Food for thought

Omi hat uns früher immer Kalten Hund/Kalte Schnauze/Kalten Arsch zum Geburtstag gebacken. Ich backe lieber Käsekuchen.

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Sieben Eier. Das gibt Ärger mit der VeganerInnenfraktion. Food – you’re doing it wrong. Geht mir ja schon auf den Zeiger, diese ewige Futterdiskussion. Andererseits denkt man so über Dinge nach, über die man sonst eben nicht nachdenkt. Irgendwer muss einem ja etwas sagen, damit man sein eigenes Handeln reflektiert. Vielleicht doch nicht so doof. Aber das geht neuerdings gefühlt immer gleich von Null auf Hundertachtzig. Nie wieder Fleisch versus Jetzt erst recht. Nie wieder Industriefutter versus Ei-Ersatz und Sojasahne. Auch gerne bei anderen Themen, zum Beispiel, was jetzt der richtige oder der falsche Feminismus ist. Beine rasieren, ja oder nein? Binnen-I oder Gender-Gap? (Das finde ich übrigens auch immer putzig – Leet Speak ist cool oder hier, Wahnsinn, Alter, „Erster und letzter Buchstabe des Wortes reichen, den Rest schafft der Kopf alleine“, toll, wa, aber sobald irgendwo ein großes I auftaucht, sind alle angeblich völlig überfordert.) Beruflich Karriere machen oder Vollzeitmutter sein? Lippenstift oder Latzhose oder womöglich, OMG, beides? Being a woman – you’re doing it wrong. Oder nie wieder Nespresso trinken, immer den Müll trennen, nur noch Öffis fahren oder Fahrrad, die richtige (?) Partei wählen, lieber die falsche Partei wählen als gar nicht, Fußball ist was für Idioten (IdiotInnen, Idiot_innen), Impfen macht autistisch, Stillen ist super, am besten ganz flach atmen und nicht aufs Gras treten, alle anderen sind doof, Pep knows best. Being human – you’re doing it wrong. Immer.

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Ich liebe es, mit Händen im Essen rumzuwühlen. Teig kneten ist großartig. Der Mürbeteig wird leider nicht richtig geknetet; ich hacke die Zutaten kurz mit meinem Lieblingsriesenmesser durch, quetsche das Häufchen aus Butter- und Zuckerkrümeln, Eigelbmatsch und Mehl zu einer Kugel zusammen und walke sie kurz durch, damit der Teig nicht zu klebrig wird. Hefeteig ist toll, den könnte ich ewig kneten, der vermittelt so ein seltsam ambivalentes Gefühl an die Hände, er ist warm, aber durch seine Glätte irgendwie kühl, er ist gleichzeitig zart und zäh, ich spüre fast die Oberflächenspannung, wenn ich ihn verarbeite. Beim Ausrollen zuckt er bockig in seine ursprüngliche Form zurück und ich muss an die beknackten Schönheitstipps in Frauenzeitschriften denken, die einem sagen, wenn man die Haut zwischen zwei Finger nimmt, kurz hochzieht und wieder fallenlässt, soll die wieder so aussehen wie vorher, sonst müsse man dringend viel trinken oder am besten 20 Jahre jünger werden. Ich frage mich bei derartigem Quatsch erstens, wer sich so was ausdenkt und zweitens, wieso ich mir so was merke. Und ich denke an meinen Lieblings-Calvin-und-Hobbes, wo Calvin Hobbes fragt: Wer hat eigentlich als erstes Kuheuter angeguckt und sich gedacht, egal was da rauskommt, ich trink’ das jetzt?

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Ich wollte noch googeln, woher das Wort „blindbacken“ kommt. In unserer Speisekammer steht ein Weckglas mit einem Pfund Linsen drin und mit denen backe ich seit Jahren blind. Jedesmal, wenn ich sie benutze, denke ich, ich müsste mal etwas Schwereres finden, trockene Bohnen vielleicht, die sehen auch niedlicher aus als die banalen Linsen, aber dann ist der Teig fertig, ich fülle die Linsen zurück ins Glas und vergesse es wieder. Ach ja, und ich wollte noch googeln, woher das Wort „blindbacken“ kommt.

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Ich habe zwei orange- und zwei beigefarbene Schüsseln zum Backen. In der einen hohen orangefarbenen schlage ich immer Eiweiß oder püriere Zeug, die anderen drei haben verschiedene Größen und stehen ineinandergestapelt in einer Schublade. Ich weiß nicht, ob meine Mutter schon mit diesen Schüsseln gebacken hat, ich erinnere mich nicht an das Handwerkszeug, nur noch, dass wir viel gebacken haben und dass immer Margarine in die Teige kam statt Butter. Aber zum Auszug habe ich diese Schüsseln mitnehmen dürfen und seitdem benutze ich sie. Das ist, glaube ich, das erste Mal, dass ich sie im Blog herzeige, denn kein einziges Nahrungsmittel sieht in orangefarbenem oder beigem Plastik gut aus, nicht mal so leuchtende Wunder wie Quark und Zitronenschale. Aber die Schüsseln sind von Mama, sie gehören seit 25 Jahren zu mir und sie werden erst durch weiße oder Metallschüsseln ersetzt, wenn sie von selbst auseinanderfallen.

