Auf jeden Fall danebengegangen. Barfuss beginnt in einer Klinik, in der sich Klischeeirre mit Klischeeärzten abfinden. Til Schweiger bringt als vom Arbeitsamt geschickter Putzteufel Nick mal eben alles durcheinander, die schöne Kranke Leila (Johanna Wokalek) verliebt sich in ihn, er rettet sie vor dem Selbstmord, sie flieht aus der sepiagetönten Klinik in seine sepiagetönte Souterrainwohnung, und im Folgenden entfaltet sich ein nerviges Gewurschtel, das romantisch und verzaubert sein soll, aber dabei nur eine Aneinanderreihung von schlechten Witzen und kindischem Gequatsche ist.

Schon die ersten Eindrücke von Leila haben mich gequält aufseufzen lassen: die ewig barfuß laufende Kindfrau im weißen Kleidchen, die glatten Haare stets schützend vor den großen, blauen Augen hängend, das kleine Köfferchen, das sie mit sich trägt, und im Hintergrund entweder zarte Pianoklänge oder Dido, die „Don’t leave“ singt. Uah. Die Reise, auf die sich die beiden warum auch immer gemeinsam begeben, steckt voller Situationen, die schwer zu ertragen sind: Wenn Leila zum Beispiel für eine Prostituierte gehalten wird und die Aufforderung zum Blasen so versteht, als solle sie in der Gegend rumpusten, ist das nicht lustig, sondern fürchterlich. Die Cameos von unter anderem Axel Stein, Jürgen Vogel, Mark Keller, Markus Maria Profittlich und Armin Rohde haben keinen Spaß gemacht („Ach, guck mal, das ist doch …“), sondern haben dem Film endgültig den Rest gegeben, weil ich dadurch den Eindruck gewonnen habe, dass die Szenen, in denen die bekannten Gesichter vorkamen, nur durch diese gerettet werden sollten. Was selten geklappt hat. Ich habe Barfuss 55 Minuten lang durchgehalten, aber als auf dem sepiagetönten Rummelplatz so verdammt romantisch Karussell bei Nacht gefahren wurde und dazu Hallelujah von Jeff Buckley erklang, hat’s gereicht. Weg damit.

(Und weil der Filmtitel auf dem Plakat und der DVD und überhaupt ÜBERALL falsch geschrieben wird, gibt’s noch nen Punkt Abzug.)

The Statement

Politthriller, der eher politisch als ein Thriller ist. Genauer gesagt, ist The Statement alles andere als spannend. Michael Caine spielt Pierre Brossard, der im 2. Weltkrieg mit den Nazis kollaboriert hat und nun, 50 Jahre später, von einer angeblich jüdischen Organisation gejagt wird, die ihn wegen seiner Kriegsverbrechen exekutieren will. Er erschießt einen seiner Killer und ist fortan auf der Flucht – meist verstecken ihn katholische Priester in diversen Klöstern und Abteien. Außerdem sind ihm eine Richterin und ein Armeeangehöriger (Tilda Swinton und Jeremy Northam) auf den Fersen.

Der Film versucht, die Verstrickungen der Kirche und diverser katholischen Geheimbünde im Vichy-Regime und nach dem Krieg anklingen zu lassen, kann sich aber nicht entscheiden, wie kritisch er sein möchte. Auch die Verwicklungen der politischen Führung in Frankreich, die Kriegsverbrecher gedeckt oder begnadigt hat, werden nur angedeutet. Deswegen verliert sich jede Botschaft, die The Statement haben soll, in den banalen Verfolgungsjagden zwischen Caine und seinen Gegnern, die zu allem Überfluss auch noch so dermaßen zäh inszeniert sind, dass man sich wirklich zusammenreißen muss, um nicht vorzuspulen. Was den Film allerdings rettet, sind seine überzeugenden Darsteller, allen voran Michael Caine, der es schafft, dass wir ihn einerseits für seine Taten verabscheuen und ihn gleichzeitig faszinierend finden in seinem Glauben, seiner Unbeirrbarkeit und seinen körperlichen Schwächen, die aus ihm alles andere als den typischen Helden/Schurken machen.

A Lot Like Love

Schnuffelfilm für verregnete Sonntage. Amanda Peet und Ashton Kutcher lernen sich bei einem Quickie auf der Flugzeugtoilette kennen, und es dauert sieben Jahre und 107 Filmminuten, bis sie sich endlich eingestehen, füreinander bestimmt zu sein. Klingt erstmal wie Harry und Sally für Arme, fühlt sich in der zweiten Filmhälfte auch so an, aber manchmal blitzen eben doch ein paar Dialoge durch, die Spaß machen, und es gibt Szenen, bei denen ich laut losgelacht habe, zum Beispiel die im japanischen Restaurant, die albernster, wortloser Slapstick ist. Nicht genug, um A Lot Like Love (So was wie Liebe) einen Daumen nach oben zu geben, aber genug, um den Film bis zu Ende zu schauen. Was auch daran liegen könnte, dass ich Frau Peet einfach extrem entzückend finde. Ich würde sie auch heiraten, wenn sie immer so gucken würde wie in der Szene, wo sie aus dem üblichen Männerfrust heraus einen zu tiefen Schluck Weißwein nimmt und aussieht, als müsste sie gleich kotzen.

