Tagebuch, irgendwie letzte Woche bis Sonntag, 1. Dezember 2019 – Heimkommen

Ich wunderte mich die letzten Tage in der alten Heimat, warum ich so viele Kekse backen sollte, aber irgendwann fiel mir auf: Das gehört zum Zuhausefühlen, das gehört in den Advent, da wird es früh dunkel, da hängt man Tannengrün auf, da backt man Kekse. Mama hat jetzt anderes zu tun, also übernehme ich das, damit sich das nicht auch noch ändert. Wieder was verstanden, was so diffus mit „Zuhausefühlen“ umschrieben wird.

Kekse habe ich nicht anständig fotografiert, aber mein geliebtes Kartoffelgratin, das ich immer gerne zubereite. Die Kombi Grün-Orange in der Elternküche hat mich ewig wahnsinnig gemacht, inzwischen finde ich sie sehr stylo.

Ein bisschen an der Diss konnte ich auch arbeiten, meist wenn die Pflegekräfte da waren oder wenn Papa geschlafen hat und Mama außer Haus war. Dabei ist mir mal wieder aufgefallen, wie ich dauernd mit mir selbst rede, wenn ich dissertiere. Der Text entstand letzte Woche und ist noch nicht korrekturgelesen, aber das „für“ in der ersten Zeile schmeiße ich auf jeden Fall noch raus.

Das hier ist übrigens der erwähnte Poetzelberger.

Auch auf Ancestry habe ich mich weiter rumgetrieben. Bei Protzen war ich noch nicht weiter groß fündig, aber man kann ja auch mal in den eigenen Vorfahren rumwühlen. Gut, dass Papa auf der Rückseite des Hochzeitsbildes seiner Großeltern die Geburts- und Heiratsdaten notiert hatte. Das Bild (Oldenburg 1902) steht jetzt hier bei mir in München, neben dem Holzklotz von Opa.

Am Samstag gab es im Großraum Hannover den öffentlichen Nahverkehr kostenlos. Die S-Bahn war voller als erwartet, sehr schön. Mein ICE hatte 30 Minuten Verspätung, aber ich hatte Kaffee und ein Buch und ein Smartphone voller Zeitfresserchen. Und wenn man gerade eine Woche Elternpflege hinter sich hat, ist eine Zugverspätung eh das Unwichtigste auf der Welt. Ist sie eigentlich fast immer.

Zuhause fand ich einen kleinen Papieradventskalender vor, den mir F. hingestellt hatte. Davon fotografierte ich sofort die Abbildung auf der Rückseite und werde das Bild jetzt jährlich im Advent irgendwo auf Twitter verteilen.

Irgendwann im Dezember müssen F. und ich auf den Augschburger Christkindlesmarkt, das gehört sich bei uns so (ich mag Pärchentraditionen). Alle kommenden Adventswochenenden sind schon ziemlich dicht, und beim Heimspiel vom FCA am 17. Dezember in Fußballklamotten einen Glühwein runterstürzen wollten wir auch nicht. Also fuhren wir gestern, ich immer noch hüstelnd, die Erkältung hatte nicht so richtig die Chance gehabt, ganz zu verschwinden.

Wir nahmen die Tram zum Moritzplatz, von wo es zur Bosna nur wenige Fußmeter sind, und am Bosnastand erwischte mich dann erstmals Last Christmas. Am 1. Dezember! Zu früh! Aber: gute Wurst, auch wenn sich mir die Kombi von heißem Brät und arschkalten Zwiebeln plus Sauce immer noch nicht erschließen mag. Aber: Tradition.

Danach ging’s an unseren Lieblingsstand, wo auch F. dieses Mal keinen Glühwein trank, sondern meinen geliebten Zirbelzauber, über dessen Name ich mich immer lustig gemacht habe, weswegen ich ihn immer selbst bestellen muss. Es fühlt sich genauso bescheuert an wie „Einmal den Himbeerwuppi da“ beim Bäcker zu sagen, aber dafür gibt’s Alkohol.

Bis zum Engelesspiel blieben wir nicht, die Trams fuhren trotzdem schon nicht mehr, wenn die Engel auf dem Rathausbalkon stehen, soll davor gefälligst nicht rumgebimmelt werden, und so stapften wir den Weg bis zum Bahnhof zu Fuß zurück. Meine Lunge hielt sich wacker, aber so ganz fit ist sie noch nicht.

Manchmal weiß Papa, wo er ist, oft weiß er es nicht, gerade abends, wenn er schon mal weggedöst war und wieder aufwacht. Dann ruft er nach uns, man geht in sein Zimmer, beruhigt ihn und erzählt ihm, wo er ist. „Guck, da ist das Bild mit dem Segelschiff. Und da liegen deine Bücher.“ Und er sagt dann immer langsam: „Ja … ja … ich bin hier zuhause.“ Freitag abend kam dann noch ein Satz, bei dem ich fast angefangen hätte zu heulen, weil in ihm mitschwingt, dass Papa vielleicht doch mitbekommt, wie es ihm geht und dass es ihm früher mal anders ging: „Ich bin hier zuhause. … Ich weiß nicht, warum ich das immer wieder vergesse.“