4. Januar 2024

Den Weihnachtsbaum abgeschmückt, drei Lichterketten und (geschätzt) fünfzig Kugeln wieder in ihre jeweiligen Behältnisse und diese dann in inzwischen zwei Umzugskisten gepackt, das ist über die letzten Jahre auch irgendwie eskaliert. Ich kann den Baum in so ziemlich jeder Farbkombination schmücken – in diesem Jahr war es rot, pink, violett –, aber immer wenn ich dann in der alten Heimat den Baum mit Dingen behänge, denke ich, ach, so rot-gold isses doch am schönsten. Werde mir das für das nächste Jahr vormerken.

Anschließend den Baum an die nächstgelegene Ablagestelle geschleppt, an der man eigentlich erst ab dem 6. Januar Bäume hinterlassen soll, aber mein Baum war der ungefähr dreißigste, weswegen mein schlechtes Untertanengewissen beruhigt war.

Lecker Reste-Süppchen mit Gelbe-Bete-Chips gekocht und einen langen Mittagsschlaf gemacht. Diese Woche ist noch selbstverordneter Urlaub angesagt, weil ich gerade im letzten Viertel von 2023, das bis auf wenige lange Wochenenden quasi urlaubsfrei und außerdem unerwartet anstrengend gewesen war, gemerkt habe, dass es nicht mehr viel braucht, um mich zum Weinen oder Schreien zu bringen. Daher jetzt: nicht am Schreibtisch sitzen, nicht nachdenken, nur Romane lesen und Zeitung und Netflix gucken und Reste wegkochen.

Durch ein 25-Euro-Lockangebot auf Insta bin ich wieder für ein halbes Jahr FAZ-Abonnentin, dieses Mal aber nur digital. Wenn in der FAZ das Wort „gendern“ in der Überschrift auftaucht, weiß man eigentlich, dass man den Text nicht lesen sollte. Diesen Artikel (Bezahlschranke, auf archive ohne) fand ich dann aber doch bis auf kleine Ausreißer recht ausgewogen. Es geht darum, dass auch das mächtige Bayern das böse Gendern nicht verbieten kann. Es kann höchstens, wie schon Sachsen, Sachsen-Anhalt und demnächst Hessen, darauf hinweisen, dass die Sternchen, Unterstriche und ähnliches nicht in der Rechtschreibordnung stehen und an die habe man sich zu halten.

„Angesprochen auf ein „Gender-Verbot“ kommt aus dem sachsen-anhaltischen Bildungs­ministerium jedoch eine einigermaßen schmallippige Antwort: „Das in der medialen Berichterstattung immer wieder erwähnte ,Gender-Verbot‘ an Sachsen-Anhalts Schulen trifft so nicht zu.“

Es sei im Schulleiterbrief zum Schuljahresbeginn lediglich „ein klarstellender Hinweis“ ergangen, „dass Sonder­zeichen wie Asterisk, Gender-Gap oder Doppelpunkt nicht Teil des amtlichen Re­gelwerks der deutschen Rechtschreibung (Duden) sind, und dass sich das Ministerium für Bildung Sachsen-Anhalt an die Empfehlungen des Deutschen Rechtschreibrates vom 14. Juli 2023 hält“, teilt der Sprecher des Ministeriums mit. Man komme damit dem „vielfachen Wunsch aus Schulen und Lehrkräfte-Kollegien nach, für Klarheit zu sorgen“.

Der Rechtschreibrat hatte zuletzt eine „geschlechtergerechte“ Sprache befürwortet, Gender-Zeichen im Wortinneren aber nicht „empfohlen“; eine abschließende Entscheidung darüber wurde vertagt, da man die Entwicklung weiter beobachten wolle.

Auch in Sachsen weiß man nichts von einem Gender-Verbot. „In Sachsen gibt es kein ‚Gender-Verbot‘, sondern Rechtschreibregelungen“, heißt es ebenfalls auf F.A.Z.-Anfrage aus dem dortigen Kultusministerium. Eine gendergerechte Sprache werde vom Ministerium aber ausdrücklich befürwortet. Genannt werden dafür Paarbildungen wie Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer oder auch geschlechtsunabhängige Formulierungen wie „Lehrkräfte“. […]

Was heißt das nun für das von Söder geplante „Gender-Verbot“ in Bayern? Und kann man das Gendern überhaupt noch verbieten? „Es ist de facto schon verboten, denn das amtliche Regelwerk der deutschen Sprache ist für uns verbindlich“, sagte dazu der Sprecher des bayerischen Kultusministeriums der F.A.Z. In dem von den Freien Wählern geführten Ressort stieß Söders Ankün­digung auf Befremden. Kultusministerin Anna Stolz teilte mit, man habe erst im Sommer die Schulaufsichten abermals darauf aufmerksam gemacht, dass nach den Regeln der Amtlichen Rechtschreibung zu unterrichten sei; das gelte auch für das Unterrichtsgespräch.

Lehrpläne und Lehrmittel seien „eindeutig auf das Amtliche Regelwerk ausgerichtet“, hieß es in einem Schreiben des Ministeriums an die Schulaufsichten im vergangenen Juli. Lehrer sollten demnach nicht gendern, und Schüler dürften nicht dazu gedrängt werden. Das Ministerium sehe darum derzeit keinen Handlungsbedarf, werde aber prüfen, ob weiterer Änderungsbedarf bestehe. […]

Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) und stellvertretende dbb-Bundesvorsitzende, Simone Fleischmann, hingegen ist überzeugt, dass die Diskussion nicht mehr zurückzudrehen ist: „Was hier diskutiert wird, ist Spiegel einer gesamt­gesellschaftlichen Entwicklung. Die jungen Leute wollen, dass Diversität abgebildet wird“, sagte sie der F.A.Z. Jedes Kollegium denke zurzeit darüber nach, wie Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern angesprochen werden sollten; „Angesagte“ Lehrkräfte seien in den Augen der Kinder und Jugendlichen oft gerade diejenigen, die gendern.

Für bestimmte Personen, beispielsweise ältere Menschen, sei das Gendern natürlich schwierig und gewöhnungsbedürftig, gibt Fleischmann zu. Ein Verbot werde aber ihrer Meinung nach vor allem bei den Lehrkräften auf Unverständnis und Widerstände stoßen. „Lehrkräfte haben und beanspruchen für sich die pädagogische Kompetenz, mit den Themen und den Fragen der Schülerinnen und Schüler angemessen umgehen zu können und diese im Rahmen angemessener Freiräume zu moderieren. Diese Freiheit ist enorm wichtig, und das wollen sie sich auch nicht verbieten lassen.““

Kleine Anmerkung: In Nordrhein-Westfalen, wo ich derzeit an der Uni unterrichte, gab es Rundmails, in denen Gendern als zeitgemäß erwähnt wurde; man möge auf geschlechtergerechte Sprache achten. Wie man das mache, also zum Beispiel durch „Schülerinnen und Schüler“ oder „Schüler*innen“, sei den Lehrenden überlassen.

Noch eine Anmerkung: Die Stadt München nutzt die Sternchen ganz offiziell in ihrer Kommunikation im Internet, so zum Beispiel das Lenbachhaus als Städtische Galerie auf seiner Website. Da bin ich jetzt doch gespannt, ob die Kommune sich das verbieten lassen wird.