Layer Cake

Straighter Gangsterfilm, der mit der üblichen „Das ist der letzte Job und dann werde ich ehrbar“-Prämisse anfängt – und die natürlich richtig schön versemmelt. Daniel Craig spielt einen namenlosen Kriminellen, der in einem Wallpaper-Appartement in London lebt, stets wie aus dem Ei gepellt aussieht und seine Geschäfte (Hauptprodukt: Kokain, kiloweise) gekonnt und unauffällig erledigt wie man das in einem schlanken, effizienten Unternehmen eben macht. Im Laufe des Films gerät Craigs Kleidung allerdings stark in Unordnung: Sein Boss will, dass er die Tochter eines Freundes findet und nebenbei einen Ecstasy-Deal mit mehreren Millionen Pfund Gewinn abwickelt. Nach und nach stellt sich heraus, dass sein Boss gar nicht wirklich will, dass er das Mädel findet, und auch die Ecstasy-Pillen machen mehr Schwierigkeiten als geplant. Mit jeder Minute des Films werden die „Guten“ zu den Bösen, die Bösen zu den „Guten“ – oder zu den ganz Bösen oder … ich muss zugeben, ich habe irgendwann geistig abgeschaltet, weil ich einfach nicht mehr verstanden habe, wer was warum in Layer Cake eigentlich macht. Schade drum, denn optisch unterscheidet sich der Film angenehm vom „Mehr Schein als Story“-Augenpulver vom Schlage eines Guy Ritchie oder ähnlichen Hotshots des englischen Kinos. Auch die bis in die Nebenrollen perfekt besetzten Schauspieler sind sehr gut anzuschauen, und das generelle Gefühl des Films, das aus einer gesicherten Startposition unwiderstehlich ins blutige Chaos mündet, ist packend und spannend. Ich hätte mir eben nur eine Geschichte gewünscht, die nicht ganz so verliebt in ihre eigene Cleverness gewesen wäre. Ein paar Leichen weniger, ein paar schlüssigere Wendungen mehr, und Layer Cake wäre verdammt guter Kuchen geworden.

Corpse Bride

Tim Burton’s Corpse Bride (UK 2005, 76 min)

Originalstimmen: Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Emily Watson, Richard E. Grant, Christopher Lee, Albert Finney, Tracey Ullman, Paul Whitehouse, Joanna Lumley
Musik: Danny Elfman
Kamera: Pete Kozachik
Drehbuch: John August, Pamela Pettler, Caroline Thompson
Regie: Tim Burton & Mike Johnson

Trailer

Offizielle Seite

Ich mag Tim Burton. Ich mag seinen morbiden Touch, seine Vorliebe fürs Schräge, seine ewige Zusammenarbeit mit dem wunderbaren Danny Elfman und seine ganz persönliche Handschrift, die fast jeden seiner Filme unverwechselbar macht. Deswegen habe ich ihm auch die Totalgurke Planet of the Apes verziehen und mich auf Corpse Bride gefreut – vor allem, weil ich schon The Nightmare Before Christmas geliebt habe, der mit Stop-Motion-Püppchen arbeitete. Und deswegen habe ich auch Corpse Bride geliebt.

Was kann man daran auch nicht lieben? Klappernde Skelette, von denen eins Bonejangles heißt, die den heißesten Jazz der Unterwelt spielen anstatt traurige Totenmessen abzuhalten? Eine tote Braut, die ständig ihr rechtes Auge verliert und in deren Gehirn ein Wurm wohnt, der mit ihr redet (“If I hadn’t just been there I’d say you lost your mind”)? Ein schüchternes Liebespärchen, das sich urplötzlich mitten in einer Schauergeschichte wiederfindet und durch die zitternden und zärtlichen Stimmen von Johnny Depp und Emily Watson zum Leben (im wahrsten Sinne des Wortes) erweckt wird? Eine sechsäugige Spinne, die der Corpse Bride sagt, sie habe immerhin eine prima Persönlichkeit und ein schlagendes Herz sei aber sowas von überbewertet? Was kann man daran nicht lieben? Eben.

Victor und Victoria sind einander versprochen, ohne sich zu kennen. Erst einen Abend vor der Hochzeit sehen sie sich das erste Mal. Victor spielt ihr ein wenig Klavier vor, sie reicht ihm einen kleinen Blütenzweig – und schon weiß man: Die beiden sind füreinander bestimmt. Leider ist Victor so nervös, dass er bei der Probe seinen Treueschwur Dutzende Male verpatzt; er flieht deswegen in den Wald, um alleine zu üben – aber dort heiratet er leider, leider, durch ganz dumme Umstände, eine Leiche.

