Bücher April/Mai 2014

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Donna Tartt – The Goldfinch

Der erste Roman von Donna Tartt, The Secret History, ist das Buch, das ich am meisten in meinem Leben verschenkt habe. Als ich es vor 20 Jahren das erste Mal las, habe ich es nicht aus der Hand legen können, es aber danach jeder und jedem aufgedrängt. Ich traue mich seit dieser Zeit nicht, es noch einmal zu lesen, denn ich habe es als eines der beeindruckendsten Bücher in Erinnerung, die ich je gelesen habe und den Eindruck möchte ich behalten.

Zehn Jahre später begann ich ihren zweiten Roman The Little Friend – und kam nicht über 100 Seiten hinaus. Keine Ahnung warum, aber das Buch hat bei mir überhaupt nicht funktioniert und ich war ein bisschen verstimmt, dass ich nach zehn Jahren Wartezeit nicht noch mal begeistert wurde. Was man als Leserin halt so macht mit Erwartungen an AutorInnen.

2013 erschien der dritte Roman Tartts: The Goldfinch. Und das ist wieder eines der Bücher, das ich jeder und jedem aufdrängen möchte. Das mag daran liegen, dass die Hauptfigur in diesem Werk keine Figur ist, sondern ein Gemälde: Der Distelfink von Carel Fabritius, das sich der 13-jährige Theo mit seiner Mutter in Museum anschaut, als eine Bombe explodiert und nichts mehr ist, wie es vorher war. Im Laufe des Buchs lernen wir seinen Vater kennen, bei dem er in Las Vegas lebt, seinen Schulkameraden, dessen Eltern ihn fast wie ein eigenes Kind behandeln – und dann doch gar nicht so, wir sehen Theo beim Großwerden zu und was das Erwachsensein und die damit verbundene Verantwortung mit ihm macht, aber bei all dem haben wir ein Bild im Hinterkopf, das Tartt meiner Meinung nach meisterhaft zusammenfasst:

„The wooden panel was tiny, ’only slightly larger than an A-4 sheet of paper’ as one of my art books had pointed out, although all that dates-and-dimensions stuff, the dead textbook info, was as irrelevant in this way as the sports-page stats when the Packers were up by two in the fourth quarter and a thin icy snow had begun to fall on the field. The painting, the magic and aliveness of it, was like that odd airy moment of the snow falling, greenish light and flakes whirling in the cameras, where you no longer cared about the game, who won or lost, but just wanted to drink in that speechless windswept moment. When I looked at the painting I felt the same convergence on a single point: a flickering sun-struck instant that existed now and forever. Only occasionally did I notice the chain on the finch’s ankle, or think what a cruel life for a little living creature – fluttering briefly, forced always to land in the same hopeless place.“

Während ich das Buch las, konnte ich nie beschreiben, was mich genau so daran fasziniert hat. Auch jetzt, nachdem das Leseerlebnis ein paar Wochen her ist, kann ich es nicht. Ich kann den Stil Tartts nicht in Worte fassen, ich weiß nicht, warum ich so an ihren Sätzen hänge. Vielleicht ist es ähnlich wie mit Bildern, von denen sie in The Goldfinch schreibt, dass die besten von ihnen sich für jeden anfühlen, als wären sie genau für sie oder ihn gemalt. Bilder, die 500 Jahre alt sind, Bilder, die fünf Jahre alt sind, ProfiguckerInnen, KunsthistorikerInnen, Unbeteiligte, die im Museum gelandet sind, weil es draußen regnet, für jeden von ihnen hängt ein Bild an der Wand, das bei ihnen bleibt. So fühlt sich The Goldfinch für mich an. Es ist für mich geschrieben worden.

„And in the midst of our dying, as we rise from the organic and sink back ignominiously into the organic, it is a glory and a privilege to love what Death doesn’t touch.“

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Noah Sow – Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus

Sow schreibt wütend über Rassismus, der sich manchmal als total gut gemeinte Diskussion um das N-Wort in Kinderbüchern tarnt, als echt überhaupt nicht diskriminierend gemeintes Schwarzschminken von weißen SchauspielerInnen, als hungerndes, großäugiges afrikanisches Kind in Anzeigen zur Weihnachtszeit, überhaupt das Wort „Afrika“, das mal eben locker diverse Länder und Kulturen unter einen Hut packt, wo Deutsche und Franzosen sich das wahrscheinlich verbeten würden, gemeinsam irgendwo unter „Europa“ subsumiert zu werden, weil wir ja total unterschiedlich sind (angeblich, keine Ahnung). Das Buch hat mich öfter überraschend können und ich war genauso oft dabei, mich an meine weiße, doch eigentlich aufgeklärte Nase zu fassen. Große Leseempfehlung.