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Ich muss endlich daran denken, meinen Münchner Mixer zur Reparatur zu bringen. Als ich meine kleine Studentinnenbutze einrichtete, kaufte ich so günstig wie möglich, also auch einen preiswerten Mixer und eine Billokopie meiner geliebten Microplanereibe. An der Reibe habe ich mir fünfmal irgendwelche Finger blutig gerieben, bevor ich sie entsorgte und mir wieder das Original kaufte (seitdem kein Blut mehr im Essen). Wenn ich meine Haushalte wieder zusammenlege, habe ich den Luxus von zwei Reiben – die mit dem grünen Griff aus München werde ich dann nur noch für Zitrusfrüchte nutzen, die mit dem schwarzen Griff aus Hamburg für Käse. Auch den Mixer werde ich doppelt haben, denn auch da habe ich den Billigscheiß nach nur zwei oder dreimal nöligem, weil unkomfortablem Benutzen verschenkt und mir genau den gleichen gekauft, den ich auch schon in Hamburg habe. Aber wo mir der Hamburger seit Jahren treue Dienste leistet, hat der Münchner jetzt leider eine Macke: Er kann nur noch eine Geschwindigkeit, nämlich die höchste, was zwar besser ist als keine Geschwindigkeit, aber beim größeren Mengen Mehl so ziemlich alles einsaut, was in Mixernähe ist. (Meaning: me.)

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Ich liebe Zitronen. Schale, Saft, Kuchen, Limo, Alsterwasser/Radler, meine Güte, gehen mir diese zwei Sprachen auf den Keks. Manchmal rutscht mir in Hamburg ein „SERVUS“ raus, was selten gut ankommt, denn gefühlt mag niemand im Norden die BayerInnen. Das „MOIN“ in München wird eher unbeeindruckt zur Kenntnis genommen, aber man identifiziert mich sofort als Nicht-Einheimische, weswegen ich bei meiner Metzgerin immer doof nachfragen darf, wenn ich ihr tiefes Bairisch nicht verstehe. Ich glaube, sie spricht auch extra langsam für mich. Gut, dass „Zitrone“ überall gleich heißt. Die kann ich nur dann nicht ab, wenn sie in meiner Coke light rumlungert, die ich ab und zu noch in Cafés bestelle – dann landet sie sofort in der Serviette.

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Irgendwann werde ich eine Ode an den Teigschaber dichten.

Festgeschmaddert in der Schüssel
klebt der Teig, aus Mehl und Schmand.
Heute muss der Kuchen werden,
frisch, GesellInnen, seid zur Hand.
Von der Stirne heiß
rinnen muss der Schweiß,
soll das Werk die MeisterIn loben;
doch der Segen … ist der Teigschaber.

Könnte man eventuell noch mal beigehen.

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Die linke Tür im Hintergrund führt in unsere Abstellkammer (eine Mindestanforderung an jede meiner Wohnungen, die in München hat auch eine), die zweite in die Speisekammer. Die Speisekammer ist im Winter gefühlt kälter als der Kühlschrank, aber im Sommer heizt sie kaum auf. Man kann selbst bei 30 Grad Außentemperatur Gemüse in ihr rumliegen lassen, was mich jedesmal verzückt. Direkt nach dem Foodcoaching standen in ihr zwei Schüsseln mit Tomaten und ein paar Nudelpackungen. Nach und nach wurde sie immer voller, ich musste zusätzliche Regalbretter anbringen für die ganzen Köstlichkeiten, dann kamen irgendwann auch noch zwei Weinregale dazu, die quellen auch schon über, Weinregale sind die neuen Bücherregale, kommt, wir machen noch ein paar klassistische Shelfies mit 800 Jahre altem Whisky und Mammutfleisch und Eiswürfeln aus der Antarktis, die besonders knusprig im Kristallglas knistern. Internet. You’re doing it wrong.

Kann endlich mal jemand googeln, woher „blindbacken“ kommt?

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(Edit: Frau Esskultur erklärt mir auf Facebook das Blindbacken, und ich bin noch mehr verliebt: „blindbacken: wie blindtext. also mit einem ersatz für die echte fülle vorbacken, damit [der teig] flach und knusprig bleibt. die blindfülle ist platzhalter für die eigentliche fülle, wie blindtext eben. blindbacken ist quasi das lorem ipsum der küche.“)