Tagebuch Dienstag/Mittwoch, 15./16. August 2023 – Sommer

Zwei kleine Urlaubstage. Am Mittwoch die letzten Reste des Podcastabends mit anschließendem Weinflaschenleeren beseitigt, ansonsten mit F. rumgelungert. Immer perfekt.

Gestern nichts gemacht außer zu lesen, ein bisschen zu kochen, nicht zu viel, es ist Sommer, aber scharfer Tofu geht ja immer und dauert nicht lang, die zweite Staffeln von „The Bear“ nochmal angefangen, die hatte ich beim ersten Schauen zu hektisch verfolgt.

Derzeitiges Nicht-Arbeitsbuch: Klaus Manns „Mephisto“ in schöner DDR-Gestaltung; beim letzten Besuch in Halle aus einem Antiquariat mitgenommen, hier mit Charlotte-Salomon-Lesezeichen aus dem Jüdischen Museum in Amsterdam. Der Roman ist schon gemeinfrei, da Mann bereits 1949 verstarb.

„Das schöne Hotel an einem der oberbayrischen Seen hatte Nicoletta empfohlen, die das junge Paar auf seiner kleinen Hochzeitsreise begleitete. Barbara war hier sehr glücklich: sie liebte diese Landschaft, die, mit ihren hügeligen Wiesen, Wäldern und Gewässern, noch sanft, noch unpathetisch war, aber doch schon das Heroische und Kühne als ein Element und eine Möglichkeit in sich enthielt. Bei föhnigem Wetter schien das Gebirge ganz nah heranzukommen. Im Licht des Sonnenuntergangs verfärbten die zackigen Gipfel, die schneeigen Hänge sich blutig. Noch schöner aber fand Barbara ihren Anblick, wenn sie, während der Stunde vor dem Dunkelwerden, in einer erhabenen Bleichheit, in einem eisigen Frieden standen und wie geformt aus einer fremden, spröden, unendlich kostbaren, bei aller Härte sehr empfindlichen Substanz, die nicht Glas zu sein schien, nicht Metall und nicht Stein, vielmehr die seltenste und gänzlich unbekannte Materie.

Hendrik war unempfänglich für Reiz und Größe der Landschaft. Die Atmosphäre des elegant geführten Hotels beunruhigte und erregte ihn. Den Kellnern gegenüber verhielt er sich mißtrauisch und reizbar; er behauptete, daß sie ihn schlechter behandelten als die übrigen Gäste, und machte Barbara Vorwürfe, daß sie ihn jetzt schon dazu verleite, über seine Verhältnisse zu leben. Anderseits war er voll Genugtuung über das feine Milieu. »Es sind außer uns beinah nur Engländer hier!« stellte er befriedigt fest.“

Klaus Mann: „Mephisto. Roman einer Karriere“, Berlin/Weimar 1971 (Erstausgabe Amsterdam 1936), S. 128.