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Heinz Ohff – Der grüne Fürst: Das abenteuerliche Leben des Hermann Pückler-Muskau

Der Hermann von Pückler-Muskau war anscheinend ein toller Hecht – so klingt jedenfalls diese Biografie, die das Fanboytum leider nie ganz abschütteln kann. Ich mochte an dem Buch, dass es manchmal von der Person Pückler-Muskaus abschweift und ihn einordnet in seine Zeit und sein Land; das hätte von mir aus auch alles mit ein paar Sätzen mehr abgehandelt werden können. Es liest sich sehr entspannt weg, denn Ohff hat einen lockeren Plauderton drauf, der einen schön über die Seiten schunkeln lässt. Dabei lässt er aber manchmal ein bisschen Distanz vermissen. Ich hätte mich gefreut, den Fürsten auch mal hinterfragt zu sehen. Dass er ein alter Schwerernöter gewesen zu sein scheint, geschenkt – aber ich hätte gerne gewusst, warum sich so viele Damen auf ihn einließen und dass eine Beziehung oder noch besser Heirat zu dieser Zeit für Frauen so ziemlich die einzige Möglichkeit war, etwas aus sich zu machen. Ich hätte gerne etwas mehr über den Sklavenhandel erfahren, der es Pückler-Muskau ermöglichte, sich eine junge Frau zu kaufen und mit nach Preußen zu nehmen. Das politische und historische Umfeld bekommt ein bisschen Platz (wie gesagt, gerne mehr davon), aber das persönliche kommt mir deutlich zu kurz. Vielleicht weil es so schmeichelhaft und exotisch ist, aber genau diese Einordnung habe ich dem Buch etwas übel genommen.

Pückler-Muskau war außerdem ein begnadeter Gartenarchitekt – seine Parks gibt es heute noch (Branitz, Muskau) –, und wenn das schon sein großes Talent neben dem Schreiben war, hätte ich mich auch hier über mehr Details gefreut: Was genau ist das Tolle an seinen Parks? Worin unterscheiden sie sich von den bisher üblichen im entstehenden Deutschen Reich? Was hat er aus England und dessen Gärten mitgenommen oder verändert? Seine schriftstellerischen Leistungen kommen immerhin in ein paar Zitaten zu Wort, und die machen auch große Lust darauf, mehr von ihm zu lesen. Fazit also: kann man gut weglesen, taugt aber nur als kumpeliger Einstieg in die Person Pückler-Muskaus und seine Zeit. Vielleicht bin ich aber auch gerade nur von der Uni und ihren wissenschaftlichen Texten versaut.

Apropos wissenschaftliche Texte: Was ich sonst noch so gelesen habe, kommt jetzt ohne Rezension und Bildchen. Nicht, dass hier langsam der Eindruck einsteht, ich lese nix mehr. Ha, sage ich da nur, HA!

Barth, Dieter: Zeitschrift für alle. Das Familienblatt im 19. Jahrhundert. Ein sozialhistorischer Beitrag zur Massenpresse in Deutschland, Münster 1974.

Belgum, Kirsten: Popularizing the Nation: Audience, Representation and the Production of Identity in ‚Die Gartenlaube‘, 1853–1900, Lincoln/Nebraska 1998.

Boeckelmann, Walter: „Zur Konstruktion der Fensterbank- und Leibungsschrägen in der Einhartsbasilika zu Steinbach im Odenwald“, in: Kunstgeschichtliches Institut der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (Hrsg.): Karolingische und ottonische Kunst. Werden, Wesen, Wirkung, Wiesbaden 1957, S. 141–149.

Brückner, Wolfgang: „Trivialisierungsprozesse in der bildenden Kunst zu Ende des 19. Jahrhunderts, dargestellt an der ‚Gartenlaube‘“, in: De la Motte-Haber, Helga (Hrsg.): Das Triviale in Literatur, Musik und bildender Kunst, Frankfurt/Main 1972, S. 226–254.

Brugger, Walter/Von Bomhard, Peter: „Bau- und Kunstgeschichte des Klosters Frauenchiemsee“, in: Brugger, Walter/Weitlauff, Manfred (Hrsg.): Kloster Frauenchiemsee 782–2003. Geschichte, Kunst, Wirtschaft und Kultur einer altbayerischen Benediktinerinnenabtei, Weißenhorn 2003, S. 521–612.

