Wahlomat zur Europawahl #Zensursula

Danke an Spreeblick für die gestrige Aktion, bei der sich in einer interaktiven Karte jeder eintragen konnte, der den Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie nicht gutheißt. Laut Twitter waren das gestern abend 5.667 Menschen; weitere Zahlen will Spreeblick heute noch nachlegen. (Edit: erste Zahlen hier.)

Mein SPD-Parteibuch habe ich bereits vor einiger Zeit zurückgegeben, und wenn ich sowas wie die folgenden Sätze lese, weiß ich auch, warum:

„Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, die zunächst schwere verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vertragliche Lösung ins Feld geführt hatte, räumte ein, dass mit dem Vorhaben Kommunikationsströme im Internet im großen Stil kontrolliert werden müssten. Aber es gehe um einen so hohen Wert, dass die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe gewahrt bleibe.“

Kann ich das „hohe Gut“ nochmal genauer definiert kriegen, bitte? Bis jetzt bin ich davon ausgegangen, dass das Grundgesetz eben dieses hohe Gut schützt. Zum Beispiel mit Artikel 5:

„(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Auf der SPD-Homepage finde ich nicht mal eine Pressemitteilung zu diesem Thema. Ist wahrscheinlich auch nicht so wichtig wie der kommende Besuch von Hubertus Heil in Walsrode oder die neue Webpräsenz von Martin Schulz.

Auch die CDU beschäftigt sich laut ihrer Pressemitteilungen lieber mit Kunstkäse und der Volkszählung 2011 – auf die wir uns natürlich genauso freuen wie die Christdemokraten. Vielleicht kann man die ja auch per Internet durchführen, aber da würde ich mir eventuell noch überwachter vorkommen als mit dem klassischen Fragebogen. Ist bestimmt bloß Paranoia, sorry.

Die Linkspartei hat zu dem Thema auch keine Meinung, aber die Armen haben ja noch nicht mal ein Parteiprogramm. Die FDP bietet ein paar Worthülsen, die nicht ja und nicht nein sagen, eher: Ich will mich da noch nicht festlegen. Passt prima ins Parteiprofil.

Bündnis 90/Die Grünen sind mir da schon sympathischer:

„”Anstatt endlich konsequent und tatsächlich wirkungsvoll gegen Kinderpornografie vorzugehen, betritt die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf das Feld der Symbolpolitik. Dadurch wird kein einziger Inhalt entfernt, kein Missbrauch verhindert. Es wird lediglich ein Signal des politischen Willens gezeigt, das aber ins Leere läuft. Dieses Vorgehen hilft Missbrauchsopfern herzlich wenig.

Die Legitimation zur Sperrung von Internetseiten soll über eine Änderung des Telemediengesetzes erfolgen, was rechtlich höchst umstritten ist. Es stattet das Bundeskriminalamt mit Kompetenzen aus, die über ihre eigentlichen Aufgaben als Zentralstelle hinausgehen. Dies lehnen wir ab. Dass jetzt auch noch Informationen, die über die Stopp-Seite generiert werden, zu Ermittlungszwecken an das Bundeskriminalamt weitergegeben werden dürfen, ist im Sinne des Datenschutzes nicht hinnehmbar.“

Am besten auf den Punkt bringt das Thema meiner Meinung nach Die Zeit:

„Ein Gedankenspiel: Ersetzen wir Internet durch Telefon und Kinderpornografie durch einen beliebigen strafrechtlich relevanten Begriff wie Drogenhandel. Mit einem solchen Gesetz dürfte das BKA und nur das BKA entscheiden, wessen Telefon abgeklemmt wird, es dürfte jede Telefonnummer protokollieren, die versucht, den gesperrten Anschluss anzurufen, und es dürfte gegen die Anrufer mit all seinen technischen und personellen Mitteln vorgehen. Und das alles, ohne dass es irgendeine demokratische Kontrolle fürchten müsste.

Niemand könnte bei diesem Vorgehen nachvollziehen, warum ein Anschluss gesperrt wurde und welche Anrufer warum beobachtet, abgehört und durchsucht werden. Niemand dürfte fragen, ob wirklich Verbrecher gejagt würden, oder ob nicht ein Polizist illegalerweise seine Freundin und deren Geliebten überwacht – was schon geschehen ist. (…)

Kein Richter überprüft die Sperrlisten, keine parlamentarische Kontrollkommission, kein Datenschutzbeauftragter. Das BKA ist Ermittler, Ankläger und Richter in einer Person! Bei der Telefonüberwachung muss ein Richter vorher prüfen, ob sie gerechtfertigt ist. Nicht erst hinterher und nur, falls sich jemand beschwerte.

In Grundrechte einzugreifen, kann notwendig sein. Aber jede Kontrolle zu verhindern, ob ein solcher Eingriff überhaupt gerechtfertigt ist, ist undemokratisch. Immerhin bedeutet Demokratie, Gewalten zu teilen. Keine staatliche Gewalt darf agieren, ohne dass eine andere eingreifen und überwachen kann. Keine Allmacht, auch nicht für das BKA!“

(Links zu Heise und der Zeit via Rivva, das im Moment eine schöne Sammlung von weiteren Artikeln zum Thema bündelt.)