Was schön war, Montag bis Freitag, 8. bis 12. Juni 2020 – Besser als Sex

Am Montag saß ich erstmals im Archiv des Deutschen Museums. Sonst gehe ich da nur in die Bibliothek, biege also am Eingang morgenmüde und vorfreudig gleich hinter dem Eingang nach rechts ab (nach Anmelden, Zeug wegschließen, Maskensitz überprüfen, nochmal die Händchen desinfizieren, Sie wissen schon). Dieses Mal wurde ich vom Pförtnerhäuschen abgeholt, weil ich nicht wusste, wo es langging. Die zwei Treppen nach oben hätte ich vermutlich auch alleine gefunden, aber hey, Service! Das ging auch gleich so weiter: Wo man sonst einfach mit den Akten allein gelassen wird, bekam ich hier eine kleine Einführung – nur mit Bleistift schreiben – „Ich hole Ihnen mal einen“ –, die Ordnung der Dokumente nicht verändern, auch wenn sie gut gemeint ist, die Lose-Blatt-Sammlungen möglichst wieder bündig in die Schachtel legen etc. Kenne ich alles, mache ich auch immer (bloß den Bleistift vergesse ich immer und notiere, wenn es sein muss, dann mit meinem fiesem Tintenroller möglichst weit weg vom Tisch in mein Notizbuch, SORRY! und gucke danach auch, ob kein Schmodder an meinen Händen ist), aber anscheinend sehe ich mit meiner hellblauen Blümchenmaske so aus, als wüsste ich nicht, wie man sich im Archiv zu verhalten hat. Egal, Service! Aber das tollste waren die kleinen Papierstreifen, die mir überreicht wurden, auf denen man sich die Signatur notieren kann, wenn man Dokumente fotografiert, die man hier netterweise fotografieren durfte. Wie toll! Sonst habe ich dafür immer mein Notizbuch geschreddert oder halt alles gleich in die Fußnoten getippt in der Hoffnung, nichts zu vergessen, aber das ist doch mal eine clevere Idee. Top Archiv, gerne wieder.

Und nebenbei viel gefunden, wenn auch nicht alles, aber die Diss ist wirklich lang genug.

Der Weg morgens in Richtung Museum war beim Radeln schon schön, zurück ist es noch schöner, weil es da direkt an der Isar ein bisschen bergab geht. Mein Rad hat nur acht Gänge und ich hätte gerne elf gehabt. Herrlich!

Montag nachmittag war dann nicht ganz so herrlich, da kam ein kleines Hindernis auf dem Weg zum Diss Bliss, aber das habe ich inzwischen veratmet. Abends gemeinsam eingeschlafen und dabei gemerkt, dass wir beide unseren fünfjährigen Jahrestag verpennt haben.

Dienstag musste ich weiterhin Dinge veratmen und dabei Kuchen backen. Merke: Wenn du irgendwas mit „torched meringue“ machen willst, guck vorher, ob deine Torch noch funktioniert bzw. du eine Ersatzpatrone im Haus hast. Aber die Meringue war eh nicht glossy wie geplant sondern eher brockig, passte also alles in seiner Nicht-Funktion. Lemon Curd und Biskuit waren aber gut.

Mittwoch nichts mehr veratmet, sondern ins Bällebad geradelt. Im ZI meine vierseitige To-Do-Liste weiter abgearbeitet, die Stand gestern abend nur noch gut zwei Seiten umfasst. Das war ein sehr anderes Arbeiten als ich es jahrelang gewöhnt war. Anstatt mir gemütlich acht Kilo Bücher an den Platz zu holen und entspannt zu lesen, rannte ich hier mit meiner ausgedruckten Liste, auf der die Signaturen stehen, durchs Haus, sammelte, rief die betreffende Seite im Dokument auf, korrigierte, nahm das nächste Buch, arbeitete den Stapel ab und rannte wieder los, um einen neuen Stapel zu holen. Meistens geht es nur um Flüchtigkeitsfehler wie fehlende Seitenzahlen oder eine Schreibweise überprüfen oder irgendeinen komischen Bezug in einem Zitat checken, das ich beim Korrigieren seltsam gekürzt und damit gefühlt sinnentstellend umformuliert habe. Richtig lesen muss ich nichts mehr oder nur wenig, das kommt nächste und übernächste Woche als quasi finaler Schritt.

In der Zwangsmittagspause zu Suckfüll gefahren, dem besten Laden aller Zeiten, weil der einfach alles hat. Meine auf der Fensterbank gezogenen Tomaten brauchten größere Töpfe und langsam auch mal längere Stangen als meine Essstäbchen, an die ich sie anbinden könnte. Normalerweise fahre ich für sowas ins Gartencenter, aber ich will gerade keine Öffis nutzen. Also Suckfüll. Von dort erstand ich drei Kunststofftöpfe, die bequem auf den Gepäckträger passten und drei Bambusstangen, die ich gnadenlos einen Meter oben aus meinem Rucksack gucken ließ. Damit fühlte ich mich wie eine amerikanische Ur-Einwohnerin mit Pfeilköcher und Bogen auf dem Rücken. Vielleicht sollte ich mal Bogenschießen ausprobieren. Für eine hibbelige Brillenträgerin bestimmt genau die richtige Sportart.

Donnerstag war in Bayern mal wieder Feiertag, daher saß ich den ganzen Tag am Schreibtisch und begann die jetzt aber wirklich letzte Korrekturschleife. Alles bis 1933 ist jetzt fertig, final, da fehlt nix mehr, das lass ich jetzt so.

Abends hatte ich einen Tweet in meiner Timeline, der meinen Geisteszustand gerade sehr gut beschreibt:

Ich denke zwar, meist beim Einschlafen, dass ich gerade erst an der Oberfläche meines Stoffs kratze und eigentlich noch ein Jahr daran weiterschreiben sollte, aber jetzt, beim vierten Korrekturgang und nach ungefähr anderthalb Jahren Durchschreiben dachte ich nach dem Lesen der Einleitung zu NS-Kunst, den Autobahnen und der Autobahnmalerei: Das ist gut. Das ist wirklich gut. Das hatte ich zu Uni-Zeiten selten.

Gestern wieder Bällebad, Liste abarbeiten, den Doktorvater auf der Treppe der Bibliothek getroffen, der natürlich ins Büro wollte – „Heute ist mein letzter Urlaubstag“ – ach, Vati –, den Rest des Tages am heimischen Schreibtisch weitergearbeitet, mich bis Ende 1935 durchgekämpft und auch da gedacht: Das ist gut.

Feierabend auf dem Balkon und lauter neue Follower auf Instagram, weil Herr @nilzenburger ihnen in einer seiner Storys gesagt hatte, wenn man mich liest, möchte man wieder studieren.

Möchte ich auch, Hase. Möchte ich auch.