Donnerstag, 28. März 2024 – Literatur und Kunst aus der jungen DDR

Ich lese gerade Brigitte Reimann: Die geliebte, die verfluchte Hoffnung. Tagebücher und Briefe 1947–1972, herausgegeben von Elisabeth Elten-Krause und Walter Lewerenz, 1983 erstmals im Verlag Neues Leben in der DDR erschienen, vor mir liegt die Lizenzausgabe „für die Bundesrepublik Deutschland, West-Berlin, Österreich und die Schweiz“. Ich stolpere immer gerne über Dinge, die mal völlig normal für mich waren und heute Geschichte. („West-Berlin“)

Ich stolperte auch über zwei Einträge vom Oktober 1955, wo Reimann über ihr zukünftiges Buch Kinder von Hellas nachdenkt, weil in ihnen so nebenbei die Planwirtschaft und die Zensur erwähnt werden:

„Das NL [Neues Leben] will gleich einen Vertrag auf mein neues Buch machen (Arbeitstitel ‚Mädchen von Chronos‘), obgleich sie es noch gar nicht kennen. Ich bin vorerst nicht darauf eingegangen – wenn es nun nicht gut wird? So ein Vertrag auf Treu und Glauben käme von seiten des Autors beinahe einem Betrug gleich. Das habe ich Lewerenz auch geschrieben, und ich habe ihn gebeten, die Sache noch aufzuschieben. Zudem wurmt es mich, daß ich in den Plan für 1956 nicht mehr hineinkommen kann – was ist das für ein Blödsinn, ein fertiges Manuskript ein ganzes Jahr lang liegenzulassen? Einerseits schreien sie nach guten Jugendbüchern, andererseits aber klammern sie sich stur an ihren Plan … ich will sie ein bißchen unter Druck setzen – vielleicht erreiche ich noch eine Veröffentlichung meines Buches im Jahre 1956.“ (30.10.1955, S. 31)

„Der kleine Lewerenz macht mich bange: Sein Chef Peterson habe getobt wegen des Abenteuerheftes, weil der Verlag es nicht hinbekommen hat. […] Peterson warnte mich: Es sei ein diffiziles Thema, da die Meinungen über den griechischen Befreiungskampf geteilt seien, auch wisse man nicht, wie sich unsere Beziehung zu Griechenland entwickeln werde etc. Das kratzte mich schon wieder: als ob Literatur von politischen Tagesfragen abhängig sei. … Der Partisanenkampf war zu seiner Zeit gut und richtig, außerdem geht es mir um das Schicksal meiner Liebenden, ihren menschlichen Konflikt.“ (9.11.1955, S. 32)

Ein paar Seiten weiter las ich erstaunt, dass Reimann ihr Buch Ankunft im Alltag, das ich gern und aufmerksam gelesen habe, als „Mädchenbuch“ bezeichnet. Überdenke gerade mein komplettes Leseerlebnis.

Privater Kunsthandel nach 1945 in Dresden

Von dem Forschungsprojekt hatte ich auf meiner Provenienzforschungsfortbildung schon gehört. Per Insta wurde ich auf das Online-Magazin „Voices“ der SKD aufmerksam, das gerade einen Blogeintrag zum Projekt veröffentlichte:

„Erste Untersuchungen zeigen, dass sich bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges wieder ein privater Handel etablieren konnte. Gemälde, Grafiken, Antikmöbel, Porzellan und Münzen wurden angeboten und verkauft; Dresden galt als eine der wichtigsten Kunsthandelsstädte in der DDR. Auch die staatlichen Kunstsammlungen Dresden erwarben regelmäßig Kunstwerke bei hiesigen Händlern, mit denen die Institution ebenso im fachlichen Austausch stand.

Nach dem Führungswechsel in der SED (1971) und nach der Gründung der Staatlichen Kunst und Antiquitäten GmbH (1973) wurde dieser Privathandel jedoch durch Behörden wie die Staatssicherheit zunehmend kontrolliert und eingeschränkt, zum Teil der Steuerhinterziehung bezichtigt und schließlich bis auf wenige Ausnahmen zerschlagen. Ein zentrales Anliegen des Projekts ist, diesen bisher meist vergessenen Firmen und Personen eine Sichtbarkeit und Neubewertung zu geben.“

Die Ausstellung im Albertinum dazu ist noch bis 21. April zu sehen, lohnt sich.

Das Wandgemälde „Lebensfreude“ im Hygienemuseum Dresden, die Diplomarbeit von Gerhard Richter von 1956, wird teilweise freigelegt. Das Gemälde ist nicht in Richters Werkverzeichnis aufgeführt, das erst 1962 beginnt; laut eines Kommentars zur hauseigenen Insta-Reel hat er dem Projekt aber zugestimmt. Vielleicht wird das Archiv ja auch noch erweitert?