Im Folgenden versucht Victor, wieder aus dem Totenreich zu entkommen, seine vermodernde Braut mag nicht einsehen, dass die Ehe zwischen ihnen vielleicht doch keine so tolle Idee ist, Victoria muss jemand anders ehelichen, damit ihre Eltern Ruhe geben, und zwischendurch singen alle ein paar mehr oder weniger fröhliche Lieder. Zum Schluss kriegen die Bösen, was sie verdienen, und die Guten dürfen küssen oder endlich die ewige Ruhe finden. Keine große Überraschung – aber darum geht es in diesem Film auch gar nicht. Corpse Bride ist eine Liebeserklärung ans Kino und seine überlebensgroßen Charaktere und Taten, denen wir in der Wirklichkeit nie begegnen würden, die wir aber im Kino immer zu schätzen wissen. Der beseelte Held, der stets das Richtige tun will, die große Liebe, die ihren Weg findet, der edle Verzicht, der nirgendwo sonst so weh tut und gleichzeitig so gut. Alles wirkt so liebevoll, detailreich und durchdacht, dass man sich in die guten Figuren sofort verliebt und den bösen wie im Kasperletheater das Krokodil an den Hals wünscht.

Ich persönlich habe besonders die Stoffe gemocht, die an den Figuren entlangschimmerten: der wehende, zerrissene Schleier der Corpse Bride, das geschnürte Kleid von Victoria, in dem sie kaum atmen konnte, die geflickten und wieder aufgerissenen Kleider der vielen Bewohner des Totenreiches, durch deren Löcher man Kanonendurchschüsse, Rippen oder gleich die gesamten Innereien sehen konnte. Ich habe die vielen Wortspiele gemocht, die man mit dem Begriff death machen kann – so führt Victors totes Schoßhündchen zum Beispiel gerne den Trick Play dead vor. Und ich habe die kleinen Anspielungen auf die große Kinovergangenheit gemocht: Victor spielt auf einem Flügel der Marke Harryhausen. Und eine männliche Leiche, die laut Aussage seiner noch lebenden Frau doch schon 15 Jahre tot sei, erwidert darauf nur markig: “Frankly, my dear, I don’t give a damn” und ergreift sie leidenschaftlich, wozu dann auch sofort das Leitmotiv von Gone with the Wind erklingt.

Corpse Bride ist nicht durchgängig so komisch wie Wallace and Gromit, der ja auch mit der Stop-Motion-Technik arbeitet – er besticht eher durch seine konsequente, ganz eigene Atmosphäre, die altmodische Eleganz der Figuren und die punktgenaue Beleuchtung, durch die das Totenreich bunter, spannender, ja lebendiger aussieht als die Welt der Lebenden. Und natürlich durch die Musik von Danny Elfman, der es mal wieder geschafft hat, einen Soundtrack zu schreiben, der gleichermaßen rührt und verstört und versöhnt und glücklich macht. Genau wie der Film, den er untermalt.

„Hach, watt isset schön“

Vier Tage Sylt. Vier Tage kein Internet, kein Make-up, keine Werbung, keinen Wecker. Den ganzen Vormittag mit der Zeitung vertrödeln und dabei Croissants in Milchkaffee bröseln, stundenlang an der Südspitze spazierengehen („Auf der Karte sah das aus wie 20 Minuten“), im Aquarium in Westerland vergeblich die Moräne suchen („Unsere Moräne ist 1,60 m lang und hält sich am liebsten im Tonkrug auf“), bei Windstärke 8 am Strand bei Kampen vom Flugsand die oberste Hautschicht weggepeelt bekommen, sich an der Nordspitze bei List fragen, ob man gerade aus Versehen im Naturschutzgebiet gelandet ist, weil wirklich niemand (kein einziger, gar keiner, zero) außer einem selbst am Strand langgeht, den Fehlkauf des dänischen Apfel-Minz-Gelees nicht bereuen, sondern stattdessen eben das dänische Johannisbeer-Gelee genießen, das Orgelkonzert in der Keitumer Kirche sausen lassen, um stattdessen Zug um Zug zu spielen (ich kann fünfmal hintereinander verlieren, ohne das Brett umzuschmeißen), rumkuscheln, rumkochen, rumlungern, Zookeeper auf Nintendo DS spielen, während Herr Kerl Sim City baut, sich allmählich in Narnia zuhause fühlen, nochmal spazierengehen und nicht nach Hause wollen.

Hobbington Hörnum

Südspitze der Insel („Wir stehen jetzt am südlichsten Punkt vom nördlichsten Punkt Deutschlands.“)

Endlich mal anständige Wellen bei List. Die hätten den Surfdeppen gefreut, der vor Westerland ne Stunde in der Brandung rumgepaddelt ist, ohne aufs Brett zu steigen.

Das Rote Kliff bei Kampen. („’Braunes Kliff’ klingt eben nicht ganz so malerisch.“)

Hilft ja nix. Hach, watt waret schön. Das machen wir mal wieder.

(Ich will zurück nach Westerland.)

brb