Burandt, Walter: „Bauforschung am Portal der Klosterkirche“, in: Dannheimer, Hermann: Frauenwörth. Archäologische Bausteine zur Geschichte des Klosters auf der Fraueninsel im Chiemsee, München 2005, S. 373–383.

Dannheimer, Hermann: „Ludwig oder Tassilo? Archäologische Beobachtungen zur Baugeschichte der Torhalle des Klosters Frauenwörth“, in: Bayerische Vorgeschichtsblätter 68 (2003), S. 123–128.

Dannheimer, Hermann: „Die Kirche“, in: Dannheimer, Hermann: Frauenwörth. Archäologische Bausteine zur Geschichte des Klosters auf der Fraueninsel im Chiemsee, München 2005, S. 10–41.

Dannheimer, Hermann: „Die Klöster auf den Chiemsee-Inseln“, in: Sennhauser, Hans Rudolf (Hrsg:) Pfalz – Kloster – Klosterpfalz. St. Johann in Müstair: Historische und archäologische Fragen. Tagung 20.–22. September 2009 in Müstair. Berichte und Vorträge, Zürich 2010, S. 127–137.

Dopsch, Heinz: „Gründung und Frühgeschichte des Klosters Frauenchiemsee bis zum Tod der seligen Irmengard“, in: Brugger, Walter/Weitlauff, Manfred (Hrsg.): Kloster Frauenchiemsee 782–2003. Geschichte, Kunst, Wirtschaft und Kultur einer altbayerischen Benediktinerinnenabtei, Weißenhorn 2003, S. 29–55.

Dopsch, Heinz: „Die Frühgeschichte der Chiemseeklöster und die historischen Quellen“, in: Sennhauser, Hans Rudolf (Hrsg:) Pfalz – Kloster – Klosterpfalz. St. Johann in Müstair: Historische und archäologische Fragen. Tagung 20.–22. September 2009 in Müstair. Berichte und Vorträge, Zürich 2010, S. 139–145.

Exner, Matthias: „Die früh- und hochmittelalterlichen Wandmalereien im Kloster Frauenchiemsee“, in: Brugger, Walter/Weitlauff, Manfred (Hrsg.): Kloster Frauenchiemsee 782–2003. Geschichte, Kunst, Wirtschaft und Kultur einer altbayerischen Benediktinerinnenabtei, Weißenhorn 2003, S. 115–153.

Fahle, Hanna: Geschichte der Abtei Frauenwörth ab 782, Lindenberg im Allgäu 2009.

Gruppe, Heidemarie: „Volk“ zwischen Politik und Idylle in der „Gartenlaube“ 1853–1914, Frankfurt/Main u. a. 1976.

Jacobsen, Werner u. a. (Hrsg.): Vorromanische Kirchenbauten, München 1991.

Kirschstein, Eva-Annemarie: Die Familienzeitschrift. Ihre Entwicklung und Bedeutung für die deutsche Presse, Berlin 1937.

Koch, Marcus: Nationale Identität im Prozess nationalstaatlicher Orientierung. Dargestellt am Beispiel Deutschlands durch die Analyse der Familienzeitschrift „Die Gartenlaube“ von 1853–1890, Frankfurt/Main u. a. 2003.

Lobbedey, Uwe: „Buchbesprechung“, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 31 (1966), S. 238–245.

Milojčić, Vladimir: Bericht über die Ausgrabungen und Bauuntersuchungen in der Abtei Frauenwörth auf der Fraueninsel im Chiemsee 1961–1964, München 1966.

Oswald, Friedrich: „Beziehungen der Klosterkirche Frauenchiemsee zur Baukunst Oberitaliens im 11. Jahrhundert“, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 29 (1966), S. 311–314.

Oswald, Friedrich: „Zur Forschungssituation von Frauenwörth im Chiemsee nach dem Erscheinen der Publikation ‚Hermann Dannheimer: Frauenwörth. Archäologische Bausteine zur Geschichte des Klosters auf der Fraueninsel im Chiemsee‘“, in: Kunstchronik: Monatsschrift für Kunstwissenschaft, Museumswesen und Denkmalpflege. Mitteilungsblatt des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker 62 (2009), S. 20–31.

Sedlmayr, Hans: „Die Fresken“, in: Milojcic, Vladimir: Bericht über die Ausgrabungen und Bauuntersuchungen in der Abtei Frauenwörth auf der Fraueninsel im Chiemsee 1961–1964, München 1966, S. 253–274.

Strobel, Richard/Weis, Markus: Romanik in Altbayern, Würzburg 1994.

Zimmermann, Magdalene: Die „Gartenlaube“ als Dokument ihrer Zeit, München 1967.

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