Tagebuch Donnerstag, 6. Dezember 2018 – Krampus und Caesar Salad

Der Tag begann damit, dass ich überrascht und freudig feststellte, dass in meinen Sneakers an der Eingangstür ein Schokonikolaus steckte, der seinen Kumpel Krampus aus Wien mitgebracht hatte. Also eigentlich hatte F. beide aus Wien mitgebracht, der kleine Racker, und von mir unbemerkt in meinen Schuhen deponiert. Das war ein schöner Tagesanfang.

Gearbeitet, rumgepuzzelt, in Salz. Fett. Säure. Hitze. das Salz-Kapitel zuende gelesen, das ich vorgestern begonnen und in dem ich bereits mein Mittagessen für gestern gefunden hatte.

Caesar Salad ist mein absoluter Lieblingssalat. Ich glaube, ich habe kein Essen, auch wenn es noch so unfotogen ist, so oft geinstragrammt wie diesen Salat, weil er einfach immer gut ist, egal wie huschig ich ihn zubereite. Okay, eigentlich ist er eine Entschuldigung, um einen Berg Knoblauchcroutons zu essen, aber das behalten wir einfach mal für uns.

Im Salz-Kapitel tauchte nun genau dieser Salat als Lernvorlage auf: Man sollte an ihm bzw. seinem Dressing ausprobieren, wie man Salz schichtet, also wie man verschiedene salzige Zutaten zusammen verwendet und wie anders alles wird, je nachdem was man hinzufügt. An diesem Dressing sollte man auch Abschmecken üben.

Ich koche jetzt seit fast zehn Jahren halbwegs regelmäßig – oft genug reicht auch ein Sandwich zum Abendessen, das ist nicht Kochen –, aber ich habe immer noch das Gefühl, keine Intuition für die Sache entwickelt zu haben. Ich befolge Rezepte ziemlich sklavisch, weil ich meist nicht wüsste, was ich ändern sollte außer vielleicht Dinge wegzulassen, die ich nicht mag oder die ich gerade unnötig finde (meistens Fleisch). Ich behaupte, ich habe mir gewisse Grundfertigkeiten beigebracht, aber ich koche sehr oft das Gleiche, weil ich weiß, dass es funktioniert. Mir fehlt (noch?) die Fähigkeit, aus dem Gelernten etwas Neues zu machen. Also anders als an der Uni, wo einem auch niemand die Hausarbeiten schreibt, man aber die Grundfertigkeiten beigebracht bekommt (wo ist die Bibliothek, wie funktioniert sie, wie finde ich einen Aufsatz). Da habe ich recht schnell kapiert, wie ich aus Bauklötzen ein Haus bauen kann, vor allem, weil ich so viele andere Aufsätze lesen musste, um selber welche zu schreiben.

Genauso habe ich eigentlich gewisse Grundlagen beim Kochen drauf, aber ich bekomme die Einzelteile noch nicht selbständig zu etwas Neuem gepuzzelt. Deswegen gucke ich so gerne Kochshows wie Masterchef, wo die Kandidat*innen beispielsweise eine Grundzutat vorgegeben bekommen und daraus was zaubern müssen. Ich bin jedesmal wieder davon erstaunt, was man alles aus, keine Ahnung, Tomaten machen kann außer Suppe, Salat und dem Klassiker „zwei Scheiben davon aufs Käsebrot“. Deswegen habe ich mich gestern so über die verkohlten Zwiebeln gefreut: Ich wäre nie auf die Idee gekommen, sie bewusst anzubrennen, weil ich die Grundfertigkeit „mit starken Aromen arbeiten“ schlicht noch nicht drauf habe.

Auch von Masterchef gelernt habe ich solche simplen Dinge, über die alle geübten Köch*innen vermutlich gutmütig mit den Augen rollen, wie: Jedes Gericht sollte verschiedene Texturen haben oder unterschiedliche Aggregatzustände, damit der Mund sich nicht langweilt. Also knackig plus schmelzig. Oder fest und weich. Oder auch mild und scharf sowie heiß und kalt. Ich habe mal als Schreibtipp gelesen, sich seine Lieblingsbücher analytisch vornzunehmen, um herauszufinden, warum genau sie die Lieblingsbücher sind, damit man daran seine eigenen Geschichten orientieren kann. Das versuche ich seitdem auf meine Lieblingsgerichte anzuwenden: Warum schmecken mir manche Dinge besser als andere? Ich mag zwar die mummelige Gleichförmigkeit von Spaghetti Carbonara (gleiche Temperatur und Mundgefühl aller Zutaten, alles recht salzig), aber ich mag genauso die Wundertüte Salade niçoise (warm und kalt, weich und fest, Geschmäcker von mild bis salzig). Generell war ich erstaunt darüber, dass ich beim Nachdenken über Lieblingsgerichte doch eher an salzige als an süße dachte – vermutlich weil letztere einfach nur das sind: süß. (In diesem Zusammenhang: Hände weg von Schokolade, die ist perfekt so wie sie ist! Das Grauen von Chili-Schokolade!)

Zusammengefasst: Ich würde gerne etwas strukturierter meine Kochfähigkeiten ausbauen. Da ich körperlich keine Kochausbildung mehr hinkriege und ich auch keine Lust auf VHS-Kurse mehr habe, erhoffe ich mir von Büchern wie Salz. Fett. Säure. Hitze. ein bisschen mehr Grundwissen, das ich schlicht übersprungen habe beim Rezeptekochen, und damit verbunden mehr inneres Handwerkszeug, um nicht immer das Gleiche einzukaufen und daraus immer das Gleiche zu kochen.

