Tagebuch Donnerstag, 29. Oktober 2020 – Plunderteilchen und Judo-Flashback

Im Prinzip Schreibtischtag, aber durchbrochen von Hefeteiginseln und Bagelbacken und sehr viel Schweiß auf der Yogamatte.

Vorgestern hatte ich erneut Bagelteig angesetzt und dieses Mal das immer noch nicht im Haus befindliche Backmalz durch Honig anstatt durch Rübensirup ersetzt. Die Bagels gingen besser auf, und nach dem Anpassen der Backzeit von 14 auf 12 Minuten hatte ich ziemlich perfekte Bagels. Sobald dieser Eintrag online steht, korrigiere ich das Bagelrezept und empfehle es hiermit uneingeschränkt weiter.

Nebenbei ging über Stunden ein bisschen Plunderteig, denn ich hatte mir in den Kopf gesetzt, Kirschplunder zu backen. Dafür wird der Hefeteig wie für Croissants ewig touriert, daher dauerte das etwas. Das Endergebnis war, vielleicht wegen des leicht anderen Grundrezepts und meiner Schusseligkeit beim Tourieren – hatte ich das jetzt schon gedreht oder nicht? –, nicht ganz so plunderig wie von der Bäckerin, aber nah dran. Auch die Form war noch nicht so elegant, wie ich sie haben wollte, ich werde weitere, konzentriertere Versuchsreihen starten müssen, es hilft ja nichts.

Im Interweb-Sportkurs war zum dritten Mal Shotokan angesagt. Den ersten Durchlauf hatte ich etwas verwundert erledigt, weil ich längst nicht so verschwitzt war wie sonst. Den zweiten hatte ich quasi nur nebenbei laufen gelassen, damit das Programm glaubt, ich hätte ihn erledigt, und warf danach etwas anderes an. Gestern war ich aber brav bei der Sache und stellte fest, dass es doch mehr Spaß machte als erwartet.

Die gut 20 Minuten waren eher tiefe Ausfallschritte mit zum Kampf erhobenen oder den Körper schützenden Armen, aber es hat mir dann doch gefallen, mich an mein Judo-Training zu erinnern, das ich vor Jahrzehnten als Kind und Jugendliche gemacht hatte. Schon der Blick ins Video, wo der Trainer auf einem bestimmten Boden stand, erinnerte meine Füße an das Gefühl, auf Judomatten zu stehen anstatt auf meiner blöden Plastikyogamatte, die auf einem Holzfußboden ruht. Ich weiß nicht, auf welchem Untergrund Karate ausgeführt wird, vermutlich auf einem ähnlichen. Die Judomatten waren fest genug für einen guten Stand, aber weich genug, auch wenn das Wort wie eine Übertreibung scheint, dir beim Aufprall nach Würfen nicht weh zu tun. (Stelle beim Rumgoogeln gerade interessiert fest, dass ich mir die auch für Zuhause kaufen könnte, wenn ich irre wäre.) Auch wenn mich diese Übungen nicht so richtig ins Schwitzen brachten, genoss ich es dieses Mal sehr, mich wieder auf meinen Körper zu konzentrieren und feste Übungen nach einem Schema auszuführen, immer im Wechsel Bewegen – Halten – Bewegen – zur Ruhe kommen.

Generell merke ich, dass ich seit den letzten Tagen anders gehe, stehe und rumsitze (außer auf dem Sofa vor Serien), etwas aufrechter und bewusster. Das ist sehr schön. F. meinte vorgestern, ich fühle mich beim Umarmen anders an, darüber denke ich noch nach. Ich bin mir relativ sicher, dass sich am Gewicht nicht viel verändert haben kann bei den ganzen Bagels und Kirschplundern, die ich verspeise, aber ich merke schon bei einigen Shirts, dass sie lockerer sitzen. Vielleicht verteilt sich meine Körpermasse gerade um. Ich lasse sie einfach machen.

Nach dem konzentrierten Kampfsport light klickte ich auf ein neues Video, das Mobilität versprach und hauptsächlich am Boden stattfand. Ich dachte noch launig, das wird nett, war es auch, aber ich habe noch nie so viel geschwitzt wie in diesen 30 Minuten. Erneut der Lerneffekt: Wenn man sich nach und nach bestimmte Bewegungen zutraut, wächst auch das Vertrauen in den eigenen Körper, ein bisschen aus der Komfortzone rauszugehen. Das tat ich gestern gleich mehrfach und war danach die ganze Zeit voller Endorphin, bis ich schließlich plundersatt vor einer Serie wegdöste.

Ich bereite gerade hauptsächlich meine Verteidigung vor, die in drei Wochen stattfinden wird, und lese dazu konzentriert die Diss, die ich in den vier Monaten seit der Abgabe nur kursorisch oder gezielt auf der Suche nach Infos für den Vortrag beim Doktorandenkolloquium durchgeblättert hatte. Natürlich fallen mir jetzt ewig Dinge auf, die ich anders hätte formulieren können oder sollen – aber andererseits auch viele, bei denen ich denke: Ja, das ist gut. Ich hoffe, meine Prüfer:innen sehen das auch so.