Freitag, 2. Dezember 2022 – Perfektion

Der letzte Ausflug in ein Sternerestaurant war leider nicht das, was wir uns gewünscht hatten, aber wir sagten seitdem öfter den Satz: „Bei Tohru wird’s dann wieder gut.“ Nein, wurde es nicht. Es wurde perfekt.

Wir waren zum vierten Mal in diesem Jahr bei Nakamura, weil es immer ein kleiner Urlaub ist. Unser Wasser stand schon bereit, man weiß inzwischen, dass wir gerne Wasser mit Kohlensäure trinken, danach muss gar nicht mehr gefragt werden. Vor wenigen Monaten stand ein handgeschriebenes Schildchen auf „unserem“ Tisch – wir sitzen komischerweise immer am selben Tisch, aber es ist dann halt auch der tollste im Laden, wie wir finden; dieses Mal wurde der Name des Reservierenden, unter dem ich anscheinend auch laufe, it’s fine, gleich auf die Speisekarte gedruckt, und ich war schon nach wenigen Minuten happy und entspannt und fühlte mich wie eine Königin.

Ich wollte eigentlich nur ein Foto fürs Blog machen, aber dann gefiel mir noch ein Gang, den ich im Bild festhalten wollte, nur für mich, ich denke nicht mehr als Bloggen, wenn ich irgendwo bin, das habe ich mir in diesem Jahr abgewöhnt, aber vielleicht gewöhne ich es mir wieder an. Dann fotografierte ich den dritten Gang, dann den vierten und irgendwann halt alles, weil alles auf den Tellern so großartig war. Ich stelle nicht alle Bilder in diesen Eintrag, bei manchem bin ich der Meinung, sie werden dem Gang in originaler Optik nicht gerecht.

Wir waren 2019 das erste Mal bei Tohru, damals noch im Werneckhof. Dann kam Dings, Sie wissen schon, wo alle Restaurants nur noch Fensterservice anboten, so auch Tohrus Team, das ernsthaft Fried Chicken und Burger briet, dann gab’s ein Pop-up, und seit fast genau einem Jahr hat Nakamura seinen eigenen Laden. Als wir dort Anfang diesen Jahres das erste Mal waren, meinten wir übereinstimmend, dass sich seine Küche fokussierter anfühlte als vorher, noch stringenter. So aßen sich auch die anderen beiden Menüs, die wir 2022 genießen durfen, und so erwarteten wir das auch gestern. Aber warum auch immer fühlte es sich gestern erneut wie ein Sprung an, wie das Unlocken des nächsten Levels. Wir konnten keine Worte dafür finden, was wir aßen und tranken und genossen und das versuche ich hier auch gar nicht. Es war aber einfach eines der größten Glücksgefühle, die uns je in einem Sterneladen zuteil wurde.

Rote Riesengarnele mit Algen. Ich war so verliebt in das kleine Wäldchen aus Algen und Kräutern, dass ich es kaum zerstören wollte.

Ein Knusperchip aus Krabben, dazu eine Bisque zum Trinken, bei der ich kurz davor war, mit dem Finger das Becherchen auszukratzen, so gut, warm, fett, weich, rund und würzig war sie.

Mit dem Bild bin ich nicht so glücklich, weil es dem Gang nicht gerecht wird, aber das musste online, denn von der Kaffeesauce, die den Thunfisch im Chicoree umspielt, bekamen wir am Ende des Abends einfach noch eine Portion für zuhause mit. Offensiv zu wimmern und den Teller nicht hergeben zu wollen, scheint zu funktionieren.

Ein Zaubergang. Waller mit einem knusprigen Chip, hauchzarten Rote-Bete-Blättchen und Schwarzkümmel, der allem eine nussige Note gab. Herrliche Texturen.

Reh mit Sanddorn und einem Jus, den wir fast komplett auslöffelten. Normalerweise lassen wir die zusätzlichen Saucen, die mit den Tisch gebracht werden, eher stehen, dieses Mal aßen wir alles auf, was vor unseren Nasen war. Bloß nichts überlassen von diesen Herrlichkeiten.

Das erste Dessert von dreien, das sich deutlich wie eins anfühlte, aber einen nicht zuckerverklebt zurückließ. Ein kleines Karottenküchlein, Rosinen, ein Sorbet, bei dem wir nicht mehr wissen, ob es Verbene oder Apfel war, egal, toll und wunderschön.

Die Kirschblüte, die ich blöderweise nicht ganz fotografiert habe, weil ich den Chip auf dem Foto sehen wollte, auf dem die Blüte liegt, kommt aus Japan; die hat Nakamuras Vater rübergeschickt. Hat sich gelohnt. Unter der Kirschgeleedecke ist übrigens Milchreis, der sehr anders schmeckt als der, den ich zuhause als Comfort Food mache. Wie souverän ist es bitte, Milchreis in einem Sterneladen anzubieten?

Schoko-Tonka-Sesam-Fingerfood als Abschluss.

Und weil ich tapfer das Kochbuch mitgeschleppt hatte, wurde es auch signiert.

Wir wählten wie immer die Weinbegleitung, für die uns der Service viel Zeit ließ. Wir saßen auch hier fünf Stunden, die sich aber nie wie diese lange Zeit anfühlten. Perfektes Timing, herrliche Weine – der einzige rote, ein Pinot Noir aus dem Burgund, durfte zwei Gänge lang vor uns in Gläsern am Tisch atmen, bevor wir uns an ihn herantrauten. Zusätzlich bekamen wir als Goodie zwei Gläser Riesling, der noch von der vorgestrigen Ein-Jahres-Feier da war, der nicht auf der Karte stand. Mir persönlich hat ein Chardonnay aus dem Burgund so ziemlich das ganze Jahr gerettet, der war unglaublich. (Das Restaurant besitzt nur zwei Flaschen.)

Ich kann kaum beschreiben, wie gut und aufgehoben und umsorgt wir uns gestern gefühlt habe, weil der Service bei Tohru immer gut ist, aber warum auch immer waren gestern nicht nur das Essen und die Weine, sondern eben auch alles drumrum den Extratick besser. F. und sprachen den gesamten Heimweg über das Essen und lungerten dann noch abgeschminkt und mit geputzten Zähnen in der Küche rum, um weiter über das Essen sprechen zu können, und als wir endlich um 2 Uhr im Bett waren und eigentlich schlafen wollten, lagen wir im Dunkeln und sprachen NOCH eine Stunde über das Essen. Ratet, was wir heute morgen gemacht haben.

Wir haben gestern sehr oft Danke gesagt und ich mache das hier nochmal, denn das war ein großes Geschenk. Danke.