Deswegen fand ich es reizvoll, einen Caesar Salad neu zu lernen, gerade weil ich den schon so oft gemacht habe – so konnte ich vergleichen. Es ging im Buch nicht darum, die Romamasalatblätter besonders schick zu schneiden oder wie man aus Brot Croutons macht, das habe ich so gemacht wie immer. Es ging stattdessen darum, das Dressing von Grund auf zu verstehen. Das Buch gibt keine Mengenangaben vor (wieviel Worcestersauce, wieviel Parmesan, wieviele Sardellen?), sondern sagt nur: Probier mal aus, davon was zur Majo zu geben. Dafür gab es eine Mengenangabe, die mir auch noch nicht bekannt war: 175 ml Öl auf ein Eigelb. Ich hatte gefühlt nur recht kleine Eier und benutzte daher erstmal 150 ml, aber das war zuwenig, wer hätte es gedacht. Mayonnaise habe ich bisher mit dem Pürierstab gemacht und mich auch da an Rezepte gehalten. Dieses Mal griff ich zu Schüssel und Schneebesen. Alleine das war toll, weil es sich danach angefühlt hat, Grundlagen zu erlernen. Erstmal die Basics verstehen, dann kannst du immer noch zum Zauberstab greifen.

Ich begann also mit dem Mise en Place (auch so eine schöne Grundfertigkeit), was auch im Buch beschrieben wird: Parmesan reiben, Sardellen zerdrücken, Knoblauch mit einer Prise Salz zerreiben, Salz in ein Gefäß schütten, aus dem man mit den Fingern salzen kann, Worcestersauce aufschrauben (das letzte fand ich besonders schnuffig). Für die Majo: eine Zitrone auspressen und Essig bereitstellen. Ich wunderte mich, dass kein Senf verlangt war und googelte erstmal nach: Nein, es muss kein Senf in eine Majo, aber der gibt von Anfang an etwas Säure und Schärfe dazu. Genau das wollte ich ja aber selbst in der Hand haben. Also: Senf wieder in den Kühlschrank stellen, aus dem ich ihn schon vor längerer Zeit geholt hatte, denn immerhin wusste ich schon, dass alle Grundzutaten die gleiche Temperatur haben sollten. Und da ich Eier und Öl nicht im Kühlschrank aufbewahre uswusf.

Ein Salztöpfchen habe ich mir schon vor längerer Zeit angewöhnt, die anderen Handgriffe kannte ich auch, wobei ich das Zerreiben des Knoblauchs mit meinem großen Kochmesser sehr genoss. Auch eine Sache, die bei mir ein bisschen gedauert hatte: mich an große, scharfe (teure) Messer ranzutrauen und nicht immer das kleine Supermarktmesser für alles zu benutzen.

Jetzt aber: ein Eigelb in eine breite Schüssel aufschlagen, das Sonnenblumenöl abmessen und in ein Gefäß umsiedeln, aus dem man kontrollierter gießen kann als aus der wabbeligen Plastikflasche. Aus einem feuchten Handtuch einen Ring basteln, auf dem die Schüssel fest steht (schon was gelernt!). Und dann ganz langsam Öl zum Ei geben und mit dem Schneebesen zügig verschlagen. Das ging besser und schneller als ich dachte! Als ich eine schöne Masse vor mir hatte, ging es ans Abschmecken. Zum ersten Mal schmeckte ich ungewürzte Majo, die quasi nur aus Mundgefühl besteht (Fett halt). Ich gab vorsichtig Zitronensaft hinzu und wusste sofort: Da geht noch was. Noch ein bisschen Saft für die Frische, dann ein bisschen Essig für eine kleine saure Schärfe. Und jetzt das Salz.

Zunächst gab ich den Knoblauch dazu und schmeckte seine ziepende Schärfe sowie das Salz, mit dem ich die Zehe verrieben hatte. Dann die Sardellen, die deutlich weniger fischig waren als ich sie erwartet hatte. Sie gaben der Masse eine gewisse fleischige Tiefe. Vor der Worcestersauce hatte ich vermutlich zuviel Respekt, mit der koche ich nie, das war die einzige Zutat, für die ich gestern einkaufen gehen musste, Rest war im Haus. Deswegen war ich bei ihr sehr memmig und habe sie auch nicht wirklich herausgeschmeckt. Nächstes Mal. Der Parmesan kam extrem geschmeidig und mit winzigen Salzspitzen dazu, und erst zum Schluss gab ich reines Tafelsalz in die Masse. Ich wollte noch ein bisschen mehr Parmesan und dann war ich zufrieden und von dieser simplen Tätigkeit schon sehr beeindruckt. Alleine bewusst zu merken, wie unterschiedlich salzig salzige Dinge schmecken, fand ich spannend und hoffentlich für die Zukunft hilfreich.

Der letzte Test aus dem Buch: ein Salatblatt durchs Dressing ziehen und gucken, ob alles zusammenpasst. Das passte so gut, dass ich gleich den ganzen Romanakopf in die Schüssel tunken wollte, aber ich beherrschte mich brav und zerschnitt den Kopf, während die Croutons in der Pfanne rumknisterten. Der fertige Salat war dann wie immer ein Genuss, und damit verbanne ich mein bisheriges Dressing aus Crème fraîche, Olivenöl und Zitronensaft nach Sibirien.

Die Mayonnaise steht da nur, damit ich mit ihrer perfekten Konsistenz angeben kann. In die habe ich abends einfach Weißbrot gestippt, so lecker war sie (die Majo, nicht die Konsistenz).