Bücher Januar/Februar 2013

Jetzt kann ich endlich alle Mailschreiber und -schreiberinnen verstehen, die mich vor dem Studium fragten, wie ich bloß so viel lesen kann in so kurzer Zeit. Die Frage habe ich nie kapiert: Ich lese in der Mittagspause und im Bus und abends und irgendwie dauernd. Jetzt nicht mehr: Jetzt hocke ich stattdessen in Bibliotheken rum, wo ich Kram für die Uni lese, den ich aber nicht unter „Freizeitlesen“ ablegen würde. Auch meine schönen Lesebusfahrten in die Hamburger Agentur fallen weg, seit ich nur noch blitzschnelle U-Bahn-Fahrten in München habe, bei denen es sich für vier Stationen nie lohnt, das Buch rauszuholen. Ich lese eigentlich nur noch im Flugzeug und während ich auf dasselbige warte, wobei die Zeit recht kurz ist, weil ich inzwischen meine Ankunft so gut timen kann, dass ich fünf Minuten vor Boarding am Gate bin. Selbst die abendliche Leserunde im Bett fällt gerade meist flach, weil ich nach dem ganzen Tagsüberlesen bloß noch ne Runde Sudoku auf dem iPhone daddele, bevor mir die Augen zufallen.

Nicht, dass ich mich beschwere: Ich habe in den letzten vier Monaten gefühlt mehr gelernt als in den vergangenen vier Jahren. Aber dabei sind irgendwie die ganzen Romane auf der Strecke geblieben.

Na fast.

Connie Palmen (Hanni Ehlers, Übers.) – I.M. Ischa Meijer. In Margine. In Memoriam

Herzzerreißend. Mir fällt kein anderes Wort ein. Palmen schreibt autobiografisch über die kurze Zeit, die ihr mit ihrem Geliebten Ischa Meijer vergönnt war, ihr erstes Treffen, ihre ersten Berührungen, die vielen, die folgten, ihre gemeinsamen Reisen, Gespräche, wie sie nebeneinander her an ihren jeweiligen Büchern arbeiten, wie sie die Vergangenheit bewältigen und die Zukunft planen. Und dann die brutale Zäsur, der Tod von Meijer. Die Zeit der Trauer, die so unvermittelt und unbarmherzig über Palmen hineinbricht. Das Buch ist weitaus mehr als nur ein Abschied von Meijer, es ist eine Auseinandersetzung mit der Liebe, mit der Familie, mit dem Schreiben und mit sich selbst. Viele Stellen haben mich vor Schmerz zusammenzucken lassen, so treffend waren die Worte von Palmen bzw. die Ãœbersetzung von Ehlers. Das Buch macht kaum Spaß, weil man von Anfang an weiß, was einen erwartet, aber es belohnt trotzdem auf jeder Seite. Um mal den Klassiker von Herrn Tennyson zu zitieren: “‘Tis better to have loved and lost / Than never to have loved at all.” Ja. Weil eben doch etwas übrig bleibt. Keine körperliche Nähe, die fast mehr schmerzt als die geistige, aber es bleiben Worte, Sätze, Bilder, Erinnerungen. Und die bleiben für immer.

Monika Maron – Animal triste

In Animal triste erinnert sich die Ich-Erzählerin an ihre große Liebe, die vor zehn, 20 oder 60 Jahren stattfand, egal, was ist schon Zeit. Wir erfahren immerhin, dass diese Liebe kurz nach dem Mauerfall passiert sein muss, denn neben den kargen, aber präzisen Beschreibungen ihrer Zweisamkeit spricht die Erzählerin auch über Biografien, die sich durch die deutsche Teilung oder Wiedervereinigung ergeben. Die Sprache ist vorsichtig, tastend, als ob sie sich selbst nicht recht traut. Ich mochte jeden Satz, und ich möchte jetzt mehr von Frau Maron lesen.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Nicht fotografiert, liegt in München:

Werner Busch (Hrsg.) – Funkkolleg Kunst I. Eine Geschichte der Kunst im Wandel ihrer Funktionen.

Eine freundliche Leserinnenzuwendung, über die ich mich nicht nur sehr gefreut habe, sondern die ich auch gleich in meiner ersten Hausarbeit zitieren konnte, ha! Funkkolleg versammelt einige illustre Kunsthistoriker (keine Historikerinnen, ich prangere das usw.), die sich mit der Funktion von Kunst im Laufe der letzten Jahrhunderte befassen, und mit den veränderten Rezeptionsgewohnheiten. Kunst war sehr lange Zeit religiös motiviert, und bevor die Jesusbilder im Wohnzimmer hingen, hingen sie in Kirchen, und bevor sie Jesusbilder waren, waren sie Tympana über Portalen. Genau das habe ich alles im ersten Semester gelernt, genau das wird im Buch nachvollzogen, und deswegen war es ein wunderbarer Abschluss. (Zweiter Teil steht auf dem Wunschzettel. Nicht mehr lange, ich klick da gleich drauf.)