Tagebuch Samstag, 19. Dezember 2020 – Fresh, aber müde

Sehr lange geschlafen, ebenfalls sehr lange noch gemeinsam im Bett mit F. und zwei Smartphones rumgelungert, erst gegen 12 den Tag begonnen. Mich im Nachhinein über die Erfindung der Geschirrspülmaschine gefreut, muss man ja auch mal festhalten, wie praktisch die Dinger sind. Für mich alleine werfe ich sie eher selten an, außer nach langen Keks- und Kuchenbackschlachten, aber sobald wir zu zweit am Tisch sitzen, lohnt es sich schon, das schmale Maschinchen zu füllen. Danke, Erfinder*innengeist!

Für die Zeit zwischen 14 und 16 Uhr hatte sich bei mir erstmals eine Amazon-Fresh-Lieferung angekündigt; ich versuche derzeit alles, um nicht aus dem Haus zu müssen. Ab ca. 14.30 konnte ich das Lieferfahrzeug auf einer animierten Karte verfolgen und mir wurde angezeigt, wieviele Stopps noch vor mir dran waren, mit sowas kriegt man mich ja immer. Als ich sah, wie nah der Fahrer meiner Haustür war, lehnte ich mich wie eine Rentnerin aus dem Fenster, um von der Karte auf dem Screen zum Realbild umzuschalten, und schaute dem Fahrzeug zu, wie es in meine Straße einbog. Der Fahrer trug eine Maske – ganz im Gegensatz zum Auslieferer von DPD vorgestern –, ich auch, alles prima, keine Minute Kontakt mit halbwegs Abstand im Treppenhaus.

Augsburg bei einer Niederlage gegen Frankfurt zugeschaut, immerhin ein ansehnliches Spiel. Es sah äußerst ungemütlich im Stadion aus, ich freute mich ein ganz winziges bisschen darüber, unter einer Kuscheldecke auf dem Sofa zu sitzen und nicht unter eben dieser Decke in der Arena zu pöbeln. F. und ich diskutierten schon öfter die Auswirkungen von Corona auf den Live-Sport: Selbst die härtesten Stadiongänger*innen gewöhnen sich gerade notgedrungen an den Fernsehsport – wieviele von ihnen kommen wieder in die Kurven? Andererseits freuen wir beide uns genau schon darauf: eben endlich wieder live dabei zu sein. Vielleicht nicht gerade bei minus 1 Grad im Dezember, aber das gehört dann halt dazu. Es bleibt kompliziert.

Den Rest des Tages verbrachte ich damit, meine Liste mit den Favorite Entrys dieses Jahres zu aktualisieren und kam abends bis Ende März. Ich wurde durch meine eigenen Blogeinträge daran erinnert, wieviel Arbeit, Archivsuche und Rumpuzzelei in der Diss gesteckt hatte – das hatte ich ernsthaft schon wieder alles vergessen, diese Freude über einen Halbsatz in einem Dokument, der eine Theorie belegt, oder der Frust über einen, der eine andere ruiniert. Ich meinte gestern auf Twitter, dass in viel zu vielen dieser Einträge noch Zeug steht, das ich seitdem widerlegen konnte, und überlegte laut, ob ich diese Einträge lieber löschen sollte. Es kam daraufhin ein Tipp für eine Erweiterung, zum Beispiel fürs Impressum, in der ich darauf hinweise, dass meine Einträge meine Kenntnisse zu jenem Zeitpunkt darstellen und dass diese danach möglicherweise komplett widerlegt werden. Ich erweiterte mein Impressum dahingehend – und stellte jetzt beim Aufschreiben fest, als ich den Link dazu suchte, dass ich im Blog gar kein Impressum mehr habe, sondern nur noch auf der Startseite für alles. Upsi. Eben den Text ins neue Impressum kopiert.

Ich wurde durch diese Einträge auch wieder an den Beginn der Corona-Zeit in Deutschland erinnert und wie hysterisch wir (ich) damals Handys und Wohnungsschlüssel desinfiziert haben, während heute bei weitaus höheren Infektionszahlen lustiges Adventsshoppen angesagt ist. Ich verzweifelte wieder kurz an allem und merkte, dass die Entscheidung, Weihnachten nicht zu den Eltern zu fahren, die richtige war. Bin trotzdem traurig. Und wütend. Vermutlich wie alle, die irgendwie kurz über alles nachdenken. (Gestern auf Twitter die Formulierung „Leerdenker“ gelesen, fand ich gut.)

Beim Bayern-Spiel um 18.30 Uhr weggedöst, auch beim Lesen danach und bei einer Serienfolge, also schon um 22 Uhr im Bett gewesen. Komatös bis heute um 9 geschlafen. Ich war und bin sehr müde.

Dafür heute morgen ein spannendes Kalenderblatt beim Deutschlandfunk gehört – es ging um die „Besetzung“ Helgolands 1950 von zwei Studenten. Dadurch lernte ich, dass Helgoland nach dem Zweiten Weltkrieg noch als Bombentrainingsgelände der Royal Air Force diente, wusste ich nicht. Ich wusste auch nicht, dass die Insel erst seit 1890 zum deutschen Staatsgebiet gehörte; die ältere, emotionale Bindung wird auch im Beitrag erwähnt, mehr zur Geschichte in der Wikipedia.

Ich musste sofort ein an bekanntes Werk der NS-Kunst denken: „Die Wacht“ (1940), das zwei Seeadler zeigt, die vor Helgoland kreisen. Der Link zu GDK-Research, wo das Bild natürlich zu sehen ist, ist hier noch aus einem zweiten Grund interessant: Auf der Rahmenrückseite ist noch das Rücksendeetikett der GDK an den Käufer zu sehen. Wie bei vielen anderen Werken auch machte man sich mit Adresse und Namen hier nicht viel Mühe. Dort steht schlicht: „Der Führer“.

Michael Mathias Kiefer war eigenlich Tier- und Landschaftsmaler, das sieht man ganz gut an seinen weiteren Einreichungen auf den GDK. Soweit ich weiß, war „Die Wacht“ sein einziges Werk, in dem er die üblichen Viecher mit einer eindeutig ideologischen Aussage verknüpfte, eine Taktik, die vieler Maler*innen anwandten, um ihren meist banalen Bildinhalten eine gewisse Weihe mitzugeben. Siehe Protzens Autobahnbild, das „Straßen des Führers“ heißt. Oder zwei Hafenszenen von Walter Hemming, die den Titel „Die Heimat schafft“ tragen. (Bei „Die Heimat schafft I“ wird sogar der Artikel auf dem Rücksendeetikett weggelassen, hier steht nur „Führer“. Bei Protzen steht als Käufer „Reichskanzlei“.)

Dass die Adler vor Helgoland nicht nur die Reichsgrenze symbolisieren, sondern dass diese noch recht neu ist, habe ich erst heute morgen verstanden.