Sonntag, 11. Februar 2024 – Jüd*innen und Anti-Antisemit*innen

Beim letztjährigen Lesen des empfehlenswerten Buchs Jerusalem on the Amstel merkte ich peinlich berührt schon Wissenslücken, aber spätestens bei der Fortbildung zur Provenienzforschung fiel es mir erneut auf: Ich weiß zu wenig über alltägliches jüdisches Leben. (Und erspare mir hier jetzt jeden Hinweis, woran das in Deutschland wohl liegen könnte.) Zur Abhilfe erwarb ich ein Buch von Marina Weisband und Eliyah Havemann, das ich gestern zu lesen begann: Frag uns doch! Eine Jüdin und ein Jude erzählen aus ihrem Leben, das aus einem Tweet von Weisband entstand, aus dem eigentlich nur ein YouTube-Video von wenigen Minuten werden sollte, aber aus dem das Buch wurde.

Alleine für diese Sätze von Weisband aus dem Vorwort hat es sich schon gelohnt:

„Es ergab sich die Notwendigkeit, zumindest eine zweite Stimme in den Antworten zu haben, die ganz anders ist als meine. Das hätte zudem den Vorteil, die Hälfte der Schuld abwälzen zu können. Zu meinem Glück erbot sich Eliyah Havemann, den ich bis dahin nur ab und an auf Twitter gesprochen hatte, mir zu helfen. Wirklich kennengelernt haben wir uns also erst über die Arbeit an den Videos und an diesem Buch. Eliyah brachte sehr viel Expertise gerade in den Fragen der Religion und Halacha sowie in nicht aschkenasischen Strömungen des Judentums ein. (Wenn ihr diesen Satz nicht versteht, das ist okay. Dafür ist dieses Buch da.)“

Was die aschkenasischen Strömungen sind, wusste ich netterweise aus Amstel, aber schon bei Halacha hätte ich googeln müssen, weil ich mir nicht sicher war. Insofern: schon jetzt eine sinnvolle Anschaffung.

Der Lokalkrimi, den ich gestern erwähnte, konnte mich doch nicht überzeugen: Nach 50 Seiten fand ich es noch charmant, nach 100 nur noch nervig. Weggelegt. Mir egal, wer der Mörder ist.

Abends hatte ich den anmaßendsten First-World-Problem-Satz ever im Kopf: „Jetzt muss ich wegen dieser doofen Faschos vom Sofa runter, wo’s doch gerade so gemütlich ist.“ Aber was sein muss, muss sein, weswegen ich ab 17.30 Uhr mit F. und seinen Wacken-erprobten Camping-Lämpchen auf der Theresienwiese im Lichtermeer stand, um der AfD und anderen rechtsextremistischen Gruppierungen zu zeigen, dass wir mehr sind (SZ-Link ohne Paywall).

Viel mehr, wie sich netterweise auch in Dresden zeigte , wo sich 5000 Antifaschist*innen 1000 Rechtsextremen gegenübersahen. Auch darauf wies die Moderatorin der Kundgebung, Düzen Tekkal, hin: Wieviel mehr Mut es kostet, im Osten von Deutschland aufzustehen. Großer Applaus.

Der Abend begann musikalisch mit Enno Bunger, den ich noch nicht kannte, dessen zwei Protestsongs mir aber gut gefielen. Vor dem dritten Lied meinte Bunger, dass er eigentlich noch ein weiteres Lied aus diesem Spektrum geplant hätte, aber: „Das sieht so schön aus von hier oben, ich singe jetzt ein Liebeslied. Eigentlich hätte ich [Titel nicht gemerkt] geplant, aber das könnt ihr euch ja auf Spotify anhören.“

Ich hatte in der Dunkelheit und auf der riesigen Theresienwiese nicht schätzen können, wie viele Teilnehmer*innen es waren. Die SZ schreibt von 100.000, der BR hat Bilder. Danke, München.

Als ich wieder zuhause war, schaute ich in meine Timelines und stellte fest, dass anscheinend meine komplette Münchner Insta-Timeline auf der Demo gewesen war und Fotos gepostet hatte. Ich ja auch, wenn auch nur in der Story. Hier meine zwei Bilder von gestern. Das erleuchtete ist natürlich die Bavaria, vor der sich auch viele Lämpchen bewegten. Das sah sehr schön aus.

(Ja, ich muss mich endlich um größere Bilder im Blog kümmern.)